Atrium | Ankunft einer Tiberia

  • | Stesichoros


    "Dein Bruder Lepidus ist bereits informiert. Der Herr hat bis eben noch in seinem Cubiculum gearbeitet. Er sollte aber gleich hier auftauchen. Ach, es ist ja so eine hektische Zeit", sprach Stesichoros etwas beschwichtigend, weil es natürlich schon etwas komisch war, dass die so lange abwesende Schwester nicht sofort umfangreich von der übriggebliebenen Verwandtschaft begrüßt wurde. "Möchtest du erst einmal kurz Platz nehmen?" Der Ianitor verwies auf ein paar Schemel, die eigentlich für wartende Besucher gedacht waren, was die Lucia natürlich eigentlich nicht war. "Ich kann dir auch etwas Wein besorgen, damit du dich ganz wie Zuhause fühlst... ich meine, damit du dich wieder wie Zuhause fühlst... ich meine natürlich fühlst du dich schon wie Zuhause, weil es ja dein Zuhause ist." Oh weh, der arme Ianitor. Wortgewandt war er noch nie. Deshalb machte er in der Villa auch nur Türen auf und zu...

  • Es war immer wieder verblüffend was so eine kleine Aufmerksamkeit, die einen ja kaum Zeit und Mühe kostete, bewirken konnte. Das freudige Strahlen des Ianitor zeigte der jungen Tiberia, dass kleine Gesten einen großen Effekt haben konnten und es war nett das an Sklaven üben zu können. Außerdem war es ja nicht verkehrt, wenn derjenige der hier alle kommen und gehen sah, Lucia zugetan war. Vielleicht würde sie in nicht allzu ferner Zukunft gut darüber informiert sein, wenn wichtige Leute überraschend zu Besuch kamen, doch das blieb abzuwarten.


    Sie trat in das Atrium und erwartete dort eigentlich ihren Bruder, erblickte aber nur das Wasserbecken, leere Schemel und die bekannten Wandzeichnungen und Mosaike. Noch bevor sie einen bewussten Gedanken dazu fassen konnte, versuchte Stesichoros sie schon zu beschwichtigen. Der Tölpel machte klar, wieso er hier Ianitor war und nichts anderes. Mit ungewollt-amüsiert hochgezogenen Augenbrauen ließ sie den Sklaven ein wenig zappeln, ehe sie mit einer Handbewegung Sekunde bedeutete dem Mann Anweisungen zu geben. Während sich Lucia langsam auf- und abgehend fragte, was ihr Bruder damit bezweckte sie hier warten zu lassen, sprach Sekunda also leise aber deutliche: „Etwas Wein ist eine gute Idee. Lass auch eine Schale Wasser bringen, damit sich die junge Herrin von der Reise erfrischen kann. Und vergiss Tücher zum Trocknen nicht!“ Und als der Mann nicht sofort sprang, fügte Sekunda ein ungeduldiges „Schnell!“ an. Zwar kam die junge Tiberia grade erst aus der Therme, aber das wäre eine gute Beschäftigung, um diese Verspätung ihres Bruders zu rechtfertigen. Dankend nickte Lucia ihrer Leibsklavin zu, das war keine schlechte Idee.


    Wollte Lepidus deutlich machen, wer hier das sagen hatte? Oder war er tatsächlich so gedankenlos sie hier stehen zu lassen? Was sollte Lucia machen? Ihr blieb ja kaum etwas anderes übrig als zu warten, wenn sie nicht als ungehobelt erscheinen wollte. Sie konnte ja wohl kaum in das Cubiculum ihres Bruders stürmen, allein der Gedanke war absurd. Aber einen dieser Schemel setzen würde sie sich sicher auch nicht! So lange würde Lepidus sie schon nicht warten lassen, immerhin kam sie hier nach Hause! Trotzig schob sie das Kinn vor und runzelte die Stirn. Als die junge Frau bemerkte, was sie da tat glättete sie mit größter Willensanstrengung wieder ihre Züge und zauberte das Lächeln zurück auf ihre Lippen.


    Es dauerte nicht lange, da kam auch schon das verlangte Wasser und wurde der jungen Tiberia angeboten. Sie legte ihre Hände in das angenehm kühle Nass, benetzte sich auch ein wenig die Unterarme und wusch sich vorsichtig den nicht mehr vorhandenen Staub von den Fingern. Auch mit dem Abtrocknen ließ sie sich Zeit und erwartete jede Sekunde das Auftauchen ihres Bruders.

