Der Einzug des neuen Praefectus Aegypti

  • Das Schiff lag seit dem späten Abend vor dem Hafen. Boote waren hinausgefahren und wieder zurückgerudert, der ein oder andere römische Soldat war eilends durch die Stadt mit der ein oder anderen Nachricht geschickt worden. Es dauerte nicht sehr lange, bis erst die Hafenarbeiter, dann schließlich die Händler und letzten Endes die ganze Stadt mitbekam, was da vor sich ging: der neue Praefectus Aegypti war angekommen und würde am nächsten Morgen im Hafen anlegen, um von dort aus in einer kleinen Prozession in seinen Palast einzuziehen.
    Über die Gründe, warum er das nicht noch am späten Abend gemacht hatte und gleich das Land betreten hatte, gab es natürlich viele Spekulationen. Zum einen war da natürlich die kleine Sache mit der Sicherheit, dass die römischen Soldaten sich erst in Stellung bringen mussten, um sicheres Geleit auch gewährleisten zu können. Auch war es einfach pompöser, am Tag einzuziehen, idealerweise unter dem Jubel der Menge. So konnte jeder auch etwas sehen und sich selbst davon überzeugen, dass der neue Eparchos echt war. Dann konnte er sich nach dem Einzug in der Regia auch noch um die ersten Belange des Tages noch kümmern und nicht nur ins Bett fallen und schlafen.
    Die schlichte Wahrheit aber war, dass Quintus Minidius Geminus bei der Ankunft am Hafen von Alexandria noch reichlich grün um die Nasenspitze war und hoffte, in der ruhigeren Bucht erst noch soweit den Magen beruhigen zu können, um nicht wie ein bleicher Geist durch die Straßen zu schlurfen. Und seine Frau hatte darauf bestanden, dass ihm vom Land aus eine frisch gewaschene und gestärkte Tunika gebracht würde, da seine jetzigen während der Reise doch etwas in Mitleidenschaft gezogen worden waren.


    Und so legte das Schiff mit den ersten Morgenstrahlen erst richtig am Hafen an. Taue wurden geworfen, das Schiff an den Anleger gezogen und vertäut, ehe die lange und breite Planke ausgelegt wurde. An Bord stand bereits ein weißes Pferd unruhig wegen dem schaukelnden Boden, und darauf ein älterer Mann in einem etwas eng sitzenden Brustpanzer – und darunter neuer Tunika. Als erstes trampelte ein Schwung Soldaten über die Planke und sicherte so den engsten Bereich am Hafen. Danach setzte sich das Pferd mit dem Reiter in Bewegung. Vorsichtig und langsam ging das Tier über die schwankende Planke, wieherte dabei nervös. Es wurde auch nicht wirklich ruhiger, als es den steinernen Anleger schließlich erreicht hatte und damit zum ersten Mal seit Wochen wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Der Reiter ließ es also warten und nahm die ersten Rufe von jenseits der Absperrung mit einem leichten, freundlichen Winken entgegen.
    Hinter ihm schließlich wackelte noch eine Sänfte mit Seidenvorhängen, getragen von 4 großen Trägern, vom Schiff. Danach folgten noch einige andere Passagiere, die alle mehr oder weniger wackelig erst einmal auf dem festen Boden verharrten, ehe sie sich zu bewegen wagten.

  • Als die ganze Entourage schließlich einigermaßen festen Stand gewonnen zu haben schien, ging der Zug los. Vom Portus minor, an dem man angelegt hatte, sollte der Zug nicht auf dem schnellsten weg einfach nur in die Basileia führen. Die Routenplanung war durchaus großzügiger bemessen worden und führte so vorbei am Kaisareion und der Agora nach Süden zum Meson Pedion, und sollte dann auf der breiten Hauptstraße nach Osten gelenkt werden bis zur Via Argeus, die schließlich in die einstige Königsfeste und jetzige Regia der Stadt führte. Immerhin sollten die Leute auch alle mitbekommen, dass ihr neuer Statthalter eingetroffen war, und sofern sich keine zu großen Tumulte daraus ergaben, dies auch nicht unbedingt auf dem kürzestmöglichen weg.


    Vorneweg stapfte so eine Abteilung Legionäre und machte notfalls den Weg frei, während Minidius Geminus auf seinem Pferd langsam und erhaben hinterher ritt und dabei hier und da der Menge zuwinkte und sich möglichst freundlich gab. Aus seiner Zeit in Iudaea hatte er gelernt, dass man desöfteren zwar hart durchgreifen musste, um die Ruhe zu gewährleisten, allerdings auch, dass es manchmal besser war, einfach nur ruhig zu bleiben und keinen Grund zum Tumult zu geben. Und gerade die Griechen in der Stadt hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten durchaus desöfteren als erpicht gezeigt, den Frieden zu wahren. Da konnte man jetzt auch mal lächeln und winken.


