• Porta Praetoria >>


    Tiberios lehnte sich an die Wand vor dem Officium und verschränkte die Arme.
    Etwas verwirrt war er. Im Gegensatz zum letzten Mal, als man ihn wie einen Eindringling behandelt hatte, war es diesmal als Zeuge in Lurcos Begleitung sehr einfach gewesen, in die Castra zu kommen. Weder war er durchsucht noch überhaupt gefragt worden, was er in seinem Beutel trug. Jetzt stand er vor dem officium des Centurios Maro und hätte theoretisch ein ganzes Arsenal an Waffen einschleppen können.
    Also hatte domina Furia Stella Recht gehabt, er hätte den Namen Eireann nicht erwähnen sondern gleich nach Optio Cerretanus fragen sollen.
    Vielleicht wäre dann alles genauso einfach gewesen. Tiberios ärgerte sich über seine eigene Dummheit.


    Der junge Sklave warf dominus Lurco einen kurzen prüfenden Blick unter halb gesenkten Lidern zu. Der Fortuna sei Dank konnte dieser keine Gedanken lesen und ein noch glücklicherer Umstand war es zweifellos, dass er, Tiberios, eben kein Bösewicht war.


    Wenn Lurco mit ihm warten musste, war es vielleicht an der Zeit, den Urbaner zu fragen, wie er überhaupt die Sache sah. Allerdings musste er vorsichtig vorgehen:


    "Darf ich dich etwas fragen, dominus Lurco?", begann er:
    " Welche Proben außer der reinen Ausage dieses dubiosen Kyriakos gibt es überhaupt von Eireanns Schuld ?Und der hat die Furii versucht, zu erpressen, was nicht gerade für ihn spricht."

  • "Sicher darfst Du mich fragen. Aber ich frage mal andersherum, was spricht denn für die Unschuld des inhaftierten Subjekts? Nichts.


    Gegen Kyriakos liegt keine Anzeige wegen versuchter Erpressung oder Betrugs vor, er ist genauso Zeuge in dem Brandfall wie Du Tiberios und nicht Angeklagter.


    Kommen wir zu dem inhaftierten Subjekt und fangen mit dem Generellen an. Generell hat das Subjekt eine Kaiser-, Rom- und Menschenverachtende Einstellung. Sie hat mehrfach ihren Herrn und auch Dich in Misskredit gebracht. Ich erinnere an die Abweisung an der Castra, als Du für das Subjekt etwas abgeben wolltest.


    Deine Taschen darfst Du gleich einmal leeren, bevor Du zu unserem Centurio ins Officium gehst.


    Das Subjekt nimmt nur Tiberios, es gibt nichts zurück. Bis dato noch nicht verwerflich, reine ich-bezogene Menschen kommen immer wieder vor, warum also nicht auch Sklaven? Dies zeigt aber wessen Geistes Kind das Ding ist.


    Was hast Du bereits alles für sie getan? Was tat sie für Dich? Nichts. Sie hielt nur die Hand auf, im übertragenen Sinne gesprochen.


    Nächstes Thema, Intelligenz des inhaftierten Subjekts - Null. Intelligenz zeichnet sich dadurch aus, komplexe Informationen zu logischen Handlungen verarbeiten zu können. Dieses Ding ist nicht mit Verstand gesegnet. Keine Gefahr erkannt, nicht kooperiert, nicht einmal gelogen um nicht bestraft zu werden. Selbst bei ihrem mehr als zugänglichen Herrn hat es nicht einmal versucht seine missliche Lage in eine positivere zu verwandeln. Das tat es weder für sich selbst, noch für seinen Herrn, noch für Dich als Freund Tiberios.


    Thema Wahnsinn.Dass das Subjekt nicht mehr alle Becher im Schrank hat ist offensichtlich. Sie knurrt, ballt die Fäustchen, presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und steckt stocksteif da. Falls sie nicht tobt oder wütet. Zwei Verhaltensmuster erscheinen doch recht mager für ein Ding. Jedes Wildtier hat eine größere Auswahl an Verhaltensmuster. Irgendwas hat bei dem Ding da oben schon lange ausgesetzt. Es sollte nicht in der Obhut guter, ehrlicher Menschen gehalten werden.


    Weiteres Thema, die plumpen Lügen des inhaftierten Subjekts. Es tat so als wäre es keine Christin, dabei bedient es sich der Sprache der Christen. Würdest Du den Christengott zitieren oder auf deren Abgrund namens Hölle verweisen? Nein... niemand bedient sich christlicher Worte, der kein Christ ist.


