Der Soldat und die Götter

Aus Theoria Romana
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Der römische Soldat sah sich, wie alle Menschen der Antike, einer Vielzahl an Göttern gegenüber, die ihm im militärischen Alltag begegneten und deren Wirkkräften er sich ausgesetzt glaubte. Doch anders als im zivilen Leben waren dies nicht nur die klassischen Gottheiten, sondern auch solche, welche speziell die militärischen Strukturen und Prinzipien religiös untermauerten wie etwa verschiedene Genien (Schutzgeister) für Örtlichkeiten, Gebäude oder Truppenteile oder auch der Disciplina (der Fahnenkult). Ebenso war der Soldat auch als Mitglied der römischen Armee neben seiner persönlichen Religionsausübung dem Kaiserkult und der offiziellen Heeresreligion verbunden, welche das Wir-Gefühl, den Zusammenhalt und die Existenz der römischen Armee religiös untermauerte. Zudem wurden die Soldaten, je nach ihrem Einsatzgebiet, auch von diversen Provinzreligionen beeinflusst, welche im zivilen Umfeld ihrer Kastelle vorherrschte bzw. welche sich durch die Rekrutierung von Soldaten aus der Provinzbevölkerung, verstärkt vor allem nach dem 2 Jh. n. Chr., nach und nach in der Armee etablierte.


Die offizielle Heeresreligion

Das von Augustus eingeführte Machtprinzip des Imperium Romanum beruhte in der Kaiserzeit im Wesentlichen auf der religiösen Erfahrung, der gesellschaftlichen Tradition und der politischen Ideologie, welche in einem Spannungsfeld zueinander standen und von seinen Nachfolgern systematisch ausgebaut und den jeweiligen Verhältnissen angepasst wurde. Als wichtigster ideologischer Faktor war die Macht der Götter anzusehen, welche den Römern die Herrschaft über die Welt anvertraut hatten und sie bei diesem Auftrag auch unterstützten. Der Kaiser wiederum fungierte als zentraler Faktor der weltlichen Macht als Mittler zwischen den Göttern und den Menschen und lenkte zugleich als Oberbefehlshaber und der gesellschaftlichen Tradition nach auch Patron seiner Soldaten die Geschicke der Römischen Armee, welche schließlich als dritter Faktor den Auftrag der Götter in die Praxis umzusetzen hatte. Dieser letzte Faktor jedoch war auch aufgrund der großen Zahl der Soldaten aus den unterschiedlichen Regionen des Reiches auch der Unsicherste. Äußere Einfluss konnten das Gleichgewicht in der Armee rasch außer Kontrolle geraten lassen und so war es entscheidend, die Armee als Ganzes, aber auch jeden einzelnen Soldaten in dieses Herrschaftssystem einzubinden. Das Gemeinschaftsgefühl konnte bereits relativ einfach durch einheitliche Kleidung, gemeinsame Symbole oder den Truppenfahnen erreicht werden. Viel wesentlicher war es jedoch, den Soldaten eine Rechtfertigung für ihr eigenes Handel und auch einen gesellschaftlichen und politischen Rückhalt zu bieten. Genau dieses bot die im öffentlichen Bewusstsein verankerte Religion, aus der sich die Heeresreligion ableitete, welche als wichtiges verbindendes Element zwischen dem einzelnen Soldaten, seinem Kaiser und den Göttern diente und als Basis für eine politische Ordnung insgesamt und damit auch in der Armee bildete. Durch gemeinsame religiöse Sprache und Riten spielte die Religion zugleich eine wichtige Rolle für die Integration der Soldaten aus den verschiedenen Regionen des Reiches und hatte damit einen wesentlichen Anteil zur Bildung am gesamtrömischen imperialen Bewusstsein.

Die offizielle Heeresreligion lässt sich in folgende Bereiche einteilen:

Dieser ergab sich aus der charismatischen Rolle des Kaisers für die Soldaten, welche in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Oberbefehlshaber standen. Zur Festigung dieser Bindung fanden Jahr für Jahr am 3. Jänner Vereidigungen statt, welche für alle Soldaten im Reich bindend war und daher einen gemeinsamen Bezugspunkt bot. Der Kaiser wiederum bot als Gegenleistung etwa Soldzahlungen, Geschenke und ehrenvolle Entlassungen und sicherte sich so die Treue des Heeres, fides exercituum.

