[Triclinium] Das allabendliche Abendessen

  • Die Ungewissheit begleitete nun schon viele Monate das Leben in der Castra der Legio I. Würden die Rebellentruppen unter Palma den Usurpator in Rom stürzen können? Die Folgen, falls sie es nicht schafften, wären katastrophal und das nicht nur für das Geschlecht der Aurelier. Jedoch hatte vor einigen Wochen ein Funke etwas Licht in die erdrückende Dunkelheit der Ungewissheit gebracht: Tiberius Ahala und Aurelia Prisca war die Flucht aus der Hauptstadt gelungen, sie waren den Klauen des Usurpators entkommen.. eine glückliche Wendung des Schicksals, von denen viele hochgestellte Menschen in Rom nicht sprechen konnten.. Vor allem die Tiberier hatte es hart getroffen. Tiberius Durus hatte sich ermordet und mit ihm wohl auch seine Cousine, wahrscheinlich damit sie nicht in den Kerkern der Praetorianer verschleppt, gefoltert und letztendlich vermutlich verrotten würde.
    Das Glück, welches Ahala und Prisca nach Mantua brachte, traf allerdings nicht Aurelia Flora, deren Lebensfaden die Parzen vor knapp zwei Monaten bei der Geburt ihres Kindes durchtrennt hatten. Aus diesem Grund erschien Lentidia wie so oft in letzter Zeit alleine zur allabendlichen Cena. Ahala und Prisca hatten sich in ihr Cubiculum zurückgezogen, um die Zeit der Trauer zu überstehen. Lentidia hingegen dachte gar nicht daran, auch wenn sie der Tod von Flora natürlich betrübte, sich in ihrem Cubiculum zu verkriechen und auf ihren Wohlstand zu verzichten. Sie genoss die Zeit, die sie alleine im Triclinium verbringen konnte, und ließ sich ihrem Stande gemäß von den Sklaven des Hauses verwöhnen und jeden Wunsch erfüllen. Ihren Trauerflor hatte sie längst abgelegt. Wie es um den Konflikt zwischen Cornelius Palma und Vescularius Salinator stand, war ihr herzlich egal gewesen. Das einzige was sie interessierte war ihre hoffentlich baldige Rückkehr nach Rom.
    Sie lag also auf einer der drei Klinen und trank verdünnten Wein, nach dessen erstem Schluck sie aber ihr Gesicht verzog und eine der Sklavinnen auf ihre unmöglich verwöhnte Art ankeifte "Willst du mir den letzten Funken Freude nehmen? Wenn ich Wasser wollte hätte ich danach verlangt! Bring mir richtigen Wein du dusselige Kuh.."

  • Das Erlebte der vergangenen Wochen und Monate (wenn nicht gar Jahre) hätte Prisca nur zu gerne aus ihren Erinnerungen gestrichen, denn es machte ihr zwei Dinge auf schmerzliche Weise bewusst: Erstens: Ich werde alt! Oh ja und wie! Prisca fühlte sich dieser Tage älter denn je, da sie mittlerweile 21 Sommer zählte. Zudem war sie Witwe und kinderlos obendrein. Du meine Güte Vielleicht war das der Grund warum Prisca sich von Tag zu Tag unwohler fühlte in ihrer Haut, wenngleich sie im Spiegel (noch) keinerlei Makel an selbiger erkennen konnte. Also wo lag das Problem? War es zweitens der Tod, der sich als ständiger Begleiter in ihrem Leben erwies? Womöglich. Irgendwie starben alle Menschen, die ihr lieb waren, wie die Fliegen um sie herum. Angefangen hatte mit ihrem Onkel, gefolgt von vielen aus ihrer Familie. Dann ihr geliebter Ehemann, erschlagen von einem Balken, ihre Cousinen auch tot (zuletzt Flora, gestorben als sie ihrem Kind das Leben schenkte) … und Ursus, ihr liebster Cousin von allen, rang ebenfalls mit dem Tod. Wo sollte das alles enden, wenn nicht im Elysium?