    Das Subjekt hat Dir das Märchen von seiner Jungfräulichkeit erzählt. Ich hoffe Du glaubst den Unsinn nicht Tiberios. Das war kein Geschenk, dass war Dein Nasenring. Es gibt Weiber die werden dreimal die Woche zur Jungfrau dank besonderer Pflanzenmittelchen. Glaub mir ich weiß wovon ich spreche. Beschämt wie der letzte Dreck schlichen sie in die Heilstube und gingen mit erhobenen Häuptern hinaus, als wären sie die Herrinnen der Welt. Schau Dir das Subjekt doch einmal an. Es sieht alt, verbraucht und verhärmt aus, zudem ist es verbittert wie eine alte Lupa. Woher meinst Du kommt das? Weil sie das frische, blühende, junge Leben ist? Es hat versucht sich mit Locharbeit durchs Leben zu schleimen wie ein Aal. Dir hat sie damit auch einen Nasenring verpasst und zerrt Dich daran durch die Arena.


    Jetzt die wichtigste Lüge - was machte das Subjekt überhaupt im Ganymed? Hatte es erlaubten Ausgang? Nein. Hatte es die Erlaubnis sich zu paaren und gegebenenfalls zu vermehren? Nein.Sollte mit dem Subjekt gezüchtet werden? Nein.Also was machte das Subjekt um diese Zeit in einem Lupanar?


    Kommen wir zum Verhalten des Subjekts.
    Menschen verbrennen und sterben. Jeder normale Mensch wäre schockiert, würde Mitgefühl empfinden und wenn es ihm möglich ist versuchen zu helfen. Richtig? Richtig! Das Subjekt hat gelacht. Hörst Du? Es hat gelacht, als Menschen elendig verreckt sind.


    Nun zu den tätlichen Angriffen des Subjekts.
    Fangen wir bei dem Medicus an. Vor Ort beim Brand des Ganymed hat ein Medicus versucht, das Subjekt zu untersuchen. Hintergrund - medizinische Hilfeleistung. Das Subjekt hat ihn gebissen.


    Weshalb? Ist es ein krankes Tier? Dann gehört es sofort erschlagen.


    Oder hätte der Medicus vielleicht festgestellt, dass dem Subjekt frische Soße aus dem Loch läuft, da es gerade im Lupanar war? Und dass das Loch doch schon etwas länger in Benutzung ist, als es alle Glauben machen möchte? Was meinst Du? Wie viele Personen kennst Du, die einen helfenden Medicus beißen?


    Zudem hat das Subjekt auch den Besitzer des Ganymed tätlich angegriffen und gekratzt. Ein Sklave der einen freien Mann angreift?


    Jeder täte gut daran, sich von dem Subjekt selbst und seine Lieben davon fernzuhalten.


    Wie kommst Du darauf, dass das Subjekt unschuldig ist? Was bringt Dich zu der Annahme? Dass sie Dir zusäuselte und schöne Augen machte, oder hast Du handfeste Beweise?", hakte Lurco nach und deutete auf Tiberios Tasche.

  • Die Anschuldigungen gegen Eireann waren wirklich schwerwiegend, und Tiberios hörte schweigend zu. Einiges kannte er schon, anderes war ihm neu, und das neue klang wirklich unschön.


    „ Wenn es zwei Erklärungen für einen Sachverhalt gibt, eine einfache und eine höchst komplizierte, wie wahrscheinlich ist dann, dass nicht die einfache sondern die komplizierte Erklärung richtig ist.“, sagte er vorsichtig:
    „ Kyriakos wurde nicht angezeigt, aber er hat in der Tat versucht, dominus Cerretanus zu erpressen. Diese Tatsache macht mich voreingenommen, das gebe ich zu, denn ich gehöre zur Furischen familia.
    Er ist daher für mich kein einwandfreier Zeuge.
    Eireann ist unbeherrscht, impulsiv, denkt nicht nach und ja, manchmal könnte man ihr Verhalten schlicht dumm nennen. Doch bisher ist sie nie durch Gewalttätigkeit aufgefallen. Dass sie die Römer… kritisch sieht, ist freilich richtig.
    Sollte Eireann von niedriger Intelligenz sein oder hat sie den Verstand verloren, sind das Gründe, sie in Obhut zu nehmen.
    Aber strafbar ist das nicht.“,
    sagte Tiberios und schüttelte den Kopf:
    „ Auch Egoismus ist kein Delikt, soviel ich weiß.
    Ist Eireann eine Christin? Ich glaube, ich weiß mehr über das Christentum als sie, denn ich habe mir einige ihrer Predigten angehört. Eireann hat zu mir immer nur über ihre keltischen Götter gesprochen.