  • Es dauerte zwar schon noch ein paar Minuten, aber bald schon konnte man aus der Entfernung einige Schritte hören, begleitet von harschen Worten: "Nein, nein und nochmals nein! Ist mir egal, wie schwierig das ist. Es wird so gemacht!" Es war eindeutig die Stimme von Lepidus, der nun gemeinsam mit dem Villicus das Atrium betrat. "Kümmer dich darum! Und keine Ausreden mehr!", der Vilicius verließ daraufhin das Atrium durch einen anderen Eingang, während Lepidus nun seine Schwester erblickte und sich bemühte ein freudiges Gesicht zu machen.


    Dennoch war dessen Lächeln irgendwie gequält, was wahrscheinlich an seinen dicken Ringen lag, die seine blutunterlaufenen Augen so passend umrahmten. Seine Gesichtsfarbe sah sicherlich auch nicht so gut aus. Er hatte seit Tagen nur äußerst dürftig geschlafen und war ohnehin ständig unterwegs. Es war ein Wunder, dass man ihn überhaupt gerade antreffen konnte. Und jetzt kam auch noch seine Schwester, um die er sich ja auch irgendwie kümmern musste. Aber gut, das würde ihn vermutlich die nötige Pause verschaffen, die er sich doch schon seit ein paar Stunden wieder gönnen wollte.


    "Lucia, was für eine Freude dich zu sehen." Er ergriff ihre Hände, drückt sie fest und schaute ihr ins Gesicht. "Bei den Göttern, sieh dich nur an, du bist ja eine richtige Frau geworden. Was für eine Überraschung. So früh hätte ich dich jetzt dann doch gar nicht zurück erwartet. Wie war deine Reise? War es schwer nach Rom zu kommen?" Der Tiberier hoffte, dass seine Bergüßung als "herzlich" durchgehen würde. Sein Spezialgebiet war dies ja bekanntermaßen nicht.

  • Lucia wechselte einen amüsierten Blick mit ihrer Leibsklavin, als sich Lepidus‘ Eintreffen so lautstark ankündigte. Sie hatte sich kaum in Richtung der Stimme gedreht, als auch schon ihr Bruder und sein Begleiter das Atrium betraten. Entweder wollte er ihr zeigen wie wichtig er inzwischen war, oder Lepidus war momentan fürchterlich eingespannt. So müde wie er wirkte, tippte sie eher auf Letzteres. Der arme Kerl schien einen entspannenden Besuch in den Thermen, ähnlich dem ihren heute, dringend nötig zu haben! Seine Begrüßung war jedoch herzlicher als sie es von ihm, zumindest wie sie ihn zu kennen glaubte, erwarte hatte. Dachte sie zu viel über jede noch so kleine Einzelheit nach? Um die letzten langweiligen Jahre etwas spannender zu machen, hatte sie versucht die Beweggründe für Alles und Jedes zu ergründen. Ging sie damit nun zu weit? Ach, Mumpitz! Es war doch nicht verkehrt sich seine Gedanken zu machen! Lucia erwiderte den Druck seiner Hände und schenkte Lepidus ein freudiges Lächeln.


    „Um endlich nach Hause kommen zu können, hätte ich eine noch viel beschwerlichere Reise auf mich genommen, mein lieber Bruder! Ich freu mich so dich zu sehen! Auch du hast dich verändert… Bis auf diese Augenringe steht es dir sehr gut!“, sprach Lucia und legte für einen Moment sachte ihre kühle Hand an seine Wange. „Aber jetzt bin ich ja da und kann dir zumindest was die Villa angeht unter die Arme greifen.“ Zumindest wenn er dies zuließ.

  • Offensichtlich wirkte sich seine innere Anspannung auch deutlich auf sein äußeres aus. Lucia hatte es jedenfalls sofort erkannt. "Unter die Arme greifen? Ich weiß nicht, was du meinst. Es gibt doch kaum etwas zu tun", sprach er vollkommen ironisch. "Aber ich bin mir sicher, dass wenn selbst die edelsten Damen wieder nach Rom finden, auch der Stern Roms wieder heller strahlen wird. Wollen wir hoffen, dass sich bald wieder alles in gemäßigtere Bahnen bewegt und der Geist der Normalität wieder regiert."


    Lepidus sah sich kurz um. "Sag deinen Sklaven doch, dass sie dein ganzes Zeug in dein Cubiculum schaffen können. Es ist fast alles noch genauso erhalten wie damals, als du es verlassen hast. Wir selbst sollten uns unterdessen ausführlich über unsere derzeitige Lage unterhalten." Für etwas Small-Talk war sicherlich auch noch Zeit. "Komm, wir wollen ins angrenzende Tablinum und unter den Augen der Bilder und Büsten unserer Vorfahren über alles reden."


