Das Nest der Krähe

  • Das Nest der Krähe



    Und da waren sie, direkt vor ihnen lag das Nest der Krähe. Sie waren der Hauptstraße Richtung Stadtmauer gefolgt bis zum Trinkwasserbrunnen. Dort waren sie rechts abgebogen, wie es ihnen der Junge gesagt hatte. Die verwinkelte Nebengasse hatten sie passiert und blickten direkt auf ein Haus mit mehreren Vorsprüngen. Zwei Etagen, ohne Fassadenschmuck und rau verputzte Wände.


    Das Nest der Krähe.


    Und wie sich herausstellte, war das Nest nicht unbewacht. Lurco gab Kyriakos ein Zeichen. Jetzt hieß es alles oder nichts. Lurco war dem Typen lautlos gefolgt und sprang er ihm aus den Schatten in die Knochen. Mit einem Brüllen drehte sich die Krähe um und erstarrte.


    `Ein Urbaner? Ein einziger Urbaner?´, schoss es dem Mann durch den Kopf.


    Unheimlich wie ein düsteres, überirdisches Wesen sah dieser Urbaner aus. Gesandt von seinem Kriegsgott um an ihnen Rache zu üben. Mit einem Gesicht blasser als der Marmor der Statuen starrte er binnen Sekunden dem Urbaner mit den stechend hellen Augen ins Gesicht und griff dann ohne zu zögern an.


    Er war kein Idiot, er war eine ausgebildete Krähe, sie waren die Herren der Unterwelt, die Herrscher Suburas und dieser Urbaner hatte ihn angegriffen. Ein einzelner Mann mit Höhenkoller, der Kerl war so gut wie tot und er zählte schon die Sesterzen für die Ausrüstung.


    Die Krähe griff sofort nach seiner Waffe. Doch dieser Urbaner stürzte sich bereits auf ihn und das unfassbar schnell. Der Kerl machte irgendwas mit ihren Händen, dass die Krähe nur als verschwommene, blitzartige Bewegung sehen konnte.


    Richtig wahrnehmen konnte er es nicht. Kaum dass er seinen Dolch gezückt hatte, hatte Lurco bereits sein Handgelenk gepackt. Der Kerl versuchte seinen Dolch hochzureißen, aber der Urbaner war wesentlich stärker als er vermutet hatte.


    Panisch griff er mit der freien Hand nach dem Arm von Lurco. Er war immerhin fast einen Kopf größer und sehr viel schwerer als diese männliche Furie.


    Aber dieser hatte den besseren Stand und die besseren Tricks. Dann plötzlich die Erkenntnis auf dem Gesicht der Krähe, er wurde mit nur einer Hand von dem Urbaner festgehalten. Wo war die andere Pfote?


    Als die Klinge in seinen Unterleib eindrang und mühelos Haut, Muskeln und Knochen durchtrennte, stockte dem Krähe der Atem.


    Einen Sekundenbruchteil später, explodierte der Schmerz in seinem gesamten Körper. Bewegungsunfähig erschlaffte er und ließ seinen Dolch fallen. Er keuchte schwer, während Lurco die Klinge aus seinem Körper zog und sich die Klinge des Urbaners sofort wieder in die Brust der Krähe fraß. Die Waffe in seiner Brust wurde mehrfach herumgedreht, um größtmöglichen Schaden anzurichten.


    Der Urbaner starrte ihn wie die Statuen im Park an, ein völlig ausdrucksloses, versteinertes Gesicht, während die Krähe zur Seite kippte und vor sich wie aus dem Nichts einen Mann mit lockigem Haar auftauchen sah.


    Der Urbaner war noch nicht mit ihm fertig. Erneut wurde der Krähe eine Klinge in den Leib gestochen. Immer und immer wieder und dass in einer grauenvollen, unglaublichen Geschwindigkeit mit fast maschineller Präzision. Der Dolch des Urbaners drang so tief in seinen Körper ein, dass er die Spitze über den Beckenknochen schaben fühlte.


    Vergeblich versuchte die Krähe ein letztes Mal Kontrolle über ihren Körper zu erlangen und die Arme nach dem Angreifer auszustrecken. Minimal konnte er wirklich die Arme heben, ehe er einen knochenbrechenden Faustschlag des Urbaners ins Gesicht kassierte.


    Ein letztes Mal wurde die Klinge herausgezogen und der Urbaner ließ ihn einfach fallen. Die Krähe schlug der Länge nach auf den Boden und lag nun wie er mit Entsetzen feststellte in den Fetzen seiner eigenen Eingeweide.


    Der Blick des Urbaners der seinem Sturz folgte war der eines Raubtiers. Die Löwen in der Arena musterten ihre Opfer mit dem gleichen Ausdruck. Sie wussten, dass ihre Opfer keine Chance hatten und dieser Urbaner wusste es ebenso.


    Warmes Blut breitete sich unter der Krähe in einer großen Lache aus. Und bei all dem gab er keinen einzigen Laut von sich, da ihm sein Körper soweit überhaupt nicht mehr gehorchte.


    Er wollte nur noch in der Schwärze versinken, als er erneut im Genick gepackt und in die Höhe gerissen wurde. Ein letzter prüfender Blick aus eiskalten, blauen Augen. Sein Schlächter verzog keine Miene. Der Kerl filzte seine Taschen und nahm den Schlüssel der Casa an sich. Erneut stürzte die Krähe zu Boden.


    Das letzte was die Krähe in seinem Leben sah, war wie genagelte Urbaner-Sandalen achtlos über ihn hinweg stiegen, gefolgt von den Füßen des Lockenkopfs, ehe beide in der Dunkelheit der Gasse verschwanden...

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    Kyriakos hatte Mühe, mit dem vorpreschenden Urbaner Schritt zu halten. Auf dem vom Blut glitschigen Untergrund musste er vorsichtig treten. Aber selbst auf trockenem Grund wäre es ihm nicht möglich gewesen, zu rennen. Da er gewohnt war, barfuß zu gehen, hatte er immerhin nicht den gleichen Ärger, wie er ihn mit Caligae gehabt hätte, mit denen sich ein feuchter Mosaikboden in eine Schlitterbahn verwandelte. Lurco streckte vor seinen Augen die Wachleute nieder und verschwand im Eingang der heruntergekommenen Casa. Kyriakos folgte ihm sehr viel langsamer und als er in die Eingangshalle trat, war sein Kampfgefährte schon verschwunden, weitere Tote säumten die Wände in sitzender Position.