    Diese besonderen Pflanzenmittel, um die Jungfräulichkeit wieder herzustellen – die kosten doch Geld, nicht? Eireann hatte nie welches, ihr Dominus hat ihr nicht einmal ein Peculium gegeben. Wer sollte das bezahlt haben?
    Dies ist so ein Fall, wo die einfache Lösung „Eireann war Jungfrau“ mir logischer erscheint als die schwierige „ Eireann hat sich der Hilfe der Medizin bedient, um mir etwas vorzumachen.“
    Ich halte mich nicht für so wichtig, dominus Lurco. Für was sollte jemand so viel Aufwand betreiben, um einen Sklaven zu beeindrucken.


    Wirklich offen und ein Rätsel bleibt Eireanns Auftauchen im Ganymed. Auch hier wieder einfache oder komplizierte Erklärung.
    Ich vermute, die fugitive Eireann ist in der Subura einem schlechten Menschen in die Hände gefallen. Eine herrenlose Sklavin kam ihm recht, er wollte sie ins Bordell pressen. Da Eireann sich wehrte, kam es zum Kampf. Vielleicht wurde dabei eine Öllampe heruntergestoßen und so ist der Brand passiert.
    Auch eine Sklave darf sich gegen einen sexuellen Übergriff durch Fremde, die keine Erlaubnis zum Gebrauch der Sache durch den Dominus des Sklaven haben, verteidigen. So wird es geschehen sein, und Kyriakos schuldet dominus Cerretanus Schadensersatz.


    Meine Erklärung ist ebenso plausibel wie deine, dominus Lurco.


    Jetzt kommt mein Verstand allerdings an seine Grenzen: Wenn Eireann wirklich die Brandopfer ausgelacht und einen Medicus gebissen hat, ist das nicht die Eireann, die ich kenne. So verhält sich nur ein Monster, und tatsächlich kann ich mir dieses Verhalten nicht erklären. Früher hatte Eireann Mitleid mit jedem verlausten Straßenkind.
    Aber es MUSS eine logische Erklärung geben: Vielleicht hat dieser Kyriakos sie unter Drogen gesetzt.? Ich weiß aus Alexandria , dass es Mittel gibt, die abstumpfen und gefühllos machen.“

    Tiberios deutete auf seinen Beutel:
    „Leider habe ich hier keine Beweise, sondern nur mein Schreibzeug und einige Tabulae.“


    Zitat

    Original von Kyriakos


    Kyriakos erhob sich und schenkte dem Optio ein Lächeln, bis dieser brummelnd vorbei war und Kyriakos die Treppen hinaufstieg.
    Er stapfte mit der ihm eigenen plumpen Gangart zurück ins Officium, wo er auf dem Stuhl platznahm, der sich noch warm anfühlte.


    Tiberios' Augen folgten einem Mann, der in Begleitung von dominus Optio Cerretanus im officium verschwand. Ein weiterer Zeuge der Ganymed- Sache? Auf jeden Fall ein Zivilist, schlank, aber nicht zierlich, eine seltsame Art zu laufen, als würde es ihm schwer fallen.
    Der Optio und sein Begleiter hatten ihn übersehen, was der Scriba gewohnt war; viele Leute übersahen ihn. Er jedoch beobachtete sie.


    „War das eben gerade jener Kyriakos?“, fragte Tiberios schnell . Das „Dominus“ ließ er weg, das hielt er bei jemandem, der die Furier beleidigt hatte, zu viel der Ehre.

  • "Wenn Du zwischen einer einfachen und komplizierten Lösung entscheiden musst, würde ich beides überprüfen. Denn manche Sachverhalte sind so schräg, dass kann sich niemand ausdenken. Solche Geschichten schreibt nur das Leben.


    Ist ein Sachverhalt hingegen zu einfach, frage ich mich wer hat hier etwas passend gemacht? Es passt zu gut.


    Zu Deinem Einwand Eireann wäre nicht gewalttätig gewesen, verweise ich auf den gebissenen Medicus und den angegriffenen Kyriakos. Gleich was Du von dem Mann hältst, oder was dort tatsächlich gewesen sein mag, eines rechtfertig es nicht - Eireanns tätlichen Angriff auf diesen Mann. Gibt es ein Problem, hat sie dass ihrem Herrn zu melden. Selbstjustiz einer Sklavin? Wo soll das enden?


