Dem Vergißmeinnicht folgt das anregende Gift der Herbstzeitlosen.

  • Nachdem Eireann von ihrem Dominus davon geschickt wurde. Zupfte sie den Schleier enger um ihr Gesicht und wagte sich in die Gässchen der Subura. Dabei umgab sie der Hauch von Melancholie wie einen Heiligenschein und begleitete einen jeden ihrer Schritte. Den herumlungernden Straßenkindern warf die Keltin verborgene Blicke unter dem Schleier zu. Ob der Straßenjunge ihren Brief bis zur Casa Furia gebracht hatte und hatte er Tiberios auch erreicht? Nun. Sie würde es sehen. Wenn sie sich auf den Weg zur Spelunke am Tiberufer begab und den furischen Sklaven dort nicht antraf. Doch bis es so weit war müsste sie ihren Dominus davon überzeugen Tiberios treffen zu dürfen. Und das sie ihm einen Brief geschrieben hatte, genauer gesagt schreiben ließ, wusste der Magus auch nicht. Sollte sie ihm davon erzählen? Ja. Musste sie. Wenn sie die Erlaubnis wollte das er sie zu dem Treffen gehen ließ. Ob dieser Gedanken presste die Dunkelhaarige ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Wie sollte sie reagieren wenn er es ihr tatsächlich verbot? Nein. Daran durfte und wollte die Keltin gar nicht erst denken. Auch wenn seine Stimme durch ihre Gedanken geisterte - Gehorsam und Stillschweigen. Dies war dem Magus wohl am wichtigsten. Und sie hatte ihm zuwider gehandelt, als sie mit Tiberios in schriftlichen Kontakt trat. Tatsächlich? Nun. Die Dunkelhaarige hatte den Brief nicht selbst zur Casa Furia gebracht. Denn den Villen der Hohen und Mächtigen wagte sie sich nicht mehr zu nähern. Schließlich schüttelte die Dunkelhaarige ihren Kopf und schloss für einen kurzen Augenblick ihre Augen. Denn die pochenden Kopfschmerzen setzten wieder ein. Sodass sie den Eindruck hatte ihr Kopf würde jeden Augenblick zerspringen. Bei jener abrupten Kopfbewegung war doch tatsächlich der Schleier verrutscht. Hastig griff die Dunkelhaarige nach der Seide und verbarg abermals ihr Gesicht.


    Die Tatsache das sie sich mittlerweile auf dem Mercatus Urbis befand, ließ die junge Frau sichtlich zusammen zucken und ihren Blick aus dem Augenwinkel von links nach rechts gleiten. Nun ja. Jetzt war sie schon einmal hier und würde keinen Rückzieher machen. Mit gestrafften Schultern näherte sie sich den Marktständen und ließ ihren Blick neugierig über die dargebotene Ware gleiten.

  • “Was bedrückt dich mein Kind? Ich sehe das deine Seele schwer ist vor Kummer.“
    Die Stimme einer Greisin ließ Eireann aus ihrer stummen Betrachtung regelrecht zusammen zucken. Wer hatte da gerade zu ihr gesprochen? Etwa dieses Weiblein dort, welche hinter einem der Marktstände saß und verschiedenste Leckereien feil bot? Argwöhnisch ließ Eireann ihren Blick auf dem Weiblein ruhen. Und erntete eine ebenso aufmerksame Musterung zurück.


    “Hast du gerade mit mir gesprochen?“
    War es dann doch Eireanns Stimme die hinter dem seidenen Schleier hervor drang.
    Das Weiblein erwiederte jedoch nichts auf ihre Worte. Sondern musterte sie schweigend und mit einem undeutbaren Lächeln auf den Lippen.
    “Hast du eine Krankeit das du dein Gesicht verbergen musst?“
    Bei diesen unerhörten Worten öffneten sich auch schon Eireanns Lippen. Doch noch ehe sie zu einer scharfen Erwiederung ansetzen konnte, lächelte das Weiblein milde.
    “Oh nein. Du bist hübsch. Aber er möchte nicht das dich andere angaffen. Du bist schließlich das Geheimnis des Magus.“


    Bei diesen Worten spürte Eireann wie ihr leicht übel wurde und ihre Finger unbewusst die Marke an ihrem Sklavenkragen umklammerte. Beinahe so als würde sie sich daran festhalten
    “Wo.. Woher nimmst du dein Wissen?“
    Erklang es dumpf hinter dem Schleier hervor. Während Eireann langsam ein und wieder ausatmete. Um gegen den bedrohlichen Schwindel anzukämpfen.
    “Oh mein armes Kind. Deine Seele verdorben und auf immer an den Magus gekettet.“
    “Ich habe meinem Dominus Gehorsam geschworen. Und ich.. ich darf ihn nicht enttäuschen.“
    Langsam ließ Eireann ihre Hand sinken und zupfte fahrig an dem Schleier herum.


    “Du wirst ihm hörig sein. Und an den Gefühlen für deine große Liebe zerbrechen.“
    “Ich darf keine körperliche Liebe empfinden!“
    Brauste Eireann auf und erntete lediglich ein mildes Lächeln des Weibleins.
    “Du wirst zerbrechen mein Kind. Langsam. Stück für Stück. Und dann hat er dich dort wo er dich haben möchte.“
    Bei diesen wahrlich unheilvollen Worten schnappte Eireann nach Luft. Von wem sprach die Greisin? Von Tiberios? Von Hairan? Oder gab es noch jemand drittes?
    “Sei still. Du lügst. Sei still.“
    Versuchte die Keltin den Worten der Greisin hinter dem Marktstand Einhalt zu gebieten.