    Kyriakos sah sich um, wobei er im Eingang stehen blieb, um Flüchtigen den Weg abzuschneiden. Diese Leute sahen aus wie ... Haushaltssklaven. Entweder war das eine gelungene Tarnung, oder Lurco metzelte sich gerade durch das Privatanwesen des Corvus. Schreie kündeten davon, dass niemand hier mit etwas Derartigem gerechnet hatte. Dies war das Nest der Krähe - der Mörder Velias, wie Kyriakos glaubte. Und vielleicht hatte sie hier auch gebrütet.


    Kyriakos war für den Kampf ausgebildet worden, er hatte gelernt, Befehle zuverlässig zu befolgen. Und Lurco agierte im Moment als eine Art Vorgesetzter. Kyriakos vermochte ihn nicht zu begleiten, aber er würde ihm auf seine Weise helfen, ging wieder nach draußen und wartete neben der offenen Tür. Dem ersten Mann, der versuchte, an ihm vorbei nach draußen zu rennen, stieß er in einer kurzen und präzisen Bewegung das Schnitzmesser in die Leber. Noch bevor sein Opfer zu Boden ging, folgte der finale Stich ins Herz. Beides hatte nicht länger als einen Wimpernschlag gedauert. Kyriakos klemmte das Messer zwischen die Zähne und zog die Leiche außerhalb der Blickachse, so dass der Nächste, der hinaus gelangte, sie erst spät sah und dann über sie springen musste. Das machte es dem fußlahmen Kyriakos leichter, sie abzufangen. Eine Leiche oder eine Blutpfütze von innen hätte dafür gesorgt, dass die Bewohner einen anderen Ausgang gewählt hätten oder durch die Fenster geflüchtet wären. Kyriakos tötete jeden, der durch die Tür wollte, ohne Unterschied. Er benötigte selten mehr als zwei Stiche, da das Überraschungsmoment auf seiner Seite war. Nur zwei kräftig gebaute Männer, die zeitgleich aus der Tür wollten, machten es ihm schwer. Als Kyriakos mit ihnen fertig war, sah er vermutlich nicht mehr sonderlich gut aus und fühlte sich auch nicht so.


    Er lauschte. Stille. Als sich nach einer Weile nichts regte, trat er erneut ins innere der Casa, die Lurco in ein Mausoleum verwandelt hatte. Doch wo war der Urbaner? Kyriakos wollte ihn suchen, doch dann musste er sich setzen. Seine Hände zitterten von der Anspannung, das Blut klebte schier überall. Da es warm es aus seiner Nase tropfte, war ein Teil davon sein eigenes. Vermutlich waren auch seine Augen zerbeult, er sah nicht mehr gut. Fühlen tat er im Moment - nichts. Da war nur das allumfassende Gefühl der Leere, was mit dem Tod einherging. Und so wartete Kyriakos darauf, dass Lurco zurückkehrte, während er weiter lauschte.

  • Lurco betrat das Haus des Wirtes des blinden Esels. Ein Löwe mit stählernen Klauen im Nest der Krähe. Für einen kurzen Moment sammelte er sich und wartete bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann trat er in das Haus hinein.


    Schon fuhren einige Krähen herum und rannten auf Lurco zu. Er zog seinen Dolch, wartete ab und schon drängten einige der Krähen auf ihn ein. Er gab seine Selbstbeherrschung auf und kämpfe blindlings drauf los. Trat in Bäuche, schlitzte mit dem Dolch Kehlen auf, rammte die Klinge in Genicke und versuchte dabei mit aller Macht so viele wie möglich von ihnen zu töten und selbst am Leben zu bleiben.


    Ein Schnitt durch die Kehle bis zu den Halswirbeln, sorgte dafür, dass die Reihen der Krähen in der unteren Etage drastisch dezimiert wurden. Er musste ihn die zweite Etage. Dort würden sich die Oberen aufhalten... oben.


    Während Lurco vorwärts lief um die Dreiergruppe auf Schwachstellen zu prüfen, lief einer der Feinde rückwärts – stets mit ihm auf gleicher Höhe bleibend um den Rest der Truppe vor ihm abzuschirmen.


    `Kein dummer Schläger´, schoss es Lurco durch den Kopf.


    Tumbe Schläger beeindruckten nur durch Statur und brutale Vorgehensweise. Sie starrten nach vorn, sie attackierten nach vorn, sie sicherten nach vorn. Aber nur ein wirklicher Leibwächter, schaute oft genug hinter sich und kämpfte egal in welche Richtung – der Kampf gab sie vor, nicht die persönliche Vorliebe.


    Diese Krähe hatte eine Spezialausbildung genossen, schlussfolgerte Lurco.
    Nun dass hatte er auch, seine eigene. Mehr als genug. Kenne Deinen Feind, war eine der obersten Gebote. Er wusste dass er bei dem Blondschopf vorsichtig sein musste. Zum Sieg reichte meist aus, dass er einfach schneller, wendiger und brutaler war als seine Gegner. Und meist war er das auch.


    Sein Blick viel auf die kleine junge Frau die krampfhaft versuchte nicht verkrampft auszusehen.


    18 Jahre? Ja vielleicht war sie schon 18 – vielleicht ein klein wenig älter. Aber sie hatte ein junges Puppengesicht. Vielleicht würde er es ihr zur Strafe demolieren, wenn sie mit der Sache zu tun hatte. Vielleicht auch einfach nur so, um die Gruppe zu bestrafen.


    Jede Gruppe war immer nur so stark wie ihr schwächstes Mitglied. Meist galt in Gruppen Zusammenhalt um jeden Preis. Und genau das konnte man auch wunderbar als Waffe gegen die Krähen einsetzen. Verletzte und verstümmelte man das Nesthäkchen, würden die anderen in rasender Wut zurückkommen um dieses zu holen und zu rächen.


    Sie zu opfern käme nur in Betracht, wenn sie dem Tod geweiht war - oder der Aufwand der Rettung zu hoch. Die Gruppe stand über dem Einzelnen. Jedenfalls vermutete der Urbaner das. Wieso hatten sie sich sonst im Nest zusammengerottet und versteckt? Ihm war es nur Recht, niemand verletzte ungestraft seine Familie, auch wenn diese lieber die Hände in den Schoss legte.


    „Mach ihn kalt, töte das Drecksschwein“, zischte eine der Krähen wütend.
    „Klar Boss“, gurrte der Angesprochene.


    Lurco war von Natur aus schon gefährlich genug, aber die Wut machten den Urbaner zur personifizierten Rache. Die Krähe hoffte Lurco in den nächsten Minuten zerhackt oder zerstückelt im Dreck zu sehen und konnte sich ein boshaftes Grinsen der Vorfreude kaum verkneifen.


    Die angesprochene Krähe starrte Lurco einen Moment an, dabei neigte er den Kopf in einer ruckartigen Bewegung die an einen Raubvogel erinnerte. Der Bursche fletschte für den Moment knurrend die Zähne. Ob vor Wut, Gehässigkeit oder Schmerz, konnte Lurco nicht genau sagen. Vielleicht eine Mischung aus allen Dingen.