    Lepidus führe seine Schwester nach nebenan. Währenddessen gab er einem Sklaven ein Handzeichen, was sich im Hause der Tiberier für "Hol Wein!" eingebürgert hat. Beide setzten sich auf eine angenehme Bank. "Achja, hat sich Pittacus als angemessener Weggefährte erwiesen? Er war das beste, was ich hier in Rom entbehren konnte und hat seine Aufgaben hoffentlich zu deiner Zufriedenheit erfüllt."

  • Lucia ließ bei Lepidus ironischen Worten ein feines Lachen hören. „Umso besser, ich wollte ohnehin mein ruhiges Leben der letzten fünf Jahre nur ungern aufgeben.“, erwiderte sie in ähnlichem Tonfall. Eigentlich war es ihr gar nicht so recht, dass in Rom jetzt wieder Normalität einkehrte, sie wünschte sich vielmehr eine spannende Zeit voller neuer Verwicklungen. Sie hatte die Unruhen ja auch nur vom Hörsagen mitbekommen und ein paar der Spuren in den Straßen gesehen, ansonsten hätte sie wohl auch eine ganz andere Meinung dazu. Da sie jedoch zu gut erzogen war, um ihrem Bruder so schnell schon zu widersprechen, nickte sie bestätigend.


    Mit einem Handzeichen und einem Lächeln machte Lucia klar, dass sich Sekunda entfernen durfte, ihre Leibsklavin würde das mit ihrem Gepäck schon in die Hand nehmen. Sie ließ sich nur zu gerne zu einem kleinen Gespräch überreden, sie war schon neugierig was ihr Bruder ihr so alles berichten würde. Nebenan ließ sie sich elegant auf die Bank nieder und strich sich das Kleid glatt.


    Es musste ja grässlich um Rom gestanden haben, wenn dieser tumbe Leibwächter das Beste war, das man hier entbehren konnte! Lucia war kurz versucht einen spöttischen Kommentar abzugeben, besann sich dann aber. Für solcherlei Dinge musste sie Lepidus erst wieder besser kennenlernen, dann wüsste sie wie weit sie gehen konnte. Also schönte sie die Wahrheit ein wenig: „Pittacus hat deine Nachricht gewissenhaft überbracht und war ein zuverlässiger Leibwächter, du hast ihn gut gewählt.“ Sie lächelte als Bestätigung ihrer Worte. „Ich bin dir sehr dankbar, dass du so rasch nach mir geschickt hast. Ich glaube noch viel länger hätte ich es in der Villa Rustica nicht ausgehalten. Andauernd kamen Nachrichten, die schon Wochen alt und durch so viele Münder gegangen waren, dass man sich nicht sicher sein konnte, was nun wirklich war und was nicht!“

  • "Ja, es ist alles ein riesiges Durcheinander", bestätige Lepidus den Eindruck, den Lucia hatte. "Aber sei nur froh, dass du das alles nur aus der Entfernung mitbekommen hast. Ich glaube kaum, dass du das alles vertragen hättest, was hier so auf dich eingeprasselte wäre." Das leidvolle Gesicht des Lepidus drückte die Erfahrungen der vergangen Zeit recht gut aus, obwohl er natürlich gern zur Übertreibung neigte. Schließlich war doch sein Leid immer das größte und niemand machte so schreckliche Sachen durch wie der arme Lepidus. Das musste natürlich am besten die ganze Welt wissen und ganz besonders seine Schwester. Aber immerhin, so ganz unrecht hatte er ja nicht. Für einen Tiberia war dies sicher keine leichte Zeit.


    "Du kannst es dir einfach nicht vorstellen. Man konnte nicht einmal die Thermen aufsuchen. Sobald man seinen Namen genannt hat, verstummten die Leute oder tuschelten klammheimlich. Doch ich konnte hören, was sie immer und immer wieder sagten: 'Tiberier? Sind das nicht die Kaisermörder? Die Verräter?' Bei den Göttern, wie oft musste ich mich rechtfertigen und lavieren. Mehr als einmal war ich gezwungen mich von meinem eigenen Verwandten zu distanzieren: Einem gewesenen Consul! Keinen Respekt haben die Leute, das kann ich dir sagen..." Lepidus hatte sich gleich mal ein wenig in Rage geredet. "Du merkst schon anhand meiner Worte: Es gibt viel wieder aufzubauen. Wir werden fast von Null anfangen müssen..."

