Arbeitszimmer | Sank auf die Lider mir Nacht - die Sonne lacht mir nun neu

  • Der Tag hätte trister nicht sein können - Kälte hielt die Hauptstadt in ihrem eisigem Griffe, am Himmel gedeckelt durch nebliges Weiß mit einer Ahnung von Grau, zudem hatte die heutige Sitzung des Senates endlos sich dahingestreckt - Gracchus hatte nicht einmal die Hälfte von dem registriert, was gesprochen worden war, und gegenteilig zu früher konnte er dies nicht einmal mehr bedauern. Er war müde, erschöpft und hing, auf einer Kline unter dem Fenster seines Arbeitszimmers liegend, seinen Gedanken hernach, ließ die blassen Fetzen durch die Unendlichkeit der Leere treiben, dem leisen Kratzen und Rascheln lauschend, welches Sciurus versunken in der Arbeit an diversen Briefen verursachte, und brummte nur ab und an zustimmend oder ablehnen, so der Sklave leise ihm eine Frage stellte. Auch das zaghafte Klopfen an der Türe reihte nahtlos sich ein in diese klandestine Symphonie, die Schritte Sciurus', welcher öffnete, und das Flüstern des Jungen, welcher von Acanthus gesandt worden war. Erst die Stimme seines Vilicus' fiel aus diesem Rahmen, als jener sprach: "Herr, ein Centurio der Cohortes Urbanae ist hier, um mit dir über eine ehemalige Angestellte zu sprechen." Unwillig brummte Gracchus, der seine Augen geschlossen hielt.
    "Sprich du mit ihm."
    Ein wenig leiser fügte Sciurus hinzu: "Es ist Decimus Serapio, Herr. Hephaistion." Augenblicklich fiel jede Trägheit von Gracchus ab, sein Leib spannte sich an und seine Lider sprangen auf, als wären Fäden daran befestigt, die abrupt ein Puppenspieler gezogen hatte.
    "Hephaistion?!"
    Ungläubigkeit schwemmte durch seine Sinne, hatte er kaum doch zu Hoffen gewagt, den Meditrinaliengeliebten überhaupt wiederzusehen, doch in seinem Zuhause ihm zu begegnen war beinahe eine Umöglichkeit - wie auch in jener Hinsicht, dass beständig irgendwelche Sklaven hier herumstanden, welche nicht zu Gracchus' persönlichem Haushalt gehörten, sondern zu jenen seiner Verwandten.
    "Ein Centurio der Co..hortes Urbanae, sagst du?"
    , suchte er halbwegs beiläufig zu klingen, dass dies auch der Bote vor der Türe musste derart auffassen.
    "Es ist wohl besser, ihn hier zu empfangen."
    Mit einem Nicken sandte Sciurus den Jungen fort, dass er den Gast herbeiführen solle, schloss sodann die Türe, während Gracchus bereits von der Kline sich stemmte und an sich hinab blickte. Er trug eine blaufarbene, leicht in Mauve chanchierende Tunika mit dunkler, graufarbener Musterung, kein überaus kostbares Stück, gleichsam doch ebenso wenig fade, besaß Gracchus doch kein Kleidungsstück, welches nicht den hohen Ansprüchen seiner selbst hätte genügt. Fahrig strich er durch sein Haar, alsdann über die Strine, Augen und Wangen, die Müdigkeit aus seinem Antlitz zu vertreiben.