    Aber das Leben ging trotz allem weiter und je älter man wurde, umso weniger schrecken konnte einem das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit. So einQuatsch! Diese Erkenntnis hatte Prisca nicht erst seit ihrem letzten Geburststag, den sie allein in Rom gefeiert hatte oder, seit sie in letzter Sekunde ihrem eigenem Schicksal von der Schippe gesprungen war. Nicht zuletzt dank einiger Legionäre, deren Namen sie am liebsten wieder vergessen hätte, genau so wie die Erinnerungen das "Besäufnis"mit diesen an sich wildfremden Männern. Nur ein Glück, dass wohl nie viele davon erfahren würden ...


    Was also konnte Prisca noch schrecken? Nichts eigentlich! Und schon gar nicht die harschen Worte ihrer nicht allzu entfernten Verwandten Lentidia, die gerade eine Sklavin anblaffte just als Prisca den Raum betrat. Sie waren sich zwar schon mehrmals hier auf dem Landsitz über den Weg gelaufen, allerdings hatte es nie zu mehr als nur einer flüchtigen Begrüßung gereicht. Heute hätten sie wohl das erste Mal die Gelegenheit sich näher kennen zu lernen und Prisca war durchaus gespannt auf die Bekanntschaft mit eben jener Aurelia, von der sie bis dato kaum mehr als nur den Namen kannte.


    Prisca musste unwillkürlich schmunzeln, beim Anblick der eingeschüchterten Sklavin, die beinahe mit ihr zusammen stieß als sie rückwärts vor Lentidia zurück wich: " Jawohl domina, wie du wünscht. Ich werde dir sofort den Wein bringen … "


    "Kannst du nicht aufpassen wo du hin läufst, du dummes unnützes Ding! ", fuhr Prisca nun die Sklavin von hinten so unvermittelt an, dass diese darauf völlig verzweifelt und schluchzend aus dem Raum lief. Prisca kümmerte es nicht weiter, stattdessen steuerte sie eleganten Schrittes die Kline neben Lentidia an und ließ sich darauf nieder.


    "Salve Lentidia. Es freut mich sehr dich hier zu treffen. Wie es scheint haben wir heute endlich die Gelegenheit uns etwas näher kennen zu lernen, nachdem ich mich die ersten Tage nach meiner Ankunft zurück gezogen hatte. Allerdings musste ich erst einmal zur Ruhe kommen und überdies die Nachricht von Floras Tod verdauen. ... Ich hoffe doch es stört dich nicht wenn ich dir bei der cena Gesellschaft leiste?", suchte Prisca ohne große Umschweife das Gespräch, wobei es sie auch nicht sonderlich stören würde falls Lentidia die Frage verneinen sollte. Schließlich war sie hier ebenso Zuhause wie ihre Verwandte und deshalb ließ Prisca sich mit einem Wink auch sogleich eine Schale mit Trauben reichen, während sie freundlich lächelnd ihr Gegenüber musterte. Hübsch ist sie. Sehr hübsch sogar … und zweifelslos jünger! Wie viele Jahre mochten wohl zwischen ihnen liegen? Naja soooo jung kann sie ja nun auch wieder nicht sein, hoffte Prisca mal zu ihren eigenen Gunsten. Von ihren Gedanken ließ sie sich natürlich nichts anmerken. Ihre interessierten (fast prüfenden) Blicke, die über Lentidia glitten, konnte sie allerdings nur schwer verstecken, wobei Prisca kein Problem damit hatte die Schönheit einer Anderen offen anzuerkennen.

  • Während Lentidia noch genervt weiter ein paar Früchte kaute hörte sie plötzlich die Stimme einer anderen Frau, woraufhin sie sich verwundert umdrehte. Zuerst konnte sie es kaum glauben, aber es stand wahrhaftig Prisca im Durchgang zum Triclinium. Anscheinend hatte sie die Zeit der Trauer beendet und war wieder bereit an den Vorzügen des Wohlstandes teilzunehmen. Die Verwunderung, welche sich in Lentidias großen Augen widerspiegelte, wandelte sich schnell in ein Schmunzeln: Kurz nachdem die Sklavin von Lentidia zu Recht gewiesen worden war, wurde sie ein weiteres Mal angefaucht, allerdings dieses Mal von Prisca, die mit ihr unsanft zusammen gestoßen war. Es gab doch nichts schöneres im Leben, als die Herrschaftsbeziehungen zwischen Domina und Sklavin in voller Freude auszuleben. Es machte Spaß diese Dinger herumzukommandieren, zu belehren und sogar zu beschämen, waren sie doch nicht mehr Wert als ein billiges und abgenutztes Bett, was die Freudenhausbesitzer ihren Huren als Arbeitsplatz anbieteten.