  • Lucia wäre so viel lieber hier gewesen! Sie war sich sicher, dass sie einiges abhaben konnte. Hätten die anderen nur reden sollen! Sie hätte die Leute ignoriert, ihnen gezeigt dass sie einen Dreck auf deren Meinung gab! Sie war ja ohnehin etwas Besseres als die meisten: Sie war eine Tiberia und stolz darauf!
    Aber soetwas sagte sich ja immer leicht, wenn man ganz weit weg war… ob sie tatsächlich so gut damit zurechtgekommen wäre, würde sie wohl nie erfahren. Umso mehr war sie davon überzeugt, dass sie es durchgestanden hätte und gestärkt daraus hervorgegangen wäre.


    „Mein armer Bruder! Und das hast du alles alleine durchstehen müssen. Ich hätte dich dabei so gerne unterstützt!“, gab Lucia ihm zunächst einmal was dieser ganz offensichtlich wollte: Eine ordentliche Portion Mitleid. Sie legte ihm die Hand auf den Unterarm, um zu verdeutlichen, wie sehr sie doch mitfühlte. Ein paar Dinge änderten sich wohl nie…
    „Aber das Ganze hat dich nur stärker gemacht, das sehe ich dir doch an. Gemeinsam werden wir das schon schaffen!“, sie lächelte aufmunternd und drückte sanft seinen Unterarm, ehe sie ihre Hände wieder züchtig in ihren Schoß legte. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig, sie konnte es kaum erwarten aktiv zu werden.
    „Wie denkst du denn, dass es nun weiter geht?“, fragte Lucia neugierig. „Was hast du vor? Und wo kann ich dir dabei helfen?“

  • Lepidus nahm das Mitleid natürlich dankend an. Balsam für den Geist eines Gequälten. Er sah das Funkeln in den Augen seiner Schwester, welches den Tatendrank verkündete, der in ihr ruhte. Lepidus wusste es. Die Ankunft seiner Schwester würde ihm wieder neuen Schwung geben, wenn in Rom wieder die politischen Kämpfe gefochten wurden. Sie könnte sich noch als sehr nützlich erweisen...


    Lepidus sprang auf, lief ein wenig umher und blieb vor der Büste des Marcus Tiberius Allodius stehen, der die Familie einst nach Rom führte. Er grübelte ein wenig: "Nun, wie es weitergeht? Das wissen wohl nur die Götter, wobei es natürlich viel Raum zur Spekulation gibt. Wenn Palma erst einmal hier aufgetaucht ist, wird die Ordnung wiederhergestellt. Es wird wahrscheinlich ein großes Fest auf das Ende des Bürgerkrieges geben. Wir müssen darauf hoffen, dass Palma die angeblichen "Verschwörer" um Durus wieder ins rechte Licht rückt. Dann wäre unser Ruf wieder reingewaschen. Im Folgenden müssen wir uns Verbündete schaffen. Wir müssen uns insbesondere ein gutes Netz aus adligen Freunden schaffen. Unter Salinator wurden die Patrizier sehr geschwächt. Es wird gemeinsame Anstrengungen benötigen, das wieder umzukehren. Des Weiteren müssen wir uns schlau machen, welche Familien dem Kaiser nahe stehen und uns diese ganz besonders zu Freunden machen." Lepidus blickte nun wieder seine Schwester an. "Ich denke, wir müssen die eine nützliche Partie verschaffen, damit wie langfristige Bündnisse schmieden könnten." Mit einem etwas strengerem, aber keinesfalls rüden, sondern nur den Ernst der Lage transportierenden, Ton fügte er noch an: "Ich erwarte deine vollste Bereitschaft dazu, wer auch immer sich als der für uns Nützlichste erweisen sollte."