    "Du wartest vor der Türe"
    , wies er Sciurus an, postierte sich sodann am Fenster, das Herz bereits bis zum Halse pochend ob seiner inneren Nervosität. Wenige Augenblicke nur verharrte er, während der Sklave vor die Türe trat, um sodann sich doch zu seinem massiven Schreibtisch zu begeben - würde alles andere nur den Anschein erwecken, er würde sich in Trägheit verlieren. Hektisch glitt sein Blick über die leere Fläche vor ihm, dass er zu den Schriftstücken hin trat, welche sein Vilicius hatte bearbeitet, um wahllos ein Pergament zu greifen, mit welchem er sich an dem Schreibtisch nieder ließ. Augenscheinlich war es eine Einladung der Priesterschaft aus Arretium an die Mitglieder des Collegium Pontificium zur Zelebrierung der Quinquatrus im kommenden Martius, da jedoch der Text bereits nach wenigen Worten in Gracchus' Geiste keinen Sinn mehr ergab, seufzte er nur resigniert, legte das Schriftstück vor sich ab und blickte halbwegs aufmerksam darauf - ohnehin gab es nichts, was in diesen quälenden Augenblicken des Wartens seine Gedanken von Hepahistion hätte ablenken können, von der vexierenden Frage, ob Hephaistion - Centurio der Cohortes Urbanae tatsächlich auf seinen Brief hin war gekommen oder allfällig gar nur seiner - in diesem Falle ihm unbezweifelt überaus unangenehmen - Pflicht musste nachkommen?

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    Der Prunk dieser Villa schüchterte mich ein. Es war unübersehbar, über was für einen verschwenderischen Luxus diese Patrizier doch verfügten. Mit jedem Schritt, der mich näher an jenes Arbeitszimmer heranführte, kam ich mir zunehmend fehl am Platz vor, ausserdem schoß mir mit einem Mal der Gedanke durch den Kopf, dass es Aton vielleicht gar nicht recht war, wenn ich hier einfach so erschien. Hatte er doch geschrieben "sende dein Wort" und nicht "stürme meine Villa".
    Bestimmt hatte er Familie. So als Senator, da war das anzunehmen. Und ich tappte hier einfach blindlings hinein in seine Kreise... Als ich vor einer Türe anlangte, an der ein sehr hellblonder Mann Aufstellung bezogen hatte, war ich beinahe an dem Punkt, wo ich mir wünschte, hinter dieser Türe möge sich der falsche Senator Flavius befinden! Dem würde ich dann ein paar Fragen stellen und mich schnell wieder aus dem Staub machen.


    Der Junge klopfte und öffnete mir die Türe... und - ach! - meine Zweifel begannen rasant zu schmelzen, in dem blendenden Schein der Sonne Ägyptens. Er war es! Natürlich wesentlich weniger exotisch gekleidet, und ohne die aparten Acessoires eines Sonnengottes... nein, hinter diesem gewichtigen Schreibtisch sitzend, ein Schriftstück vor sich, umringt von den Insignien der Aristokratie, in diesem dezenten Gewand und von nobler Blässe... da schien es beinahe unmöglich, dass dieser respektable Senator und der zügellose Aton ein und der selbe waren. Aber er war es, und obgleich ich meine Miene streng zu beherrschen versuchte – denn ich wusste nicht, ob die Sklaven mich noch beobachteten – begannen meine Augen hellauf zu strahlen. Er sah so gut aus!
    Und wenn er makedonische Eroberer mochte, dann würde er mir den Überfall bestimmt nachsehen.
    Forschen Schrittes trat ich ein. Doch da ich nicht wusste, ob es noch irgendwelche Zuhörer gab, und da ich natürlich kein Risiko eingehen wollte, ihn zu kompromitieren, begann ich ganz konventionell. Ich räusperte mich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
    "Salve Senator Flavius. Ich bin Centurio Decimus Serapio von den Stadtkohorten. Ich danke dir, dass du mich gleich empfängst. Es geht um eine Frau, die früher in dieser Villa als Scriba gearbeitet hat, und vor kurzem leider einem Verbrechen zum Opfer fiel.. Ich möchte dir einige Fragen stellen, um, wenn möglich, etwas Licht in das Dunkel ihrer Vergangenheit zu bringen."