    "Prisca meine Liebe!" entgegnete ihr Lentidia und griff nach ihrer Hand "Welch unmöglicher Gedanke! Natürlich störst du mich nicht! sie klatschte in die Hände "Will man etwa das wir verdursten? Wo bleibt Wein?" fragte sie spöttisch in die Richtung der übrigen Sklaven. "Diese Sklaven sind wirklich von Unfähigkeit durchtrieben.." seufzte sie und schüttelte den Kopf. Dann wandte sie sich ihrer Verwandten zu und lächelte sie an, während sie begann sie genausten zu mustern. Auch wenn die Götter sie mit Schönheit gesegnet hatten, musste sich Lentidia keine Angst. Sie war viel älter und würde ihr keinesfalls eine Konkurrenz sein können oder ihr die Aufmerksamkeit der Männer entziehen. Zudem war sie ja auch schon verheiratet. Da fiel Lentidia etwas auf "Wo ist denn dein Gatte, meine Liebe?" Auch wenn Ahala Priscas Ehemann war, hätte Lentidia nicht wenig Lust sich etwas aufreizend zu geben, war es doch mit männlicher Gesellschaft doch immer aufregender, als nur unter Frauen zu essen.

  • Die verbliebenen Sklaven im Raum tauschten untereinander nervöse Blicke. Mit zwei Aureliae in einem Raum? Na das konnte ja heiter werden. Auf die spöttische Bemerkung mit dem Wein hin setzte sogleich hektisches Treiben ein und wenige Augenblicke später wurde edelste Falerner aus dem privaten Weinkeller des Legaten serviert. "Der Wein, domina, … unverdünnt, so wie du ihn wolltest", erklang flüsternd die zitternde Stimme eines Sklaven neben Lenitidia, als dieser ihr das Tablett mit dem Kelch hin hielt.


    Zeitgleich erhielt Prisca ihr Getränk gereicht, welches sie allerdings eher zögerlich entgegen nahm. Zu frisch war noch die Erinnerung an den letzten Kater, wenngleich dieses unschöne Ereignis bereits Wochen zurück lag. Ja die Zeit verging wie im Flug, wenn Prisca so darüber nach dachte. Umso mehr galt es jeden Augenblick zu genießen und genau das hatte sie sich vorgenommen, nachdem sie die vergangenen Tage der Trauer dazu genutzt hatte sich Gedanken über ihr eigenes Leben zu machen.


    Die freundliche Begrüßung durch Lentidia tat indes mehr als gut und so genoss Prisca auch die vertraut wirkende Berührung indem sie Lentidias Hand sanft drückte, ehe sie sich gemütlich auf der Kline ausstreckte. Endlich wieder eine Frau gleichen Standes, mit der sie sich gut unterhalten konnte, nachdem sie in den vergangenen Wochen ausschließlich mit Soldaten zusammen gelebt hatte. Gegen die Gesellschaft von Männern hatte Prisca natürlich nichts und üblicherweise genoss sie es sehr, wenn man(n) ihr ungeteilte Aufmerksamkeit entgegen brachte. In einem Feldlager, auf einem Kriegsschauplatz, konnte das allerdings schnell zu einem Problem werden, wenn die Soldaten einen als "Beute" betrachteten und sämtlicher Anstand und gutes Benehmen völlig über Bord geworfen wurde. Prisca hätte die Konsequenzen fast am eigenen Leib zu spüren bekommen, wäre sie nicht in letzter Sekunde von einem Legionär gerettet worden.


    Wo mag dieser alte bärtige Griesgram wohl jetzt sein? Auf dem Weg nach Rom? Oder lag er womöglich längst tot auf irgendeinem Schlachtfeld. Prisca war dies eigentlich völlig egal, aber da er sie nun Mal vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, verschüttete sie ihm zu Ehren einen Teil ihres Weines auf den Boden, ehe sie Lentidia lächelnd zu prostete und einen Schluck von dem köstlichen Wein nahm.