  • Lucia sah ihren Bruder überrascht an. „Aber natürlich!“ In ihrer Stimme schwang deutlich die Empörung darüber mit, dass Lepidus überhaupt an ihrer Bereitschaft zu Heiraten zweifelte. Sie hatte viel Zeit gehabt auch über dieses Thema nachzudenken und war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass sie mit jedem Mann zurechtkäme. Alles hatte seine Vor- und Nachteile: Ein junger Mann wäre etwas ästhetisch Angenehmeres, dafür müsste sie ihn aber - wenn es den Göttern gefiel - lange, lange Zeit mit all seinen Macken ertragen. Ein alter Mann würde sie bald als angesehene Witwe zurücklassen, da konnte man die wenigen Jahre doch auch über so manche Äußerlichkeit oder Charakterschwäche hinwegsehen, oder? Wenn sie die Wahl hätte glaubte Lucia, dass sie sich eher für den alten Mann entscheiden würde, als für den gutaussehenden – zumindest hatte sie sich das so überlegt. Sie würde ihrer Familie sicher keine Schande machen und die Heirat verweigern, was dachte sich Lucius nur!? Sie warf ihrem Bruder einen tadelnden Blick zu. „Das brauchst du doch nicht extra erwähnen!“


    Das mit dem ‚Freunde machen‘ unter den angesehenen Familien, sollte eigentlich die einfachste Aufgabe sein, zumindest in Lucias Augen. „Weißt du denn, wer von den anderen Adeligen noch in der Stadt ist? Vielleicht sind ja alte Bekannte darunter denen ich einen Besuch abstatten kann, wo ich grade frisch zurückgekommen bin.“, schlug Lucia auch gleich vor. Das würde ihr sicher auch Spaß bereiten und was gab es schöneres als die Pflicht mit dem Angenehmen verbinden zu können? Wie sie das mit Durus und der angeblichen Verschwörung wieder richtig stellen wollten, war ihr nicht so ganz klar, aber das war doch auch eher Lucius Aufgabe als die ihre. So lange es nicht brisant wurde wollte sie sich erst mal nur über diese Dinge Gedanken machen, die sie selbst beeinflussen konnte.

  • "Ausgezeichnet." Lucius war sichtlich zufrieden. "Nein, etwas anderes habe ich tatsächlich nicht von dir erwartet. Nimm es als rhetorische Frage. Eine gute Tiberia kennt ihre Pflichten, da warst du bisher ja immer ein Vorbild." Ob seine Schwester aber wirklich so bedinungslos bei allem zustimmen würde? Wer weiß, mit was für einem ekligen alten Typen er sie verkuppeln musste. Da gab es sicherlich schmerzgrenzen, die Lepidus aber nicht wirklich zu kümmern hatten. Er hoffte nur, dass seine Schwester es auch so meinte, wie sie es sagte.


    "Es gibt kaum noch Patrizier in der Stadt. Wenn, dann nur sehr unbedeutende. Die wirklich Wichtigen haben sich alle aus dem Staub gemacht. Zurecht, wenn man bedenkt, dass viele von ihnen auf den Proskriptionslisten des Vesculariers standen. Ich nehme an, dass mit Palma auch wieder die ehrwürdigen Familien in die Stadt einkehren werden. Wenn du aber noch alte Freunde hast, dann solltest du dich bei Gelegenheit erkundigen, was aus ihnen geworden ist." Lepidus nahm derweil wieder neben Lucis platz. "Bis wir dir einen vernünftigen Mann besorgt haben, brauchst du aber sicher noch etwas zu tun. Ich werde dir in jedem Fall die Obhut unserer Villa überlassen. Du kannst die Besorungen organisieren, Einkäufe tätigen und bei Bedarf neue Sklaven anschaffen. Das sei alles ganz dir überlassen. Du nimmst mir damit viel Arbeit ab und ich kann mich um andere Sachen kümmern. Hast du sonst bisher eine Vorstellung, womit du dich zur Überbrückung beschäftigen könntest? Ich würde dir natürlich helfen, egal, was du für Wünsche hast, sie in die Wege zu leiten."

  • Jetzt war Lucius auf einmal wieder voll von ihrem Pflichtgefühl und ihrem Verantwortungsbewusstsein überzeugt? Irgendwie konnte Lucia das nicht so ganz glauben, doch es blieb bei einem kurzen skeptischen Blick und einem Nicken, dass wohl zeigen sollte, dass sie zufrieden mit der rhetorischen Frage war.
    Dass wirklich fast alle Patrizier aus der Stadt geflohen sein konnten, daran hatte Lucia überhaupt nicht gedacht… aber es war eigentlich nur logisch. Das hieß nur leider auch, dass fast alle ihrer alten Freunde nicht mehr in Rom weilten. Hoffentlich hatte Lucius Recht und sie würden dank Palma alle wieder zurückkehren. Ihre Rückkehr nach Rom hatte sie nämlich immer auch mit dem Wiedersehen der alten Freunde verknüpft. Wenn sie diese nicht wiedertraf, dann war es nur eine halbe Heimkehr.