    Lurco hoffte dass er Abgrundqualen litt. Der Bursche zückte zwei lange Dolche. Gewaltige Stich- und Schneidewaffen mit enormer Reichweite durch die Größe von dem Vogel.


    Lurco war zwar flink, aber er war auch gewarnt. Er wäre wahnsinnig sich bewusst ungeschützt oder ungeplant in die Reichweite dieser Krähe zu begeben. Angeekelt musterte den Burschen.


    Einige Sekunden zu lange, denn schon kassierte Lurco einen Hieb. Lurco wurde einmal quer durch die Luft geschleudert und prallte hart mit dumpfen Krachen auf dem Boden auf. Die Krähe machte auf dem Absatz kehrt um seinem Opfer nochmals eine zu verpassen oder ihn bei Möglichkeit direkt aufzuspießen.


    Die Krähe rannte auf sein Opfer zu, welches seinen Dolch nach oben riss. Er kümmerte sich nicht weiter darum, sondern verpasste seinem Gegner eine Ohrfeige die es krachend zurück zu Boden schickte und eine lange klaffende Fleischwunde auf dessen Arm bei Rückzug hinterließ.


    So schwer die Waffen aussahen, die Optik strafte die Effektivität lügen. Blitzartig konnte sein Feind damit agieren und reagieren. Lurco war stinksauer. So hatte er sich den Kampf nicht gerade vorgestellt.


    Zeit das Blatt für sich zu wenden.


    „Erstes Blut“, grinste die Krähe.
    "Kleine Fleischwunde", hielt Lurco kalt dagegen.


    Die Krähe sprintete kurz auf seinen Feind zu, und war so erneut blitzartig bei ihm. Ohne dass der mehr als überraschte Lurco überhaupt reagierte, versuchte dieser dennoch die Arme hochzureißen.


    Die Krähe hatte schon seine Arme zwischen die von Lurco geschoben, packte mit seiner die Messerhand von Lurco, zerrte sie herunter und umklammerten sie felsenfest.


    Mit der anderen Hand verdrehte er die freie Hand von Lurco und zog ihm eine blutige Linie auf den noch unverletzten Unterarm. Zeitgleich schoss ein Fuß hoch und trat Lurco vor den Schädel. Die Überraschung lag auf der Seite der Krähe.


    Lurco konnte sich nicht abfangen und verlor das Gleichgewicht. Im Sturz warf er sich zur Seite, drehte sich auf einem Bein, während das andere von ihm hochschoss und sein nagelbeschlagene Sandale direkt mit voller Wucht in die Weichteile seines Feindes krachte.


    Ein Tritt in die Eier hatte noch immer jeden Größenwahnsinnigen ausgebremst, dachte der Urbaner gehässig.


    Die Krähe keuchte und grunzte ungläubig vor Schmerz auf und ihm war für Sekunden schwarz vor Augen, so dass er erst mal schlucken musste. Die Gruppe zuckte bei dem harten Tritt in die Weichteile gleich mit zusammen. Der Kick hatte mehr als gesessen, dass sah man der Krähe schmerzverzerrtem Gesicht deutlich an.


    Als Lurco auf dem Boden aufschlug rollte ab und sprang wieder auf die Beine. Sofort ging er zum Gegenangriff über und deckte den Feind mit harten Tritten und Boxhieben vor die Knie ein.


    "Eins zu Null - für die Urbaner", zischte Lurco dabei.


    Die Krähe wich humpelnd und nun mit gehörigem Respekt vor Lurcos Tritten zurück, sich mit seinen Waffen abschirmend.


    Er war zwar sonst gewaltig schnell, aber im Moment hatte sein schmerzender Schritt die Oberhand und Lurco kam ihm eindeutig schon wieder viel zu nahe. Verzweifelt warf er einen seiner Dolche nach Lurco und sprang mit einem Satz aus der Gefahrenzone.


    Im selben Moment stürmte auch Lurco los. Allerdings nicht um der Krähe nachzusetzen, sondern er sprintete hinter der Krähe an dessen ehemaliger Deckung für die Kameradin vorbei und stand so vor der Frau.


    Der winzige Moment hatte Lurco gereicht. Lurco beugte sich vor, grabschte die zierlichen Frau in die Haare und riss sie daran hoch. Die weibliche Krähe weinte und schlug um sich, dabei versuchte sie an den Armen von Lurco Halt zu finden.


    Lurco schüttelte sie einmal brutal durch und schleppte sie ein Stück weit an den Haaren zurück um sie als Schild und Druckmittel gegen die Krähen zu verwenden.


    „Plaudern wir doch ein wenig“, sagte der Urbaner geradezu liebenswürdig.


    Der Blick der Krähe hing für einen Moment an seiner Kameradin, dann wanderte dieser zwischen der Frau und Lurco lauernd hin und her.


    „Das ist eine Sache zwischen uns, lass sie frei“, forderte die Krähe.
    „Freilassen? So?“, lächelte Lurco die Krähe an. Dann schloss er seine Hände um den Hals der Frau, so als wollte er ihr den Kehlkopf zerquetschen.


    Die Krähe brüllte seinen Kampfschrei und stürmte los, dann blieb er abrupt stehen und schlug mit einem seiner Dolche nach Lurco.


    Lurco stemmte einen Fuß mit einem brutalen Tritt gegen den Oberschenkel der Krähe, die Krähe kickte seinerseits Lurco vor die Brust um sich von dem Urbaner zu befreien. Zeitgleich grabschte er in verzweifelter Geste mit der freien Hand nach seiner Kameradin und riss die Frau brutal an sich.


    Durch die Gewalt der Tritte und den Schwung den die beiden Kerle bekamen, machten beide einen gewaltigen Satz nach hinten, sie bekamen ihre Bewegung nicht einmal mit, doch plötzlich lagen sie auf dem Rücken und blickten zum Himmel empor.


    Die Frau war ebenfalls gestürzt, da die Krähe sie durch den eigenen Schwung nicht hatte festhalten können. Sie ließ sich fallen. Am Boden duckte sie sich, spannte sich in Sekundenschnelle an, grub ihre Füße in den Boden und sprintete davon um wieder in die sichere Zone hinter ihren Kameraden zu kommen.


    Die Krähe wollte sich gerade hochwuchten als er einen brennenden Schmerz über den Knien spürte. Lurco beugte sich mit finsterem Gesicht über ihn.


    „Gib auf und akzeptier die Strafe“, knurrte Lurco.


