• Es war spät am Tage. Oder genauer früh in der Nacht, denn die Sonne war bereits am untergehen, als ein Schemen durch die Gassen des Lagers wanderte. Licinus trug keine der üblichen Rangabzeichen sondern nur seine Militärtunica, deren bessere Qualität im Zwielicht aus untergehender Sonne und den ersten Fackeln nicht erkenntlich war.
    Am Forum hielt er an. Hier standen einige Bänke von den Verkaufsständen mit Dauergenehmigung, an denen tagsüber Getränke und Speisen verkauft wurden. Jetzt waren sie frei und der Schemen nahm Platz und nahm einen Schluck aus einem Weinschlauch, den er mit sich geführt hatte.

  • Die Tabula war kaum mehr zu lesen stellte Massa fest. Es war spät und Onasses begann in der Casa die Öllampen anzuzünden. Der Stylus rollte über den Schreibtisch. Genug für heute. Massa raffte sich auf. Ein bisschen frische Luft, die Castra richtig kennenlernen, obwohl das nicht unbedingt nötig war. Jedes Lager war gleich aufgebaut. Einfach raus und an das hiesige Klima gewöhnen. Zwei Tuniken darüber vorsichtshalber den Mantel, schlenderte er los. Lange war es her, das er bei beginnender Nacht die Via Praetoria entlang ging. Vom Forum aus hatte man den besten Blick auf den Himmel. Also lenkte er seine Schritte dorthin und blieb mitten im Forum stehen, sah nach oben. Es war zu müßig, den Kopf im Nacken. Am besten hinsetzen und dann in den Himmel sehen. Massa ging auf die Bänke zu. Dort hatte schon jemand Platz genommen. Es war zu dunkel um aus der Ferne zu sehen wer da saß. Beim näher kommen erkannte er den Praefectus castrorum. „ Guten Abend Praefectus Iulius.“

  • Licinus wurde aus seinen tiefsinnigen Betrachtungen der Schattenwelt des nächtlichen Lagers gerissen und hob den Kopf um zu sehen, wer ihn da ansprach.
    "Ah, tribunus Decimus. Bitte!" wedelte mit der flachen Hand in Richtung der Bank ihm gegenüber "Setz dich. Hast du dich gut eingelebt hier im Norden. Dein erster richtiger Winter, nicht wahr?"
    Er war auf die Antwort gespannt. Wie ein Mann aus Ägyptus das Wetter hier empfand musste noch extremer sein, als was er selbst empfunden hatte, als er aus Italia angereist war. Und noch war es nicht mal richtig Winter. Noch lag kein Schnee.

  • Massa setzte sich und wickelte sich in seinen Mantel. „ Der Norden hatte mich beinahe auf dem Gewissen. Aber wir haben hier einen sehr fähigen Medicus.“ Sein Blick ging zu den Sternen. „ Eingelebt, so langsam wird‘s. Im Lager ja, außerhalb hatte ich bis jetzt kaum Kontakte. Ich muss mir mehr Zeit für die Stadt nehmen.“ Frisch, frisch, frisch. Massa war froh, dass er den Mantel mitgenommen hatte. „ Ja mein erster richtiger Winter. Für meine Begriffe ist es jetzt schon sehr kalt. Ein bisschen vermisse ich die Wärme aus dem Süden.“ In der Wüste war es zwar Nachts ähnlich kalt, dafür erwärmte es sich tagsüber schnell. Hier war es Tag und Nacht einfach nur kalt. Gut, dass er seine Bracae trug. Auf dem Schiff hatte sie ihm gute Dienste geleistet. Dort wehte ständig eine steife Brise. „ Es soll ja auch Schnee oder so was geben. Das kenne ich aus Aegyptus gar nicht.“

  • "Ach, dich auch?" fragte Licinus nach. Natürlich hatte er auf dem Flurfunk der principia mitbekommen, dass der tribunus kurzfristig ausgefallen war, aber nicht lange genug, dass eine Umplanung erforderlich geworden war.
    "Bei mir war es ein Reitunfall. Keine Limesinspektionen bei Eis und Schnee, das habe ich daraus gelernt." Mittlerweile konnte Licinus darüber schon beinahe schmunzeln.


