[Taberna Bubulci] Warteschleife

  • Die Taberna Bubulci besaß eigentlich nichts, womit sie gegen ihre direkte Konkurrentin, die nur ein paar Ecken weiter gelegene Taberna Metelli, hätte punkten können. Sie war kleiner, dunkler, weniger sauber und auch Bubulcus, der grobschlächtige Wirt, besaß nur wenig einnehmenden Charme. Und doch hatte ein junger sizilianischer Weinhändler namens Galeo Volteius, den manch einer im fernen Rom auch bereits als Aulus Tiberius Ahala Tiberianus kennengelernt hatte, diese Lokalität als seinen Stützpunkt auserkoren, denn einen Vorteil besaß sie tatsächlich: hier wurde gewürfelt, und das nicht zu knapp.
    Nun war Ahala zwar in höchst wichtiger, ja nahezu zukunftsgestaltener Mission unterwegs, aber das bedeutete ja nicht zwangsläufig, dass er sich die Warterei nicht ein wenig angenehmer gestalten konnte. Denn das war es im Grunde, woraus seine persönliche Mission im väterlichen Plan bestand: abwarten und auf das entsprechende Signal hin sofort und so schnell wie möglich nach Rom zurückzukehren.
    Und so schwatzte er denn tagsüber als Galeo Volteius dem einen oder anderen wackeren Bewohner Misenums seinen aus Rom mitgebrachten "sizilischen" Wein auf und saß abends würfelnd in der Taberna Bubulci um auf seine kleine "Zusatzaufgabe" zu warten: Tamyris, Sklavin im kaiserlichen Haushalt und dritte Ornatrix der Augusta höchstselbst. Mit einem weiblichen Teil der kaiserlichen Dienerschaft in Kontakt zu treten und ihn idealerweise für sich einzunehmen, hatte sich als leichter herausgestellt, als Ahala ursprünglich vermutet hatte. Zum einen war Misenum nicht Rom und die Unterhaltungsmöglichkeiten auch für Sklaven reichlich begrenzt, und zum anderen brannte hinter Tamyirs' durchaus reizvollen Augen kein allzu helles Licht, sodass die junge Frau sehr schnell auf Ahalas routinierte Schmeicheleien hereingefallen war und seit einigen Tagen bereitwillig ihren Feierabend und auch einige andere Dinge mit ihm teilte. Zum stillen Bedauern des Tiberiers war Tamyirs eher motiviert als talentiert zu nennen, aber da es ja schließlich, wie sein Vater ihm immer wieder eingeprägt hatte, um das Wohl des mos maiorum und des großen Ganzen ging, rackerte sich der Iunior jede Nacht nach Kräften ab und mimte mit einiger Überzeugungskraft den überwältigten und feurigen Liebhaber.
    Mal schauen, wann sie ihn heute in der Taberna abholen kam, mit etwas Glück blieb noch genug Zeit für eine weitere Würfelrunde, bevor es an die Arbeit ging.