    Die musternden Blicke ihrer Verwandten entgingen Prisca dabei nicht, was war aber nicht der Grund war weshalb ihre rechte Augenbraue plötzlich nach oben wanderte. "Ehm wieso mein Gatte? …,wiederholte sie tonlos und blickte etwas ratlos drein. Was soll das denn jetzt? Diese Frage war so unvermittelt und in einer Natürlichkeit gestellt worden, dass es fast wie eien Provokation klang. Oder wusste Lentidia am Ende wirklich nicht, mit wem Prisca verheiratet gewesen war. Nein, sie hat doch nicht, … oder hat sie etwa den Tiberer gemeint? Ahala?


    Durchaus denkbar, da sie und Ahala zusammen hier angereist waren. Nun konnte Prisca ein amüsiertes Schmunzeln nicht länger unterdrücken. "Ach, … dachtest du der Tiberer sei mein Gatte?" Ein Blick in Lentidias Augen genügte eigentlich um sicher zu sein, denn für so durchtrieben hielt Prisca ihre Verwandte nun wirklich nicht, dass diese absichtlich diese Frage gestellt hatte um sie damit zu provozieren. Warum auch, schließlich kannten sie sich ja kaum: "Also da muss ich wohl gleich etwas klar stellen. … Ich und Ahala sind nicht miteinander verheiratet. Mein Mann hieß Flavius Piso und er ist schon seit über zwei Jahren tot", klärte Prisca mit einem tiefen Seufzer das Missverständnis auf und wollte damit das Thema 'Tote und Co.' auch gleich wieder beenden: "Ich weiß allerdings auch nicht wo Ahala gerade ist. Er wollte sich - glaub ich - mit ein paar Klienten treffen", fügte Prisca noch an und ertappte sich dabei, dass sie schon zwei Mal unbewusst den cognomen des Tiberers verwendet hatte.

  • Aus ihren Augenwinkeln vernahm Lentidia ein Tablett mit zwei Bechern darauf. An der Oberfläche des Weins konnte man erkennern, dass den Körper des Sklaven eine gewisse Zittrigkeit und Nervösität durchzog. Kommentarlos nahm die junge Aurelier ihren Falerner entgegen und wartete, bis Prisca ihren hatte, um mit ihr zusammen in den Genuss des Geschmacks zu kommen. Dabei entging ihr nicht, dass diese erst einmal etwas von dem Wein verschüttete. Ein Trankopfer? Für wen war es wohl gedacht? Lentidia war das eigentlich völlig gleichgültig, sie würde nie ihren kostbaren Wein für irgendwen vergießen, auch wenn der Weinkeller ihres Cousins nahezu unendlich damit gefüllt war.


    Dieser kleine Zwischenfall galt sofort als vergessen, als Prisca mit skeptischem Blick die Lentidias Frage wiederholte.
    Ahala war also nicht ihr Gatte? An den Namen Piso erinnerte sie sich nur flüchtig, hatte sie auf dem Landgut ihres Vaters doch nur Augen und Ohren für Dinge gehabt, die sie betrafen. Es kam zwar öfters vor, dass sie sich neidisch über die ein oder andere Aurelia aufregte, weil diese in Rom lebten und mit einem einflussreichen und hochgestellten Mann verheiratet waren, doch hatte sie sich nie wirklich die Namen aufgrund ihrer Eifersucht behalten.
    Mit offenen und sehr interessierten Augen lauschte sie den Worten ihrer Verwandten, die begann ihre Situation klar zu stellen.
    Tiberius ist nicht ihr Gatte? Interessant.. dachte sie sich nur und versuchte ihren verschwörerischen Gedanken nicht durch ihre Mimik nach außen dringen zu lassen. "Oh wie unsensibel von mir.. bitte verzeih mir meine Liebe.." Der Anstand hätte von ihr verlangt, dass sie den Verlust ihrer Verwandten weiter mit Worten bemitleiden sollte, in dem sie den Flavier lobpreiste, aber ihr stand etwas ganz anderes im Sinn.
    Ihre mitleidserfüllten Blicke veränderten langsam zu einem Lächeln, als ihr auffiel, dass Prisca oft den Cognomen des Tiberiers verwendet hatte.
    "Du empfindest etwas für ihn nicht wahr?" fragte sie direkt gezielt in Priscas Herz hinein. Egal welche Worte Prisca wählte, durch ihre Reaktion über diese schon überumpelnde Frage allein würde sie Lentidia eine Antwort auf ihre Frage geben. Die junge Aurelier hatte sich dabei etwas auf ihrer Kline aufgerichtet und streckte sich etwas näher in Priscas Richtung. Auf ihren Lippen lag das vertrauenswürdigste und freundschaftlichste Lächeln, was man sich nur vorstellen konnte.




