Lex Iulia et Papia

Aus Theoria Romana
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Lex Iulia de maritandis ordinibus (18 v. Chr.) und Lex Papia Poppaea (9 n. Chr.)

18 v. Chr. und 9 n. Chr., beides Teile der augusteischen Ehegesetzgebung, wobei die Lex Papia Poppaea die Bestimmungen der Lex Iulia de maritandis ordinibus weiterführte, präzisierte und zum Teil auch änderte. Beide Gesetze sind nur bruchstückhaft überliefert und die einzelnen Bestimmungen sind nur zum Teil gesichert auf eine der beiden Leges rückführbar. Allerdings wurden die Normen der Lex Iulia et Papia von den Juristen in der nachaugusteischen Zeit quasi als Einheit aufgefasst und immer zusammen benannt.

Die Ehe und die Kinder

Jeder Römer hatte die Pflicht zur Eheschließung, Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, Männer zwischen 25 und 60 Jahren. Nach der Beendigung einer Ehe musste innerhalb einer gewissen Frist eine neue geschlossen werden, sofern die Person noch innerhalb der Altersgrenzen war. Nach der Lex Iulia belief sich diese Frist bei einer Witwe auf ein Jahr, bei einer geschiedenen Person auf 6 Monate, nach der Lex Papia wurde diese Frist auf 2 Jahre bei einer Witwe und anderthalb Jahre bei einer geschiedenen Frau erweitert. Interessant ist, dass die Regelungen in Bezug auf eine erneute Heirat ausschließlich gegen Frauen gerichtet war, obwohl auch Männer die Ehepflicht hatten.

Die berühmteste Regelung dieser Lex betraf die Einschränkung in der Wahl des Ehepartners. Hierbei wurde die Bevölkerung mit ius conubium in vier rechtliche Kategorien von Personen eingeteilt: Senatoren, Freigeborene, Freigelassene und infamierte Personen. Freigeborene durften keine Kupplerin, von einem Kuppler oder einer Kupplerin freigelassenen Frau, mit einer im Ehebruch ergriffenen oder in einem öffentlichen Prozeß verurteilten Frau, Prostituierte, Wirtshausbesitzerin, Schauspielerin ehelichen; weibliche Freigeborene außerdem keine eigenen, vom eigenen Mann, Vater, Groß- oder Urgroßvater Freigelassenen. Für Senatoren und ihre Abkömmlinge galt darüber hinaus das Heirats- und Verlobungsverbot mit Freigelassenen und Töchtern von Schauspielern, es sei denn, die Frau verhielt sich unehrenhaft und verzichtete konkludent auf ihre Ehre (sich prostituierte, schauspielerte oder in einem Kriminalstrafprozeß verurteilt wurde), diese durfte einen Freigelassenen heiraten, ohne dass es eine Sanktion infolge der Heirat nach sich zog (man beachte: infolge der Heirat, denn durch ihren Verzicht auf ihre Ehre im vorhinein gab es schon sittliche wie auch rechtliche Sanktionen). Ein wenig fraglich ist, ob Eheverbot der Frauen bereits unter Augustus bestand und nicht erst unter Marc Aurel (jedoch nach Karl eher unwahrscheinlich, da dies inkonsequent von Augustus gewesen wäre). Die Ehen waren deswegen wohl nicht existent, unter Marc Aurel dann nichtig. Nicht existent bedeutet hier, daß die Ehen zwar zivilrechtlich durchaus bestanden, sie konnten geschieden werden genauso wie auch Ehebruch begangen werden konnte, doch wenn es um rechtliche Konsequenzen ging, die aufgrund dieser Lex Iulia et Papia neu geregelt wurden (wie dem Erbrecht), wurden solche Ehen so behandelt, als wären sie nicht existent und die Kinder, die aus dieser Verbindung hervorgingen nicht ehelich. Allerdings muss man dazusagen, dass solche Ehen außerhalb der Lex Iulia et Papia die Ehre der Familie verminderte und deswegen wohl eher eine Seltenheit darstellten. Unter Marc Aurel wurden solche Eheschließungen außerhalb der Lex dann nichtig angesehen, das bedeutet, dass die Ehen in keiner Weise rechtlich in Existenz traten, schlicht keine Ehe bestand.

