Kultbild

Aus Theoria Romana
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Das Kultbild bildete einen zentralen Bestandteil des Kultes. Es wurde als nicht mit der Gottheit identisch angesehen. Das Bild diente als Vergegenwärtigung der Gottheit, garantierte deren Zugänglicheit und Wirkungskraft und verstärkte ihre Präsenz.

Bei den Kultbildern in Tempeln und öffentlichen Gebäuden handelte es sich um sogenannte sacra publica, also öffentliche Kultgegenstände, welche durch Beamte, Pontifices oder den Kaiser durch den Akt der consecratio geweiht und damit Eigentum der jeweiligen Gottheit wurden. Sie waren Teil öffentlicher, ritueller Handlungen, welche nur von dazu authorisierten Personen durchgeführt werden durften, wie Priestern und Magistraten. Solche kultischen Handlungen sind die Götterspeisung (lectisternium), die rituelle Waschung oder Prozessionen, vor allem im Zusammengang mit dem Graecus ritus. Aus Gründen der Handhabbarkeit wurden diese Handlungen häufig stellvertretend an Kultbildern in kleinerem Format verrichtet.

Im Privatkult waren die Kultbilder oft Votivstatuen, Malerei oder Reliefs. Bei den Kultbildern in den Tempeln handelte es sich meist um rundplastische, menschliche Figuren. Es gab jedoch auch Ausnahmen (z.B. der schwarze Stein des Mater Magna-Kultes). Diese Statuen zeichneten sich durch überwältigende Formen, kostbares Material (Gold, Elfenbein, Edelholz) und effektvolle Unterscheidung von Körper, Haar und Gewandung aus. Manche Kultbilder besaßen beispielsweise glänzende Augen aus Edelsteinen oder Haare aus reflektierenden Edelmetallen. Die Göttlichkeit wurde zusätzlich durch Beleuchtung, Proportionen und distanzschaffende Raumelemente unterstützt. Nicht selten kam es vor, dass Opfernde von Anhörung, Gespräch, Kopfnicken, Liebesbezeugungen und sogar Beischlaf mit den durch die Bilder repräsentierten Göttern berichteten.

Wahrscheinlich wurden seit dem Bau des Capitoliums im 6. Jahrhundert v. Chr. und der Darstellung der dortigen Göttertrias die Mehrzahl der öffentlichen Kultstätten mit Kultbildern ausgestattet. Zuvor hatten die Römer ihre Götter in bildloser Form verehrt. Die Kultbilder waren in frühester Zeit überwiegend aus Holz und Terrakotta gearbeitet. Diese Praxis behilt man aus Traditionsgründen auch später noch bei. Die beiden Materialien galten wegen ihres Alters gerade den römischen Traditionalisten als besonders heilig. Mit der allgemeinen Hellenisierung wurden die Kultbilder jedoch zunehmend aus edleren Materialien gefertigt: Statuen aus Gold, Silber, Bronze oder vergoldeter Bronze sowie marmorene Figuren wurden bald zum Standard. Einige dieser Statuen sollen Höhen von bis zu acht Metern erreicht haben und füllten damit die Innenräume eines jeweiligen Tempels fast komplett aus.

Weitere Kultbilder einer Gottheit neben der Hauptfigur in einem Tempel unerschieden sich in der Aufstellungsweise, häufig auch in der Art der Darstellung, und galten als Votivgaben. Zudem konnten sich in einem Tempel Kultbilder verschiedener Gottheiten zu Kultgruppen zusammenfinden, auch Angehörige des Kaiserhauses konnten sich zu den Göttern gesellen.

Die Verbreitung eines Kultbildes war gleichbedeutend mit der Verbreitung der römischen Religion und geschah durch Votive oder auf Münzen. In der Kaiserzeit war das Iuppiter-Kultbild verblindlich für das gesamte Imperium.


Literatur:
Christina Frateantonio & Richard Neudecker: Kultbild, Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd.VI, Hrsg. Hubert Canick & Helmuth Schneider, Stuttgart/Weimar 1999.
Schollmeyer: Römische Tempel - Kult und Architektur im Imperium Romanum, Darmstadt 2008.