    Später am Abend eilte der Vilicus des Hauses in das Triclinium und hielt ein Schreiben in der Hand. Seine Worte richtete er an Lentidia, da sie nun schon eine längere Zeit unter diesem Dach verkehrte als Prisca.
    "Ein Brief aus Rom, domina!" keuchte er.. Sein Tempo, mit welchem er die Strecke durch die Gänge des Praetoriums zum Triclinium zurückgelegt hatte, ließ sich darin begründen, dass selbst die Sklaven des Hauses gespannt darauf waren, wie es um die Situation von Mutter Rom stand.


    Zuerst mit genervtem Blick aufgrund des Hereinplatzens des Vilicus aber dann mit Freude nahm sie den Brief entgegen. Sie drehte ihn in seiner Hand und öffnete dann das Siegel. Dabei warf sie Prisca ein überaus freudiges und gespanntes Lächeln zu.
    "Er ist von Lupus!" rief sie und begann die Zeilen zu lesen.




    Ad
    Titus Aurelius Ursus
    Legio Prima
    Mantua *


    Vetter!


    Ich hoffe, inzwischen bist du dank der Pflege deiner Frau auf dem Weg der Besserung. Ich hoffe, solltest du dich auf ein Landgut zurückgezogen haben, dass die zurückgelassenen Legionsbestandteile den Brief zu dir weiterleiten, mangels besserer Kenntnis adressiere ich ihn dennoch zunächst an die Principia der Legio Prima.


    In Rom hat sich die Lage weiter entspannt. Cornelius Palma hat im Süden gesiegt und ist nach Rom eingezogen. Offensichtlich hat er irgendwie das Testament aufgetan, das ihn als Erben Valerianus' einsetzt, so dass sein Anspruch auch rechtlich gesichert ist.
    Du siehst, den Aureliern steht wohl eine blühende Zukunft bevor.


    Und dies ist auch der maßgebliche Grund dieses Briefes. Du selbst wirst vermutlich noch eine längere Zeit der Genesung benötigen und daher dich nicht dem politischen Leben in Rom stellen können. Allerdings wäre es geradezu sträflich, würdest du deinem Sohn die Möglichkeiten, die sich in Rom bieten, vorenthalten. Daher empfehle ich dir eindringlich, ihn in den nächsten Monaten wieder nach Rom zu schicken. Du weißt, dass er in meiner Obhut wohl behütet in deinem sinne aufwachsen würde.
    Meinen eigenen Sohn Lucius werde ich gegebenenfalls ebenfalls aus Tarquinia zurückrufen. Ich habe noch nicht endgültig darüber entschieden, ob er seine Ausbildung zum Haruspex abschließen sollte. Immerhin ist er nur zu einem Achtel Etrusker, was keine geeigneten Voraussetzung für eine Aufnahme ins Kollegium darstellen. Vielmehr trage ich mich mit der Überlegung, als neue Ehefrau eine Etruskerin adeligen Geblüts zu ehelichen und aus dieser Verbindung hervorgehende Söhne dem Collegium bei Zeiten zuzuführen, während Lucius ebenfalls auf die Politik vorbereitet werden könnte. In diesem Fall hätte dein Sohn auch einen Lerngefährten für seine Studien.