    Passend zur Sonne. Ich machte eine kurze Pause, während der ich den Blick senkte. Dann tat ich einen Schritt auf Aton zu, blickte ihm direkt ins Gesicht. Mein Atem ging schneller, meine Nasenflügel erbebten, bei dem Gedanken, was wir hier so alles miteinander anstellen könnten.
    "Unter vier Augen."

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  • Endlos schienen die Tropfen der Zeit sich dahin zu ziehen, die Schrift auf dem Pergament verschwamm vor Gracchus' Augen, wand sich zu schlängelnden Ungeheuern, die nach seinem Verstande trachteten, ihn einen Narren schalten ob seiner törichten, jungenhaften Hoffnung wegen, ehedem das zaghafte Klopfen von der Türe her jeglichen Trug aus dem Raume verbannte. Instinktiv straffte sich sein Leib, das stets geforderte Abbild des beherrschten Patriziers voller Gravitas und Würde abzugeben, und als Hephaistion im Raume erschien, erstarrte dies Abbild gänzlich, dass beinahe es schien als hätte ein schelmischer Faun dort hinter dem Schreibtisch einen Menschen aus Stein gemeißelt, ihm das Antlitz der Lebendigkeit verliehen, jeden zu narren, der den Raum betrat. Unfähig auch nur zu geringster äußersten Regung verharrte Gracchus, während in seinem Innersten die Welt auseinander barst, während er zerriss zwischen dem was er äußerlich schien und dem was er innerlich begehrte, nach was er stets strebte und nach was er immerzu sich sehnte, zwischen dem was er war und dem was er war - denn so dissimilär auch jene Welten in ihm sich zeigten, so konnte er doch nie das eine ohne das andere sein. Obgleich die Rüstung der Cohortes Urbanae nicht gar so martialisch wirkte wie der mit purpurgrundigen Ornamenten versehene Linothorax, welchen Hephaistion während der Meditrinalia - zumindest anfänglich - hatte getragen, so betonte dies den unter Spannung stehenden Körper doch nicht minder vorteilhaft, wiewohl die gesamte ernsthaft, forsche Erscheinung ihm überaus zum Vorteile gereichte. Nur seine Worte mochten nicht passen zu dem Bilde des makedonischen Heroen, zu den funkelnden, blauen Augen, in welchen Gracchus in diesem Augenblicke noch sich wollte verlieren - Senator Flavius drang ihm über die Lippen statt des sonnigen Aton, Centurio Decimus Serapio statt des hehren Hephaistion. Während Decimus sein offizielles Begehr vortrug, schloss hinter ihm Sciurus die Türe, verschlang Gracchus jeden Laut.
    "Salve, ... Centurio ... Decimus Serapio!"
    überwand Gracchus schlussendlich sein Zaudern, kam den Pflichten der Gastfreundschaft nach eine Begrüßung nach, obschon Titulierung und Name, als würden sie hölzernen Balken gleich quer in seinem Munde stecken, sich dagegen wehrten, ausgesprochen zu werden, machte dies doch den Mann ihm gegenüber so unerreichbar fremd.
    "Unter vier Augen"
    , wiederholte er und deutete auf einen der Stühle ihm gegenüber des Tisches, da sie bereits allein im Raume waren.
    "Bitte, nimm Platz, so du dies mö'htest"
    , suchte er ganz konventionell ein Gespräch mit dem Urbaner zu beginnen, verlor doch bereits im Anschluss diese Intention aus den Augen.
    "Ich werde gerne Licht bringen, der Sonne gleich, der ägyp..tischen Sonne, ... die ..."