Diese Kulte bezogen sich auf Notwendigkeit des Kriegsdienstes und der inneren Ordnung des Heeres und dienten vor allem der Integration der Soldaten auf der alltäglichen Ebene ihrer jeweiligen Einheit. Die Verehrung der Feldzeichen, welche bei der Gründung der Einheit überreicht wurden, diente zur Selbstidentifikation der Soldaten und dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Truppenkörper. Bei der jährlichen, der Erneuerung des Treueeids auf den Kaiser wurde auch der Fahneneid abgelegt, welche neben einem feierlichen Akt der nuncupatio votorum auch Annehmlichkeiten wie Freizeit, besonderes Essen oder Alkohol boten. Innerhalb der Truppe spielte auch die Identifikation mit der centuria, dem eigenen contubernium oder den gleichen Dienstgraden eine besondere Rolle. Die Soldaten unterschieden sich in fratres, contubernales oder commilitiones und differenzierten die religiöse Überhöhung hier durch die Anbetung der jeweiligen Genien, die über diese Lebensbereiche wachten.

Diese dienten der Integration aller Soldaten zu einem römischen Heer und bot so eine Art große religiöse Klammer, deren wichtige Rolle im römischen Herrschaftssystem verlangte, dass regelmäßige kultische Verehrung stattfand, wobei der persönliche Glaube der Soldaten zweitrangig war. Einzelne Weihungen erfolgten daher nicht durch einzelne Soldaten, sondern durch die ganze Einheit bzw. ihren Kommandeur. So bot der Kult um die römischen Staatsgötter den Soldaten aus den verschiedenen Teilen des römischen Reiches eine einfache Möglichkeit sich mit der römischen Herrschaft zu versöhnen bzw. sich mit ihr zu identifizieren.

Kulträume und Kultplätze

Der wichtigste Ort der offiziellen Heeresreligion war die principia (Stabsgebäude), in der an zentraler Stelle das capitolium (Fahnenheiligtum) lag. Hier standen neben den Feldzeichen und Ehrengeschenke der Einheiten auch diverse Götterbilder oder Geniusfiguren. Vor dem Fahnenheiligtum lag die basilica (Querhalle) und der Innenhof, in denen in der Regel die Ehrenstauen oder Büsten der Kaiser, aber auch Altäre aufgestellt wurden. Geniusfiguren oder Götterstatuetten wurden auch gerne in Verwaltungsräumen, Mannschaftsbaracken, oder aber auch in Torbereichen aufgestellt. Weihsteine und Altäre standen aber auch in den jeweiligen Kastellbädern (dort besonders in den apodyteria, den Eingangs- und Umkleideräumen) etwa zu Ehren der Fortuna balnearis, wurden aber auch am campus, dem Exerzierplatz errichtet, an dem als besonderer Ort des militärischen Alltags und zur Einübung und Aufrechterhaltung der disciplina militaris auch zwangsläufig kultische Handlungen etwa zu Ehren der Campestres (Schutzgöttinnen des Exerzierplatzes) durchgeführt wurden. Aber auch außerhalb der Kastelle lagen militärische Kultplätze wie etwa in den Kastelldörfern und Ansiedlungen, wie diese wohl zum Teil von Soldaten und der Zivilbevölkerung gemeinsam genutzt wurden.