Bei der Verlobung durfte das Mädchen nicht jünger als 10 Jahre sein, die Hochzeit selbst musste innerhalb von 2 Jahren vollzogen werden, wobei aber zu beachten ist, dass die Braut bei der Hochzeit das 12. Lebensjahr vollendet haben musste (Voraussetzung der Ehemündigkeit). Grund der Regelung der Limitierung der Verlobungszeit war, dass die sponsalia (Verlobung) früher wohl den Ehen gleichgestellt waren. Männer hatten dabei die Privilegien verheirateter Männer, ohne die Pflichten eines solchen übernehmen zu müssen.

Für die Eheschließung war die Zustimmung des pater familias notwendig, jedoch konnte der Magistrat den pater familias zu dieser Zustimmung zwingen, wenn der Vater keine rechtskräftigen Einwände gegen die Heirat angeben konnte. Ebenso konnte der pater familias auch dazu gezwungen werden, die dos für die Haustöchter zu bestellen. (Kleines Detail am Rande: Die dos konnte nur ein mündiger Bürger stellen. Hatte die Frau aber einen noch unmündigen tutor legitimus, dieser also nicht die auctoritas eine Mitgift zu stellen, bekam die Frau vom Staat (vom Praetor urbanus) einen Tutor für die Stellung der dos. Wie kam man zu einen solchen tutor legitimus? Jede Frau hatte – wenn auch dies in unserer Zeit nur mehr sehr lasch praktiziert wurde und eigentlich zu vernachlässigen ist – einen Tutor, der für bestimmte Geschäfte seine Zustimmung erteilen musste, zu denen er aber auch vom Praetor gezwungen werden konnte. Der tutor legitimus war im Prinzip der gradnächste Agnat und dieser konnte dann aber auch unmündig sein.)

Die augusteische Gesetzgebung barg aber nicht nur Pflichten, sondern sah auch Privilegien vor für jene, die sich gemäß der Lex Iulia et Papia verheirateten und im Sinne Augustus Kinder in die Welt setzen. Im politisch-öffentlichen Bereich reihte man die Consules neben dem Alter nach der höheren Kinderzahl unter der patria potestas (zu denen gehörten dann auch die gefallenen Söhne), bei gleicher Kinderzahl wurden verheiratete Männer oder solche mit iura maritorum (Privileg, als verheiratet zu gelten) bevorzugt, die Fasces zu führen (was als hohe Ehre empfunden wurde). Männer, die in einer weiteren Ehe verheiratet waren, wurden vor jene bevorzugt, die geschieden oder verwitwet waren. Auch wurden Väter bevorzugt bei der Wahl zum Konsulat (zu beachten hierbei ist, dass die Magistrate des Cursus Honorum im Prinzipat nicht von der Volksversammlung, sondern vom Senat bzw. vom Kaiser bestimmt wurden). Möglich wäre auch, dass pro Kind ein Jahr des für das Konsulat vorgeschriebenen Alters erlassen wurde. Im privatrechlichen Bereich konnten die Rechte verheirateter Männer und Frauen als Privileg verliehen werden, ohne dass sie diese Bedingungen real erfüllten. So wurden 44 n. Chr. unter Claudius solche Privilegien den Soldaten zugesprochen, da sie während der Dienstzeit keine Ehe eingehen durften und somit ungerechterweise unter die Sanktionen der Leges fielen. Auch konnte die Forschung feststellen, dass Personen, die die Anforderungen der Lex Iulia et Papia nicht erfüllten, an bestimmten öffentlichen Festen oder Feierlichkeiten nicht teilnehmen durften. Auf der anderen Seite wurden ehrenhafte Plätze im Theater und Circus an jene vergeben, die eben diese Anforderungen erfüllten, sei es real oder durch Privileg. Eines der bekanntesten Privilegien war das ius (trium) liberorum, das Frauen von der – in der klassischen Zeit ohnehin nur mehr lasch durchgeführten – tutela mulieris entband und in weiterer Folge die rechtliche und soziale Stellung der Frau enorm verbesserte. Um dieses Privileg zu erlangen, musste eine Freigeborene drei Kinder, eine Freigelassene vier (überlebende) Kinder gebären. Das ius trium liberorum war erfüllt, wenn die Frau drei Kinder gebar, die mindestens neun Tage alt wurden oder zwei Kinder von mindestens drei Jahren oder aber ein ehefähiges Kind. Auch dieses Privileg konnte gnadenhalber vom Kaiser verliehen werden.