    Die Krähe verschränkte schnell die Beine über dem Körper, da er seinen Arm nicht mehr zwischen sich und Lurco bringen konnte. Dann krabbelte er wie ein Käfer rücklings auf allen vieren schnell von Lurco weg. Lurco kroch vorwärts hinterher und hielt seinen Dolch fest umklammert. Die Krähe war irritiert und auch beeindruckt von Lurcos Leistung.


    „Tu endlich was!“, brüllte ein alter Sack die kämpfende Krähe an.

    Die Krähe stöhnte innerlich auf. Er sah das Lurco für einen winzigen Moment abgelenkt war und versuchte wegzuspringen. Lurcos Dolch erwischte ihn voll über den Oberschenkel, so dass er zuckend zurück auf dem Boden krachte. Zeitgleich kassierte er einen Schlag vor den Hinterkopf von Lurco.


    „Wir können nicht länger hier bleiben. Kommt!“, rief die Frau ihrem Kameraden zu.


    „Lauf!“, bellte die Krähe, sprang einmal um 180 Grad herum und dann schmerzend auf die Beine. Er schlug so wild mit dem Messer um sich, dass Lurco einen Moment echt überlegte morgen wieder zu kommen, wo sich der Verrückte abgeregt hätte.


    Beinahe hätte er darüber aufgelacht.


    „Du blöder Vogel“, knurrte Lurco die Krähe provozierend an.


    Schlüpfte flink unter dessen Deckung durch und verpasste ihm einem Schnitt über einer Augenbraue. Besorgt beobachtete die Frau aus sicherer Entfernung das Geschehen, sie wollte ihrem Kameraden helfen wusste aber nicht wie. Wenn schon der Brocken Probleme hatte, der sonst ihre Probleme wie ein Papa löste wusste sie hier auch nicht weiter.


    Auch der alte Sack blickte mehr ratlos als wissend was nun zu tun sei. Er blickte rückversichernd zu der Frau und blinzelte ihr kurz aufmunternd zu. Mehr konnte er nicht tun.


    Die Krähe zuckte zurück, nicht ohne ebenfalls erneut einen tiefen Schnitt auf Lurcos Arm zu hinterlassen.


    Für den bulligen Kämpfer der Krähen verschwamm die Welt in rot. Die Krähe wischte sich übers Gesicht, was die Lage nicht besser machte. Dann schüttelte er heftig den Kopf um sein eigenes Blut loszuwerden dass ihm größtenteils die Sicht nahm.


    Dennoch hielt der zähe Hüne die Waffe zu einer Art Verteidigung gegen Lurcos entschlossenes Anrücken erhoben. Lurco schlug erst einmal, dann ein zweites Mal gegen die Klinge um sie beiseite zu führen. Der Dolch von Lurco schoss vor. Er zielte auf die Augen der Krähe um diesen zu blenden, schnitt ihm allerdings nur die Stirn auf.


    Klugerweise sprang Lurco diesmal rechtzeitig zurück, bis die Wut der Krähe sich in einer Reihe gewaltiger und brutaler Hiebe ausgetobt hatte. Lurco fand das Verhalten der Krähe einfach lächerlich, wie der Kerl durch sein eigenes Blut geblendete immer wieder wild in die Luft schlug in der Hoffnung ihn zu verletzten oder abzustechen. Das er Ohren hatte, wusste der Kerl scheinbar nicht.


    Dann wurde die Krähe langsamer. Wie ein wütender Bär hatte der Kerl zwar gewaltige Muskeln und auch Kräfte, aber auch ein gewaltiges Eigengewicht. Sein Atmen kam stoßweise und er lauschte mehr als dass er angriff. Er hatte seine Ohren doch noch bemerkt, stellte Lurco fest.


    Allerdings kämpfte er trotz der Wunden die ihnen Lurco zugefügt hatte voller Wut weiter, wenn auch auf einem ganz anderen Leistungslevel als noch vor einigen Minuten.


    Mit seinem gut gearbeiteten, rasiermesserscharfem Dolch trieb Lurco die Krähe Schritt für Schritt zurück.


    Der Dolch der Krähe sauste knapp über Lurcos Kopf, als er sich gerade ducken wollte. Es hatte auch Vorteile, kleiner als der Gegner zu sein. Er trat gerade nach vorne, traf den Typen am Oberschenkel und zog einen langen blutigen Schnitt, als er wieder zurückweichen musste.


    Ein, zwei, drei Schläge – blitzschnell zurück in die Deckung kamen die extrem schnellen Bewegungen die Lurco nur um Haaresbreite verfehlten. Die Krähe war wirklich extrem aus der Puste und brauchte die Deckung zum verschnaufen. Der Kerl kämpfte im Moment fast nur noch nach Gehör. Trotzdem war der Brocken ein gewaltig gefährlicher Gegner.


    Lurco sprang in die Deckung hinein, wich mit einer Halbdrehung einem Schnitt aus und trat mit voller Wucht erneut der Krähe in die Weichteile und brachte sich dann mit einem Sprung rückwärts aus der Gefahrenzone von dem Koloss.


    Die Krähe wimmerte schmerzerfüllt auf und brauchte einige Sekunden um sich wieder zusammenzureißen. Ihm war grauenvoll schlecht und am liebsten hätte er vor Schmerzen gekotzt.


    Schlagartig war er alles andere als flott zu Fuß, während Lurco auf Zehenspitzen balancierte um für den nächsten Angriff zuzutreten.


    Der Brocken wich langsam zitternd vor Schmerzen zurück, den Dolch allerdings immer noch in Kampf- statt Abwehrhaltung. Dabei wischte er sich das Gesicht vorsichtig einigermaßen sauber um wenigstens halbwegs etwas erkennen zu können für den nächsten Angriff.


    „Achtung!!!“, kreischte die kleine Frau besorgt auf und mischte sich ein. Sie sprang wagemutig vor, stieß mit ihrem Messer nach Lurco.


    Lurco hätte beinahe über den kläglichen Versuch gelacht, aber Mumm hatte sie, dass musste man der Frau lassen. Schneller als die Waffe ihn erreichen konnte, ging Lurco in die Hocke, bis er fast auf dem Boden saß. Dann kam er abrupt wieder hoch und schoss auf seine Angreiferin zu.


    Die Finger seiner rechten Hand waren fest gegeneinander gedrückt. Sein linker Arm wische das Messer der Frau einfach beiseite, so dass sie ohne Waffe und wehrlos war. Sein tödlicher rechter freier Arm, den er eng an die Brust gepresst hielt, schoss in die Blöße ihrer Deckung hinein um Lurcos offene Handfläche mit aller Kraft die er aufbieten konnte gegen den Brustkorb der Frau zu rammen.


    Die Frau wurde über zwei Meter nach hinten geschleudert, landete japsend und Luft ringend auf den Füßen, dann fiel sie blau angelaufen um.