    Das Subjekt IST zweifelsohne ohne Verstand und das Subjekt IST eindeutig wahnsinnig. Falsch Tiberios, das Subjekt ist eine Sklavin von der Gefahr auf Leib und Leben anderer ausgeht. Man muss es nicht verwahren, verhätscheln oder ihm die Hand halten, man muss eine Gefahr beseitigen sobald man sie erkennt.


    Niemand hat behauptet dass Dummheit, Egozentrik oder Wahnsinn strafbar sind. Dennoch zeigen einem all diese Atribute an, dass weder eine Erziehung oder Rettung fruchten wird. Das wäre Zeitverschwendung.


    Korrekt die pflanzlichen Mittel zur Wiederherstellung der Jungfräulichkeit kosten Geld. Wie kommst Du darauf, dass das Subjekt mit Geld zahlen muss? Um ein Loch zu flicken, lässt sie sich ein anderes stopfen. Die Jungfräulichkeit ihres Mundes oder Arsches steht hier nicht zur Debatte, sind wir da mal ganz ehrlich. Oder was glaubst Du tun andere Jungfrauen? Wie haben die wohl Spaß bis zur Ehe?


    Weshalb sie so einen Aufwand betreiben sollte, um Dich zu beeindrucken?Genau aus dem Grund, was Du die ganze Zeit tust. Du dienst ihr, Du sprichst für sie, Du kannst Dir nicht mal vorstellen dass sie schuldig ist. Und das obwohl ein Medicus Ihre Gewalttätigkeit bezeugen kann. Sich einen Handlanger für ein bisschen Stochern gefügig zu machen, der bei dem geringsten Wunsch springt, ist durchaus sein lohnendes Ziel. Und nein, dass hat wirklich nichts mit Dir zu tun Tiberios. Wärst Du es nicht gewesen, dann wäre es ein anderer.


    Deine einfache Lösung des Lupanarbesuchs scheitert an Deinen eigenen Lösungsvorschlägen. Du hast selbst aufgeführt, sie hat kein Geld. Würde ein Lupanarbesitzer sie in seinen Dienst pressen wollen, dann will er mit dem Ding Geld verdienen. Drogen kosten Geld. Warum sollte er dem Subjekt Drogen verabreichen um sie in seinen Dienst zu pressen, wo es überall freiwillige Arbeiterinnen gibt?


    Niemand hat das Subjekt gegen seinen Willen missbraucht. Wie gesagt, es hätte gar nicht vor Ort sein dürfen, dann wären all die Probleme nicht entstanden. Wer bedient sich freiwillig daran? Jemand der auf schlechten Geschmack, nervtötende Konversation und Schmerzen steht? Der Kundenstamm dürfte recht klein sein Tiberios.


    Zu einem Kampf kann es nicht gekommen sein. Denn wäre es zu einem tatsächlichen Kampf gekommen, vergleiche den Mann und das Subjekt. Er hätte ihr mühelos die Zähne einschlagen und die Knochen brechen können. Und dann hätte er es im Tiber entsorgt und wäre jedes Problem los gewesen.


    Hat er das getan? Nein.Stattdessen ging er zu ihrem Herrn und versuchte die Sache zu regeln. Vielleicht nicht glücklich, vielleicht nicht klug, aber er hätte die Sache auch ganz anders zu ende bringen können.


    Um was ging es dem Lupanarbesitzer? Um was ging es dem Subjekt?Dem Lupanarbesitzer ging es um sein Geld.Dem Subjekt darum anderen zu schaden.


    Schon allein das sie unerlaubt dort vor Ort war, schadete dem Ansehen ihres Herrn.


    Und Du hast die erste der wichtigen Fragen vergessen - was hat sie da überhaupt gemacht? Wäre sie dort gewesen, wo sie hätte sein sollen, wäre all das doch wohl nicht geschehen. Aber da war sie nicht Tiberios.


    Nächster Punkt, der in der Bewertung nicht unerheblich ist. Schau Dir das Subjekt mal an. Sie ist eine Haussklavin, hat aber fettige Haut und strähniges Haar. Sollte sie darauf nicht anderen Wert legen, als ein Feldsklave? Was erwartet man in einem Lupanar? Eine Frau die einem zu Willen ist, gut aussieht, passende Formen und Umgangsformen vorweisen kann und einem Freude schenkt. Was bei den Göttern, sollte Kyriakos dann mit dem Subjekt wollen? Sie sieht weder gut aus, hat weder Charme noch Chic, ist ein Trampel und benimmt sich wie der letzte Stück. Also was sollte er mit so einem Ding anfangen? Sie war schon auf dem Sklavenmarkt ein Ladenhüter!