    "Du wirst erstaunt sein. Ich kenne nichts so lebensfeindliches wie Schnee, was gleichzeitig so imposant aussieht, wenn die ganze Landschaft hier weiß wird."
    Es war eine beeindruckende Sicht, wenn von den Türmen des Lagers auf die weißen Hügel der montes taunes zu blicken, auf denen er damals seinen Unfall gehabt hatte. Märchenhaft ein Mann zarteren Gemütes wohl sagen.
    "Aber bis dahin wird es noch deutlich kälter." prophezeite der Veteran.

  • "Ein kleines Stück Holz. Ein verdammter Splitter hat mich total außer Gefecht gesetzt." Es hätte ihn beinahe sein Leben gekostet. Vorbei, ausgestanden, es war ihm eine Lehre kleine Dinge derart zu unterschätzen. " Unspektakulär gegenüber deinem Reitunfall."
    Als der Praefect vom Schnee anfing, fiel Massa sofort etwas gleichwertiges ein. " Sand, Sand nichts als Sand. Die Dünen sehen herrlich aus. Du stehst ganz oben und siehst ein Meer aus Sand. Hast du kein Wasser und suchst Schatten, dann findest du nichts schönes mehr an den aufgetürmten Sandkörnern, die der Wind in jede Ritze weht." Das mit dem kälter werden, verursachte Sorgenfalten auf Massa's Stirn. " Es wird noch kälter?" Auf was hatte er sich eingelassen. Er hatte jetzt 2 Tuniken an und den Mantel um. " Gewöhnungssache?" fragt er. " Ich meine das mit der Kälte." Sicherlich, es kamen ja nicht alle von hier.
    " Praefect, ich hatte vor, dem Praefect der Ala einen Besuch abzustatten. Da sollte ich mich besser vorher anmelden oder?"

  • "Entzündet?" fragte Licinus ohne viele Worte. Wundbrand und Starrkrampf waren die gefürchtetsten folgen jeder Verwundung.
    "Ich weiß davon nichts mehr. In einem Moment bin ich auf dem Pferd, im nächsten auf einem Flusskahn."
    Der Fluss war zu dem Zeitpunkt, zu dem er vom Pferd fiel halt noch mehrere Meilen entfernt gewesen.


    "Ja, da könntest du Recht haben." Licinus hatte in der Wüste nicht einen Moment der Ruhe gehabt. Daher hatte er den Vergleich nichts selbst ziehen können. Aber vielleicht war er für einen Mann, der die Wüste in Stille kannte, schon beinahe zwingend.
    "Deutlich," meinte Licinus und ergänzte noch "In gewissem Maße. An alles kann man sich nicht gewöhnen, aber es wird besser."


    Licinus machte eine wegwerfende Handbewegung.
    "Lass mal, geh einfach vorbei. So weit ist die castra der Ala nicht weg und der Iunius ist kein komplizierter Mann. Im Schlimmstenfall ist er bei Frau und Tochter im Landhaus, daher würde ich Feiertage meiden."
    Erklärte er. Man war hier oben unkomplizierter als in Italia. Alles war kleiner und näher beisammen, da musste man nciht so viele Boten durch die Gegend schicken.



    "Auch nen Schluck?" fragte Licinus und trank erneut aus seinem Schlauch. Dann blickte er für einen Moment in den Himmel, während der tribunus sich bediente, oder auch nicht. "Sag mal, kannst du mir etwas neues über Decimus Serapio berichten? Wir haben zusammen unseren Militärdienst bei der prima begonnen, musst du wissen und naja, große Briefeschreiber sind wir wohl beide nicht."

  • Schön, dass hier nicht wegen jeder Kleinigkeit eine Anfrage geschickt werden musste. Das machte vieles einfacher. Massa nahm den angebotenen Schluck aus dem Schlauch. Es wärmte. Gleich war die Kälte erträglicher. „ Decimus Serapio.“ Massa atmete tief durch. „ Ich habe ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und noch weniger von ihm gehört. Nicht einmal in Rom.“ Er wusste nicht wo sich Serapio aufhielt, geschweige denn was er überhaupt trieb. Seit sie beruflich getrennte Wege gingen, war der Kontakt fast abgebrochen. Massa bedauerte es, andererseits, ist er so seinen eigenen Weg gegangen. Das war nicht verkehrt gewesen. „ Alexandria und Rom sind eine ganze Ecke auseinander und schreiben..." Schreiben, das hätte er können. Da fiel ihm ein, dass er dem Praefectus Aegytii einen Bericht schuldig war. Nach der Vorratsbeschaffung sollte es passen. „ Was ich dich fragen wollte. Auf was sollte ich achten, damit ich den Einheimischen nicht gleich auf die Zehen trete.“ Jedes Völkchen hatte seine eigenen Sitten, achtete man ein wenig darauf, war die Verständigung viel leichter.