    Doch schließlich war es Eireann die sich hastig herumdrehte und regelrecht panisch in eine der Gässchen eintauchte. An einer muffig riechenden Mauer rutschte sie schließlich zu Boden und kauerte sich dort zusammen.

  • Der Lärm der Marktschreier drang schließlich nur noch gedämpft an Eireanns Gehör. Denn die Dunkelhaarige hatte ihren Kopf zwischen die Schultern gezogen und presste ihre Hände gegen ihre Schläfen. Denn von dort breitete sich der pochende Schmerz wie ein Lauffeuer aus und ließ die Dunkelhaarige leise wimmern. Hatte das alte Weiblein etwa Zauber gewirkt oder wieso hatte Eireann den Eindruck ihr Kopf müsste jeden Augenblick zerspringen? Vielleicht hatte das alte Weiblein dieses Gefühl gemeint. Ihre bohrenden Kopfschmerzen. Ob dieser Gedanken presste Eireann ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen und versuchte sich in die Höhe zu stemmen. Geriet dabei jedoch ins taumeln und musste sich tatsächlich gegen die Mauer in ihrem Rücken lehnen. Was war nur los mit ihr? Wieso fühlte sie sich auf einmal so schwach? Lag es vielleicht daran weil sie am heutigen Tag zu wenig getrunken hatte? Ja. Daran musste es liegen. Und um ihren Wasserhaushalt wieder auszugleichen würde sie sich am Brunnen des Mercatus Urbis etwas erfrischen. Bevor sie jedoch aus der Gasse trat, zupfte sie den Schleier in ihr Gesicht und strich ihre Tunika glatt.


    Schließlich setzte Eireann ihre etwas wackeligen Schritte aus der Gasse und blinzelte erst einmal, um sich zu orientieren. Aber auch weil sie die Sonne blendete. Seit wann war sie denn so lichtempfindlich geworden. Mit einem leichten Kopfschütteln verscheuchte sie dieses merkwürdige Gefühl und stöhnte im nächsten Moment leise auf, als sich bunte Punkte vor ihrem inneren Auge abzeichneten. Taumelnd setzte die Sklavin ihre Schritte vorsichtig voran und bemerkte nicht wie sie ausgerechnet an dem Stand des Weibleins vorüber kam.
    “Dein Schicksal erwartet dich. Heute wirst du sehen.“
    Raunte die alte Greisin. Während die Keltin unbewusst ihre Schritte beschleunigte und sich eine Gänsehaut auf ihrem mit Peitschenstriemen gezeichneten Rücken abzeichnete.


    Endlich kam der Brunnen in Sicht und Eireann näherte sich diesem vorsichtigen Schrittes. In direkter Nähe hatte ein Eselskarren angehalten und der Bärtige stierte allzu offensichtlich in ihre Richtung. Unbewusst zupfte sie den Schleier fester um ihren Kopf und beugte sich über den Brunnen. Um in die undurchdringliche Tiefe zu blicken. Während sie sich von tausenden Augen beobachtet fühlte und ihre Finger unmerklich in die steinerne Brunneneinfassung krallte.

  • Die Frau, die hinter einem Stand wartete, war jung und außergewöhnlich hochgewachsen; bestimmt größer als Tiberios; sie trug kastanienbraune Flechten nachlässig aufgesteckt und musterte mit ihren großen braunen Augen in ihrem ovalen Gesicht mit der feinen, geraden Nase, die Vorbeigehenden.
    Ihr Gewand war ockergelb, ihre Haut so milchig, dass sich kleine Sommersprossen darauf abzeichneten.


    Jetzt noch ein Ährenkranz auf dem Kopf und man könnte Demeter unter ihr Bild schreiben, dachte Tiberios verblüfft. So viel menschliche Schönheit hätte er bei einer einfachen Marktfrau oder Bäuerin nicht erwartet.


    Er war in Buchgeschäften gewesen, um sich die verschiedenen Arten von Codices genau anzusehen. Noch immer beschäftigte ihn das Problem, Buchseiten herzustellen, die leicht und doch fest waren.


    Er blieb stehen, um das Marktweib zu bewundern. Die junge Frau erwiderte seinen Blick, ohne ein Lächeln, dann sprach sie:
    „Ach, duu bist das!“, ihre Stimme war älter, als er es bei ihrer Jugend erwartet hatte, rau und dunkel.
    „Salve, domina, sagte Tiberios:
    „Wer bin ich?“


    Die junge Frau lachte nun auf, und auch ihr Lachen klang anders, als es der furische Sklave erwartet hätte, tief, und einen Moment glaubte er, es käme aus der Erde selbst.


    „Eine gute Frage“, sagte sie spottend: „ Beantworte sie, graeculus.“


    Tiberios mochte es nicht , wenn man ihn als kleinen Griechen bezeichnete. Gut, er war ein Sklave, und sie eine freie Frau, aber er war der Maiordomus einer der ältesten gentes von Roma.
    Er zeigte sich so, dass ihr seine feine Tunika, seine neue Chlamys und die bronzene Kette auffallen musste, die er trug. Aber die Marktfrau wandte den Blick ab und schien etwas anderes zu fixieren.


    Tiberios folgte dem Blick und sah eine orangerot verschleierte Frau am Brunnen des Mercatus stehen, eine Orientalin, vermutete er. Sie beugte sich über den Brunnenrand, als ob ihr etwas fehlte. Sollte er sie ansprechen?


    Die Marktfrau richtete nun wieder ihre braunen Augen auf ihn. Wenn Tiberios genau hinsah, erkannte er goldene Sprengel darin, gefleckt waren sie wie die eines Nachtvogels. Fast unmerklich nickte sie.