    Er bemerkte, wie jegliche Kontrolle über seinen Verstand ihm entglitt, wie jeder Partikel seiner selbst die seit Jahrzehnten geschulte Contenance verlor, wie aller Stolz, alle Ehre und Gravitas aus ihm wichen, und zurück nur die einfältige Leere eines liebestrunkenen Narren blieb - und dies einzig nur aufgrund einer Nacht im Rausch des Weines und allfällig noch einiger anderer Drogen. Und doch - jede Faser in ihm erinnerte sich allzu deutlich an diese Meditrinalia - nicht den Rausch, nicht den Taumel, sondern an das ephemere Hochgefühl in Anwesenheit, in Nähe Hephaistions, die stille Zufriedenheit, die seelische Gelassenheit, das körperliche Prickeln und den geistigen Hochgenuss, all jenes, nach was tagtäglich in seiner Gänze er sich inwndig verzehrte, all jenes, was tagtäglich ihm so fern war, all jenes, was bisherig nur in Caius er hatte gefunden, der doch so unendlich weit fort war - seit unendlich langer Zeit, wie es Gracchus schien - nicht nur räumlich, sondern gleichermaßen im Geiste. Hephaistion indes war hier, schon ohne eine Berührung konnte Gracchus seine Präsenz spüren, warmem Wasser gleich in welchem der Leib schwerelos schwebte, einem seichten Fluss, auf welchem die Seele dahintrieb, umschmeichelnden, liebkosenden Wogen, welche der Geist in vollkommener Klarheit durchschwamm, welche allen Schwermut, alle Düsternis aus dem Gemüte hinfortwuschen, den Menschen in all seinem Glanze zurück ließen - ihn. Es war gänzlich irrational, er kannte wenn überhaupt nur Hephaistion, wusste nichts von dem vor ihm stehenden Centurio Decimus, und doch verblieb in ihm die Hoffnung, dass wie auch in ihm ein Schimmer Atons zu finden war, in diesem Decimus Hephaistion steckte, und sie beide nur würden derart wieder in dies Hochgefühl eintauchen müssen, den anderen in sich, in ihrem Gegenüber zu locken.
    "Hephaistion"
    , seufzte er, und ein klandestines Lächeln stahl sich um seine Lippen.
    "Ist es dies, weshalb du gekommen bist?"
    Noch immer zog sich das bange Warten dahin, noch immer konnte das äußere Abbild verleugnen, was in ihm war, konnte sich flüchten in die dichten, undurchdringlichen Gefilde des Olympos, welche auch Gracchus schweren Herzens würde respektieren, doch nur, so Decimus Hephaistion hatte gänzlich vergessen.

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  • Er wirkte kühl. Wie eine Statue so unbewegt. Und dabei so würdevoll, so... unantastbar, dass mir mein Erscheinen auf einmal wieder wie die ärgste Dreistigkeit erschien. Der Schwung, dessen Woge mich hineingetragen hatte, brach sich an der ehernen Gravitas dieses patrizischen Senators (und Pontifex!), flutete zurück, und versickerte sang- und klanglos in dem glänzenden Mamorboden, auf dem meine Caligae standen. Ich war halt in Wirklichkeit kein kühner makedonischer Feldherr, ich war ein schwärmerischer Römer, der diesen Mann absolut umwerfend fand und zauderte weil er es nicht in den Sand setzen wollte.
    Hinter mir schloss sich die Türe, doch obgleich wir nun unter uns waren, verharrte er noch immer in würdevoller Förmlichkeit. Warum? Es fiel mir schwer, das was ich sah, und das woran ich mich erinnerte, in Einklang zu bringen. Unschlüssig sah ich auf den angebotenen Stuhl. Da Platz zu nehmen, würde den großen massiven Schreibtisch, der sich zwischen uns aufbaute wie... das Taurusgebirge, noch viel unüberwindlicher machen.


    Doch dann, wie ein einzelner Sonnenstrahl, der die schroffen Gipfel vergoldet, zeigte er sein Aton-Gesicht. Mein Herz machte einen kleinen Sprung, und als wäre ich sein Spiegel, begann auch ich verstohlen zu lächeln. Ohne die Augen von ihm zu wenden, schüttelte ich sacht den Kopf. Die Nachforschungen waren nur ein Vorwand.