  • "Schade, es hätte ja sein können." Licinus war ein kleinwenig enttäuscht, er merkte gerade erst, wie sehr er auf Nachrichten seines alten Freundes gehofft hatte.
    "Nun, kann man nicht ändern." schhob er mit einem Schulterzucken nach, dass die Sache abtun sollte.


    "Da gibt es ein paar Sachen. Das einfachste: Nenne sie nicht Barabaren. Schon gar nicht, die, die es sind. Wundere dich nicht allzu offensichtlich über ihre Riten, schon gar nicht darüber, dass sie eher selten Tempel bauen und ihre Götter in freier Natur verehren. Frauen sind hier vielmehr Teil des öffentlichen Lebens, aber tritt ihnen niemals zu nahe. Und vor allen Dingen: Beleidige NIEMALS ihre Seherinnen. Wenn du zwei Germanen siehst, die sich gerade totschlagen und beleidigst eine angesehene Seherin, dann sind sie schlagartig beste Freunde und deine Feinde."
    Licinus nickte ernst. Was er seit der Versklavung Iduns erfahren hatte, ließ es ihm ein umso größeres Wunder erscheinen, dass sie damals nicht in einen waschechten Aufstand geraten waren.


    "Auf der anderen Seite: Sei nicht unterwürfig. Speichellecker sind hier noch heftigerem Spott und Missachtung ausgesetzt als in Rom!"

  • Die Enttäuschung in der Stimme des Praefectus war deutlich heraus zu hören. Es war kein Lebenszeichen von Serapio bis nach Alexandria durchgedrungen, dass er dem Praefectus hätte mehr sagen können. Selbst er war enttäuscht, nicht mal in Rom etwas über ihn in Erfahrung gebracht zu haben. Es war wirklich nicht zu ändern. Die Ratschläge von Seiten des Praefectus nahm er sehr ernst. nichts war schlimmer als durch Ignoranz oder Unwissenheit Aufstände oder Kriege heraufzubeschwören. " Was sind Seherinnen? So etwas wie die Orakel in Delphi?" fragte Massa nach, um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen. Sie schienen eine besondere Stellung innerhalb der Kultur der Germanen zu haben. Wenn sich sogar Feinde verbünden um sie zu beschützen.
    Die Wüste und die Küste des Mittelmeeres war in Sachen fremde Kulturen ein guter Lehrmeister gewesen. Er hatte gelernt, das man manchmal mit einem gewissen Respekt gegenüber der anderen Kultur mehr erreichte, als mit Gladius und Scutum.



    Sim-Off:

    Entschuldigung, ist total untergegangen

  • "Nein," schüttelte Licinus den Kopf. Es blinzelte mit den Augen. Den Status der Seherinnen zu erfassen war nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhörte "Das heißt sie sind ähnlich, aber das Ansehen der Seherinnen ist viel höher. Die Leute glauben, sie stehen in direktem Kontakt mit den Göttern. Sie sind sacrosankt. Wie eine Mischung aus Vestalinnen, Auguren und Flamines."
    Ja, vielleicht war das eine treffende Beschreibung. Unberührbar (wenn auch nicht im sexuellen Sinne) wie die Vestalinnen, wahrsehend wie die Auguren und von politischer Macht wie die Flamines.
    "Und doch ist ihre Macht höchst informell. Ich glaube nicht, dass du im Imperium etwas gleichartiges finden wirst."


    Sim-Off:

    Kein Problem ;)

  • Das war eine sehr interessante Mischung. Massa Neugierde war geweckt. Nein, etwas vergleichbares war ihm bis jetzt nicht unter gekommen. Mit so einer Seherin zu sprechen war bestimmt aufschlussreich. Nach dem was Licinius sagte, musste sie große Macht besitzen. „ Hast du schon mit einer Seherin gesprochen?“ Als ehemaliger Seemann sah er die Dinge ja ein klein wenig anders als die Landratten. Deswegen nahm er die Beschreibung des Praefectus bis ins kleinste auseinander und stellte für sich fest, dass die Seherinnen etwas mystisches an sich hatten. Sie herausfordern, beleidigen oder dergleichen war das dümmste was man machen konnte. Eine gewisse Vorsicht war geboten. Massa streckte sich, wickelte sich gleich wieder in seinen Mantel.