    Der junge Alexandriner war hilfsbereit. Er fragte die Verschleierte:
    „Salve, domina, kann ich dir irgendwie behilflich sein?“




    *

  • Der Bärtige lehnte sich gegen seinen Eselskarren. Stocherte sich in den Zähnen herum und stierte allzu auffällig in Richtung der Verschleierten. Während eben jene Verschleierte durch langsames ein- und wieder ausatmen ihren hastig pochenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen versuchte. Und da half es auch nichts das sie diesen Blick deutlich auf sich spürte. Unbewusst zupfte die Keltin an ihrem Schleier und wünschte sich das ihr der Schleier die Möglichkeit verlieh unsichtbar zu werden. Leider war dies nicht möglich und so versuchte sie die sie musternden Blicke zu ignorieren. Auch wenn ihr dies schwer fiel. Denn die Worte des Weibleins hatten Eireanns Seelenleben durcheinander gewürfelt. Auch wenn ihr die Keltin entgegen gezischt hatte, dass die Worte der Greisin mit dem wissenden Lächeln eine Lüge waren. So ertappte sie sich doch wie sie länger über diese äußerst kryptischen Worte nachdachte.


    “Was mag das Weiblein mit ihren Worten nur gemeint haben?“
    Wisperte die junge Frau und starrte in die Tiefen des Brunnen. Als würde ihr die spiegelglatte Wasseroberfläche die Antwort auf ihre Frage liefern. Doch das Wasser des Brunnen lag völlig ruhig da und die Keltin entließ ein leises Seufzen über ihre Lippen. Vielleicht hatte ihr Dominus doch Recht gehabt und sie wäre lediglich in seinem Haus sicher. Nein. Sie konnte sich doch nicht selbst einsperren. Denn dann würde sie tatsächlich verrückt werden. Bei diesem gedanklichen Zwiegespräch musste Eireann dann doch leise kichern. Und dieses kichern verscheuchte endlich den Bärtigen mit seinem Eselskarren.


    Das sich der furische Sklave in ihrer unmittelbaren Nähe befand ahnte Eireann nicht. Erst als seine Stimme an ihr Gehör drang, weiteten sich Eireanns Augen. Während ihr Herz augenblicklich rasend in ihrer Brust pochte. Konnte das sein? Nach all' dieser Zeit, begegneten sie sich ausgerechnet an einem Brunnen wieder? Als er sie dann mit domina ansprach, huschte ein gequältes Lächeln über ihre Lippen. Der Lockenkopf hatte sich kein bisschen verändert. Oder etwa doch? Denn ihr Blick glitt lediglich aus dem Augenwinkel in seine Richtung. Mehr wagte die Sklavin einfach nicht. Denn die Angst war zu groß.
    “Ich bin eine Sklavin, wie du ein Sklave bist.“
    Ließ die junge Frau ihre leise Stimme erklingen. Bevor sie sich dann doch vorsichtig herumdrehte und ihren Schleier behutsam auf ihre Schultern gleiten ließ. Würde er sie erkennen? Sie hatte ihn bereits am Klang seiner Stimme erkannt. Und doch wirkte seine Tunika äußerst fein und auch der Stoff des Umhangs. Hatte er es geschafft und durfte sich als Peregrinus bezeichnen?
    “Tiberios.“
    Unendliche Trauer und tiefverwurzeltet Schmerz hüllten seinen Namen ein, als dieser wie ein leises Echo über Eireanns Lippen wehte.

  • Tiberios erkannte Eireann auch.
    Und einen Moment lang stiegen all die Gefühle in ihm auf, die er einst für die junge Frau empfunden hatte: Freundschaft, Liebe, Wut und Zorn und dann eine große Gleichgültigkeit:
    Er hatte die Silurerin aus seinem Leben gestrichen wie er mit umgekehrtem Stilus eine Wachstafel glättete: tabula rasa.


    Er sah Eireann genauer an.
    Sie war bleich und schmal, nur noch ein Schatten des fröhlichen Mädchens.
    Sie sah aus wie ein Mensch, der viel gelitten hatte.


    „Eireann!“, sagte er, blieb aber stehen, wo er war; weder Berührung noch Kuss gab er ihr:


    „Wie geht es dir? Und wer ist jetzt dein Dominus? Und weshalb kleidest du dich wie eine Perserin? Komm, da drüben ist ein Stand mit Posca, ich kaufe uns welche und wir setzen uns auf die Stufen zum Traiansforum, um zu reden.“,


    Tiberios‘ Stimme klang äußerst liebenswürdig.

  • Das Weiblein mit dieser rauen Stimme und dem so wissenden Lächeln hatte Recht behalten. Aber woher konnte sie dies nur wissen? Ob dies ein Wink ihrer Göttin war? Ein letztes, klärendes Gespräch. Bevor Eireann den Lockenkopf aus ihren Gedanken streichen würde. Streichen musste, denn so wünschte es ihr Dominus. Bei dem Gedanken an den Magus biss sich die Keltin abrupt auf die Unterlippe und umfasste unwillkürlich die Marke, die an ihrem Sklavenkragen befestigt war. Ob Tiberios das Sklavenhalsband aufgefallen war? Jetzt nachdem der Schleier ihre Gesichtszüge nicht mehr vor neugierigen Blicken verbarg. Unstet ließ die junge Frau ihren Blick über Tiberios Erscheinung gleiten und spürte im selben Moment einen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen. Sie hatte ihn verloren. Der Abstand zwischen ihnen war unüberbrückbar geworden. Und diese Tatsache schmerzte die Silurerin innerlich.


    Und dennoch erinnerte er sich an ihren Namen. Auch wenn die Dunkelhaarige bei diesem Namen leicht zusammen zuckte. Denn ihr Dominus sprach sie lediglich mit -Aethra- an. Jenem Namen den er ihr gegeben hatte. Und dennoch würde Eireann ihren Geburtsnamen niemals vergessen. Nervös beleckte die junge Frau ihre Unterlippe und ertappte sich dabei wie ihr Blick gedankenverloren auf Tiberios Gesicht ruhte. Entschuldigend lächelte sie in seine Richtung und wandte auch schon ihren Blick ab.


