Wer neue Bögen braucht

  • Seit Jahren war Catubodus nun das erste mal wieder in Alexandria. Wie sehr hatte er bei seinem ersten Besuch doch keinen Blick für die Wunder gehabt, die es in dieser Stadt zu bewundern gab. Er hatte durch seine Krankheit und seinen etwas überstürzten Aufbruch keine Zeit gehabt, sich die Stadt einmal ordentlich anzusehen und genau das holte er nun nach. Ausgehend von seinem Domizil, der saubersten Insula von Rhakotis, die am Rande dieses Stadtviertels lag, hatte er die gesamte Stadt besichtigt. Nachdem er in den letzten Tagen die weniger spektakulären Viertel der Stadt besichtigt hatte, wollte er sich heute einige der Sehenswürdigkeiten vornehmen. Den Morgen über hatte er zunächst das Museion bewundert und war dann über die Agora geschlendert. Seine Füße trugen ihn alsdann an Theatron vorbei und eine Weile genoss er es, einfach den Athleten im Gymnasion zu beobachten. Gegen Mittag dann war er am Kroneion vorbei zum Paneion marschiert, wo er im Schatten, der sich im Park ausreichend fand die Mittagshitze überstand. Zwar war er trotz seiner Keltischen Herkunft ja weit südlich aufgewachsen, doch wenn die Sonne im Zenit stand war es ihm in Alexandrias einfach ein wenig zu warm. Er plante noch vor dem richten Sommer, der noch kommen würde, die Stadt wieder zu verlassen. Sicher war sicher.


    Als ein kühles Lüftchen aufkam erhob er sich und marschierte schnurstracks auf den großen Markt am Hafen zu. Sein Magen hatte sich bemerkbar gemacht und er wollte seine Freizeit nutzen, um sich auch mal das Angebot genauer anzusehen als sonst und gegebenenfalls seine Ausrüstung zu vervollständigen. Dies und das mußte ersetzt werde und auch von dem Bogen seines Vaters würde er sich bald trennen müssen, denn dessen Zugkraft nahm allmählich ab. Er fragte sich ob er hier Ersatz bekommen würde. Wenn ja musste es wirklich ein guter Bogen sein, damit sich die Investition auch lohnte. Er hatte zwar in letzter Zeit als Beschützer von Karawanen und allerlei andere, lukrative Aufträge einiges verdient, doch er gab sein Geld nie mit vollen Händen wieder aus.


    Ein kleiner Snack später war seine Laune so gut wie schon lange nicht mehr und auf einem Stück Süßholz herumkauend sah er sich die diversen Auslagen an. Dann fiel ihm ein nubischer Händler auf, der neben schönen Elfenbeinschnitzereien auch ein Sortiment gut gearbeiteter Bögen ausgestellt hatte. Fachmännisch prüfte er, ein zwei Stücke und ignorierte dabei die Lobpreisungen des Händlers. An einem anderen Tag wäre er ihm womöglich unwirsch ins Wort gefallen, doch heute unterließ er es. Er spannte einen der Bögen. Die Zugkraft schien soweit ganz passabel, doch das Gerät war ihm ein wenig zu groß, verglichen mit den kompakten Modell, dass er noch immer benutzte. Auch wiesen die Bogenenden der nubischen Bögen nicht jene Gegenkurven auf, die seinen Bogen zwar schwieriger in der Handhabung, aber dafür weicher zu spannen und durchschlagkräftiger machten. Als Ersatz für den Notfall, sollte sich sein Bogen plötzlich auflösen, waren diese Bögen sicherlich absolut geeignet, wenn auch für diesen Zweck alleine vermutlich zu teuer. Er deutete auf den gespannten Bogen in seiner Hand und erkundigte sich trotz seiner Skepsis:


    "Was würde mich dieses Stück kosten?"