  • "Ja," sprach Licinus und auf einmal war die Stimmung gedrückt.
    "Ja, das habe ich. Und mir ist erst hinterher, weit hinterher klar geworden, wie knapp wir bei ihrer Versklavung an einem Krieg vorbeigerutscht sind. Eine unangenehme Geschichte."
    Und Licinus begann zu erzählen. Wie die Germanen den Stützpunkt überfallen hatten, wie die Patrouille aufgerufen wurde, wie daraufhin die Legionen aus Mogontiacum auszogen, wie das Dorf sich ihnen widerstandslos ergab, wie der centurio überlebte, wie das Dorf geschliffen und die Dorfbewohner abgefuhrt wurden, wie Gerüchte unter der den Soldaten aufkamen und wie schlussendlich die Seherin öffentlich versklavt wurde.
    "Ich habe danach viel über die Germanische Kultur hier gelernt."
    Vor allem aber auch über sich selbst und über die Notwendigkeiten, die die Aufgabe den Frieden zu wahren, diktierten.
    Licinus nahm einen tiefen Zug aus dem Weinschlauch und hielt ihn dem tribunus erneut hin.

  • Massa nahm dankend an und trank einen großen Schluck. Damals in Aegyptus war alles vollkommen anders. Dort hatte sich keiner ergeben.Der Feind kämpfte bis er die Niederlage vor Augen hatten. Hier war eine andere Welt. Vor allem beeindruckte ihn, dass alles nur von einem Menschen, einer Frau, einer Seherin abhing, wie das alles ausgegangen war. " Respekt. In deiner Haut hätte ich nicht stecken wollen. Aber es war gut, das es so ausging. Besser als einen Berg sterbender und toter Feinde um sich zu haben und um das Leben seines Freundes und das eigene bis zum äußersten kämpfen zu müssen." Diese Tage in der Wüste bei der Oase hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Manchmal wachte er Nachts schweißgebadet auf, weil er davon träumte. " Dann sollte ich mich dem Wissen über die Germanen nicht verschließen. Dazu habe ich dann im Winter bestimmt eine Menge Zeit."

  • "Nun wir haben das eine, wie das andere überlebt." Licnius gedanken zuckten zurück an die Verteidigung des Adlers in Parthia. Wie hatte die Stadt nochmal geheißen? Licinus erinnerte sich nicht mehr gut an einzelne Namen in Parthia. Zu lange war diese Zeit vergangen.
    "Und jene, die glauben schon alles gesehen zu haben, wird die Welt und das Schicksal wieder überraschen mit Dingen, die völlig neu für sie sind. Wo habe ich das nur gelesen?" fragte Licinus sich, den tribunus und auch den Weinschlauch. Er wurde philosophisch, dass hieß, es wurde Zeit aufzuhören. Er kannte sich.


    "Zeit," sagte Licinus mit trockenstem Tonfall "Zeit ist so ziemlich das einzige, von dem du im Winter hier genug hast. Achja. Und wenn du länger hier bleibst, denke im Voraus. Kauf dein Feuerholz im Frühjahr. Du sparst ein Vermögen."

  • Nickend stimmte Massa den Worten des Praefectus zu. " Ein Menschenleben reicht nicht aus um alles zu sehen. Jedes Jahr, jeder Monat, jeder Tag bringt etwas neues. Man muss nicht mal weit durch die Welt reisen."

    Der Praefectus musste es wissen. Wie lange er schon hier oben war, das hatte Massa ihn nicht gefragt. Denn wenn er meinte das Zeit, das einzige war, was er dann im Überfluss haben würde, dann hatte er schon ausgiebig Erfahrung damit gesammelt.
    " Mit dem Feuerholz, das werde ich mir merken. Apro po..., es ist frisch für meine Wenigkeit. Ich wünsche dir eine gute Nacht und danke für den Wein und das Gespräch." Massa fröstelte, die Kälte kroch unter den Mantel. Er stand auf und ging zur Casa zurück.

  • "Ja, das ist wahr!" antwortete Licinus, dem selbst auch frisch wurde. Oder bezog es sich noch auf die Aussage vorher. "Ich denke, ich gehe auch. Vale bene"


    Licinus blieb entgegen seienr Aussage noch einen Moment sitzen, dann ging er auch in leicht unsicheren Schritten, zu seinem Haus zurück.

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