    “Ich folge dir.“
    Flüsterte Eireann leise und zupfte auch schon den Schleier um ihren Kopf. Bis dieser auch ihr Gesicht verbarg. Langsam folgte sie dem Lockenkopf. Auch wenn ihr Blick starr auf einem undefinierbaren Punkt ruhte.
    “Ich lebe noch Tiberios und danke meiner Göttin dafür.“
    Dabei huschte ein feines Lächeln über Eireanns Lippen.
    “Nachdem ich aus dem Carcer entlassen wurde. Verschenkte mich der Optio an einen Magus aus der Subura. Ich diene meinem Dominus als ...Haussklavin. Mein Dominus wünscht das ich mich so kleide. Die Subura wird zu meinem zu Hause Tiberios.“
    Eigentlich wollte Eireann fröhlich klingen. Doch ihr Standesunterschied wurde ihr in diesem Augenblick deutlich vor Augen geführt.
    “Ich habe den Furiern große Schande bereitet. Und die Haft war meine Strafe dafür.“
    Denn so empfand Eireann tatsächlich.

  • Tiberios holte zwei Becher Posca, stand in der Schlange stand, bezahlte und kam dann wieder zu Eireann
    zurück.


    Er setzte sich auf die Stufen, gab Eireann ihren Becher und sah sie nachdenklich an:
    „Ich hielt dich für eine freie orientalische Dame, weil nur sie sich verschleiern dürfen. Sklavinnen dagegen ist es verboten. Daher habe ich dich mit Domina angesprochen.“, sagte er.:
    „Aber vielleicht halten das magoi anders ….Magus sagtest du doch , dann ist dein neuer dominus ein Perser oder vielleicht ein Parther?“


    Tiberios, der in Alexandria einem Palmyrener gehört hatte, dessen familiäre Beziehungen sich bis ins Partherreich erstreckten, kannte sich damit ein wenig aus:
    „Verschenkt in die Subura.“, sagte er kopfschüttelnd:
    „Ich hätte dich offen gesagt nicht erkannt. Doch jene dryadengleiche junge Frau dort am Marktstand mit dem ockerfarbenen Gewand und den Eulenaugen hat mich sozusagen zu dir gelenkt...“
    Er deutete in die Richtung, wo Eireann mit der Greisin gesprochen hatte:


    „Sie ist nicht mehr da. Schade.“

  • Mit einem aufmerksamen Schimmer in ihren Augen folgte Eireann dem Sklaven, als Tiberios an einem der Stände zwei Posca orgsnisierte. Dabei nestelte sie unbewusst an dem Schleier herum, der sich um ihre Schultern schmiegten. Schließlich wollte sie Tiberios direkt entgegen blicken können und nicht durch die Seide des Schleiers blinzeln müssen.


    Der Kauf des Posca dauerte zum Glück nicht lange und die Keltin setzte sich schließlich neben Tiberios auf die Stufen des Trajansforums. Als sie ihm den Becher aus den Händen nahm, berührten sich ihre Finger leicht und beinahe wäre Eireann der Becher entglitten.
    “Entschuldige.“
    Murmelte die Dunkelhaarige und fixierte den Becher in ihren Händen. Bloß nicht in seine Richtung sehen, sprach sie innerlich wiederholend. Denn seinen Blick spürte sie durch den Stoff ihrer Tunika auf ihrer Haut brennen.
    “Sklavinnen dürfen sich nicht verschleiern? Warum? Mein Dominus wünscht es.“
    War Eireanns Stimme leise zu vernehmen. Während sie ihren Blick unsicher in Tiberios Richtung gleiten ließ.
    “Ich weiß nicht aus welchem Land mein Dominus stammt. Aber orientalische Züge hat er.“
    Dann biss sich die junge Frau auf die Unterlippe und senkte nervös ihren Blick.


    “Ja. Ich wurde verschenkt. Mein Dominus hat vor dem Carcer gewartet, bis Dominus Optio Furius Cerretanus mich aus dem Carcer führte.“
    Unwillkürlich schlang Eireann ihre Arme um den Körper und atmete langsam ein- und wieder aus.
    “Eine junge Frau hat dir den Weg zu mir gewiesen?“
    Nachdenklich verfolgte Eireann den Fingerzeig des Lockenkopfs und runzelte leicht ihre Stirn.
    “Dieser Stand dort scheint verwaist zu sein. Obwohl dort bis vor kurzem ein älteres Weiblein stand.“
    Ein leichtes Schulterzucken begleitete diese Worte der Dunkelhaarigen. Bevor sie erneut tief durchatmete.


    “Hasst du mich nun Tiberios? Für das was ich dir und der Gens Furia angetan habe.“
    Flehend war der Glanz in den Augen der jungen Frau. Während sie dem furischen Sklaven direkt entgegen blickte.

  • „Warum dürfen sich Sklavinnen nicht verschleiern? Ich nehme an, damit sie nicht auf verbotene Wege wandeln können.“, erwiderte Tiberios:
    Ein älteres Weiblein – nein, du irrst dich gewiss. Ich bin mir sicher, dass dort eine junge Frau stand. Etwas an ihr fiel mir sofort auf, gewiss war sie schön, doch das war es nicht nur; mir war es, als würde sie direkt zu mir sprechen, auch als sie noch nichts sagte – sie hat mich graeculus genannt...“, Tiberios lachte kurz auf.


