Gesang

Aus Theoria Romana
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Gesang ist die älteste und ursprünglichste Form, mit der sich Menschen musikalisch ausdrücken. Um zu singen muss man kein Muskikinstrument zu spielen lernen und bei sich haben, denn der menschliche Körper selbst ist das Instrument. Gefühle, Stimmungen und Seelenzustände können unmittelbar zum Ausdruck kommen. Man unterscheidet dabei zwei Grundformen des Gesangs: den virtuosen Kunstgesang und das liedhafte, volkstümliche Singen.

In der römischen Antike war der erste Bereich eng mit der Lyrik verbunden, die wiederum stark von der griechischen Kultur beeinflusst war. Das lateinische Wort carmen bezeichnet sowohl “das Lied“, als auch “das Gedicht“. Lateinische Lyrik wurde größtenteils singend vorgetragen, als deklamierender Sprechgesang, begleitet von lyra, kithara oder tibia.

Die sehr populären Lieder aus den Gesangseinlagen der Mimus- und Pantomimus-Aufführungen (lat. cantica) hatten dagegen wohl eher den Charakter saisonaler Schlager. Zeitloser waren die traditionellen Volkslieder (lat. carmina incondita). Oft verbanden sich diese mit handwerklicher oder bäuerlicher Arbeit. Diese Verbindung – Arbeit und Gesang – war in der antiken römischen Gesellschaft offenbar sehr tief verwurzelt. Denn Zeitgenossen wie Quintilian, Tibull oder auch Ovid erwähnen in ihren ansonsten sehr unterschiedlichen Werken, wie Gesang die tagtägliche Arbeit erleichtert. Weit verbreitet waren auch Schelt- und Spottlieder, mit der sich Schiffer, Hirten oder Bauern gegenseitig bedachten, mit denen aber auch die Soldaten ihren stolzen Feldherrn bei seinem Triumphzug an die eigenen menschlichen Schwächen erinnerten; eine, wenn man so will, typisch römische Sitte. Im Gegenzug wurden bei solchen Anlässen aber auch Loblieder gesunden (lat. encomium). Ein Loblied der besonderen Art war wiederum das Liebeslied (lat. cantare amantis), mit dem ein verliebter Römer seine Angebetete bedachte. Über Liebeslieder mit umgekehrten Protagonisten, also Frauen die Männern Liebeslieder sangen, schweigen sich zumindest die einschlägigen Dichter wie Ovid und Horaz aus. Dabei besuchten vor allem Frauen (natürlich nur solche die es sich finanziell erlauben konnten) die Musik- und Gesangsschulen, die ab dem der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. auch Laien Gesangsausbildungen anboten.

In Tavernen und Weinstuben wurden zu vorgerückter Stunde vermutlich weniger kunstsinnig Lieder geschmettert. Es gab musikalische Darbietungen mit Gesang bei privaten Feiern und Gesellschaftlichen Ereignissen. Manche Gastgeber ließen es sich nicht nehmen selbst zu singen, oder ihre Gäste zum Singen aufzufordern. Andere engagierten lieber professionelle Musikanten mit Sängern und Sängerinnen. Zu Geburtstagen wurden Ständchen gesungen, bei Hochzeiten gab es erneut die bereits erwähnten scherzhaften Spottlieder, aber auch feierliche und festliche Gesänge, und bei Begräbnissen waren Klagelieder (lat. neniae) ein zentraler Bestandteil des Totengedenkens. Sie wurden von nahen Angehörigen angestimmt, oder von professionellen Klageweibern.


Literatur:
K.-W. Weeber, Alltag im alten Rom – Das Leben in der Stadt, 7. Auflage 2003
M. C. Howatson (Hrsg.), Reclams Lexikon der Antike, ergänzte Ausgabe 2006