    Ich habe Tiberius Ahala nach der Schlacht von Vicetia mit Prisca zusammen ebenfalls nach Mantua geschickt. Ich hoffe, sie sind beide wohlbehalten bei dir angekommen. Leite die Nachricht vom Sieg Palmas und seinem Einzug in Rom bitte auf jeden Fall an den Tiberius weiter. Ich gedenke, unsere beiden Familien eng aneinander zu halten.
    Du bist Priscas Tutor. Nachdem Floras Ehe mit Tiberius Ahalas Vater nicht so fruchtbar wie erwünscht verlaufen ist, meinst du, sie wäre einer Ehe mit dem Sohn zugetan? Oder noch besser Prisca. Immerhin ist sie schon recht alt und noch immer kinderlos. Wir sollten ihr die Schande, ohne einen Erben geboren zu haben, zu sterben, ersparen, und baldigstmöglich eine Eheschließung für sie anbahnen. Die Tiberier erscheinen mir dafür ein passender Partner, und nach dem Sieg Palmas ist Ahala vermutlich ein wertvollerer Verbündeter, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
    Insofern empfehle ich, die beiden etwas Zeit miteinander verbringen zu lassen. Sollte Prisca, wie ich sie einschätze, darauf bestehen, nach Rom zurückkehren zu wollen, überzeuge sie bitte von der Notwendigkeit, dies in Begleitung des Tiberiers dann zu tun.
    Insgesamt entspannt sich die Lage zusehens, so dass in einigen Wochen hier auch eine Rückreise angepeilt werden kann. Allerdings würde ich im Moment auf übereilte Entscheidungen noch verzichten, zumindest, bis die letzten Anhänger Salinators rechtskräftig verurteilt sind. Danach aber können die damen sich an den freuden der Hauptstadt sicherlich wieder gefahrlos gütlich tun.


    Vale bene


    [Blockierte Grafik: http://img41.imageshack.us/img41/9149/salq.gif]


    Entgegen der vielleicht erwarteten Sprachlosigkeit stand Lentidia plötzlich auf, die Augen weiter auf die Zeilen gerichtet.
    "Prisca!" sagte sie immer wieder, bevor sie den Brief auf ihre Kline fallen ließ und zu ihrer Verwandten herüber ging. Sie griff nach Priscas Hand "Wir dürfen nach Rom!" sagte sie mit einem Lächeln, dass ansteckend den ganzen Raum erstrahlen ließ. Die übrigen Informationen ignorierte sie völlig, sie waren ihr schlichtweg egal. Sie interessierte nur, dass sie bald endlich in den Genuss der Hauptstadt kommen würde.
    "Lies!" forderte sie ungeduldig ihre Verwandte auf und gab ihr das Schreiben.


    Die umstehenden Sklaven trippelten ungeduldig auf der Stelle, vorne an der Vilicus. Alle hatten den selben Gedanken: Was ist denn nun mit Rom und dem Kaiser!? Diese dumme, egoistische Pute hat wieder nur sich im Kopf.. wenn sie nicht sofort sagt, ob sich die Lage in Rom entspannt hat, drehe ich ihr die Gurgel um!

  • "Ach ich bitte dich, Lentidia. Ist schon gut. Woher hättest du das denn wissen sollen?, winkte Prisca auf die Entschuldigung hin beiläufig lächelnd ab. Anscheinend hatten die Einladungen zu ihrer Hochzeit nicht alle Aurelier im gesamten Imperium erreicht, was wiederum im nachhinein deren Fernbleiben bzw. manch fehlendes Gratulationsschreiben entschuldigte. Aber hätte man von den Angehörigen der eigenen Gens nicht wenigstens erwarten können, dass diese zumindest Notiz von der Hochzeit genommen hatten. Andererseits was brächte es, sich nach all den Jahren darüber aufregen zu wollen? Sei´s drum!


    Viel mehr hätte sich Prisca über die nächste Frage aufregen können, die in ihren Ohren ganz und gar nicht mehr so unschuldig naiv gestellt klang, wie das vertraut wirkende Lächeln auf Lentidias Lippen ihr glauben machen wollte. Solch überrumpelnde Fragen waren schließlich für Prisca nichts neues, denn jeder der einmal am Frauenbadetag die Thermen von Rom besucht hatte wusste, dass solche Fragen einzig und allein aus dem Grund gestellt wurden um über die Reaktion des Befragten die Wahrheit heraus zu finden. So konnte ein Badetag schnell anstrengend werden, wenn man gezwungen war jede seiner Regungen und Bewegungen permanent unter Kontrolle zu behalten. Sieh an sieh an, Lentidia scheint ziemlich geübt darin zu sein. Und das für ein Landei, das Rom noch nie in natura gesehen hatte, kam die Aurelia nicht um hin ihrer Verwandten insgeheim schmunzelnd Respekt zu zollen.