    Sein Blick fiel auf den Sklavenkragen, der um Eireanns Hals lag. Es war vollkommen unüblich, dass eine Haussklavin in der urbs aeterna so etwas trug – es sei denn, sie neigte zum Weglaufen. Eireann war vor aller Welt als fugitive, unzuverlässige Dienerin gekennzeichnet.


    Der junge Alexandriner zuckte die Schultern:
    „Ich habe dich nie gehasst, Eireann.
    Als dominus Caesoninus dich verkauft hat, hatte ich zunächst Angst um dich und war traurig.
    Danach war ich wütend, weil du mir unser gemeinsames Leben, das wir hätten haben können, vor die Füße geworfen hast.
    Ich hatte Glück, dass domina Furia Stella mir glaubte, dass ich mit deinem Römerhass nichts zu tun habe und dass ich der gens Furia treu ergeben bin."


    Er erinnerte sich an die vergangene Zeit; wie er nach Eireann gesucht, wie er sie hatte im Carcer besuchen wollen und wie er die Furien um Gerechtigkeit angerufen hatte* – nur der Güte der Domina und dass die Urbaner Lurco und Scato seine schriftliche Entschuldigung angenommen hatten, hatte er zu verdanken, dass die Angelegenheit für ihn nicht schlimmer ausgegangen war.


    Dann erinnerte sich an Kyriakos Hohn und sagte grimmig :
    „Ich hörte, man hat dich in einem Lupanar aufgegriffen. Vielleicht ist es ja wahr, dass Kyriakos dir auf dem Lager gegeben hat, was ich dir nicht geben konnte. Zumindest hat er das behauptet..“**





  • Als Tiberios die Antwort auf ihre Frage gab, biss sich Eireann schuldbewusst auf die Unterlippe. Denn wieder einmal wurde ihr verstärkt bewusst das sie sich durch ihre dumme Tat ihr eigenes Grab geschaufelt hatte. Denn wäre sie damals nicht aus der Casa Furia geflohen, wäre sie auch nie dem Lupanarsbesitzer begegnet und hätte das Ganymed von innen betrachten dürfen. All' diese Gedanken kreisten der jungen Frau in diesem Augenblick durch den Kopf, während sie ihren Blick starr gen Boden heftete. Auch wenn sie den musternden Blick des furischen Sklaven deutlich auf sich fühlte.
    “Ich habe ein älteres Weiblein an diesem Marktstand gesehen.“
    Protestierte da die Dunkelhaarige und wagte es ihren Blick kurzzeitig anzuheben. Dabei spürte sie wie ihr Herz rasend in ihrer Brust pochte und sie den Becher äußerst fest umklammerte.


    “Und doch habe ich deiner Domina Schande bereitet.“
    Flüsterte Eireann und umklammerte unbewusst die Marke an ihrem Sklavenkragen.
    “Willst du wissen wieso ich davon gelaufen bin Tiberios? Ich wollte ein Geschenk für deine Domina kaufen. Und dann bin ich dem Lupanarsbesitzer gestoßen.“
    Hart biss sich die junge Frau bei diesen Worten auf die Unterlippe und senkte tatsächlich ihren Kopf. Als würde sie hier mit ihrem Dominus sprechen und nicht mit einem Sklaven. So könbte man das Verhalten der Keltin deuten.
    “Ich habe jeden einzelnen Tag an dich gedacht Tiberios. Ich habe dir sogar einen Brief überbringen lassen. Aber du bist nicht erschienen.“
    Jene letzten Worte flüsterte die Dunkelhaarige beinahe und schielte aus dem Augenwinkel zu dem Lockenkopf empor.


    Als Tiberios mit grimmigen Hohn in der Stimme den Lupanarsbesitzer erwähnte. Zuckte Eireann sichtlich zusammen und starrte den furischen Sklaven aus großen Augen an.
    “Nein. Das ist nicht wahr Tiberios. Ich habe mich gewehrt. Ich bin nicht freiwillig in diesem Lupanar gewesen. Ich war Kyriakos nie zu Willen. Er hat mich eingesperrt und wollte von Optio Furius Cerretanus Geld für meine Freilassung erpressen. Oh bitte Tiberios. Du musst mir glauben. Ich liebe nur dich.“
    Bei diesen Worten war Eireann von den Stufen gerutscht und kniete sich direkt vor Tiberios. Seine Beine umklammerte sie und bat ihn dadurch um stumme Vergebung.

  • Tiberios schüttelte den Kopf:
    „Weglaufen um ein Geschenk zu kaufen? Du bist doch nicht erst seit gestern eine Sklavin. Kam dir nie der Gedanke, dass domina Stella an einer tüchtigen, gehorsamen Dienerin mehr Freude gehabt hätte als an dem Tand, den du mit den paar Assen, die du hast, hättest kaufen können?
    Oder dachtest du, dir in dem Lupanar von Kyriakos Geld für ein großes Geschenk zu verdienen?
    Ich kann so viel Dummheit nicht glauben. Du hast nicht nur den Furiern, du hast der familia, uns Sklaven ebenso Schande gemacht mit deinem Verhalten.
    Und wo stehen wir nun, Eireann?
    Ich werde, wenn ich mich bewähre, der Maiordomus der Casa Furia sein und du hast absolutes Hausverbot, die Domina hat es uns allen gesagt.“


    Als Eireann Tiberios Beine umklammerte, nahm er ihre Hände in die seine und tat sie beiseite. Er stieß oder schubste sie nicht; es war ein einfaches Wegtun, als wäre ihr Griff nur lästig.
    Das Gesicht des Jünglings wurde hart:
    „Lass das!“,befahl er:


    „Anfangs habe ich auch jeden Tag an dich gedacht. Dann immer weniger.
    Und nun, Eireann, fühle ich, wenn ich an dich denke, nichts mehr.
    Keinen Zorn, keinen Eifer; einfach nichts.
    Es ist mir auch gleich, ob Kyriakos dir Lust bereiten konnte. Es wäre nur gut gewesen, du hättest das jetzt zugegeben, aber vermutlich lügst du wie du auch über deine Handschrift gelogen hast.
    Entweder der erste oder der der zweite Brief stammt nicht aus deiner Hand.