  • In den letzten Tagen hatte es einige Beschwerden über einen Nubier gegeben, welcher angeblich Bögen aus minderwertigem Holz verkaufte.
    Nun wollte sich der Agoranomos davon selbst ein bild machen und war auf den markt gegangen um das zu kontrollieren. Schnell war der besagte Händler ausfindig gemacht. gerade wollte dort ein blonder mann einen bogen kaufen, aber momentan war die Betriebserlaubnis des Nubiers außer Kraft gesetzt, auch wenn der das noch nicht wusste.


    "Entschuldige bitte" sprach er den Mann an, bevor der Nubier was sagen konnte "momentan ist dieser Bogen unverkäuflich, denn die Betriebserlaubnis dieses Standes ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben."


    Ànthimos hasste es, wenn auf seinem Markt Schund verkauft wurde, und nahm das beinahe persönlich, daher war er da auch wenig nachsichtig, ob er die potentiellen Kunden des Nubiers zu vergraulen.

  • Catubodus blickte dem Händler ins Gesicht und sah wie dieser zunächst mit übertrieben offener und zuvorkommender Miene eine Antwort geben wollte. Doch noch ehe ein Ton seiner Kehle entsprungen war klappte sein Kiefer geräuschvoll zu und Catu las Misstrauen und Sorgen in den Augen des Nubiers, die an ihm vorbei blickten. Catu folgte dem Blick und sah in das markante Gesicht eines stattlichen Griechen, der seiner Ausstrahlung und seines Gehabes zufolge ein wichtiges Amt bekleidete.
    Als dieser ihn nun ansprach war Catu ein wenig erstaunt, denn dass er etwas von dem Nubier wollte war offensichtlich. Catu drehte sich mit einem Schritt ein wenig zur Seite um einen besseren Überblick zu gewinnen und zugleich dem Griechen den Zugang zum Stand zu erleichtern.
    Gleichgültig legte er den Bogen zurück, bevor er antwortete:


    "So sehr war ich an dem Ding nun auch wieder nicht interessiert und wenn hab ich weniger Schaden am geplatzten Handel als er."


    Er deutete mit dem Kopf auf den Nubier und überlegte ob er einfach weiter gehen sollte. Er entschied sich aber dann zu bleiben und die Szene weiter zu beobachten. Monatelang hatte er keine Zeit gehabt Alexandria zu genießen, war immer auf Achse gewesen. Erst seit ein Paar Tagen hatte er sich frei genommen und ein wenig Abwechslung war neben all den doch etwas staubigen Sehenswürdigkeiten absolut kein Fehler.

  • "Nun mein Freund" sprach der Agoranomos zu dem Nubier, "ich habe fünf Beschwerden über dich erhalten, dass deine Bögen spätestens beim dritten Mal spannen nur noch als Feuerholz zu gebrauchen sind. Nicht nur dass es auf meinem Markt passiert, sondern es sind ausgerechnet noch nubische Bögen, wo man euch doch nachsagt ihr wäret die besten Bogenschützen der Welt. Was hast du dazu zu sagen?"


    Der Händler sah schon deutlich eingeschüchtert aus, was Anthi schon fast als Schuldeingeständnis sah.


    "Meine Bögen von guter Art! Muss ein Fehler sein! Probiert selbst!


    Ànthimos ließ sich das nicht zweimal sagen, und so nahm er den Bogen, den gerade noch der blonde Mann in Händen gehalten hatte und spannte ihn. Als er da so beschäftigt war, schloss der Nubier unauffällig einen großen Bastkorb, der nur eine Spalt geöffnet gewesen war... Derweil zog Anthi stark an der Sehne und das mehrere Male. Er tat dies mit ganzer Kraft und war sich sicher, wenn der Bogen von schlechter Qualität gewesen wäre, würde er das ganz sicher nicht aushalten. Verdammt, sollten die Anklagen wirklich ungerecht gewesen sein...