Die Lex Papia führte die testatio (wörtlich: Zeugenaussage) von spurii (unehelich geborene Kinder) und die professio in albo (öffentliche Bekanntgabe) legitimer Kinder (also keiner unehelichen) ein. Der gesicherte Nachweis von Kindern war notwendig, um in den Genuss der Privilegien der augusteischen Gesetzgebung zu kommen. Unter die Regelung der testatio von spurii fielen auch die Kinder von Soldaten, die während ihrer Dienstzeit kein conubium besaßen, deren Kinder und "Ehefrauen" (wohl eher anerkannte Lebensgefährtinnen) aber zunehmend einer legitimen Familie gleichgestellt wurden.

Ein Freigelassener, wenn er nicht als Schauspieler oder Tierkämpfer sein Brot verdiente, wurde bei zwei oder mehreren Kindern von munera (pflichtmäßige Leistung, Geschenk), operae (Arbeitspflicht) oder dona (freiwilliges Geschenk) gegenüber Patron, Patronin oder deren Kinder befreit, auch wenn anderes bei der Freilassung vereinbart wurde. Für die Freistellung von operae genügte auch nur ein einziges Kind, das mindestens fünf Jahre alt wurde. War die liberta älter als 55 konnte der Patron auch keine operae mehr erzwingen, ebenso wenn sie im Einklang der Lex Iulia et Papia eine Ehe einging – egal ob mit oder ohne seinen Willen.

Auch war in der Lex Iulia geregelt, dass eine mit ihrem patronus verheiratete liberta anders als andere Freigelassene oder Freigeborene nicht das Recht besaß, ihre Ehe durch Scheidung aufzulösen, wenn ihr Ehemann nicht einwilligte. Sie konnte demnach auch keine weitere Ehe eingehen, wenn der patronus sie nicht freigegeben hatte, oder die Mitgift zurückfordern. Auch das Konkubinatsverhältnis – ansonsten relativ frei – war bei den libertae reglementiert: Sie durfte sich weder von ihrem Patron trennen und sich anderweitig verheiraten, wenn der Patron nicht zustimmte; außerdem galt es als "frevelhaftes Unrecht" wenn die liberta zuerst die Konkubine ihres Patrons war und danach ein Konkubinatsverhältnis mit dem Sohn oder dem Enkel einging.

Das veränderte Erbrecht

Die Lex Iulia veränderte das Erbrecht in positiver Weise für jene, die in einer Ehe gemäß der Lex Iulia lebten und gemäß des sittlichen Wunsches Augustus Kinder in die Welt setzten.

Die Ehepaare konnten testamentarisch ein Zehntel des Vermögens dem anderen Ehepartner vererben. Über das Zehntel hinaus durfte der Ehepartner den Nießbrauch (ususfructus) über ein Drittel des Vermögens des Toten, bzw. wenn sie Kinder hatten, denselben Anteil als Eigentum antreten. Letzteres trat auch ein, wenn die Witwe innerhalb von 10 Monaten nach dem Tod ihres Mannes ein Kind von ihm zur Welt brachte. Die Witwe hatte überdies – in jedem Fall – das Recht auf Rückgabe der dos. Die Möglichkeit der Vererbung an den Ehepartner kann durchaus als ein bedeutendes Novum im Römischen Recht angesehen werden. Die Römer hatten eine solch enorme Aversion vor der Vermischung von Vermögen der Ehepartner – wie man beim Schenkungsverbot unter Ehegatten durchaus deutlich sehen kann - sodass diese konsequenterweise auch vor dem Erbrecht nicht halt machte. In frühester Zeit konnten Ehepaare sine manu sich gegenseitig überhaupt nicht beerben, später schon, doch erst nach den Kindern, Agnaten und Kognaten. Ehepaare in manu sind von dieser Regelung ohnehin ausgeschlossen, da die Ehefrau dem Mann nichts vererben konnte, weil sie ja kein eigenes Vermögen hatte und der Mann seine Frau wie eine Haustochter beerbte.