    Mir war, als würde sich der Sonnenschimmer verflüchtigen, sobald ich wegsah, darum wandte ich auch weiterhin kein Auge von ihm, als meine Finger den Kinnriemen meines Helmes lösten, ihn abnahmen und auf den Stuhl nieder legten, den er mir angeboten hatte. Ich strich mir durch die Haare, und, wiederum ohne die Augen von ihm abzuwenden, umrundete ich den Tisch, Schritt für Schritt, wobei mein Lächeln an Mut gewann, und schalkhafter wurde.
    "Ich bin wegen dir hier." sagte ich ein wenig kokett. "Du hast mir Anlass gegeben zu glauben, dass meine Gesellschaft dir nicht ganz unwillkommen wäre, und da dachte ich mir, ich schau mal vorbei."


    Jetzt stand ich direkt vor ihm, ganz nah. Alles in mir zog mich zu ihm... Es war so aufregend! Und wie in den Momenten der Gefahr, wie vor kurzem beim Rattenbeissen, schien es mir, dass meine Sinne auf einmal schärfer waren, dass ich mehr wahrnehmen konnte, und zugleich weniger... alles um Aton herum war ein bedeutungsloses Rauschen im Hintergrund, aber - ach! - die mannigfaltigen, die wundervollen Schattierungen seiner Iris, und der vollkommene Schwung, in dem der Bogen seiner Lippen sich wölbte, und der, in einem Antlitz das von edler Größe und von nobler Selbstdisziplin sprach, einen wundervollen, sinnlichen Kontrapunkt setzte! Und es gab keinen Grund zu widerstehen, keinen Grund mich nicht in dieses Abenteuer zu stürzen.
    Ich beugte mich zu dem Sitzenden herab, erst nur seine Wange mit den Fingerspitzen streifend, andächtig... und dann versäumte ich keine Zeit mehr. Mit beiden Händen umfasste ich seinen Kopf, die Hände auf seinen Wangen, und feurig, mit bebenden Lippen, brach es aus mir heraus:
    "Oh Aton! Ich will mit dir den Horizont verrücken!!"
    Worauf ich meine Lippen ungestüm auf die seinen presste, und sie mit einem hitzigen Kuss versiegelte. Ach, herrlich, ich wollte gar nicht mehr aufhören, so schwang mich einfach auf die Knie des Begehrten und fuhr fort ihn leidenschaftlich zu küssen! Er war wie Opium... ich wollte meine Lippen nie wieder von ihm lösen. Begeistert machte meine Zunge sich daran, die seine zu suchen, zu necken und hervorzulocken, während meine Hände fest über seine Schultern strichen, dann tiefer, und zielstrebig den Stoff der eleganten aber sehr störenden Tunika beiseite zerrten.

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  • Auch Gracchus konnte das gewaltige Taurusgebirge verspüren, nicht jedoch zwischen ihnen, sondern als Ungewissheit auf ihm lastend, und als nun endlich Serapio aussprach, was er so sehr hatte ersehnt, fiel dies gewaltig steinerne Ungetüm von seinem Herzen, zerbarst in abertausende winzige Splitter, welche in abertausendfacher Spiegelung Hephaistions Glast reflektierten, ihn erstrahlen ließen einer epiphanen Erscheinung gleich. Als die Berührung folgte, der jählings geäußerte Kuss, folgten Gracchus' Sinne hernach, zerbarsten in somnabulem Taumel, gierten danach, dem karessierenden Konnex sich hinzugeben, während indes sein Geist wie stets in Zögern und Zaudern zurück verharrte, beharrlich Ressentiments aller Arten ihm flüsternd. Ohne den lösenden Rausch des Weines, die ekstatische Verzückung der Aphrodisiaka konnte er nicht unbeschwert den vorpreschenden Forderungen Hephaistions nachgeben, konnte dem Kuss, den Berührungen, dem unverhofften Glück auf seinem Schoße nicht gänzlich sich hingeben, selbst nicht in der Sekurität dieser Zweisamkeit, die erst dann würde ein Ende finden, so sie beide es bestimmten, oder aber mit Gewalt jemand würde Einlass fordern - über Sciurus' Leiche hinweg. Während sein Leib sich begehrend dem Geliebten entgegen reckte, während sein Gemüt wollte ertrinken in dem wonnigen Meer Hephaistions Übermut, er initial überrumpelt des Centurios Eroberungszug über sich ergehen ließ, irrte der störrische Geist aufgebracht umher, in Nervosität und Sorge ob Lauterkeit und Anstand, ob Reputation und Loyalität - und Gracchus wäre nicht er selbst, würde nicht letztlich sein Geist sich hinwegsetzen über alles, was sonstig in ihm war, dass schlussendlich schwerlich seine Zunge er von jener des forschen Geliebten löste, seinen Kopf zurück nahm.