  • Interessiert beobachtete Catubodus die Szene. Würde der Grieche tatsächlich einen Mangel feststellen, den er nicht erkannt hatte? In den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr, als der Athlet eben den Bogen prüfte. Ohne seinen Kopf zu bewegen sah er genauer hin. der Nubier wollte augenscheinlich etwas vertuschen. Eine grobe Schätzung ergab, dass sich in dem Bastkorb leicht fehlerhafte Bögen verstecken ließen, die - so Catubodus Vermutung - dann beim Zustandekommen eines Geschäfts mit den einwandfreien ausgetauscht wurden.
    Während da und dort einige Passanten stehen blieben um ebenfalls die Situation zu beobachten überlegte Catu fieberhaft, was er tun sollte. Zum einen versuchte er stehts nicht aufzufallen, zum anderen war derartiger Betrug eine wahre Schande. Dann gab es da noch die Möglichkeit aus der Not des Händlers Kapital zu schlagen und ihn unauffällig zu erpressen. Allerdings verwarf er diese Option schnell wieder, denn mit dem Kontrolleur schien man im Notfall nicht ins Geschäft zu kommen. Korrupte Beamte waren ihm um einiges lieber.
    So entschied er sich denn für den ehrlichen Weg, war es doch auch der sicherste, auch wenn er sich selbst in Alexandria bei diesem Besuch nichts hatte zu Schulden kommen lassen.


    "Einst hat einer Holz gewunden. Heut ist was darin verschwunden."


    orakelte Catu, in der Hoffnung das die Geistesgaben des einen den Schlüssel bereithielten, wohingegen dem anderen der Sinn verborgen bleiben sollte. Schließlich wollte er den Nubier auch nicht warnen, behielt ihn jedoch genau im Auge, sollte er besser Koine verstehen als sprechen.

  • Zuerst dachte Ànthimos er hätte sich verhört, oder der blonde Mann hätte einfach mit dem Koiné Probleme und hätte da was durcheinander gebracht. Aber irgendwie ergaben die Worte einen gewissen Hintersinn, auch wenn er noch nicht so ganz dahinterstieg. Er runzelte die Stirn und schaute zuerst ihn und dann den Stand genau an. Einst hat einer Holz gewunden...Einst hat einer Holz gewunden Zuerst schaute er nach auffällig verzierten Bögen, deren Holz aussah als wäre es gewunden. Aber das war es nicht. Dann fiel ihm der große Bastkorb auf, über dem eine Decke lag...


    "Sehr schön, mein keltischer Freund. Du scheinst unsere Sprache zu beherrschen und kannst mich mit Gedichten erfreuen. Und das du hier Simonides von Keos zitierst freu mich als Griechen natürlich besonders, aber entschuldige, ich muss arbeiten."


    Offenbar wollte sein helfer nicht, dass der Nubier davon Wind bekam, und wenn der Betrüger sich nicht mit den Dichtungen des Simonides von Keos auskannte, war das wohl relativ wahrscheinlich. Er zwinkerte ihm mit seinem linken Auge zu, denn das war für den Händler nicht sichtbar.


    Anthi ging um den Stand herum und stellte sich genau vor den Korb. "Mach den Korb auf, ich möchte sehen, was darin zu finden ist." Nach kurzem Zögern wurde der Kopb geöffnet und Anthi sah die minderwertigen Bögen. Ehrlich gesagt musste man schon von ausgemachter Blindheit sein, um einen solchen Bogen zu kaufen, denn wenn man nur ein wenig davon verstand, sah man relativ schnell, dass diese Bögen nichts taugten. Nachdem er die Bögen dann kurz geprüft hatte, war die Sache klar.
    "Gut. Deine Betriebserlaubnis ist hiermit erloschen. Zur Strafe zahlst du 200 Sesterzen Strafe und du hast eine Stunde Zeit, den Stand abzubauen und den Xenai Agorai zu verlassen. Bit du danach noch da, werde ich dich von der Stadtwache entfernen lassen. Hast du das verstanden?"