    Auf die Frage konnte sich Prisca eigentlich nur mit ihrer Antwort verraten, oder mehr noch blamieren wenn sie jetzt auch noch ins stottern geriete. Das wusste sie nur zu gut. Aber wozu hatte sie in all den Jahren in Rom die Termen besucht, um mit derlei Situationen nicht souverän umgehen zu können: Ja natürlich empfinde ich etwas für ihn meine Liebe. So wie für alle standesgemäßen und attraktiven Männer, gab sie es deshalb ganz offen und ohne mit der Wimper zu zucken zu. Ganz selbstverständlich klingend und dabei fast empört dabei drein blickend, als ob es daran jemals einen Zweifel gegeben haben könnte: " Ahala …", nun musste sie ihn natürlich weiter so vertraut nennen: "ist schließlich ein sehr attraktiver Mann, Patrizier und der Adoptivsohn des Consuls Tiberius Durus obendrein!"Und damit aktuell der Sprössling eines landesweit geächteten Hochverräters. Aber diese infame Anschuldigung würde sicher bald schon post mortem für den dahin geschiedenen Papa revidiert werden, sobald die Truppen Palmas erst in Rom einmarschiert wären. Davon ging zumindest Prisca fest aus.


    Also alles nur eine Frage der Zeit - und tempus fugit bekanntlich schnell: "Wenn ich da an die vielen alten Säcke denke, mit denen blutjunge Patrizierinnen sonst oft verheiratet werden, ... im Vergleich zu denen ist Ahala in der Blüte seiner Manneskraft! … Wer, frage ich dich, empfindet da nicht etwas?", schwärmte Prisca nun fast schon zu überschwänglich von dem Tiberer, nur um sich aus der Affäre zu ziehen. Hoffentlich würde Lentidia nun nicht weiter nachbohren und um das zu vermeiden stellte nun Prisca gezielt eine Frage, um zu sehen wie sie darauf reagieren würde: "Wurde für dich eigentlich schon ein passender Ehemann gefunden?" Doch hoffentlich keinen alten Sack?! Anstatt in Worte packte Prisca ihre Gedanken in ein mit fühlendes, fast mitleidig wirkendes Lächeln welches sie Lentidia schenkte. Derlei Verbindungen konnten schließlich nicht früh genug besiegeltn werden, wenn es denn zum Nutzen der gens geschah. Sie ist ja auch ein besonders hübsches Schmuckstück. Und noch jung genug. Von daher wäre es wirklich eine Schande, wenn sie da nicht auch einen jungen und attraktiven Ehemann abbekommen würde , wie Prisca durchaus mit Bewunderung für Lentidias Schönheit so fest hielt.


    ++++ Später am Abend ++++


    Damit, dass der Tiberer und das Thema Heirat nochmal aus einer ganz anderen Perspektive auf sie zu kommen sollte, hatte Prisca nun wirklich nicht gerechnet, als später am Abend ein Bote einen Brief überbrachte. Ein Brief aus Rom? Von Lupus? Er hatte die Hauptstadt also heil erreicht. Den Göttern sei dank! Ihm ist nichts passiert Das konnte eigentlich nur Eines bedeuten: "Was schreibt er? Haben die Rebellen gesiegt? Nun sag schon! ", drängte Prisca ungeduldig und gespannt darauf wartend, dass Lentidia endlich laut vorlesen würde. Die Gewissheit ließ allerdings noch Augenblicke auf sich warten, bis endlich die entscheidenden Worte fielen: Wir dürfen nach Rom!