    "Hephaistion!"
    keuchte er, griff innerlich zerrissen nach dessen Hände.
    "Warte ... nicht … ich ..."
    Weder als er ansetze zu sprechen, war gänzlich ihm in Sinnen, was zu sagen war, noch während die Worte schwer ihm über die Lippen perlten, so dass der ohnehin nicht vorhandene Satz kein Ende fand.
    "Hephaistion ..."
    , wiederholte er sanft, den linken Mundwinkel empor gehoben, in sich selbst entzweit im Angesichte desjenigen, welcher nur sein Innerstes erwartete, welcher der Hülle, der Fassade keine Acht schenkte, keinen einzigen, verschwendeten Gedanken. Stets sehnte Gracchus sich nach diesem Widerpart, welcher indifferent über diese Fassade hinweg sah, vor welchem dieses sein Innerstes nicht musste verborgen, nicht verleugnet werden - und doch war er gleichsam unfähig, dies zu tun, so die Möglichkeit sich darbot. Ein wenig verzweifelt suchte sein Blick den Serapios, während seine Hände noch immer dessen lange, sanfte Finger umfasst hielten.
    "Ich neide dir wahrhaft diese Lei'htigkeit, von einem Augenblicke zum anderen vergessen zu können, wer du bist, allfällig auch beides zugleich zu sein, und obzwar jeder Partikel, jeder Korpuskel meiner Selbst, wiewohl jede Faser meines Leibes danach tra'htet, diese Reminiszenz an das Meditrinalienfest zu erneuern, die hitzige Lohe in meinem Innersten aus ihrem Gewahrsam zu entlassen, dass in gleißendem Feuer sie uns umfasst, das fun..kelnde Glühen uns umhüllt gleich einem schillernden Kokon aus feuriger Leidenschaft, so kann ich … ich kann nicht derart rasant dem entkommen, was mein Leben bestimmt, ich bin nicht gewohnt, mich derart lei'htfertig fallen zu lassen."
    Langsam löste er seine Linke und hob sie empor, Hephaistions' Wange zu berühren, empor zu streichen bis über dessen Braue, welche das schimmernd blaufarbene Auge rahmte, einer sanften Böschung um die endlose Tiefe eines pittoresken Sees gleich.
    "Darob zügle ein wenig deinen heroischen Drang und ge..währe mir ein wenig mehr Zeit."
    Noch während er dies sprach, wurde Gracchus sich dessen gewahr, dass Centurio Decimus allfällig nicht viel Zeit hatte, dass er im Dienst für das Imperium stand, womöglich seine Kameraden vor der Villa warteten, oder aber weitere Aufträge. Ein Centurio - er hatte nicht gewusst, welcher Tätigkeit Hephaistion des Tages nachging, gleichwohl schien dies Gracchus die Liaison ein wenig zu verkomplizieren.
    "Wie lange darf ein solches Gesprä'h währen, ehedem man eine Kohorte zu deiner Rettung aussenden wird?"