    Das hatte er sehr genau und er bezahlte auch gleich die ausgesprochene Strafe, natürlich nicht ohne über diese Ungerechtigkeit zu lamentieren.

  • Zunächst sah es so aus, als würde seine List ins Leere laufen. Sogar tadeln lassen musste er sich, doch das Augenzwinkern, das darauf folgte signalisierte ihm, dass er erfolgreich gewesen war. Nun hatten die Musestunden in welchen er gelegentlich griechische Gedichtsbände zur Hand nahm doch tatsächlich einen Nutzen. Beinahe hätte ihn die Genugtuung, die er empfand, als er den weiteren Verlauf verfolgte dazu verleitet, einen Gedanken an ein redliches Leben zu verschwenden. Doch noch ehe seine Überlegungen an diesem Punkt ankommen konnten fiel ihm etwas auf.
    Der Grieche hatte seine Herkunft allzu schnell allzu trefflich bestimmt. Ein Gespräch war durch seine Einmischung in den Fall des Nubiers nahezu unausweichlich. Hätte er bloß seine Klappe gehalten, doch dieser Fehler war nicht mehr zu korrigieren. Nun stand Catubodus vor dreierlei Möglichkeiten. Zum einen konnte er sich aus dem Staube machen, doch würde er dadurch möglicherweise erst recht auffallen. Zum Anderen konnte er bei der Identität bleiben, die er augenblicklich benutzte, oder sich in Eile eine Neue ausdenken.
    Während der Nubier sich ereiferte und unter Protest seine Strafe zahlte, begannen sich die Leute die stehen geblieben waren wieder zu zerstreuen. Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit im Meer der Anonymität zu verschwinden und sich von einer Woge der Massen hinfort spülen zu lassen. Catu löste sich von dem Stand und machte Anstalten unterzutauchen. Würde der Grieche sein Verschwinden rechtzeitig bemerken?

  • Nachdem er fertig war, wollte er sich noch bei dem Kelten für dessen Hilfe bedanken. Doch er war nicht mehr da. Zum Glück war Anthi ja entsprechend groß, so dass er einen guten Überblick hatte und blonde Haare waren doch relativ selten in Alexandria. Und so hatte er dien haarschopf schon bald erspäht und nahm die Verfolgung auf. Da er den Xenai Agorai wie seine Westentasche kannte, hatte er ihn dank einer Abkürzung auch relativ schnell eingeholt. So legte er seine Hand auf Catus Schulter und meinte:


    "Warum denn die Eile, mein Freund? Ich möchte mich noch bei dir bedanken. Du hast der Polis und mir einen guten Dienst erwiesen. Darf ich dich auf einen Wein einladen?"


    Warum er hatte einfach so verschwnden wollen, erregte bei Anthi keinen Argwohn. Die meisten Bürger bekamen gleich ein schlechtes Gewissen, wenn sie einer Kontrollinstanz gegenüber standen, und suchten daher meist schnell das Weite.

  • Gerade meinte er dem Gespräch entkommen zu sein und überlegte ob es sich eher lohnte nach Pharos überzusetzen oder die Außenansicht der Basileia zu bestaunen als er die Hand auf seiner Schulter spürte. Er ahnte schon bevor er sich umdrehte, dass er der Aufmerksamkeit des Marktaufsehers nicht entgangen war. Innerlich fluchte er, sein Gesicht war hingegen war von einer freundlichen und offenen Miene als er antwortete:


    "Zu freundlich. Ich nehme gerne an, wenn es anstelle eines Weines ein Bier sein darf."


    Er konnte die Einladung schlechterdings nicht ausschlagen. Denn das wäre nun wirklich auffällig gewesen. Nur Wein musste es nicht unbedingt sein. Catu mochte das saure Zeug nicht, egal welcher Preislage. Das Bier dieser warmen Gefilde war dagegen weitaus lieber. Daher würde er es schneller getrunken haben und dann konnte er dem sich anbahnenden Gespräch umso schneller entfliehen. Je kürzer das Gespräch, desto weniger musste er von sich preis geben.