Kultpraxis und Kultfunktionäre

Zentrale Opferhandlungen fanden im Innenhof der principia statt, in dessen Mitte in der Regel ein Altar stand. Zu den zahlreichen Militärischen Feiertagen hielten die Soldaten hier größere Opferhandlungen ab, welche von einfachen Trankopfern, bis zu blutigen Tieropfern reichte, bei denen der überwiegende Großteil des Fleisches für die Soldaten immer auch Fleischrationen abwarf. Bei solchen Kulten spielten die Offiziere vom centurio bis zum praefectus oder legatus eine entscheidende Rolle. Sie stifteten oft auch selbst Altäre und Weihinschriften. Besonders gerne an Orten der Entspannung und Erholung wie etwa den Kastellbändern, wo sie im besonderen Maße ihre Fürsorge für die Truppe zur Schau stellen konnte, was ihnen wiederum Sozialprestige einbrachte. Die Offiziere übernahmen auch die Pflichten eines Kultfunktionärs, der diese Aufgaben zum Wohle der Truppe und des Staates ebenso selbstverständlich ausführte, wie die Organisation des Nachschubs oder die militärische Führung der Einheit. Diese Kulte waren damit ein wichtiger Teilbereich der disciplina militaris, für welche die Offiziere dem Kaiser gegenüber verantwortlich waren.


Die private Religiosität der Soldaten

Einheimische und lokale Götter

Neben der Heeresreligion und den römischen Staatsgöttern, welche den Alltag der Soldaten prägten, hatten sie auch ihre private und persönliche Religiosität. Diese waren neben den klassisch-römischen Götter vor allem bei Provinzsoldaten nicht selten auch der Verehrung einheimische bzw. lokaler Götter. Am Limes waren das beispielsweise keltische Gottheiten, die in Rahmen der interpretatio romana mit römischen Göttern gleichgesetzt wurden und nur anhand der keltischen Beinamen zu erkennen waren. Auch Altäre für fremdländische Gottheiten waren in Provinzkastellen keine Seltenheit.

Aberglaube und Amulette

Wie die Zivilbevölkerung sahen sich auch die Angehörigen des Militärs zahlreichen negativen Einflüssen und Mächten in ihrem Leben ausgesetzt und zählten wie Frauen und Kinder zu den besonders Schutzbedürftigen. Auch Aberglaube spielte in der römischen Gesellschaft eine große Rolle. Neben Gelübden und Opfern, um sich den Schutz der Götter zu erbitten, kamen daher nicht selten auch Amulette mit apotropäischer Wirkung vor Dämonen und anderen negativen übernatürlichen Kräften wie etwa den Bösen Blick zur Anwendung. Weit verbreitet waren solche Amulette bspw. bei der Reiterei, wo sie angebracht am Pferdegeschirr sowohl Ross als auch Reiter vor Schaden bewahren sollten. Aufgrund der großen Bandbreite der apotropäischen Symbolik in der Antike, ist eine Vielzahl unterschiedlichster Formen an Amuletten bekannt. Beliebt waren beispielsweise Anhänger in Form männlicher oder weiblicher Genitalien, welche zur Abwehr des Bösen getragen wurden oder auch Amulette in Mandel- oder Feigenform, welche die männliche Zeugungskraft symbolisierten.

Der Soldat und das Jenseits

Die römischen Jenseitsvorstellungen waren im Vergleich zu anderen antiken Kulturen eher nüchtern. Sie glaubten an ein freundloses Weiterleben als blutleere Schatten in einer dunklen Unterwelt. Zahlreiche Grabbeigaben, wie in anderen antiken Kulturen, waren daher bei den Römern nicht üblich. Entweder man verzichtete Ganz darauf oder man gab dem Verstorbenen eine Münze um Charon zu bezahlen, eine Öllampe um Licht ins Dunkel zu bringen und ein Balsamarium mit. Provinzsoldaten oder Angehörige der Hilfstruppen pflegten jedoch nicht selten ihre eigenen Bestattungsriten, zu denen beispielsweise Waffenbeigaben gehörten. Auf ihren Grabsteinen oder Denkmälern wiederum sind römische Soldaten nicht selten in triumphierenden Posen, voll bewaffnet oder in Momenten des eigenen virtus (Tapferkeit) dargestellt. Dies ist Verbunden mit dem Wunsch, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Tode bzw. über diesen zu siegen. Ab dem ausgehenden 1. Jh. n. Chr. Gehörte der triumphierende Reiter schließlich auch zum festen Repertoire der kaiserlichen Siegespropaganda, was sich auch in die christliche Kunst in der Figur des Heiligen Georgs im Kampf gegen den Drachen übertrug.


Literatur: M. Kemkes, N. Willburger: Der Soldat und die Götter, Martin Kemkes und Nina Willburger, Esslingen am Neckar, 2004