    Ah, jetzt kam also die offizielle Übertragung? Oha, sogar noch mehr. „Darüber habe ich mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht.“, musste Lucia zugeben. „Ich denke ich werde mich erst einmal der Villa und diesen Aufgaben widmen und wenn ich dort eine gewisse Routine habe, wird mir auch noch mehr eingefallen sein, was ich gerne tun würde. Dann werde ich dich an dein großzügiges Angebot erinnern.“


    Wenn Lucia jetzt nicht fragte, würde sie wohl ein ganze Weile mit der Befriedigung ihrer Neugierde warten müssen, also formulierte sie vorsichtig: „Aber, lieber Bruder, erzähl doch mal was dich so umtreibt, dass du so abgespannt wirkst.“ Sie würde nur zu gerne wissen, was ‚die anderen Sachen‘ waren, um die sich Lucius dank ihr nun kümmern konnte.

  • "Gut, gut", sprach Lepdius nur, als seine Schwester zu verstehen gab, dass sie mit der Villa-Verwaltung erst einmal zufrieden war. Wenn ihr was einfiel, würde er sich schon kümmern. Nun das hieß zumindest, wenn er dann Zeit für sie hatte. Das wusste man ja nie und seine eigenen Angelegenheiten gingen selbstverständlich vor, aber dennoch konnte man ja erst einmal alles in den Raum stellen.


    "Warum ich so 'abgespannt' wirke?" Lepidus lachte schon fast laut auf, während er wieder ruckartig aufstand und mit seinem Arm in Richtung eines Fensters in der Ferne zeigte. "Sieh doch nur, was da draußen los ist! Ein neues Zeitalter bricht an! Alles verändert sich und die Welt wird ordentlich durchgerüttelt. Liebe Lucia, mich wundert eher, wie du es schaffst, bei all dem so ruhig zu bleiben. Ein Hoch auf deine Abgeklärtheit, aber ich befinde mich in ständiger Sorge, was kommen wird und wie es weitergeht, auch wenn ich keine Antworten finden mag... Derzeit verbringe ich jeden Tag auf dem Capitol. Ich hege und pflege die Stätte Iuppiters und berate Menschen, die so unsicher sind wie ich über das, was kommen mag. Das erfordert meine ganze Kraft und Energie in diesen Zeiten des Umbruchs."

  • Bei den Göttern, hatte Lepidus Hummeln im Hintern! Konnte er nicht mal still sitzenbleiben und ein normales Gespräch führen? Mit großen Augen sah Lucia ihren Bruder an, daran erinnerte sie sich ja gar nicht mehr! War er schon immer so gewesen? Anscheinend musste sie besser auf ihre Wortwahl ihm gegenüber achten, aber das war doch kein Grund sich so zu echauffieren! Kein Wunder, dass er so müde war, wenn er sich in alles so schnell, so sehr reinsteigerte! Ein neues Zeitalter? Die Welt durchgerüttelt? Je mehr Lepidus redete, umso schwerer fiel es Lucia ein spöttisches Lächeln zu unterdrücken. Er neigte offensichtlich zur blumigen Beschreibungen und einer sehr ausgeschmückten Wortwahl. Da sollte sie jetzt wohl die Wogen besser ein wenig glätten.


    „Ich bin doch nicht abgeklärt, lieber Bruder!“, erwiderte sie und achtete nun sorgfältig auf ihre Worte. „Vielleicht ein wenig weltfremd, immerhin war ich die letzten Jahre von allem abgeschirmt. Es tut mir leid, wenn ich dir deshalb Fragen stelle, die dir naiv erscheinen oder… abgeklärt.“


    Sie schmunzelte nun doch ob des Wortes, nein zur Abgeklärtheit hatte sie es sicher noch nicht geschafft, dafür hätte sie ja was erleben müssen! Sie sah sich lieber als gelassen und geduldig an, zwei Tugenden die man in der Abgeschiedenheit wirklich gut üben konnte.


    „Ich wollte eben nur nicht zu direkt danach fragen was du momentan tust, das hat wohl einen falschen Eindruck erweckt. Entschuldige.“ War das jetzt eine Entschuldigung zu viel gewesen? Nein, den meisten Männern konnte man doch nicht demütig genug sein, das würde Lepidus doch sicher wieder beruhigen, oder?