  • Nach langer Zeit schien er am heutigen Abend endlich mal wieder eine Glücksträhne zu haben. Wurf für Wurf gelang, die Würfel schienen in Ahalas Händen förmlich zu vibrieren und das Häuflein Münzen vor ihm auf dem Tisch wuchs langsam aber stetig an, offenbar sehr zum Verdruss von Ahalas Mitspieler, einem Tuchhändler aus Ancona, dessen Miene nicht gerade großmütiges Gönnen widerspiegelte. Der Tiberier hegte den Verdacht, dass sein Gegenüber im wirklichen Leben ausserhalb dieser Taberna ebensowenig mit Tuch zu tun hatte wie er selbst mit Wein, aber seine Laune war im Augenblick zu gut, um allzu lange darüber nachzusinnen. Schließlich hatte er einen richtig guten Lauf, und der von seinem Vater und dessen Freunden festgelegte "Stichtag" war schließlich erst morgen, also reichte es, wenn er sich nach dieser Nacht am Riemen riss und erhöhte Wachsamkeit an den Tag legte. Ahala schnalzte zufrieden und grinste den grimmig dreinblickenden Anconier fröhlich an. "Nana, Caudex, nun zieh mal nicht so eine Bittermiene, die nächste Runde kann schon wieder dir gehören!" Beschwingt griff er mit der einen Hand nach den Würfeln und der anderen nach seinem Weinbecher und setzte gerade zum nächsten Wurf an, als sich die Tür der Taberne öffnete und Tamyris hinein- und auf seinen Tisch zu stolperte. Ahala kam kaum noch dazu, sich über ihre verfrühte Ankunft zu ärgern, da hatte die junge Frau ihn bereits mit ungeahnten Kräften von seinem Hocker in die Höhe und dann aus der Taberna hinaus gezerrt, so dass er gerade noch mit Mühe und Not seinen bisherigen Spielgewinn mit beiden Händen zusammenraffen konnte.
    "He, hör mal, Süße, ich hab da drin noch...." setzte Ahala gerade an, da sah er, dass Tamyris' Gesicht tränenüberströmt war und vor offensichtlichem Entsetzen verzerrt war, und ihm schwante Übles, noch bevor sie das erste Wort hervorgestammelt hatte.
    "G..Galeo, es ist so schrecklich...die...die Augusta ist tot, und der Kaiser auch...ich muss sofort zurück, bevor jemand merkt, dass ich rausgelaufen bin, tut mir leid, ich....." ein lautes Schluchzen entfuhr ihrer Kehle, dann riss Tamyris sich los und verschwand dann in der Dunkelheit, einen wie vor den Kopf geschlagenen Tiberius an der Hauswand zurücklassend. Der Kaiser war tot? Aber wieso denn schon heute? Ein paar Sekunden starrrte Ahala noch vor sich hin, dann riss er sich wieder zusammen und beschloss, dass er sich über derartige Fragen auch auf seinem Ritt nach Rom ausführliche Gedanken machen konnte. Mit eiligen Schritten lief er um die Taberna herum zu dem kleinen Stall, in dem er sein Pferd während seines Aufenthaltes in Misenum untergestellt hatte, nur um, kaum dass er mit dem Satteln fertig geworden war, festzustellen, dass er dort nicht länger allein war. "He, Volteius, wo willst du denn auf einmal so eilig hin?" ertönte es plötzlich vom Eingang her, in dessen Rahmen nun ein sehr entspannt wirkender Tuchhändler aus Ancona lehnte. "Du hast doch wohl nicht etwa vor, mich um meine wohlverdiente Revanche zu bringen, oder?" Ahala unterdrückte ein Stöhnen und bemühte sich um einen möglichst unbeschwerten Tonfall, der mit seiner angespannten Stimmung herzlich wenig zu tun hatte. "Hör mal ,Caudex, alter Junge, wir holen das später nach, ja? Ich muss nur fix was erledigen, dann können wir weiterspielen." "Was erledigen, soso...ehrlich gesagt glaub ich nicht, dass ich Lust habe, so lange auf dich zu warten, ich trau dir nämlich nicht, Volteius." Caudex löste sich vom Türrahmen und kam langsam und bedächtig auf Ahala zu, der sein Pferd inzwischen am Zügel gepackt hatte und sich nun seinerseits auf den Ausgang zubewegte, sein Gegenüber dabei nicht aus den Augen lassend. "Nun hab dich mal nicht so, Caudex. Ich hab jetzt wirklich keine Zeit, meinethalben nimm dir einen Teil vom Gewinn zurück und lass es damit gut sein." "Du willst mir Geld zurückgeben? Ich glaube fast, du hast mich beschissen, Volteius, und willst dich jetzt aus der Affaire ziehen. Kann das vielleicht sein?" Sein ehemaliger Spielkumpan war jetzt so nah, dass Ahala dessen Weinfahne riechen konnte. Aus rein physischer Sicht schien er dem durch mancherlei Kneipenschlägerei erfahrenen Tiberier keine allzu große Bedrohung zu sein, doch kaum war er zu dem Entschluss gekommen, es auf einen Kampf ankommen zu lassen, da löste sich aus dem Dunkel hinter ihm eine weitere Gestalt und versetzte ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, der Ahala erst Sterne und dann das Stroh des Stallbodens von sehr nah sehen ließ, bevor schließlich alles in Dunkelheit versank. Alles in allem vielleicht doch kein ganz so guter Lauf, wenn man es recht betrachtete.

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