  • "Bier? Natürlich, schließlich sagt man die Ägypter machen das beste Bier der ganzen Welt. Ich bevorzuge allerdings Wein, denn Bier hat die unangenehme Angewohnheit einen entsprechenden Bauch zu verursachen, und das möchte ich wenn möglich umgehen. Aber heute werde ich mir auch mal eines genehmigen."


    Anthi steuerte sie zu einer Garküche welches, dem vernehmen nach, gutes Bier hatte und bestellte zwei Krüge. Promt bekam er die auch und drückte Catu einen davon in die Hand. Anschließend setzten sie sich auf eine nahestehende Steinbank.


    "Auf dein Wohl. Ich bin dir wirklich dankbar für deine Hilfe. Kann ich mich dir irgendwie erkenntlich zeigen?" Vielleicht brauchte er ja eine Arbeit oder sonst irgendwelche Hilfe, wie eine Unterkunft oder etwas ähnliches.

  • Aus der Bredouille in der er sich befand gab es keinerlei Ausweg also schloss er sich dem Griechen an. Unterwegs spuckte er das zerkaute Stück Süßholz aus um das Bier auch genießen zu können. An der Garküche nahm er selbiges entgegen, setzte sich und gönnte sich erst einmal einen kleinen Schluck. In der Tat war das Bier nicht schlecht um nicht zu sagen süffig. Er ließ es die Kehle herunterrinnen und öffnete dann erneut seinen Mund, nun jedoch um zu antworten:


    "Meine Hilfe ist doch nicht der Rede wert und mit einem Bier hinlänglich beglichen."


    Antwortete er seinem Gegenüber, doch um nicht durch seine Einsilbigkeit im Gedächtnis haften zu bleiben wie eine Fliege im Spinnennetz fügte er hinzu:


    "Als Bogenschütze sehe ich es nunmal nicht gerne, wenn man meine liebste Waffe in übler Qualität feilbietet."


    Damit war einer unauffälligen Konversation fürs erste hoffentlich genüge getan. Wenn es gut lief würde er wie geplant schon bald nach dieser Begegnung dem Vergessen anheim fallen.

  • "Da hast du wohl Recht. Mit der heiligen Waffe des Herakles einen Betrug zu begehen, sollte eigentlich noch deutlich härter bestraft werden. Zumal wir im Moment auch welche für die bevorstehenden Wettkämpfe kaufen. Nun, dieser Betrüger hat sich auf jeden Fall sein Geschäft gründlich verdorben und ich habe wieder mal ein dem Markt schädliches Subjekt unschädlich gemacht, dank dir."


    Anthi hob den Krug und nickte seinem Gegenüber zu bevor er auch einen Schluck trank. Ab und an war so ein Bier schon was gutes, aber Dionysos hin oder her, am Liebsten trank Anthi immernoch Saft.


    "Ich habe doch vorhin Recht gehabt, dass du ein Kelte bist, oder? Was treibt dich aus dem fernen Britannia denn nach Alexandria, und warum sprichst du unsere Sprache so gut?"


    Ihre keltische Sklavin konnte kein Koiné und auch ihr Latein war ziemlich schlecht, zumindest für griechische Maßstäbe.

  • Bevorstehende Wettkämpfe? Das klang ja interessant. Doch Catubodus hielt sich zurück, danach zu fragen, denn eine Teilnahme kam für ihn nicht in Frage, zu groß war das Interesse an derlei Veranstaltungen. Er prostete zurück und dann kam was er befürchtet hatte. Er hätte sich doch die Haare schneiden und färben sollen. Aber hatte sich seine Geschichte, mit der er in Alexandria auftrat nicht umsonst so zurecht geschnitten:


    "Nunja, ich rede nicht gerne über meine Herkunft. Ich stamme aus Chersonesos und meine Mutter nannte mich Aristophanes. Doch ich bin wohl nicht ihres Gatten Sohn, der mich dennoch als sein Kind annahm."