  • Das war natürlich wieder der ein oder andere Effekt zu viel. Nicht, dass das Lepidus wirklich aufgefallen wäre, aber seine Schwester hatte er damit glücklicherweise etwas verunsichert. Glücklicherweise? Ja, wenn andere verunsichert sind, dann hat man selbst immer gleich ein viel besseres Gefühl. Deshalb machte ihm das Entschuldigen seiner Schwester überhaupt nicht aus, auch wenn er ihr natürlich versicherte, dass das überhaupt nicht notwendig sei. "Entschuldigen musst du dich bei mir natürlich nicht. Die Isolation in der Villa tat sicher ihr übriges zu deinem Befinden." Tja, das klang schon ein wenig unterschwellig danach als wenn Lucia die falsche Stimmung zur falschen Zeit hatte. "Vielleicht solltest du mich einmal zum Tempel begleiten. Ich kann dir meine Arbeitsstätte zeigen und wenn du dann noch ein kleines Opfer bringst, dann wäre es sicherlich gut für dich, für die Familie und sicher auch für Rom. was hältst du davon?"

  • Da Lucia es ziemlich darauf anlegte alles zwischen den Zeilen zu lesen, fiel ihr die mehr oder minder beabsichtigte unterschwellige Botschaft natürlich auf. Sie mochte es überhaupt nicht kritisiert zu werden und sei es nur indirekt. Deshalb nahm sie Lepidus seine Worte auch übel und presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Doch sie wollte sich ja die ersten Tage und vielleicht sogar Wochen von der besten Seite zeigen und erst einmal das Terrain erkunden, also hieß es wohl: Grinsen ist die beste Art dem ‚Feind‘ die Zähne zu zeigen.


    Sie brachte sich also selbst dazu wieder zu lächeln. „Das ist eine wunderbare Idee!“ Wenn man nicht zu genau hinhörte, könnte man aus ihrer Stimme Begeisterung lesen. Eigentlich hatte sie nicht das Geringste dagegen den Tempel zu besuchen und Iuppiter ein Opfer darzubringen, doch die Art wie Lepidus dies anbot ging ihr gegen den Strich. Es wäre sicherlich gut für sie? Was genau wollte ihr Bruder ihr nun damit wieder sagen? Lucia versuchte ihren leichten Ärger herunterzuschlucken, immerhin hatte Lepidus ja noch die Familie und Rom aufgezählt, doch es wollte nicht so ganz gelingen.


    Ehe Lucia noch mehr dazu sagen konnte, tauchte endlich ein Sklave mit einer Karaffe und zwei Gläsern auf. Dankbar für die Ablenkung kommentierte Lucia das offensichtliche, das fiel ihr grad leichter als den Besuch im Tempel zu planen. „Ah, was zu Trinken. Wunderbar! Mein Mund fühlt sich doch etwas trocken an.“ Sie winkte den Sklaven heran.

  • Wunderbare Idee? Natürlich war sie das, schließlich hatte sie ja auch Lepidus. Aber offensichtlich verschwendete seine Schwester noch keinen wirklichen Gedanken an den Tempel. Sie schien jedenfalls erst einmal sehnsüchtig nach dem Wasser zu lechzen, dabei hatte sie doch bisher kaum wirklich viel gesprochen, um Mund und Kehle die Kraft zu rauben. Lepidus nickte erst einmal wohlwollend, war sich aber gleichsam darüber im Klaren, dass er mit seiner Schwester wohl sicher noch das ein oder andere Mal Schwierigkeiten haben würde. Etwas mühsam sprach er: "Ich werde alles für eine entsprechende Opferung vorbereiten. Als Aedituus des großen Iuppiter-Tempels kann ich schnell für den angemessenen Rahmen sorgen..." Ob sie wollte oder nicht. Lucia wird ihre Pflichten erfüllen müssen, dafür würde Lepidus schon sorgen. "Hab ich schon erwähnt, dass dein altes Cubiculum noch genauso hergerichtet ist, wie früher? Ich hoffe, es wird zu deiner Zufriedenheit sein, auf das du dich schnell wieder an die Villa gewöhnst und den Landsitz erst einmal wieder vergisst."

  • Der Sklave schenkte Lucia etwas Wasser ein und sie versteckte dankbar die kleine Grimasse, die sie nicht verhindern konnte, indem sie einen Schluck trank. Das würde ja noch was werden, wenn all ihre Gespräche in Zukunft so angestrengt und gezwungen abliefen. Aber Lucia konnte sich nicht helfen, sie wusste wo ihr Platz sein sollte, wollte aber doch eigentlich mehr. Sie musste sich in Geduld fassen und ihren Bruder erst einmal zufriedenstellen, auch wenn sie ihn - ob seiner Bevormundung - in einer kindischen Anwandlung gerne vors Schienbein getreten hätte.