    „Einmalige Warnung“, sagte Lurco gelassen und deutete mit der Dolchspitze auf die Krähe.


    Der Blick von dem blonden Koloss folgte geradezu panisch-bestürzt der kleinen Frau, dann brannte er sich in die Augen von Lurco. Der Typ grinste. Ein Grinsen ohne jeglichen Humor, ein Grinsen das reinen mordlüsternen Wahnsinn verriet. Im Grunde nichts weiter als ein irres Zähneblecken vor dem Zuschlagen. Seine weißen Zähne blitzen durch die Geiferschicht die sein wutverzerrtes Grinse-Gesicht bedeckte.


    „Fataler Fehler Drecksack“, knurrte er dabei in einer Tonlage die keinen Zweifel daran ließ was er nun vorhatte, Schmerzen hin oder her.


    Trotz des Irrsinns und der Gefahr die von dem Typen ausging erwiderte Lurco das Lächeln und zwinkerte dem Hünen zu.


    „Ich hab schon das Erdgeschoss gesäubert, der Drecksack wir d Euch alle töten“, säuselte Lurco.


    Trotz aller Selbstsicherheit war Lurco erstaunt über die rohe Wildheit und brachiale Gewalt des Angriffs. Der Dolch hackte und peitschte wütend auf Lurco ein, nachdem Lurco den ersten Angriff so gerade abgewehrt hatte und dabei zig Schnitte einstecken musste.


    „Du Stück Scheiße, ich schlitz Dich für Laodice auf...“, brüllte die Krähe.
    "Laodice - so heißt die Hure? Scheint Dir wichtig zu sein,", lachte Lurco.


    Lurco grinste verschlagen, die Krähe ließ in seinem Bemühen Lurco aufzuschlitzen nicht nach. Lurco beschränkte sich auf die Verteidigung. Er liebte wütende Gegner. Wenn er eines wusste dann das. Die Wut seines Gegners wäre irgendwann verraucht und dann kam die Erschöpfung – seine Stunde. Und die Krähe war gerade schon kurz davor, dass ihm die Puste ausging, der Koloss lief auf Reserve.


    Idrieus rappelte sich so halbwegs wieder auf und erblickte die Krähe, der gegen Lurco kämpfte.


    Idrieus wusste das es ihn Zeit kosten würde die er nicht hatte um richtig wieder zu Atem und in Stasanors Nähe zu kommen. Und er sah auch, dass Lurco rasch die Oberhand gewann. Dieser mordlüsterne Urbaner war schneller als alle Personen die er kannte.


    Idrieus sah wie Stasanor mit dem Dolch zu einem brachialen Vorwärtshieb ausholte der fast jeden Gegner mühelos gepfählt hätte – wäre Lurco – nicht Lurco…


    Lurco drehte sich minimal an der Waffe vorbei, hielt den Arm von Stasanor fest und holte seinerseits mit seinem Dolch aus. Stasanor wollte ihn aufhalten, indem er Lurco am Handgelenk festhielt. Das alles kam Idrieus entsetzlich bekannt vor.


    Die Klinge fuhr genau in die ungeschützte Kehle der Krähe, Idrieus konnte von seinem Punkt aus nur zusehen, denn er war unbewaffnet. Einen Moment rangen die beiden noch tatsächlich miteinander.


    Lurco befreite seinen Arm blitzartig und schlitze Stasanor die Kehle der Länge nach auf.


    Plötzlich, viel plötzlicher als Idrieus es je geahnt hätte ging Stasanor röchelnd zu Boden sich die Kehle mit Händen haltend, dann rührte er sich nicht mehr.


    Lurco verharrte noch eine Weile und beobachtete wie die große Krähe verblutete, dann drehte er sich zu Idrieus und Laodice um.


    Zwei Schnitte später waren die drei Krähen wieder vereint... im Abgrund.

  • Schritte als er sich gerade auf den Weg nach oben machen wollte. Sie versuchten gar nicht mehr, keinen Lärm zu machen. Noch bevor er sich umdrehte, wusste Lurco welcher Anblick sich ihm bieten würde. Nun er wusste es fast. Eine Gruppe Krähen kam auf ihn zu. Sie schwärmten aus und Lurco ließ sich umzingeln, sodass er die Mutigeren automatisch direkt vor der Nase hatte. Bei ihnen war wieder eine Frau, es scherte ihn nicht. Lurco hielt nichts von Frauen, er hatte seine eigene Meinung über diese "Wesen".


    Einige Krähen nahmen sehr merkwürdige Posen ein, und wenn es Lurco nicht besser gewusst hätte, hätte er vermutet, dass sie ganz dringend einen Besuch beim Medicus nötig hattten. Er zählte insgesamt fünf mit dem Weib, von denen alle bis auf die Frau so aussahen, als könnten sie mit ihren Körpern durchaus etwas anfangen.


    „Du bist erledigt“, sagte die seltsame Frau und hob ihre Waffe.
    „Aha“, gab Lurco ruhig zurück.


    Die Krähen starrten Lurco mit Unglauben an. Offensichtlich bekamen sie sonst nie etwas anderes als Angst zu sehen. Lurco hielt ungerührt den kriminellen Blicken stand, ohne jede Spur vor Furcht. Sein Gespür verriet dem Urbaner, dass die Kerle zusehends unsicherer wurden.


    „Umdrehen, Arme auf den Rücken“, verlangte die Frau.
    Lurco sagte gar nichts.


    „Ich sagte umdrehen...!“, bellte sie und wurde mitten im Satz unterbrochen.
    „Wieso?“, hakte Lurco nach.
    „Was?“, fragte die Frau verwirrt.

    In diesem Augenblick der Verwirrung packte Lurco den Arm, der ihm entgegen gereckt wurde, mit der linken Hand am Handgelenk und zog die Frau mit einem heftigen Ruck zu sich heran, so dass die Waffe zur Seite zeigte. Dann griff er mit der rechten Hand nach dem Trizeps der Angreiferin und drückte den Arm mit Wucht nach unten, so dass der Ellbogen einknickte. Die Waffe fiel zu Boden, zeitgleich ließ Lurco los, riss sein Schwert heraus und hackte dem Weib mit brutalem Hieb den Arm ab.


    Das anschließende, schreckliche Geheul ließ die anderen erstarren. Lurco ließ die Frau fallen wie einen nassen Sack während sich die weibliche Krähe vor ihm auf dem Boden in ihrem eigenen Blut zusammenkrümmte. Zwischen den Schreien fand sie ihre Stimme wieder.


    „Bringt das Schwein um!“, brüllte sie verzweifelt, sich die gewaltige Wunde haltend.


    Lurco sprang mit einem Satz auf die anderen gezogenen Waffen zu, kickte sie mit einem Fußtritt beiseite und nutze seinen Schwung, um die Wucht, mit der er seinem Gegner den Ellbogen ins Gesicht rammte zu erhöhen.