    Das Du das Subjekt nicht kennst, das sterbende Menschen ausgelacht hat Tiberios ist klar. Denn Du kennst nur die Seite des Subjekts, die sie Dir vorgespielt hat. Das Monster dass bei sterbenden Menschen lacht, dass ist die tatsächliche Eireann. Die Heuchellei einem Straßenkind mal mitleidig über das Köpfchen zu streicheln war nichts weiter als eine gute Vorführung um Dich fester an sie zu binden und in Deinem Fehlglauben an ihre Person zu bestärken. Falls man so etwas als Person bezeichnen möchte.
    Für Dich mag das nur ein winziger Moment sein, wo ihre Maske verrutscht ist, andere hingegen sahen sie schon wesentlich öfter mit der Fratze, die wirklich hinter ihrer fettigen Gesichtshaut verborgen scheint", antwortete Lurco freundlich und nahm Tiberios den Beutel ab um hinein zu spähen.


    "Den bekommst Du nach dem Verhör selbstverständlich wieder. Wer das gewesen ist, ist unerheblich für Deine Zeugenaussage Tiberios. Konzentriere Dich darauf, was Du weißt. Nur das ist maßgeblich zur Aufklärung", sagte Lurco.


    Sollte Maro es für nötig erachten, würde er Tiberios schon von Kyriakos berichten, ansonsten hatte er keinem weiteren Zeugen Information über Dritte weiterzureichen die diesen persönlich nichts angingen. Und im Hinblick auf die Freundschaft zwischen Tiberios und dem Subjekt war es anzunehmen, dass dieser vielleicht zu einer weiteren unüberlegten Aktion neigte.

  • Tiberios hörte genau zu. In vielem hatte dominus Lurco Recht. Das Argument, Kyriakos hätte Eireann , nach dem die sich widerspenstig zeigte, auch einfach umbringen und im Tiber entsorgen können, war nicht von der Hand zu weisen, sogar domina Furia Stella hatte gesagt, dass so ein entflohenes Mädchen in der Subura nicht lange überleben würde.
    Außerdem war der junge Grieche selbst über so einiges erbittert.
    „Als dominus Cerretanus Eireann gekauft hat, hat er sie in die Casa Furia gebracht. Eireann wußte, dass ich Eigentum der Furier bin. Domina Stella kann mich gut leiden; wenn ich sie gebeten hätte, hätte sie mir vielleicht sogar erlaubt, dass Eireann und ich als Paar leben dürfen. Und die Keltin beteuerte mir, sie würde mich lieben. Eine Frau, die die Gelegenheit hätte, mit ihrem Geliebten zusammen zu leben wäre doch dankbar, oder? Dass sie weggelaufen ist und Schande über ihren Herren bringt, verstehe ich wirklich nicht.
    Tatsächlich bin ich wütend auf Eireann, denn sie hat mich schon mehrere Male in Probleme gebracht. Du hast Recht: Die Probleme fingen an, weil sie sich an an einem Platz aufhielt, an dem sie nichts zu suchen hatte. Dennoch, ich selbst habe die Furien um Gerechtigkeit angerufen. Iusticia ist kalt und weise, dominus Lurco, sie kümmert sich nicht um unsere Gefühle.“


    Tiberios sah Dominus Lurco ganz kurz an, bevor er wieder wegsah:
    „Ein wenig bin ich beleidigt, dominus Lurco, dass du Eireann hässlich nennst. Ich würde mit keiner hässlichen Frau das Lager teilen.
    Ich tat es aus Zuneigung und besonders weil ich wollte, dass für sie ihr erstes Mal ein schönes, liebevolles Erlebnis wird, denn sie kam weinend zu mir, weil dominus Iulius Caesoninus sie verkaufen wollte. Man weiß doch nie, wo eine Sklavin auf dem Sklavenmarkt landet, das kann auch eine Spelunke oder ein Lupanar sein.
    Am Zorn des dominus Iulius Caesoninus ihr gegenüber bin jedoch ich selbst zum großen Teil schuld. Er hätte mich bestrafen müssen, nicht sie.“


    Tiberios seufzte. Da war eine Sache, die er weder dominus Lurco noch dominus Scato erzählt hatte. Kein Verbrechen, eher eine Peinlichkeit. Aber ein Rattenschwanz von Verwicklungen war aus dieser Kleinigkeit entstanden.