    Er leitete diese Rede mit einem kleinen Seufzer ein, der durchaus von einem ungelittenen Abkömmling stammen mochte. Bisher hatte er diese Rolle immer ausreichend gut genug gespielt und niemand hatte weiter nachgefragt, wenn er überhaupt so viel zu erzählen gezwungen war. Schließlich erklärte er damit sowohl seine Sprachkenntnisse, als auch sein Aussehen und seine Vorliebe für skythische Bögen. Nicht zuletzt fragte niemand nach, da sich in dieser schnelllebigen Welt kaum jemand für die Geschichten anderer interessierte und das war auch gut so.
    Nun galt es, dem Gespräch eine neue Richtung zu geben und Catu ersann sich eines Themas das gewissermaßen Schuld an ihrer Bekanntschaft war:


    "Woher wusstest du eigentlich, dass ich Simonides von Keos zitierte? Die Stelle ist ja nun nicht gerade die bekannteste."

  • Wie ein grieche sah er nicht aus, aber man wusste ja nicht was sein vater gewesen war. Sicher war seine Mutter von einem Barbarenstamm vergewaltigt worden und war deshalb nicht von ihrem Mann verstoßen worden. Auf jeden Fall war das kein Thema das es weiter zu vertiefen galt.


    "Nun in der Bibliothek in Alexandria gibt es eine erstaunliche Sammlung von Siegesliedern die er gedichtet hat. Aber eigentlich kenne ich seine Werke von meiner Mutter. Sie war eine große Verehrerin der musischen Künste und hatte viele Gedicht Bände eben von Simonides von Keos, Sappho, Alkman, Anakreaon, Stesichoros, Ibykos, Pindar, Bakchylides und einigen anderen. Eben der Kanon der neun Lyriker. Das sind halt so die Dichter von denen man sagt, dass man sie zumindest schon einmal gehört haben sollte, wenn man sich einer griechischen Bildung rühmt. Die Philosophen am Museion befassen sich besonders mit eben jenen neun Lyrikern und da gibt es desöfteren Vorlesungen zu diesem Thema."


    Er nahm einen weiteren Schluck.

    "Ich selbst mag ja wirklich eben Simonides am Liebsten, weil ich als Athlet von den Siegesliedern beeindruckt bin. Aber ich mag die musischen Künste allgemein sehr, auch wenn ich höchstens als Zeichner etwas tauge und in den Künsten des Dichtens und des Musizierens völlig unbegabt bin. Und du? Habe ich vielleicht gerade einen reisenden Dichter kennen gelernt, der in Zukunft sein Brot am Museion verdienen möchte?"

  • Immer wieder von seinem Bier trinkend hörte Catu aufmerksam zu. Einige der Namen, die der Grieche, der sich unhöflicherweise noch immer nicht vorgestellt hatte, nannte waren ihm durchaus geläufig. Aber von einem Kanon der Neun und das diese besonders intensiv studiert wurden hatte er noch nie gehört. Da er zu diesem Thema nichts nennenswertes anfügen konnte schwieg er, als der andere trank. Erst als dessen Redeschwall erneut endete antwortete er belustigt:


    "Ich bin wahrlich kein Poet, ich konsumiere lediglich ab und an jene meisterlichen Werke die in meine Finger geraten. Nein vielmehr bin ich Jäger und Söldner."