    "Endlich!" Mit erwartungsvoll glänzenden Augen entriss Prisca ihrer Cousine den Brief und überflog die Zeilen mit eigenen Augen. Das Hochgefühl und die überschwängliche Vorfreude auf die Rückkehr wurden allerdings jäh gedämpft als sie über folgende Worte stolperte:


    Zitat


    ...Du bist Priscas Tutor. Nachdem Floras Ehe mit Tiberius Ahalas Vater nicht so fruchtbar wie erwünscht verlaufen ist, meinst du, sie wäre einer Ehe mit dem Sohn zugetan? Oder noch besser Prisca. Immerhin ist sie schon recht alt und noch immer kinderlos. Wir sollten ihr die Schande, ohne einen Erben geboren zu haben, zu sterben, ersparen, und baldigstmöglich eine Eheschließung für sie anbahnen. Die Tiberier erscheinen mir dafür ein passender Partner, und nach dem Sieg Palmas ist Ahala vermutlich ein wertvollerer Verbündeter, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
    Insofern empfehle ich, die beiden etwas Zeit miteinander verbringen zu lassen. Sollte Prisca, wie ich sie einschätze, darauf bestehen, nach Rom zurückkehren zu wollen, überzeuge sie bitte von der Notwendigkeit, dies in Begleitung des Tiberiers dann zu tun....


    Zuerst glaubte Prisca sich verlesen zu haben, doch so oft sie es auch wiederholte, es stand immer wieder das Gleiche dort geschrieben: Schon recht alt … Schande ersparen, ohne Erben zu sterben . Also ..also das ist ja die Höhe! Ich und alt? So eine Frechheit! Was glaubt er eigentlich wer er ist?!, rang Prisca innerlich nach Luft und Contenance. Aber da stand ja noch mehr Ungeheuerliches, dass der Aurelia Hitzewallungen bescherte als wäre sie schon mitten im Klimakterium. Ich soll wieder heiraten? … Ausgerechnet Ahala? Moment mal! Hatte sie nicht vor wenigen Stunden noch mit eigenen Worten von Ahalas Vorzügen geschwärmt? Käme es ihr da nicht sehr gelegen, dass ihre Cousins ausgerechnet ihn für sie auswählen wollten? Ohne mich zu fragen? Nein niemals! Wenn schon, will ich entscheiden dürfen! Von wegen "alt" Pah! Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!, fluchte Prisca innerlich und sie konnte ihre Wut dabei nur mit Mühe vor Lentidia verbergen,zumal diese ja bestens im Bilde war.


    Herrje, sie hat das ja auch alles gelesen. Mit einem resignierten Seufzer reichte Prisca schließlich den Brief zurück und ihre Freude hielt sich in ungewöhnlich engen Grenzen, als sie schulterzuckend meinte: "Ja was für eine Freude. Wir dürfen nach Rom zurück." Mit einem Mal hatte es Prisca gar nicht mehr so eilig in die Hauptstadt zurück zu kehren: "Sollten wir nicht lieber mit der Rückkehr warten, bis Ursus wieder transportfähig ist. Ich meine wegen seiner Frau und seinem Sohn. Wir können die drei doch nicht einfach hier zurück lassen, oder? Zumindest war es einen Versuch wert, Lentidia zum Bleiben zu bewegen, wenn auch nur mit recht schwachen Argumenten. ..

  • Wie so oft in letzter Zeit schlich sich Titus spät Abends noch durch die Gänge. Frija kümmerte sich mehr um seine Mutter. Baldemar hatte sicher genug damit zu tun Reisevorbereitungen zu treffen ... zumindest hatte Titus das gehört. Was auch immer das bedeutete. Und der letzte der Sklaven der sonst auf ihn acht gab, war ständig am schreiben oder saß neben seinem Vater. Bestimmt passte er auf ihn auf. Und Titus? Er konnte tun und lassen was er wollte. Am Anfang war das noch toll. Aber inzwischen war alles so traurig und düster.


    Der Junge bekam die letzten Worte noch mit als er eintrat und blieb da stehen. Mit traurigen Augen sah er in den Raum. Stand einfach nur da. Durus trug an diesem Abend seine beste Kleidung. Er gefiel sich so. Wenn sonst nichts glänzte ...
    Mit leiser Stimme, die aber kaum weinerlich klang, wie er hoffte, machte er sich bemerkbar. "Ihr geht. Ohne m... uns?"
    Schwer wurde es in seinem Herz. Und trocken der Hals.
    Was war nur geschehen? Hatten die 'Anderen' gewonnen? Bedeutete das ... ja, was bedeutete das? Sein kleiner Körper zitterte und doch war er kaum in der Lage sich zu bewegen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!