  • "Denk einmal scharf nach Tiberios. Jemand in Deiner Position, hat viel zu geben und folglich viel zu verlieren. Einerseits könnte das Subjekt sich an Dich rangemacht haben um seine Situation zu verbessern. Wir beide wissen, dass es von der Intelligenz dazu nicht in der Lage ist.


    Aber indem es Dich glauben macht, dass es Dich liebt, dass Du für es etwas besonderes bist hast Du Dein Herz geöffnet und Deinen Verstand verschlossen. Sogar gegen die Warnungen von Furia Stella.


    Denn was könnte das Subjekt noch bezwecken Tiberios? Denke mal scharf nach.Furia Stella schätzt Dich, ich denke sie hat Dich gern. Indem Dich das Subjekt derart in Schwierigkeiten bringt, schadet sie Deiner Herrin und der ganzen Familie. Der treue und teure Tiberios, doch nur ein Schaumschläger und nicht besser als jeder daher gelaufene Sklave. War er überhaupt die Sezterzen und das in ihn gesetzte Vertrauen wert?


    Das sind Fragen die dann aufgeworfen werden. Du siehst nicht, wie bösartig und destruktiv dieses Subjekt ist. Es geht dem Ding stets nur darum zu zerstören, zu schaden und andere leiden zu sehen. Das hat es doch fast erreicht. Es rechnete nur nicht mit der Güte von Furia Stella. Wie sollte es auch? Güte kommt in ihren Gedanken gar nicht vor.


    Ich bitte Dich öffne die Augen Tiberios! Ich dachte Du wärst Grieche! Dann hättest Du die Drei-Locharbeit von dem Ding erkennen müssen. Und ich erkenne Schönheit wenn ich sie sehe und dort sehe ich nichts!


    Natürlich ist das Subjekt hässlich! Oder drücke ich es mal richtig aus, es ist extrem ungepflegt und verlottert. Eine hässliche Person kann über Werte verfügen die trotzdem schön machen. Darüber verfügt das Subjekt nicht. Innen wie außen ist es verwahrlost.


    Schau das Subjekt repräsentiert durch sein Auftreten Deine Herren und die dazugehörige Familie. Es ist kein Feldsklave, sondern ein Haussklave. Folglich hat es auf eine gepflegte Erscheinung zu achten. Bewusst aber läuft das Subjekt mit strähnigen Haaren herum und glänzt im Gesicht fettiger als jede Speckschwarte.


    Das lässt auf eine innere Einstellung schließen Tiberios!Wer nichts auf seine Erscheinung gibt, der gibt auch nichts auf sich. Und wer sich nichts wert ist, dem sind andere erst Recht nichts wert. Denn nur wer sich selbst mag, ist in der Lage auch andere zu mögen. Der äußere Zustand, spiegelt also die Geisteshaltung - dreckig und verkommen.


    Niemand muss derart widerwärtig herumlaufen, jedem dürften in Rom die Therme bekannt sein. Die meisten davon kann man sogar kostenlos besuchen. Kein Geld ist also keine Entschuldigung für eine derartige Aufmachung.


    Du hast Dich von ihren Krokodilstränen einlullen lassen. Du wolltest dass das erste Mal von dem Ding was besonderes ist. Du bist dafür nur einige Jahre zu spät dran gewesen Tiberios. Schon mal gesehen wie Sklavenfänger arbeiten und wie sie die Frauen einreiten? Das dazu.


    Würde das Subjekt Dich lieben, hätte es die Chance ergriffen mit Dir gemeinsam in seinem neuen Heim eine Existenz und eine Familie zu gründen. Würde das Ding Dich lieben, hätte es die Chance für Euch beide genutzt. Es hat die Chance nicht genutzt. Der Umkehrschluss sagt uns damit, es liebt Dich nicht. Es liebt niemanden Tiberios, nicht mal sich selbst.


    Der nächste und wichtigste Punkt, weshalb sollte das Subjekt denn verkauft werden?


    Das es zu einem Wanderpokal wurde und niemand das Subjekt behalten möchte, liegt im Verhalten des Subjekts selbst! Wohin es sie verschlägt, bestimmt das Subjekt selbst durch sein Verhalten. Ist es in einer ehrbaren Familie untragbar, wo soll es dann hin? Ursache und Wirkung. Wie oft hast Du schon aufgrund Deines Verhaltens zum Verkauf gestanden?