    Siehst du, ich werde dich nicht belügen:
    Ich habe mich in dieser Zeit ein oder zweimal in jemanden anderen verlieben können. Und einmal habe ich sogar wirklich geliebt.“


    Er richtete seine grauen Augen auf die Frau in dem hellorangenen Schleier:
    „Auch wenn ich nie Glück in der Liebe hatte. Doch vermutlich hat mir Tyche einen anderen Weg bestimmt.“

  • Tatsächlich mutete diese Situation äußerst grotesk an. Wie die beiden Sklaven nebeneinander auf den Stufen des Trajansforum saßen. Der eine Sklave gab sich wie ein Peregrinus. Während die junge Frau wie die niederste Sklavin aus der Subura wirkte. Was schon alleine der Sklavenkragen publik machte. Und dann war da noch Tiberios Kopfschütteln, welches Eireanns Herz dumpfer in ihrer Brust pochen ließ.
    “Ich habe nur an mich gedacht Tiberios. Ich war ... selbstsüchtig. Ich wollte das die Römer in mir nicht nur eine barbarische Sklavin sahen.“
    Abermals schluckte die Dunkelhaarige hart und führte erst in diesem Augenblick den Becher Posca an ihre Lippen. Doch nur damit ihre Hände beschäftigt waren und sie das zittern verbergen konnte.


    Als Tiberios erneut das Lupanar erwähnte, zuckte Eireann zusammen als hätte man sie geschlagen.
    “Ich war nicht freiwillig in diesem Lupanar. Das musst du mir glauben. Bitte Tiberios.“
    Flehte die Keltin regelrecht und blickte mit einem bittenden Glanz in ihren Augen zu dem Lockenkopf.
    “Ich wollte niemandem schaden. Wirklich nicht. Am allerwenigsten dir.“
    Erneut musste Eireann hart schlucken und spürte zugleich wie ihre Kehle eng wurde. Sie würde doch jetzt nicht vor dem furischen Sklaven in Tränen ausbrechen. Nein!
    “Ich wünschte ich könnte die Zeit zurück drehen und das Vorgefallene ungeschehen machen.“
    Flüsterte Eireann schuldbeladen und senkte erneut ihren Blick gen des staubigen Boden.
    “Deine Domina wird mich hassen Tiberios. Habe ich Recht? Eine respektvolle Entschuldigung meinerseits wird sie wohl nicht akzeptieren?“
    Tatsächlich flackerte bei diesen Worten ein kleiner Funke Hoffnung in Eireanns Seelenspiegeln.


    Tiberios Hände fühlten sich noch immer so unfassbar weich an, als er sie rigoros beiseite wischte und Eireann weiterhin vor dem Jüngling im Staub kauerte. Ihre Tunika würde sie später am Brunnen waschen, damit ihr Dominus keinen Verdacht schöpfte
    “Es tut mir Leid.“
    Murmelte die junge Frau und krallte ihre bebenden Finger in ihre Tunika. Der Poscabecher stand vergessen neben ihr.
    “Ich habe dich nie angelogen Tiberios. Ich.. ich kann nicht lesen und schreiben. Beim ersten Brief hat mir eine iulische Sklavin getroffen. Und beim zweiten Brief hat mir eine freundliche Frau aus der Subura geholfen. Das ist die Wahrheit. Bitte Tiberios.“
    Dann verstummte die Keltin erneut und starrte zu Boden. Während sie noch immer auf den Knien kauerte.


    Als Tiberios erwähnte das er sich einmal tatsächlich verliebt hatte, wimmerte die junge Keltin wie ein angeschossenes Reh auf und presste im nächsten Moment ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen.
    “Ich habe dir meinen Körper und meine Liebe geschenkt. Und du tauscht mich einfach ein?“

  • „Ich glaube gar nichts.“, sagte Tiberios:


    „Ich glaube nicht einmal, dass domina Furia Stella dich hasst. Sklaven hasst man nicht, sie sind zu unbedeutend. Man erwartet, dass sie gut dienen und wenn sie nicht taugen, dann versucht man sie erst zu korrigieren, und wenn das nicht geht, so entledigt man sich ihrer. Was soll domina Furia Stella mit deiner Entschuldigung? Du kannst es versuchen, aber vermutlich ändert es nichts.“


    Er lächelte nun, es war ein freundliches aber neutrales Lächeln:
    „Du hast gelogen, denn du hast mich dich deine Handschrift loben lassen und nicht widersprochen.
    Ich glaube dir auch, dass dir alles Leid tut, und ich glaube dir sogar, dass Kyriakos dich gewaltsam festgehalten hat.
    Aber auch das ist nun gleich.
    Chronos, die Zeit, ist unerbittlich, Eireann, und Chronos ist es, der uns getrennt hat.“


    Beim letzten Satz Eireann schüttelte Tiberios unwillig den Kopf:
    „Ich habe dich nicht eingetauscht. Tatsächlich hat diese Liebe von anfang an überhaupt mit dir nichts zu tun – denn du bist eine Frau, und er ist ein Mann.“


    Für den jungen Griechen lagen beider Lebenswelten so weit auseinander, dass der eine dem anderen dabei nichts weg nahm. Eireanns Vorbehalte hatte er auch schon früher nicht verstehen können.

