Kurze Pause - Lange Pause - Ewige Pause

  • Seit er zum Kaiser ernannt worden war, war Cornelius Palma nicht mehr Herr seines Terminkalenders. An vielen Tagen war das kein Problem, an manchen Tage aber auch ein Fluch. So wie am heutigen Tag. Keine schweren Termine, aber viele. Und dazu kamen noch einige unerwartete Termine, wegen denen andere Termine wiederum verschoben werden mussten. Und dazu kamen dann noch Ortswechsel innerhalb des Palastes, was Cornelius Palma immerhin für schnelle Absprachen auch dem Flur nutzen konnte.


    "Das Consilium Ulpianum beginnt bereits ohne mich? Gut. Ich stoße später dazu. Die Senatoren, die mich kurzfristig sprechen wollten, sind schon da? Gut. Ich komme gleich."


    Das Abendessen vom Vortag lag ihm noch schwer im Magen, also machte er auf dem Weg zum nächsten Gespräch einen Abstecher in seine Privaträume. Als Kaiser musste man sich ja auch mal eine Pause gönnen können, wenn einem danach war. Aber auch dort warteten schon Anliegen, doch Cornelius Palma schickte die Diener weg.


    "Nein, nicht jetzt. Ich brauche eine kurze Pause. Bring einen Becher Wasser und etwas Brot."


    Als der Diener das gewünschte brachte, saß Cornelius Palma auf einer Kline und starrte an die Decke. Er nickte kurz und entließ den Diener wieder. Als dieser später wieder kam, war der Becher leer und Cornelius Palma war eingenickt. Die Pause dauerte wohl doch etwas länger und der Diener zog sich dezent zurück, um über den Sekretär wiederum eine weitere Verschiebung der Termine zu veranlassen.


    Aber Cornelius Palma wachte nie wieder auf.

  • Zum Abendessen waren zwei Gesandte eines Klientelkönigs im südlichen Africa geladen. Natürlich musste der Kaiser dort erscheinen, weshalb einer der Cubicularii auserwählt wurde, den nun schon verdächtig lang schlafenden Augustus zu wecken. Er versuchte es und versuchte es - doch anstatt aufzuwachen kippte Palma nur wie ein nasser Sack zur Seite und wäre wohl krachend auf dem Boden aufgeschlagen, hätte der Cubicularius ihn nicht aufgefangen. Kalt fühlte der alte Mann sich an - der Sklave bekam Panik:
    "Schnell, den Leibmedicus!"
    begann er zu brüllen und biss sich auf die Zunge. Was, wenn der Kaiser tot war? Wer zuerst am Unfallort war, machte sich verdächtig! Hätte er den Cornelier einfach liegen lassen sollen? Aber wenn er nicht tot war, würde man es ihm auch vorwerfen... also doch Alarm: "Schnell doch!" rief er noch einmal.


    Als der Medicus eintraf, mühten sich die Cubicularii bereits damit ab, den toten und starren Leib Palmas auf eine Kline zu legen. Es war eindeutig: der Kaiser war nicht nur reglos und kalt, sondern auch die Leichenstarre hatte eingesetzt - noch bevor er den Puls gefühlt hatte, konnte der Medicus somit bekannt geben: "Der Princeps ist tot!"




  • Mittlerweile war auch der bereits informierte Procurator a libellis eingetroffen, der in der Zwischenzeit die Gesandten unterhalten und den Cubicularii ausgeschickt hatte, um nach den Kaiser zu sehen. Betroffen ging Silanus auf den Medicus zu, der ihm durch ein zustimmendes Nicken zu verstehen gab, dass der Kaiser nicht mehr unter den Lebenden weilte. Der Iunier warf darauf hin ebenfalls einen unglaubwürdigen und nach Bestätigung suchenden Blick auf den Verstorbenen, mit dem er noch vor einigen Stunden persönlich gesprochen hatte.


    Danach folgte das übliche Prozedere. Silanus wies die Cubicularii an den kaiserlichen Leichnam vorerst in dessen Privaträumen aufzubahren und eilte dann zurück zu seinem Officium, um alle notwendigen Schritte einzuleiten, die in einem solchen Fall zu tun waren.

  • Wobei nicht alle Schritte vom Procurator unternommen werden mussten – oder konnten. Als Ehefrau oblag es schließlich Sentia Laevina, sich um den toten Kaiser zu kümmern, und selbstverständlich war ein Cubicularius als erstes zu ihr gerannt, um ihr mitzuteilen, dass man ihren Ehemann nicht wecken konnte.
    Gefasst, aber schnellen Schrittes, machte sich Sentia daraufhin auf den Weg, den der Bedienstete ihr wies. Den Procurator musste sie dabei wohl knapp verpasst haben, sehr wohl aber bemerkte sie das rege und wirre Treiben, das sich um ihren Mann gerade bemerkbar machte.
    “Alle hinaus“ befahl Sentia schlicht und ließ keinen Zweifel daran, wer momentan die Oberhoheit der Domus Augustana innehatte. Selbstverständlich kamen die Diener dem Wunsch ihrer Herrin sofort nach und ließen Sentia mit ihrem Mann allein. Auch der Cubicularius, der sie geholt hatte, wartete draußen vor der Türe.


    Natürlich genügte ein Blick auf ihren Mann, um zu sehen, was geschehen war. Irgend jemand hatte eine Art Trage neben ihm abgestellt, und leicht verärgert trug Sentia das Ding beiseite und lehnte es an die Wand. Ein Vater, Ehemann und Kaiser wurde doch nicht einfach so vom Ort seines Todes ins Atrium abtransportiert, ohne dass zuvor die nötigen Riten ausgeführt worden waren!
    Langsam näherte sich Sentia wieder ihrem Mann in diesem wohl letzten wirklich intimen Moment zwischen ihnen beiden und strich ihm einmal zart über die Wange. Er fühlte sich schrecklich kalt an, und tatsächlich rollte eine kleine Träne über die Wange der Kaiserin. Sie war seit dem Ende seiner Quaestur die Ehefrau von Cornelius Palma gewesen, hatte mehrere Provinzen mit ihm bereist, lange Trennungen und Feldzüge mit ihm erlebt, ihm eine Tochter geschenkt und ihn zum Kaiser aufsteigen sehen. Sentia gab ihm einen kleinen, sanften Kuss auf die Stirn als letztes Lebewohl.
    Dann nahm sie ihre kunstvolle Perrücke ab, legte sie beiseite und nahm die kleinen Spangen aus ihrem Haar, um es zu öffnen und sich zu zerraufen. Als Ehefrau – gerade als Augusta – hatte man die Pflicht, die Trauer des gesamten Imperiums nach außen offen sichtbar zu tragen, wenn der Imperator verstarb. Dann öffnete sie wieder die Tür und gab Anweisungen.
    “Weißt alle Sklavinnen an, sich die Haare zu raufen, die Wangen zu kratzen und die Brüste zu schlagen, während sie klagen, dass ihr gütiger Herr tot ist. Dann bringt Wasser, Öl und das beste Gewand eures Herrn herbei. Und wenn nicht schon ein Bestatter gerufen wurde, so sollt ihr den besten von ganz Rom herbeirufen, damit dieser den Kaiser standesgemäß aufbahren kann.
    Sobald das geschehen ist, können die hohen Magistrate, Senatoren und seine Klienten ihn sehen.“

    Dass die einfachen Cubicularii hier keine Hand an den Toten legen sollten, brauchte Sentia wohl nicht extra zu erwähnen. Für so etwas gab es Fachmänner (und vor allen Dingen: Fachfrauen und Verwandte).

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