    Wieso hätte er dominus Iulius Caesonius Dich bestrafen müssen? Wenn der Herr bestraft, ist sein Ermessen. Und ich denke, dass der ehemalige Herr des Subjekt dort frei von jedem Vorurteil entschieden hat. Dass Du derart für dieses Ding in die Bresche springst, dass Dir bis jetzt nur durchweg geschadet hat, ist erstaunlich wie bedauerlich zugleich.


    Iusticia mag kalt sein, aber kälter ist das Ding, dass Dir Liebe vorgeheuchelt hat. Das nennt man gefühlsmäßige Erpressung Tiberios. Das treibt es mit Dir.


    Ich kann Deine Verblendung verstehen, wer möchte nicht geliebt werden? Ich selbst hatte ganz ähnliches erlebt. Aber ich sage Dir eines, dass ist nicht mal die Illusion von Liebe. Es ist Dein Leben dass Du für jemanden wegwerfst, dem Du nicht den Dreck unter dem Fingernagel bedeutest Tiberios. Du bist sonst ein sehr kluger Kopf, aber hier siehst Du nicht, was genau vor Deiner Nase geschieht. Sei es drum, mehr als warnen können wir alle Dich nicht", gab Lurco freundlich zurück.

  • „Erinnerst du dich noch an die Lupercalia, und wie ich euch eingeladen habe, dominus Lurco?“, fragte Tiberios:
    „Es war mir eine Ehre ,und das ist sie immer noch. Als ihr ins Magnum Momentum aufgebrochen seid, wollte ich Eireann nach Hause bringen und nachkommen. Doch daraus wurde nichts, weil ich zwei Sesterzen zu wenig hatte. Der Wirt Archias hatte mich in der Hand – und nun ja, er drohte, meinem dominus Bescheid zu sagen, er hatte große Freude, mich zu quälen. Er wußte vermutlich nicht, dass ich neu in Roma war und große Angst hatte, mein Herr würde mich gleich wieder weiterverkaufen.
    So zwang mich Archias, die zwei Sesterzen abzuarbeiten, und Eireann, die sich erbarmte, weil ich solch eine Arbeit noch nie getan hatte, blieb bei mir und half.
    Wir arbeiteten die halbe Nacht, und ich kam davon, aber Eireann wurde erwischt, als sie nach Hause kam. Und da erwachte der Zorn des Dominus Iulius Caesoninus
    . )*


    Wie oft ich schon wegen meines Verhaltens zum Verkauf gestanden habe? Kein einziges Mal. Und wie oft hätte ich es schon müssen? Viele Male vielleicht. Ich bin vielleicht nur schlauer als die Keltin.
    Zwei Sesterzen nur, und sie standen am Anfang allen Verhängnis.“


    Tiberios senkte den Kopf.:
    „Ich habe bereits gesehen, wie Sklavenfänger arbeiten – und auch Sklavenhändler.“, fügte er leise an.


    Langsam wurde er unsicher. Wenn Eireann das alles getan hatte, was man ihr vorwarf, war sie wie ein kakodaimon, ein böser Geist, gekommen, die Lebenden zu quälen. Konnte das möglich sein?


    Aber warum sollte dominus Lurco ihn belügen wollen? Der Urbaner hatte nichts davon, Tiberios gehörte ihm nicht einmal.


    Tiberios war ziemlich verwirrt.





  • "Ja ich erinnere mich Tiberios. Es war ein schöner Abend und damals hat sich Eireann noch völlig normal verhalten. Du kannst das ganze mit dem Glück auch anders werten, Dir waren die Götter hold, ihr nicht. Und ob der Zorn von Dominus Iulius Caesoninus rein deshalb erwachte, wissen wir beide nicht.


    Aber eines wissen wir beide, nicht nur damals kam sie unerlaubt zu spät heim, sondern auch diesmal lief sie fort und so fand sie sich im Ganymed wieder.


    Was sagt uns beiden das? Die Götter wussten über wen sie schützend ihre Hand hielten. Du hattest keine bösen Absichten, Du hast in guter Absicht gehandelt, hast Deine Schuld abgearbeitet und Dich gefürchtet. Um Dir die weitere Furcht zu nehmen, standen die Götter Dir bei.


    Wie oft Du zu Verkauf gestanden hast, ist das Einzige was zählt. Denn was hätte sein sollen, das wäre auch geschehen Tiberios.