  • Wie endgültig der Klang in Tiberios Stimme war. Als würden sich hier gerade zwei Fremde gegenüberstehen die sich über das Wetter unterhielten. Diesen Eindruck könnte man tatsächlich gewinnen. Während es Eireann innerlich zerriss vor Schmerz und ein wahrlich trockenes Schluchzen aus ihrer Kehle an die Oberfläche drang. Ihren Schleier zupfte Eireann in diesem Augenblick wie eine schützende Barriere um ihren Kopf. Sodass der furische Sklave ihre Tränen nicht bemerkte. Auch wenn man an ihren bebenden Schultern ihre Reaktion allzu deutlich erkennen konnte.


    “Du... glaubst mir nicht?“
    Wisperte die junge Frau, die noch immer im Staub kniete und erneut hart schluckte. Denn instinktiv wusste die Dunkelhaarige das sie Tiberios auch nicht umstimmen könnte. Ganz gleich was sie versuchte. Und diese Erkenntnis schmerzte Eireann sichtlich. Hatte sie Tiberios tatsächlich verloren? Für immer?
    “Selbst wenn ich vor deiner Domina im Staub krieche und mich entschuldige, würde sich nichts ändern?“
    Matt schimmerten Eireanns Augen. Was durch den Schleier jedoch verborgen blieb.


    “Ich.. ich habe mich gefreut als du den Brief gelobt hast. Ich.. ich dachte du meintest meine Worte. Ich bin keine Lügnerin.“
    Oh nein. Diese Anschuldigung würde sie nicht auf sich sitzen lassen. Und so funkelte sie dem furischen Sklaven direkt entgegen.
    “Du kannst mich in den Staub treten und auf mich spucken Tiberios.“
    Erwiederte die Keltin mit noch immer jenem glühenden Feuer in den Augen, welches ihr von Tiberios den Spitznamen 'Feuerkopf' eingebracht hatte.


    “Ich habe mich dir geschenkt Tiberios. Ich habe dir meine Jungfräulichkeit gegeben. Ein Privileg das meinem Verlobten zugestanden hätte. Ich liebe dich noch immer. Während meiner Kerkerhaft hat der Gedanke an dich mich am Leben gehalten.“
    Sprudelte es leidenschaftlich über Eireanns Lippen. Während ihre schmalen Hände leicht zitterten.
    “Bin ich dir wirklich so egal geworden? Empfindest du nichts mehr für mich Tiberios? Noch nicht einmal ein Funken?“

  • Wieder schüttelte Tiberios den Kopf.


    Eine Erinnerung kan in ihm hoch;


    Eireann in der „Flinken Nadel“, dem Schneiderladen. Er kam gerade vom Sklavenmarkt und wußte noch nicht, was ihn bei Furius Philus erwarten würde, da hatte sie ihm ihre Hand hingestreckt als Freundin, und sie war der erste liebe Mensch in Roma, den er kannte.*


    Eine zweite Erinnerung: ….eine mutwillige Mädchenhand in der seinen „Laufen wir, damit uns die Luperci segnen!“, wie rannten sie, wie lachten sie, wie empfingen sie die Striemen aus Lupercushand.**


    Eine dritte, ein Streit, dann mit Blumen bekränzt Anna Perenna, nein, nicht die Nymphe; Eireann war es im lichten Frühlingsgrün, die Augen voller Liebe.***


    Eine vierte; der Garten des Maecenas, dort liebten sie sich dann ; eine Nachtigall schlug und die Nacht war blau und kühl, Tiberios schlang die Arme um Eireann, sie zu wärmen, voller Liebe lagen sie beieinander.


    Es war schön gewesen.


    Tiberios schüttelte noch einmal den Kopf.
    Er war noch nicht einmal zwei Jahre in Roma und schon war er zum Hausaufseher aufgestiegen, so jung wie er war. Aus Verzweiflung und Not – kurz dachte er daran, dass man ihn verkauft und aus seinem Leben gerissen hatte, als wäre er ein Schwerverbrecher – war ein schneller Aufstieg geworden.


    In Maßlosigkeit und Dummheit hatte Eireann Tiberios‘ Lebensplan zerstört. Das war weder zu kitten noch konnte man von vorne anfangen. Tiberios hatte bereits einen neuen Lebensplan; in ihm kam Eireann nicht mehr vor.


    Das erste Mal in seinem Leben musste er abwägen, was ihm mehr bedeuten konnte, die um ihn weinende, flehende junge Frau vor ihm oder die Chance, die ihm die Furier boten. Und er wusste genau, wen er opfern würde.



    „Ich habe kein Interesse daran, dich in den Staub zu treten oder auf dich zu spucken.“, sagte er:
    „Die Gaben der Venus, die du mit mir geteilt hast, haben Spender und Empfänger geehrt; nichts Unrechtes war an dieser Nacht. Ich werde immer ein Gefühl der Freundschaft für dich empfinden, Eireann. Ich bin nicht dein Feind.“


    Vergangenheit. Noch nie hatte Tiberios die Last dieses Wortes gespürt wie gerade eben.



  • Schweigend und mit Tränen in den Augen kniete die Dunkelhaarige im Staub und spürte wie ihr Herz mit jeder Minute die verstrich in winzigkleine Splitter zerbrach. Tatsächlich hatte sie Tiberios verloren. Für immer verloren. Und während diese Erkenntnis allmählich in ihren Geist sickerte und sich dort festsetzte, wünschte sie sich der Boden zu ihren Füßen würde sich auftun und sie verschlucken. Schließlich rappelte sich die Keltin auf die Füße und versuchte unbewusst den Staub und Dreck aus ihrer Tunika zu wischen. Nachdem Eireann tief durchgeatmet hatte, blickte sie Tiberios direkt entgegen und der tränenfeuchte Schimmer ihrer Augen wurde hinfort geblinzelt.
    “Und doch tust du genau das Tiberios. Du trittst mich in den Staub. Ich fühle mich von dir benutzt und einfach entsorgt. Als wäre ich in deinen Augen nichts wert. Vielleicht hattest du tatsächlich Recht und ich bin lediglich eine unwissende Barbarin.“
    Vollkommen ruhig entwichen diese Worte den Lippen der Keltin. Während es tief in ihren Augen kurzzeitig auffunkelte. Etwa die alte Eireann?


