Minerva

Aus Theoria Romana
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Minerva (grch. Athene, etrusk. Menrva, Menerva) ist eine alte italische Göttin von wahrscheinlich etruskischem Ursprung. Bei der neueren kapitolinischen Göttertrias stand ihr die cella zur Rechten des Iuppiters zu (Iuno links). Ihre Funktionen wurden nach und nach der griechischen Athene angeglichen.

Sie war Schutzherrin der Handwerker, Künstler und Lehrer. Als Minerva Medica huldigten ihr auch die Ärzte in einem Tempel auf dem Esquilin. Als Stadtgöttin Roms hatte sie seit etruskischer Zeit einen Tempel auf dem Aventin; ganz in der Nähe des Dianaheiligtums. Der Tempel war das Hauptheiligtum, der in collegia organisierten Gewerbetreibenden. Augustus erneuerte ihn; vielleicht sogar durch einen Neubau. Seit dieser Zeit besass die Göttin auch einen eigenen flamen.

Ein erhaltener Altar bezieht sich auf die Einsetzung des Minervakultes durch Augustus. Die von ihm gestiftete Statue stand vor dem Tempel auf einer Säule. Seit dem 1.Jh.n.Chr. wurde sie zum Bezugspunkt in Militärdiplomen. Viele dieser Urkunden wurden an einer Mauer in der Nähe der Statue angebracht. Die Nähe war sinnvoll, da sich zahlreiche Veteranen als Handwerker niederliessen. Seit Nero wurde das congiarium (kaiserliche Getreidespende) in der Nähe einer Minervastatue (mit einem Kauz auf der rechten Hand) verteilt. Vielleicht handelte es sich um die gleiche Statue.

Das Fest Quinquatrus am 19. März war schon im vorcaesarischen Kalender mit dem Zusatz der Minerva versehen. Aus alten Kalendernotizen ist zu ersehen, dass die Göttin Mars von diesem Tag verdrängt hat. Die Handwerker feierten das Fest am fünften Tag nach den Iden des März und hängten noch vier weitere Tage an, so dass die Feierlichkeiten bis zum 23. März dauerten. Dies waren auch die wenigen Ferien, die für Schüler und Lehrer galten. An diesem Tag erhielten die Lehrenden ihren Lohn. Ovid führte zahlreiche weitere Berufe an, die Quinquatrus feierten: Woll- und Flachsspinnerinnen, Weber, Walker, Wäscher, Färber, Schuster, Zimmerleute, Ärzte, Maler, Bildhauer, Toreuten (Künstler, die Metall ziselieren und treiben) sowie Dichter und Schauspieler. Letztere durften erst seit 207 v.Chr. an den Feierlichkeiten teilnehmen; als Danksagung für ein von Livius Andronicus komponiertes Chorlied zur erfolgreichen Versöhnung der Götter.

Östlich von Rom wurde ein Minervatempel ergraben, der bereits in der 2.Hälfte des 6.Jh.v.Chr. bestanden hatte. Aus diesem Tempel wurden zahlreiche bis lebensgrosse Terrakottastatuen aus dem 4.Jh.v.Chr. geborgen. Ein Minervabild von um 400 v.Chr. weist besonders furchteinflössende Züge auf. Eine dreiköpfige Schlange windet sich um den rechten Arm, ein viele Häupter zählendes Reptil um ihren Körper. Schlangen beherrschen auch Helmzier und einen Rundschild, der von einem tritonischen (Meeresgottheit) Dämon gestützt wird.

Die Minerva von Latium war somit mit dem Meer verbunden. Dies zeigte sich auch beim ersten lectisternium (Götterbewirtung) von 217 v.Chr., wo sie gemeinsam mit Neptun auftrat. Minerva war nicht nur per Schiff nach Italien gelangt, sondern hatte mit der Argo auch das erste Schiff erbaut. Kaum verwunderlich sind deshalb Darstellungen, die die Göttin im Zusammenhang mit dem Schiffbau (besonders bei den Segeln) zeigen. Sie brachte den Menschen weiters die Webkunst, den Wagenbau, Egge und Pflug. Zudem war sie die Erfinderin der Flöte.

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Ölbaum, Schlange und Eule waren ihr heilig. Besonders die Eule repräsentierte die Weisheit der Göttin. Bildnisse sind seit frühester Zeit in grosser Zahl überliefert. Die klassische Darstellung zeigt Minerva mit Brustpanzer, Helm, Schild und Lanze. Auf dem griechischen Olymp war ihre Macht beinahe dem Zeus gleich und sie zog auch in den Kampf gegen Titanen und Giganten. Allen Helden unter ihrem Schutz war sie eine treue Helferin in der Not.