    Der Kopf des anderen schnappte nach hinten, Blut spritzte aus seinem Mund und der Kerle sackte zusammen. Zeitgleich sahen die anderen Krähnen was Sache war, ihr Kollege rutschte von Lurcos Klinge.


    Die andere Krähe wich zurück, die Handflächen geöffnet, die Augen grimmige Schlitze. Die nächste Krähe kam von hinten. Lurco wirbelte herum und knallte dem Kerl die geballte Faust vor den Hals. Gefällt brach der Mann zusammen.


    Jetzt kamen die restlichen Krähen auf ihn zu, diesmal gleichzeitig. Einer schwang sein rasiermesserscharfes Messer, der andere einen Schlagstock. Der Schlagstock kam zuerst auf ihn zu, von links, in Kopfhöhe. Lurco packte den Schlagstock zusammen mit der Hand des Angreifers, nutzte den Schwung der Krähe aus und entriss dem Vogel die Waffe.


    Ein Dolch rammte in seine Seite, der schabend an der Panzerung des Urbaners abglitt. Keine zwei Sekunden später ließ Lurco den Schlagstock mit brachialer Gewalt auf den Schädel der Krähe krachen. Blut spritzte in das Gesicht der letzten stehenden Krähe. Lurco ließ den Schlagstock noch einmal in der Hand herumwirbeln, dann schoss der Schlagstock auf das Gesicht des letzten Angreifers zu. Dessen Gesicht verschwand in einer Wolke aus Blut-, Knochen- und Gewebefetzen. Guter Schlag lobte sich Lurco gedanklich.


    Der Urbaner ließ den Schlagstock fallen und folgte mit bedächtigen Schritten der einarmigen Krähe, die bepisst und eingeschissen versuchte, sich vor der Gerechtigkeit in Sicherheit zu bringen.


    Ein Schwertstreich durchtrennte ihr Vorhaben, sowie den Kopf von ihrem Hals.

  • Hand und Schnitzmesser waren saubergeleckt, um eine einwandfreie Handhabung zu gewährleisten. Langsam klärte sich auch die Sicht seiner ramponierten Augen wieder, auch wenn seine Sehkraft erst in einigen Tagen wieder vollständig hergestellt sein würde. Seine Zähne schienen noch intakt zu sein, einige Gesichtsknochen waren es weniger. Kyriakos stand auf, vor ihm lag der Leichenberg. Aber wo blieb Lurco? Er schloss die Finger fester um den Messergriff und betrat erneut die Casa des Corvus. Im Untergeschoss herrschte Stille, doch von oben vernahm er nun Schreie. Schritt für Schritt stapfte Kyriakos zur Treppe, dann in seinem üblichen langsamen Tempo hinauf, doch seine Sinne waren hellwach und sein Geist hochkonzentriert. Niemand kam ihm entgegen. Aus dem Gewirr der Stimmen vernahm er die von Lurco. Der Urbaner wirkte gelassen, doch das musste nicht heißen, dass er die Oberhand innehatte.


    Leise folgte Kyriakos den Stimmen, hielt sich außerhalb der Sichtachse, trat stets seitlich an die Türen heran, bis er, nach Räumen voller Leichen, Lurco fand inmitten einer Gruppe, die im Sterben lag oder bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Gerade enthauptete Lurco eine Frau, welche scheinbar die letzte Kontrahentin war, da trat von hinten eine weitere Person lautlos auf Lurco zu, den Dolch auf Kopfhöhe erhoben und vermutlich seitlich auf Lurcos Hals über dem Schwertarm abzielend, um mit dem Stich auch den Arm unbrauchbar zu machen. Kyriakos sah er nicht, da seine Aufmerksamkeit ganz dem Urbaner galt.


    Der Mann erreichte ihn nie. Kyriakos stach von unten in die Lunge, so dass ein Schrei unmöglich war. Mit einem Ruck riss er sein Messer unter dem Brustkorb hervor (er war nicht so unklug, mit dieser Waffe zwischen die Rippen zu stechen und ein Verkeilen zu riskieren). Er riss den Mann an sich heran und zog das Messer so tief durch die Kehle, dass der halbe Hals durchtrennt wurde. Nahezu lautlos ging sein Opfer zu Boden und würde aufgrund des rasanten Blutverlusts nach wenigen Herzschlägen das Bewusstsein verloren haben.


    »Ich bin hier, Lurco«, sagte Kyriakos ruhig.


    Dann drehte Kyriakos sich um, damit er Lurco weiterhin den Rücken freihalten konnte.

  • Das Töten hatte Lurco erschöpft. Seine Lungen brannten, Hüfte, Rücken und Arme schmerzten und seine Kehle fühlte sich an, als hätte er heißen Wüstensand verschluckt. Schweiß lief ihm über das Gesicht und den Nacken, brannte in seinen Augen, so dass er die Umgebung nur noch verschwommen wahrnehmen konnte. Seine Haut war mit Blutspritzern übersät.


    Zum ersten Mal seit sein Vater ihm beigebracht hatte zu kämpfen, fühlten sich seine Hände, die die Waffen hielten ungeschickt und plump an. Er presste seinen Rücken gegen die Wand und schnappte nach Luft.


    Er leckte sich über die Lippen, schmeckte Salz und hoffte, dass es Schweiß war und kein Blut. Oder sollte es doch Blut sein, so hoffte er inständig, wäre es nicht sein eigenes.


    Kyriakos hatte ins Haus gefunden, seinen Arsch gerettet und war nun an seiner Seite.


    Irgendwann hatte Lurco aufgehört zu zählen, wie viele Krähen sie getötet hatten. Er war auf jeden Fall auf über Zehn gekommen, die ihre Hinrichtung verdient hatten. Und gerade eben hatten sie unter Beweis gestellt, zu was sie fähig waren, wenn man sie in die Ecke drängte.


    Trotz seiner Erschöpfung musste er bei der Erinnerung daran Kyriakos anlächeln.


    Er holte noch einmal tief Luft, um Sauerstoff in seine Muskeln zu pumpen, ging die zweite Etage hinauf und sprang gegen die hölzerne Tür in der Wand gegenüber. Die Tür flog krachend auf, als er mit seiner linken Schulter dagegen prallte. Lurco rollte sich ab und befand sich für einen Moment in völliger Dunkelheit, bevor er sich orientieren konnte.


    Der kurze Gang in dem er sich befand, verzweigte sich vor ihm. Gerade als er sich wieder in Bewegung setzen wollte, sah er einen kleinen schwarzen Gegenstand auf sich zufliegen.