    “Tz! Freundschaft! Ich bin doch nur eine Barbarin in deinen Augen. Der angesehene Sklave einer römischen Familie sollte nicht mit einer Sklavin aus der Subura gesehen werden.“
    Emotionslos blickte die Keltin dem Alexandriner entgegen und versuchte verzweifelt das zittern ihrer Finger zu verbergen.
    “Mach es gut Tiberios. Hüter meines Herzens. Werde ein freier Mann in Roma. Ich wünsche dir nur das Beste. Das habe ich schon immer getan.“
    Schließlich drehte sich die Dunkelhaarige abrupt herum und brachte Abstand zwischen sich und den furischen Sklaven.
    “Für dich bin ich nur noch Aethra Tiberios. Und danke für den Posca.“
    Mal sehen ob der Lockenkopf noch etwas erwiederte. Wenn nicht, würde Eireann den Schleier am Brunnen säubern und sich selbst in einer der Thermen in der Subura. Die zwei Sesterzen hatte Eireann noch nicht ausgegeben. Dann würde sie gesäubert zurück zu ihrem Dominus kehren und Tiberios vergessen. So zumindest der angedachte Plan.

  • Nun begehrte Tiberios auf, denn die Vorwürfe Eireanns waren ungerechtfertigt:


    „Du verdrehst die Tatsachen! Nicht ich habe dich benutzt und entsorgt, sondern du warst es, die unsere gemeinsame Zukunft zu nichte gemacht hat. Stultum facit Fortuna, quem vult perdere! * Als dich dominus Cerretanus gekauft hat, da hatte Fortuna uns zugelächelt – doch du hast dich gegen die Göttin gestellt und ihr Geschenk an uns in den Staub getreten!“, rief er ärgerlich aus.


    Er blickte die schmale Frau mit dem Sklavenkragen und der orientalischen Kleidung an:
    "Sag mir, wer ist Aethra?"
    , fragte er dann mit ruhiger Stimme.




    Sim-Off:

    * Töricht macht Fortuna, den sie zu Grunde richten will, Publius Syrus

  • Kaum hatte sich Eireann herumgedreht, begann sich Tiberios in Rage zu reden. Zumindest empfand die Keltin den Klang in seiner Stimme als Aufbegehren und zuckte unwillkürlich zusammen. Ihren Kopf hielt sie dennoch erhoben und fokussierte den furischen Sklaven. Jedoch versuchte sie ihre emotionslose Maske vergeblich aufrecht zu erhalten. Denn die ersten Risse zeigten sich und Eireann spürte wie ihr Herz hastiger in ihrer Brust pochte.
    Doch noch einmal würde sie keine Tränen vor dem Lockenkopf zeigen. Und so presste Eireann ihre Lippen zu einem blutleeren Strich zusammen. Während Tiberios Worte in ihren Gedanken widerhallten.


    “Du wusstest es das ich mich der römischen Obrigkeit niemals unterwerfen kann. Du wusstest es Tiberios!“
    Bei diesen deutlich hitzigen Worten hatte Eireann ihre Finger zu Fäusten geballt und funkelte dem Sklaven gereizt entgegen.
    “Dominus Furius Cerretanus.. er war.. er hatte.. ich sollte Domina Furia Stella helfen. Aber wieso hat er mich überhaupt gekauft, wenn er mich dann sowieso weiterschob?“
    Hart schluckte Eireann und wirkte in diesem Augenblick leicht verzweifelt. Was man auch an ihren angespannten Schultern erkennen konnte.


    Aethra ist meine Zukunft. Bin ich. Dies ist der Name den mir mein Dominus gab.“
    Wie man einem Haustier einen neuen Namen gab, wenn man es kaufte.

  • Tiberios wandte sich zum Gehen:


    „Dominus Cerretanus hat dich gekauft, weil er es so wollte. Und er konnte danach mit seinem Eigentum machen, was er wollte; sogar dich töten. Aber er hatte es gut mit dir gemeint: Das Haus und domina Furia Stella, von denen du schlecht sprichst, ist das Haus, in welchem ich der Maiordomus bin und ich bin den Furiern ergeben. Wage es nicht, sie in meiner Gegenwart zu beleidigen!“


    Zornig wurde Tiberios und fast hätte er die Hand erhoben:
    „Aber du gehörst ja nicht mehr Römern, nicht wahr? Ein Peregrinus hat dich geschenkt bekommen. Bestimmt wird er dich dort in der Subura viel besser behandeln als ein römischer dominus! Du siehst auch schon sehr erholt und nahezu glücklich aus – Aethra!“


    Der Zorn verwandelte sich in beißenden Spott. Nicht mehr hatte Tiberios für das Mädchen, das er einst lieb gehabt hatte:
    „Wie heißt dein neuer wunderbarer dominus, der dir auch schon einen neuen Namen gegeben hat?“, fragte er:
    „Oder warte! ICH kann ja lesen.“


    Mit einem Schritt war er bei ihr, griff nach der Sklavenmarke und entzifferte ihre Aufschrift:


    [Eigentum Anis von Alexandria
    Belohnung!
    ]


    „Anis von Alexandria“, flüsterte Tiberios:
    "Ich kenne jemanden, der sich so nennt. Nimm dich in Acht, Eireann, das ist ein schlechter Mensch!“

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