    „Ich danke dir für deine Mühen, Lucius. Sag mir einfach wann und ich werde dich gerne zu deiner Arbeitsstätte begleiten und dort ein Opfer für unsere Familie und Rom darbringen.“


    Vielleicht hätte sie das gleich antworten sollen? Nachdenklich nahm sie noch einen kleinen Schluck. Ja, das wäre wohl besser gewesen. Aber leider zu spät… Sie musste schneller werden, ihr mussten die richtigen Antworten zur richtigen Zeit einfallen!


    „Ja, das hattest du. Ich freu mich darauf ein wenig in alten Zeiten zu wühlen, aber ich werde es wohl neu einrichten – immerhin bin ich nun kein kleines Mädchen mehr.“, zumindest ein bisschen Ecken und Kanten musste sie nun zeigen, sonst würde sie wohl platzen. „Den Landsitz… so schnell werde ich ihn nicht vergessen, immerhin habe ich einen großen Teil meines Lebens dort… verbracht. Aber ich bin mir sicher, dass ich mich hier in der Villa… in Rom!... rasch wieder einleben werde.“ Der Besuch in der Therme war schon ein netter Anfang gewesen und Lucia hatte nicht vor sich nun in der Villa zu verstecken, sie wollte etwas erleben!

  • Kam es ihm nur so vor oder veränderte sich der Ton seiner Schwester und ihre Sätze wurden etwas... vorsichtiger? Vielleicht war es nur ein Einbildung von Lucius, so dass er sich wie immer denken konnte, dass sein Wort tatsächlich so ein Gewicht hätte, dass alle anderen um ihn herum liebend gern nach seinem gutdünken sprachen und handelten. Mitunter vergas er dann auch mal schnell, dass er es hier eigentlich mit seiner Schwester zu tun hatte, blickte aber zufrieden drein. "Das klingt doch alles hervorragend, Lucia. Dann hoffe ich, dass wir bald gemeinsam auf das Capitol wandern werden. Es wird mir eine wahre Freude sein, dich ein wenig durch den Tempel zu führen." Lepidus machte nun anstalten zu gehen. "Wenn du mich nun entschudligen würdest: Ich muss in meinem Officium noch an dieser und jener Sache arbeiten. Gewöhn dich doch erstmal wieder an dein neues altes Zuhause, und wenn du etwas brauchst dann..." ...wende dich an mich wäre wohld as brüberlich familiäre gewesen, aber stattdessen kam ein "...wende dich an einen Sklaven. Sie sind alle sehr tüchtig. Ich werde dir dann bei Gelegenheit sagen, wann wir zum Tempel gehen." Lepidus warf seiner Schwester noch einen verabschiedenden Blick zu und verschwand dann in den Räumlichkeiten der Villa.

  • Lepidus verabschiedete sich, tat dabei wieder sehr beschäftigt. Lucia konnte sich noch immer nicht entscheiden, ob er nun wirklich so viel zu tun hatte, oder ob er sich nur gerne groß gab. Sie nickte ihm zum Abschied lächelnd zu und als er aus ihrem Blickfeld verschwand konnte der Sklave mit den Getränken sehen, wie Lucias Körperhaltung befreit zusammensackte. Sie ließ erleichtert die Luft zwischen ihren halbgeöffneten Lippen entweichen und murmelte an niemanden direkt gewandt: „Das lief doch gar nicht so schlecht, oder?“


    Nach ein paar ruhigen Momenten strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht und winkte den Sklaven zu sich. Wollte sie sich doch gleich mal daran machen weiter kleine Vögelchen für die Rekrutierung auszuwählen. Der Pförtner würde anstrengend werden, war aber wichtig. Den Leibwächter hatte sie komplett abgeschrieben, der war viel zu tumb, das wollte sie sich nicht antun! Aber so ein Mundschenk wäre, sofern er zumindest ein wenig auf dem Kasten hatte, perfekt. Er würde immer zu den wichtigen Gesprächen gerufen werden und so einiges Hören, was nicht für seine Ohren bestimmt war.


    „Wie heißt du?“, fragte sie also direkt, was den Sklaven offensichtlich verwunderte. Nach kurzem Zögern antwortete er jedoch: „Gylippus, Herrin.“ „Gut, Gylippus. Geleite mich in mein altes Cubiculum... Und nimm die Getränk mit.“ Lucia würde ein sicherlich wenig Wein brauchen, bei den vielen Erinnerungen, die dort auf sie warteten.

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