    Lurco sprang nach links und krachte durch die Wand aus Holz. Er landete auf dem Tisch eines abgetrennten Speisezimmers. Speisen und Getränke flogen durch die Luft und einige Krähen stoben kreischend auseinander. Das Geschrei um ihn herum wurde lauter und er schlitzte sich durch die drei aufgebrachten Vögel.


    Lurco lief weiter und erblickte einen drahtigen, sehnigen Kerl, der mit einem seltsamen runden Messer spielte. Der Mann war aus anderem Holz geschnitzt, als die Mitläufer und das Fallobst, was sich hier größtenteils im Haus ängstlich zusammengescharrt hatte. Heimtücke war ihr Handwerk, nichts scheute dieses Gesindel mehr, als mit der eigenen Brutalität konfrontiert zu werden. Die eigene Medizin war zu bitter...


    „Du bist also der miese Schwanzlutscher, der meine Krähen abgeschlachtet hat", zischte der Kerl Lurco an und riss den Urbaner damit aus seinen Gedanken.


    "Aber das ist mir eigentlich auch egal, denn hier endet Dein Ausflug…", sagte Amphion beiläufig und mit einer raschen, geschmeidigen Bewegung warf er das Messer.


    Man sollte doch nicht alles versuchen mit Logik zu lösen schoss es Lurco durch den Kopf, während das Messer auf ihn zuschoss mit rotierenden Klingen wie die uralten Dagger. Lurco schaffte es mit einer schnellen Drehung des Oberkörpers gerade noch der Waffe auszuweichen. Es hinterließ mehrere blutige Streifen in seinem Gesicht.


    Warmes Blut lief ihm über die Wange seinen Hals hinunter. Im gleichen Moment wurde sein Kopf nach vorne geschleudert. Etwas hatte hart seinen Schädel getroffen und ihm kam nur ein Gedanke - Scheiße.


    Das war er nicht, sondern er war nur mit dem Schädel durch den Schwung brachial gegen die Wand gedonnert.


    Schutz, Förderung, Hingabe, Loyalität und Verpflichtung das Leben aller Römer zu bewachen und die Lebensqualität aller Bürger des römischen Volkes zu erhöhen.
    Nun er hatte eine Aufgabe. Nichts was einen mehr aufrecht hielt als einen Sinn im Leben zu haben. Etwas wofür es sich lohnte zu kämpfen. Lruco stieß sich von der Wand ab.


    Wie ein rotierender Diskus flog das Messer haarscharf an Lurco vorbei, um in seinem Rücken eine Holzsäule wie weiche Butter zu zerschneiden. Dann änderte das Messer seine Flugrichtung und kam wie ein Bumerang zurück.


    Amphion holte ein zweites Messer hervor, warf es und lief los. Dann griff er das erste Messer das zu ihm zurückgeflogen war, aus der Luft und warf es sofort wieder in Lurcos Richtung. Die Messer die mühelos Holz zerteilten, hielten in kurzem Abstand auf den Urbaner zu. Tische, Möbel und Holzsäulen zerschnitten sie mühelos.


    „Scharfe Sache was, findest Du nicht auch? Chakram nennt man die Kleinen“, lachte Amphion.


    Angesicht dieser umherfliegenden Messer konnte Lurco nur so gut es ging ausweichen und versuchten die Waffen ebenfalls aus der Luft zu pflücken, er bekam sie aber nicht zu fassen.


    „Na na nicht fremder Leute Waffen stehlen, sowas gehört sich nicht. Ich muss Dich wohl noch erziehen. Du möchtest eins? Dann frag mich doch. Also schön was sagst Du dazu?“, fragte Amphion und zog ein drittes dieser Messer.


    Was folgte grenzte für Lurco an ein Wunder, denn er überlebte es – mehr noch er zog Amphion einen Schmiss, aber vorher hatte der Urbaner die Hops-Spring-Einlage seines Lebens zu liefern.


    Amphion warf die Messer so gekonnt, dass sie wie ein Lebewesen flogen. Die Messer beschrieben eine komplizierte Flugbahn und kehrten wieder zu ihm zurück. Zwei von ihnen wirbelten ständig durch die Luft und machten Jagd auf Lurco. Seine Tätigkeit beschränkte sich fast eine halbe Stunde nur darauf, durch Sprünge und andere Ausweichmanöver am Leben zu bleiben.


    Nach einer Weile kam ihm eines der Messer so nahe, dass er im Ausweichsprung dachte es würde ihm die Kehle aufschlitzen, doch er konnte sich mit einem Kick hoch an die Mauer und Seitwärtssalto so gerade noch in Sicherheit bringen. Die Klinge schabe durch sein Gesicht und zog ihm einen tiefen Schnitt von der linken Augenbraue bis hinab zur Wange und riss sie auf. Die Klinge hatte ihm das Gesicht aufgeschlitzt.


    Lurco schob seine Zunge durch das klaffende Loch in seiner Wange. Wie eine Schlange zog er seine Zunge zurück in den Mund.


    Ausgerechnet dieser Moment war seine Chance und Lurco griff zu. Er schnappte sich das Messer aus der Luft und warf es zu Amphion zurück. Sein Wurf war nicht gerade glorreich mit der ihm völlig fremden Waffe.


    Das Messer schrammte kratzend an Wände entlang, zerteilte zig Gegenstände im Raum und hielt auf Amphion zu. Baff starrte die Krähe noch einige Sekunden auf die auf sie zuhaltende Klinge...


    Zu spät, die eigene Waffe fraß sich rotierend in die Stirn der Krähe. Mit brechenden Augen schaute Amphion in die Welt, die er langsam nicht mehr sah. Lurco stellte sich vor die letzte Krähe und umfasste das Rundmesser.


    "Stell Dir mal vor statt dem Schwanzlutscher wäre hier der härteste Hund unserer Truppe aufgetaucht", grinste Lurco dämonisch und drückte das Messer ganz in den Kopf des Feindes, so dass sein Schädel in zwei Teilen zur Seite wegklappte.


    Danach klappte Lurco mit dem Chakram in der Hand selbst zusammen. Die Ausrüstung hatte die Feinde das Leben gekostet und seines behütet, Mars war mit ihm.

  • Kyriakos folgte Lurco die Treppe hinauf. Der Urbaner brach eine Tür auf und sprang gleich darauf seitlich durch eine dünne Holzwand. Den Grund dafür bemerkte Kyriakos, als ein Metallgegenstand in Schräglage dicht über seinem Ohr vorbeizischte und ihm einige seiner schwarzen Locken abrasierte und ein Stück Kopfhaut gleich dazu. Die Frisur war hinüber.


    »Skatá«, fluchte Kyriakos.