Grundsätzlich gibt es zwei alte Erscheinungsformen von Minerva. Die erste stellt mit Iuno Sospita eine rein italische Erscheinung dar; die zweite steht für die panzertragende Göttin, die griechischen Ursprungs ist. In den griechischen Kolonien in Italien wurde sie als Kultgenossin der Hera genauso hoch verehrt wie im Mutterland. In etruskischen Darstellungen trug Minerva einen oft pfeilförmig anmutenden Blitz. Neben Iuppiter und Iuno besass auch sie die Macht des Blitzeschleuderns. Im 2.Jt.v.Chr. war Athena die Schutzgöttin der kretischen Paläste gewesen und damit der Oberschicht verbunden. Etwas ähnliches gab es in Italien nicht.

Ein Jahrtausend später erlangte die Göttin eine hohe Stellung in den Kulten der griechischen Polis. Sie fungierte als Schutzherrin zahlreicher Städte, insbesonders natürlich von Athen. Da sich in den Städten das Handwerk konzentrierte, wurde sie auch deren Schutzpatronin. Ehe die Göttin auch in Rom Einzug hielt, hatten sich ihre Funktionen auch im griechischen Süden der italischen Halbinsel durchgesetzt.

Im Gegensatz zu anderen alten Gottheiten in Rom besass Minerva ursprünglich keinen flamen (Spezialpriester). Dies deshalb, da die Göttin nichts mit der alten Bauernreligion der Ureinwohner Latiums zu tun hatte. So verwundert es auch nicht, dass Minerva nur mit einer einzigen Pflanze in Verbindung gebracht wird: dem Ölbaum. Dieser wurde erst unter den Tarquiniern in Rom eingeführt. Zahlreiche Olivenölgefässe aus jener Zeit trugen mit Pallas Athene das Wappen Athens (importiertes attisches Qualitätsöl). Wie bei manchen Kultbildern der Hera oder der Artemis wurden auch ihre Statue an Feiertagen mit entsprechenden Zweigen geschmückt.

Nach dem Schriftsteller Varro wurde die Göttin (mit einer Zahl anderer) von den Sabinern übernommen. Auch archäologisch lässt sich dies durch zahlreiche Votivfunde nachvollziehen. Verbreitet sind die Darstellungen der Pallas Athena bzw. Athena Promachos (Vorkämpferin) mit Lanze.

Im Heiligtum der Vesta auf dem Forum Romanum wurde mit dem Palladium ein angeblich aus Troja stammendes Kultbild der lanzentragenden Athene aufgewahrt. Das Bild sollte für die Sicherheit des römischen Staates bürgen. Im Gegensatz zu den meisten anderen archaischen Götterdarstellungen war das Palladium nicht einfach eine starre Figur, sondern wirkte durch Bewegung und wehendes Gewand.

Minerva war wie Diana eine jungfräuliche Göttin (grch. Athena Parthenos) und bestrafte alle gnadenlos, die dieser Jungfräulichkeit zu nahe traten. In einer von Männern dominierten Religion spielte sie für die Frauen eine wichtige Rolle. Zahlreiche Funde legen weibliche Pubertätsriten nahe. In diesem Sinne wachte sie auch über Recht und Ordnung.

Die Nähe zu handwerklicher und künstlerischer Arbeit verdankt Minerva den Einzug in zahlreiche Lararien. Den Bronze- und Silberstatuetten der Kaiserzeit dürften in der Republik aus Holz (möglicherweise Ölbaum) geschnitzte Exemplare vorangegangen sein.

Kaiser Domitian verehrte Minerva abgöttisch und liess zahlreiche Altäre für sie errichten. Das von seinem Nachfolger Nerva vollendete Forum war ihr ebenfalls geweiht. Die Beliebtheit schien auch auf die Bevölkerung übergeschwappt zu sein, denn es traten vermehrt Bildnisse (z.B. auf Ziegeln) in Erscheinung. In der Darstellung hielt man sich an die Göttin vom Palladium mit altem Gewand, Helm, Rundschild und erhobenem rechten Arm. Sitzbilder der Minerva sind seltener, aber dennoch verbreitet. Das bekannteste stand in einem unbekannten stadtrömischen Tempel und besteht aus lusensischem Marmor und einem Gewand aus rötlich-gelbem Alabaster; die Haare wurden aus schwarzem Basalt gefertigt. Die Statue aus der frühen Kaiserzeit repräsentierte den friedlichen Teil der Minerva, denn für den Aufbau des Imperiums waren zahlreiche Handwerker von Nöten.