Was passierte, wenn man nicht gemäß den sittlichen Geboten Augustus' lebte? Unverheiratete waren vollkommen von der Annahme einer ihnen testamentarisch vermachten Erbschaft oder eines Legats ausgeschlossen, sofern dieses Erbe nicht aus dem Kreis der engeren Verwandtschaft kam (Eltern und Deszendenten in direkter Linie bis zum dritten Grad sowie Blutsverwandte bis zum sechsten Verwandtschaftsgrad einschließlich der „sobrino sobrina natus“ (Cousins und Cousinen väterlicherseits aus dem Kreis der Verwandten siebten Grades)), die Unverheirateten hatten hierbei eine Frist von 100 Tagen, um gemäß den Vorschriften zu heiraten und damit zu erben. Kinderlose Personen (außer dem testamentarischen Erbrechts unter Ehepartnern und den vorher genannten Einschränkungen aus der engeren Verwandtschaft) verloren die Hälfte des ihnen zugedachten Legats oder Erbschaft. Augustus nahm überdies Frauen, die Kinder geboren hatten, von den erbrechtlichen Beschränkungen der Lex Voconia aus und erlaubte ihnen, größere Summen als die dort zugelassenen zu erben, dasselbe Privileg erhielten auch die Vestalinnen. Sämtliche Sanktionen des Testaterbrechts endeten für beide Geschlechter mit dem Erreichen der Altersgrenzen. Etwas anders war es bei den Soldaten, die ja kein matrimonium iustum eingehen durften und dementsprechend auch keine legitimen Nachkommen und Erben gemäß der Lex Iulia et Papia hatten. Bei denen fand keine Einschränkung hinsichtlich des Erbes statt, sie konnten also voll erben und auch selber ihre Nachkommen voll beerben. Außerdem wurden bei Soldaten nicht so strenge rechtliche Anforderungen an deren Testamente gestellt.

Das Erbe, das von den Erben nicht angenommen werden konnte (weil sie nicht verheiratet waren oder keine Kinder hatten), wurde zunächst den Verwandten in direkter Deszendenz (Eltern und Kindern) zugesprochen, dann jenen Personen, die Kinder hatten. Für den Fall, dass niemand existierte, der die bonorum possessio (kurz: das Erbe) fordern konnte, oder aber dann, wenn dieser sein Recht dazu verloren hatte, gingen die Güter an den populus, die Staatskasse.

Für Freigelassene wurden noch gesonderte Regelungen aufgestellt:

- Ein Freigelassener, der mehr als 100.000 Sesterzen hinterließ und weniger als drei Kinder hatte, schuldete seinem Patron einen Vermögensanteil proportional zur Anzahl seiner Kinder: Hatte er kein Kind oder eines, erhielt der Patron die Hälfte, bei zwei Kindern ein Drittel. Starb der Patron und war der Freigelassene nun Klient dessen Tochter, so hatte sie die gleichen Rechte wie ihr Vater, sofern sie das ius liberorum besaß. - Eine Freigelassene konnte nur dann frei testieren, also ohne auctoritas ihres Patrons, wenn sie vier Kinder gebar und somit das ius quattuor liberorum erhielt. In diesem Fall erbte der Patron immer ein Fünftel ihres Vermögens. Überlebte die liberta ihre Kinder, so fiel ihr gesamtes Vermögen an den Patron. - Hatte die Freigelassene mit ius quattuor liberorum eine Patronin, so erbte die Patronin nichts. Starb die liberta und war die Patronin die Tochter des Patrons, der die ehemalige Sklavin freigelassen hatte, so bekam die Patronin den Anteil ihres vorverstorbenen Vaters. - Der Sohn einer vorverstorbenen Patronin erhielt von der Lex Papia die Rechte eines Patrons, wenn er Kinder hatte (hier reichte ein Sohn oder Tochter).


Literatur:
Mette-Dittmann, Angelika: Die Ehegesetze des Augustus. Eine Untersuchung im Rahmen der Gesellschaftspoliti des Princeps, Stuttgart 1991.
Karl, Andrea Christiane: Castitas temporum meorum. Die Partnerwahl der Frau im römischen Recht von der späten Republik bis zum Ausgang des 4. Jh n Chr, Freiburg (Breisgau) 2003.