    Die zwei Sezterzen haben haben nicht das Schicksal des Subjekts besiegelt Tiberios, dass taten allein ihre Handlungen. Du hast damit nichts zu tun und wenn Du wirklich klüger als diese Keltin bist, dann sorgst Du auch dafür, dass es so bleibt. Lass Dich nicht mit in ihren Abgrund reißen. Wer soll Dich denn noch warnen, wenn Du weder auf Freunde noch auf Deine Herrin hörst? Die Götter selbst? Sie standen Dir schon bei Tiberios", gab Lurco zu bedenken.

  • „Gerade heute habe ich der Tyche, die ihr Römer Fortuna nennt, geopfert.“,* stimmte Tiberios zu:


    "Aus Dankbarkeit für ihre weise Führung in Roma. Ich bin gerade einmal zwanzig und schon vilicus im Handelshaus Furii, und da mein Herr nicht hier ist, hat mich domina Furia Stella zu ihrem Bibliothekar gemacht. Ich sage das nicht, um mich zu preisen, sondern um der Göttin zu danken. Ich weiß schon, dass ich an den großen Staatsopfern nicht teilnehmen darf, aber eine kleine unblutige Gabe mit Blumen und Milch konnte ich ihr bringen. Unsere griechischen Götter und die römischen sind sehr ähnlich, oft tragen sie nur verschiedene Namen. Noch mehr als Fortuna ist freilich Tyche die Göttin des unwägbaren Geschicks.
    Du hast bestimmt recht mit dem was du über die Gottheiten sagst,denn du bist ein Lupercus, ein heiliger Mann des Faunus."


    Tiberios sah Lurco scheu an, er fürchtete die Macht der Götter:

    „Ich werde die Wahrheit sagen.“, sagte er:
    „Ich werde nichts dazu erfinden oder weglassen. Aber wie gesagt, ich mag getäuscht worden sein. Ich kann also über Eireann nicht sagen, sie war eine Jungfrau , sondern nur, dass ich völlig sicher war, dass sie eine sei.“




  • "Wir beide sind gleich alt Tiberios, dass ist mir gerade aufgefallen. Ich weiß, dass Du das nicht erwähnst um Dich selbst zu loben, sondern es als Fakt aufführst. Du bist Fortuna dankbar und hast ihr zum Dank ein Opfer dargebracht. Eine ehrenvolle Geste Tiberios, denn viele beten um den Göttern ihre Wünsche mitzuteilen. Aber wie viele sagen nachdem sie erhört wurden Danke? Bitte und Dank gehören genauso zusammen wie Tag und Nacht.


    Bis jetzt waren uns die Götter gewogen. Du trägst die Göttin im Herzen und wer sonst könnte einem bis auf den Grund der Seele schauen? Denn heißt es nicht, tragt die Götter in Euch, so habt ihr nichts zu befrüchten? Jeder ist gottesfürchtig auf seine Weise Tiberios. Die Göttin weiß, in welchem Rahmen Dir der Dank möglich ist und in welchem nicht. Mache Dir darüber keine Sorgen.


    Faunus der bei Euch Griechen Pan genannt wird, ein Gott des Lebens. Faunus ist für die Fruchtbarkeit von Mensch und Tier zuständig, er erschreckt Menschen in Haus und Wald, auch durch böse Träume und erscheint nicht nur als ein einzelnes Wesen, sondern als große Zahl von Faunen. Wusstest Du dass er als Fatuus sogar Weissagungen gibt?


    Scato hat mich Faunus näher gebracht, so dass ich Anhänger dieses Gottes wurde.Viridomarus hat mir damals Bacchus näher gebracht.


    Mein Hauptgott war stets Mars. Dem Mars heilig sind Wolf, Stier, Pferd, Greifvögel, Geier, Hahn und Specht sowie das Gras. Faunus wird auch als Wolfsgott bezeichnet. Zudem ist Faunus der Sohn von Picus, einem Gefolgsmann von Mars, sie sind eng verbunden.


    Was den Fall betrifft, richtig. Du kannst nur das sagen was Du weißt, oder was Du empfunden hast. Aber in dem Fall musst Du erwähnen, dass es sich dabei um eine persönliche Empfindung von Dir handelt", gab Lurco umgänglich zurück.

  • Tiberios nickte ernst, und wollte ansetzen, etwas zu sagen, da sah er den schwerfällig Gehenden aus dem officium des Centurios herauskommen.
    "Das ist jener Kyriakos, ich bin mir recht sicher", bezog er sich noch einmal auf den Unbekannten und ohne die Antwort des Urbaners abzuwarten:
    "So lass mich etwas ausprobieren..."
    In drei Schritten war er bei ihm.


    >>> Officium Centurio Marcus Octavio Maro

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!