    Das war das Einzige, was er im folgenden Getümmel sagte, während Lurco sich noch während des Gefechts den einen oder anderen Dialog gönnte. Kyriakos hätte ihm gern im Kampf geholfen, um das Ganze zu beschleunigen, aber die herumfliegenden, rasiermesserscharfen Metallringe, die wie Disken geworfen wurden, machten das unmöglich. Denn im Gegensatz zu dem Urbaner vermochte Kyriakos nicht, solche Akrobatik an den Tag zu legen. Ihm blieb nur, sich hinter die nächste Wand zurückzuziehen, zuzuhören und zu hoffen, dass der Urbaner den Kampf überstehen würde. Wenn die Geräusche sich zu seinen Ungunsten veränderten, würde Kyriakos lautlos verschwinden. Nach etwa einer halben Stunde war Ruhe.


    Eine Weile wartete er noch lauschend, dann betrat er das Schlachtfeld. Was für eine Unordnung und was für Waffen! Kyriakos war von den Eisenringen begeistert, die hier augenscheindlich alles kurz und klein gesäbelt hatten. Das Schnitzmesser stach er wellenartig mehrmals durch sein Oberteil und fixierte es hinter dem Gürtel, da er keine Scheide dafür mitgenommen hatte. Kyriakos sammelte alle Ringe ein, die er finden konnte, dann kniete er sich neben Lurco, der stark im Gesicht blutete.


    »Lass uns hier verschwinden.«


    Er legte die Ringe auf dem Boden ab und zerrte sich Lurco, während er hockte, quer über die Schultern. Als er stabil lag, nahm er die Eisenringe in die Hand und richtete sich langsam auf, während er mit der anderen Hand den Urbaner an der Tunika fixierte. Noch viel langsamer als sonst stapfte Kyriakos, der kaum vorzeigbarer als Lurco verblieben war, die Treppe hinab. Sein Gesicht glich einem blutigen Sumpf und auch sein verbliebenes Haar verkrustete immer mehr, da die Wunde bislang nicht aufgehört hatte, zu bluten. Hinzu kamen kleinere Wunden - Schnitte, Blutergüsse, Prellungen - überall am Körper, die er noch gar nicht bemerkt hatte und die allesamt von den zwei Muskelprotzen stammten, während den übrigen Leuten keine Zeit geblieben war, sich zur Wehr zu setzen.


    Trotz allem fühlte Kyriakos sich erstaunlich gut. Er hätte Krieger werden sollen und Lysander hatte ihm diese Zukunft geraubt. Doch das heutige Erlebnis bot einen Eindruck davon, wie es sich angefühlt hätte. Dies war kein feiger Mord gewesen, sondern ein ehrbares Gefecht und diese Männer und Frauen hatten als Feinde des Reiches fungiert, das dieser Urbaner schützte. Des Reiches, zu dem theoretisch auch Sparta inzwischen gehörte, auch wenn die Spartiaten das anders sahen.


    Den verletzten ... Kameraden ... würde Kyriakos zur Castra tragen, auch wenn das Jahrhunderte dauern mochte in seinem Tempo.

  • Lurco fühlte wie er schaukelte und schwankte, dass Gefühl ließ sein Bewusstsein wieder an die Oberfläche treiben. Langsam schlug er die verquollenen Augen auf. Ihm schmerzte der ganze Körper, jetzt wo der Kampf vorbei war fühlte er jeden einzelnen geprellten Knochen und jede Zerrung. Die Schnitte, Tritte und was er sonst noch alles eingesteckt hatte, kosteten ihn Kraft die er nicht mehr hatte.


    Er war durstig wie nie zuvor in seinem Leben, aber genauso hatte er gekämpft. Sein Vater wäre stolz auf ihn, wüsste er von seiner Leistung. Aber niemand durfte je davon erfahren. Wie so oft galt, wer seinen Beruf gut ausgeübt hatte, fiel nicht auf. Die wahren Leistungen der Geschichte wurden nicht gepriesen, sondern sie gingen im Stillschweigen der heimlichen Helden unter. Und genau so ein Mann trug ihn gerade.


    Selbst konnte Kyriakos kaum laufen und dennoch hatte er ihn aufgelesen und nicht zurückgelassen. Dieser Lupo hatte mehr Ehre im Leib als so manche komplette Einheit. Lurco fasste mit zittrigen, blutverschmierten Fingern nach Kyriakos Brust. Seine Unterarme waren aufgeschlitzt und seine Finger fühlten sich taub an, aber sie gehorchten ihm noch.


    Lurco drückte Kyriakos die Hand aufs Herz.


    "Danke", presste er hervor, ehe er wieder ohnmächtig wurde.

  • << Valetudinarium


    Als Scato sah, wer ihm dort entgegen wankte und wen er über den Schultern trug, stieß er einen Schrei aus. Er rannte auf Kyriakos und Lurco zu, wobei er wieder "Nein, nein, nein, scheiße, NEIN!" schrie. Sonst war es nicht seine Art, in Panik zu verfallen, doch wer da leblos von den Schultern des Lupo hing, war nicht irgendwer für ihn. Er half Kyriakos, Lurco auf dem Boden abzulegen und überprüfte sofort, ob noch Leben in ihm war. Lurco atmete und sein Herz schlug, aber er zeigte keinerlei Bewusstsein.


    "Wie siehst du nur aus", jammerte Scato, als er das Loch in der Wange sah, war jedoch überglücklich, dass Lurco noch lebte. Seinetwegen konnten dem Kameraden die Arme oder Beine fehlen oder alles zusammen, völlig egal, das ließ sich irgendwie richten, Hauptsache, er war nicht tot! So gelang es ihm auch wieder, seine Gedanken zu ordnen und die Panik niederzukämpfen.


    "Kyriakos, mitkommen. Du hilfst später dabei, den Bericht zu schreiben. Ich werde Lurco ins Valetudinarium bringen!"


    Da Lurco seiner Einschätzung nach transportfähig war, zerrte er ihn sich nun selbst über die Schultern und war froh, dass er ihm nicht noch umständlich den Panzer ausziehen musste. Wobei Panzer und Helm Lurco sicher gut hätte gebrauchen können.


    "Irgendjemand muss den Tatort sichern. Pullus, du bleibst hier und ich schicke dir die Kameraden vorbei. Sobald sie hier eintreffen, übernehmen sie und du kehrst zurück zur Castra. Dort machst du mit Hilfe von Kyriakos den Bericht fertigt. Ich glaube nicht, dass Lurco im Moment sprechen kann."


    Da die Offiziere scheinbar im Moment anderweitig beschäftigt waren, würden sie sich eben selbst um alles kümmern. Sie waren nicht mehr die unerfahrenen Tirones von einst, sondern kannten die Abläufe und würden den Urbanern keine Schande machen. Scato trug Lurco so schnell er konnte zum Valetudinarium.


    Porta Praetoria >>

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