    “Siehst du, Liebste, die Menschen hier freuen sich, dass wir da sind“ meinte Minidius Geminus in Richtung der getragenen Sänfte. Kurz sah man eine Hand etwas den Vorhang zurückziehen und ein paar dunkler Augen hinaussehen.
    “Und eines Tages werden sie dennoch mit Steinen werfen. Wie in Caesarea.“
    “Achwas. Die Leute hier sind doch nett! Schau mal, da drüben winken ein paar Kinder. Und die Mode hier ist doch auch sehr... ähm... reizvoll, nicht?“
    “Ist ja klar, dass dir die Mode hier gefällt. Die ehrbaren Frauen dort drüben sind ja auch nackter als die Lupae hinter dem Venustempel in Rom.“
    Offensichtlich konnte er die Schlacht hier an dieser Stelle wohl nicht gewinnen. Seine Frau wollte Alexandria nicht mögen. Das hatte sie schon vor ihrer Abfahrt beschlossen gehabt. Und ihm auch mehr als deutlich gesagt gehabt. Was sie natürlich nicht auf das Kompromissangebot, doch selbst in Rom zu bleiben, während er in Ägypten war, eingehen ließ. Da würde wohl noch viel Überzeugungsarbeit nötig sein, ehe sich das ändern würde.


    Minidius ließ das Gespräch also sein und widmete sich mehr dem Geschehen. Um die Menge zurückzuhalten waren auch Soldaten von hier in aller Eile abkommandiert worden, auch wenn er hier nicht zu sagen wusste, ob diese nun von der Legion stammten oder von der Classis. Zu letzteren musste er ohnehin auch wohl noch sprechen, da der neue Augustus ihn in seiner Weisheit auch noch gleich zum Praefectus Classis ernannt hatte. Auch etwas, das für die nächsten Tage auf seiner durchaus langen Liste stand.

  • Minidius Geminus war überwältigt von den Eindrücken, die auf ihn hier einstürmten. Am Rand des soldatengesäumten Weges drückten sich die Menschen dicht an dicht und riefen ihm freudig entgegen. Einige hielten bunte Tücher in den Händen und winkten damit über die Köpfe der vor ihnen stehenden hinweg, als wollten sie unbedingt gesehen werden, auch wenn sie zu klein und zu weit zurückgedrängt waren. Überall standen beiseite geräumte Verkaufswägen und Stände mit bunt bemalten Töpfen darauf und teilweise noch bunterem Inhalt darin (ganz zu schweigen von den am allerbuntesten Besitzern eben jener exotischen Kleinigkeiten). Kurzum, Minidius Geminus war jetzt schon berauscht von den ersten Bildern dieser neuen Stadt und sehr gewillt, seinen Aufenthalt hier sehr zu genießen.


    Sie verließen schließlich den Hafen, aber auch auf der Hauptstraße ließ der Eindruck des Bunten und Neuen nicht im mindesten nach. Auch hier drängten sich die Menschen, fast noch mehr als am Hafen zuvor, wollten einen Blick erhaschen und riefen so sehr durcheinander, dass es unmöglich war, einzelne Stimmen darunter auszumachen und etwas zu hören. Es war wie ein gewaltiges Stimmen-Meer, das heranrollte und über ihn hinwegschwappte. In diesem Moment war es mehr als leicht zu glauben, dass dies hier die zweitgrößte Stadt der gesamten Welt war, mit annähernd so vielen Einwohnern wie Rom selbst. Nur aus mehr Provinzen zusammengewürfelt, mit weit weniger römischen Bürgern und damit weit mehr politischen Lagern, die es zu beruhigen und zusammenzuhalten galt. Sicherlich keine einfache Aufgabe, die ihn da erwartete. Dennoch war es eine, auf die er sich durchaus freute. Verwaltung hatte ihm immer sehr gelegen.


    Als sie schließlich zum abgetrennten Stadtteil mit den Wohnungen der römischen Bürger kamen und dem Palast, der seinen Amtssitz darstellte, war es hingegen fast ein wenig einsam. Auch wenn seine Frau ein entnervtes “Na endlich Ruhe!“ aus ihrer Sänfte heraus verlautbaren ließ, für Minidius Geminus war die Stille jetzt eher bedrückend.
    Er ließ sein Pferd etwas zurückfallen bis zu dem jungen Tribun, der ihn begleitete, um seine ersten Befehle zu erlassen. Immerhin musste eine Provinz dann auch regiert werden, und er würde nicht zu viel Zeit haben, um seine Geschäfte aufzunehmen.
    “Wenn die Gesandtschaft der Archonten eintrifft, lasst sie durch und führt sie direkt zum... öhm... Tablinum wird das Ding da denke ich haben.
    Achja, und gleich morgen früh will ich zur Classis sprechen. Also informiere den Subpräfekten und die weiteren darüber.“
    Militär hingegen lag ihm eher weniger... da vertraute er eher auf die Tribune, Subpräfekten und sonstigen Leute, die meinten, sich damit auszukennen.

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