    Das war nun nicht mal gelogen, zumal er sich in letzter Zeit wirklich nur ehrlich betätigt hatte. Es war auch einer der Gründe, warum er Aristophanes so schätzte. Er konnte sich auf ein Minimum an Lügen beschränken und etwaige Lücken mit Halbwahrheiten und Zweideutigkeiten füllen. Allmählich war er aber etwas abgenutzt. Womöglich war mal wieder eine Erneuerung seiner Identität von Nöten. Entgegen seinem Versäumnis bezüglich seiner Frisur würde er diesen beim nächsten Ortswechsel in Angriff nehmen. Auf Aristophanes konnte er ja dennoch jederzeit zurückgreifen.
    Diese Überlegungen tätigte er bei einem weiteren Schluck des angenehmen Gebräus um dann hinzuzufügen:


    "Kannst du mir in deiner Belesenheit möglicherweise einen Dichter nennen, der sich in seinem Werk auch der Jagd widmet, ...?"


    Hauchfein, wie ein sanfter Wind, der nur die leichtesten Blätter sachte vom Boden löst war die Andeutung auf die Unkenntnis Catubodus' bezüglich das Namens seines Gegenübers. Wie ein Orkan musste sie jedoch diesem in den Ohren klingen, sollte er über Anstand verfügen.

  • Zuerst wusste er nicht so genau, was diese Pause sollte, aber dann wurde ihm klar, dass er sich offenbar noch gar nicht vorgestellt hatte.


    "Ànthimos. Mein Name ist Ànthimos Bantotakis. Entschuldige bitte, dass ich vergessen habe mich vorzustellen. Jäger und Söldner also. Nun, wenn du mal eine geregelte Arbeit brauchst, dann könnte ich dir da sicher helfen, wenn du magst. Mein Bruder ist der Anführer der Stadtwache und wirbt gerade neue Leute an, da sie nämlich gerade aufgestockt wird. Also nur wenn du hier in Alexandria bleiben möchtest, natürlich."


    Über seine Frage wegen der Dichtung musste er bei einem weiteren Schluck Bier nachdenken. Ein Dichter, der sein Werk der Jagd widmete...Eigentlich war die Jagd nicht unbedingt ein besonders musisches Thema, so dass ihm da jetzt auch keiner einfiel.


    "Also so ad hoc fällt mir da jetzt keiner ein. Höchstens wenn du Gedichte zu Ehren der Artemis meinst, aber da kenne ich jetzt auch keinen Lyriker der sich nur oder hauptsächlich damit befasst hätte. Aber mein Wissen was die Dichtkunst betrifft ist auch nicht wirklich besonders groß. Da müssten wir vielleicht mal im Museion nachforschen."

  • Mit einem Nicken bedachte Catu die etwas verspätete Vorstellung des Anthimos. Auf die darauf folgende Prüfung war er nicht Vorbereitet und hatte Mühe seine Fassung zu bewahren. Das musste man sich mal vorstellen: Catu bei der Bewerbung für die Stadtwache. "Was willst du bei uns?" "Mord und Totschlag verhindern." "Bisherige Tätigkeiten?" "Mord und Totschlag."
    Mühsam schluckte er das Bier hinunter, dass er gerade noch in Mund gehabt hatte und tarnte das in ihm aufsteigende Gelächter in einem leichten Hustenanfall.


    "Danke für das interessante Angebot. Ich werde es mir überlegen."


    Dass diese Überlegung nicht gerade wohlwollend war musste er Anthimos ja nicht auf die Nase binden. Auch nicht, dass er sich viel lieber mit einem dutzend wilder Eber unbewaffnet anlegen würde als mit dem Bruder des Kommandanten der Stadtwache auf Lyrikerkundung das Museion aufzusuchen. Wie sollte er aus dieser Nummer nur wieder herauskommen? Ein Blick auf den Sonnenstand und schon hatte er eine Lösung. Er ließ den kärglichen Rest aus seinem Krug verschwinden und erhob sich eilig von der Bank um sich noch schnell zu verabschieden, ehe er davoneilte:


    "Schon so spät? Verzeih' aber ein möglicher Auftraggeber erwartet mich in Kürze. Ich werde dich bei Gelegenheit zu finden wissen. Es war mir ein Vergnügen Athimos."


    edit: Hier geht's weiter

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