Vor der Villa Tiberia | Zu spät...

  • Irgendwie hatte er bereits geahnt, dass er zu spät kommen würde. Von dem Moment an, als Ahala in der dunklen Ecke des Stalls, in die Caudex und sein Spießgeselle ihn geworfen hatten, wieder zu sich gekommen war, hatte er es geahnt. Wie lange er bewusstlos gewesen war, wusste er hingegen nicht, der Platzwunde und der riesigen Beule auf seinem Hinterkopf zufolge waren es vermutlich etliche Stunden gewesen. Mit rasenden Kopfschmerzen, die selbst den schlimmsten Kater seines Lebens noch in den Schatten stellten, hatte Ahala sich schließlich wieder aufgerappelt, nur um festzustellen, dass sein Pferd ebenso verschwunden war wie sein ganzes Geld, in dieser Hinsicht hatte sich Caudex, der verdammte Schweinehund, eine wahrlich großzügige Revanche gegönnt.
    Um wenigstens noch eine kleine Chance zu haben, rechtzeitig nach Rom zu kommen um seinen Vater und dessen Verbündeten zu informieren und vorzuwarnen, war Ahala schließlich selbst unter die Pferdediebe gegangen und hatte sich das einzige andere im Stall vorhandene Pferd "ausgeborgt", einen unübersehbar uralten Klepper, um dessen Sicherheit sich offenbar niemand mehr allzu große Gedanken machte. Aber immerhin, er lief, nicht schnell, aber er lief, und so war Ahala schließlich doch in Rom angekommen, nur um kurz vorm Ziel festzustellen, dass ein ganzes Rudel Praetorianer vor der väterlichen Villa stand. Mit einem Fluch zog er sich schnell ausser Sichtweite zurück und überlegte noch fieberhaft, wie er nun weiter vorgehen sollte, als er plötzlich ein recht zittriges Zupfen an seiner Tunika fühlte. Ahalas erster Impuls war Zuschlagen und Flucht, doch dann erkannte er gerade noch rechtzeitig, Panenus, einen der älteren Sklaven seines Vaters, der sich immer um die Einkäufe der tiberischen Küche kümmerte. "Oh junger Herr, wie gut, dass ihr wohlauf seid." japste der Alte und schielte zur Villa hinüber. "All diese Praetorianer vor der Tür, und ich glaube, einige von ihnen sind schon im Haus." Ahala spürte, wie ihm schlagartig noch flauer im Magen wurde, als das ohnehin bereits der Fall war und schüttelte den alten Sklaven leicht. "Und was ist mit meinem Vater, er ist doch hoffentlich nicht daheim, oder? fragte er mit stiller Hoffnung, obwohl der Gesichtsausdruck seines Gegenübers nichts Gutes versprach. "Oh doch, junger Herr, ich fürchte schon." jammerte Panenus "Als ich ging, um mich um meine Einkäufe zu kümmern, war er jedenfalls noch da." Ahala entfuhr der zweite Fluch innerhalb kürzester Zeit, dann schüttelte er den Sklaven gleich noch einmal. "Und Fl...und die Herrin? Was ist mit der? Ist sie bei Vater im Haus?" "Die Herrin? Oh nein, die nicht." schüttelte der Alte den Kopf. "Die Domina wurde vom Herrn vor einigen Tage nach Misenum geschickt, nur kurz, nachdem du selbst abgereist bist, Herr. Ahala fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und stieß ein Stöhnen aus, zum Teil aus Frust und Resignation, aber auch weil er bei der Gelegenheit ordentlich in die kurzfristig vergessene Wunde auf seinem Hinterkopf gegriffen hatte.
    Und jetzt? In die Villa hineinzukommen würde er nicht schaffen, und falls doch, dann kam er bei all den Schwarzträgern garantiert nicht mehr heil hinaus. Für seinen Vater konnte er nach Stand der Dinge derzeit nichts tun, aber vielleicht für Flora, immerhin bestand die Hoffnung, dass sich für das Landgut in Misenum noch niemand interessiert hatte, schließlich befand sich der alte Tiberius ja hier in Rom. Ahala warf noch einen vorsichtigen Blick um die Ecke herum zur Villa hinüber und atmete dann hörbar aus. "Hör zu, Panenus. Falls du wieder ins Haus reinkommst, und meinen Vater irgendwie erreichen kannst, dann sag ihm, dass ich dafür sorgen werde, dass seine Frau in Sicherheit gebracht wird. Und dass es mir leid tut, zu spät gekommen zu sein. Und gib mir alles, was du an Geld bei dir hast, ich werde es brauchen." Und kaum hatte er von dem Alten die halbwegs gut gefüllte Geldbörse erhalten, da klopfte Ahala dem Sklaven seines Vaters noch einmal auf die Schulter und eilte, ohne sich noch einmal umzusehen, von dannen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es vermutlich sehr lange nicht mehr herkommen würde, falls er die nächsten Stunden, Tage oder gar Wochen überhaupt überlebte.

  • Etwas später bog ein anderer, weitaus weniger prominenter Mann in die Straße vor der Villa Tiberia ein. Trotz seiner recht großen und muskulösen Statur ging er eher langsam, was augenscheinlich daran lag, dass er einen gefüllten Sack auf der Schulter trug. Sein Blick war allerdings geradeaus gerichtet und so versuchte er schon von weitem zu erkennen, ob sich vor der Villa Tiberia besondere Dinge taten oder ob dort alles ruhig und friedlich war.

  • Von weitem war aber nicht allzu viel genaues zu erkennen, so dass der Mann näher heran kam. Er war der Gärtner der Casa Purgitia und hatte von seinem Herrn den Auftrag bekommen, unauffällig herauszufinden, warum Tiberius Durus nicht zur heutigen Sitzung erschienen war. Wobei die Betonung mehr als eindringlich auf 'unauffällig' gelegen hatte, da sein Herr ofennbar Schlimmstes befürchtete. Der Gärtner hatte sich nicht viel dabei denken können, aber als er näher kam, verstand er dann doch ganz gut, was sein Herr gemeint hatte. Mehrere Männer befanden sich auf der Straße vor der Casa und einige von ihnen waren offenbar verletzt. Und bei einigen dieser Männer handelte es sich offenbar um Soldaten. Damit hatte der Gärtner genug gesehen, um nicht weiter nachfragen zu müssen. Langsam ging er weiter und blieb dann stehen, als würden ihn die Männer irritieren, bevor er seinen Weg fortsetzte.

  • Niemand hielt ihn auf oder nahm überhaupt Notiz von ihm. Dem Gärtner macht das das Leben leicht und er ging weiter die Straße entlang, ohne sich noch einmal umzuschauen. In einiger Entfernung bog er schließlich wieder um eine Ecke und beschleunigte dann langsam seine Schritte, um zügig aber ohne verdächtige Eile zurück zur Casa Purgitia zu gelangen. Er dachte sich, dass das, was er gesehen hatte, seinem Herrn und seiner Herrin kaum gefallen würde.

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