    Der Gedanke, eine Abordnung der Urbaner würde die Villa Flavia stürmen, um den Centurio aus Gracchus' Armen zu erretten, amüsierte diesen ein wenig, wiewohl zugleich ein leichter Anflug von Unwohlsein ob dessen durch seine Sinne sich zog.

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  • Das war ein Hin und Her! Enttäuscht blickte ich hinab auf meine Hände, die, von den seinen umschlossen, erst mal ausser Gefecht gesetzt waren, dann auf seine Lippen, die feucht vom Küssen glänzten, die verlockend nahe waren, die mir trotzdem verweigert wurden. So schön, so unvergleichlich kunstvoll seine elegante Art die Worte zu setzen auch war... ich fand in dem Moment schlicht, dass er viel zu viel redete. Bei Eros und Anteros, wenn er mich nicht wollte, warum hatte er mir dann den Brief geschrieben?!Seine Worte auf dem Papyrus waren kühn und unbedingt gewesen, sein Zaudern jetzt verstimmte mich. Gekränkt presste ich die Lippen aufeinander, ein weiteres Mal in meinem Überschwang gezügelt. Was mir jetzt auch auffiel – die seltsame Weise, in der er manche Worte aussprach, 'lei'htfertig' zum Beispiel, ich hatte das für eine Eigenart der Rolle, die er auf den Meditrinalia gespielt hatte, gehalten. Aber es war eine Eigenart seiner selbst.... ich fand das süß. Wie ich ihn überhaupt ganz furios fand. Und er fand mich offenbar leichtfertig.
    Mit gemischten Gefühlen schmiegte ich meine Wange in seine Hand, erwiderte seinen Blick ziemlich zwiespältig.
    "Aber mich dürstet so sehr nach deinen Lippen!" protestierte ich halb scherzhaft, seufzte dann leidend, um das zu unterstreichen. Ich verstand nicht, mehr Zeit... wollte er sich erst mal unterhalten? Wir kannten uns doch gar nicht, kamen aus völlig verschiedenen Welten. Ach, ich hatte ganz anderes im Kopf als hier gepflegt Konversation zu betreiben.


    Doch ich zuckte die Schultern. Sollte ja nicht so aussehen als ob ich das hier zu ernst nähme.
    "Wie du willst." sagte ich leichthin, hauchte einen flüchtigen Kuss auf die Innenseite seines Handgelenkes, und erhob mich von seinen Knien. Ich ging ein paar Schritt durch sein Zimmer, betrachtete mir die Einrichtung und was er so an Schriftrollen in seinen Regalen liegen hatte. Wieviel Zeit? Ich schmunzelte über die Vorstellung, wie eine ganze Kohorte nach mir ausgeschickt wurde – und dachte schwärmerisch, dass er zu allem anderen auch noch Humor hatte... - und musterte den schönen Senator kurz forschend. Was zum Tartaros wollte er denn eigentlich? Das hätte ich gerne gewusst.
    "Meine Männer sind es gewohnt, dass ich bei Ermittlungen lange unterwegs bin. Wir haben also jede Menge Zeit....."
    Ob es an der Villa lag, dass er so befangen war? Die Nähe der Familie, die Gefahr entdeckt zu werden... ja, das musste es sein. Ich wollte ihm zeigen, dass ich nicht vorhatte seine Kreise zu stören, dass ich respektierte was er sich ausbat, deshalb schlug ich widerwillig vor:
    "Wenn es dir hier zu riskant ist können wir uns natürlich auch woanders treffen, an einem anderen Tag."
    Nichts wäre mir unlieber, als jetzt wieder zu gehen. Ich wandte mich vom Regal ab und umfing Aton... den wunderbaren Aton in der Maske dieses Senators, mit einem glühenden Blick.

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  • Sukzessive schien der Staub des zerbröselten Gebirges sich zu schichten, zwischen ihnen erst eine hauchdünne Grenzlinie zu bilden, alsbald einen kleinen Wall, welcher sie voneinander differierte, welcher Hephaistion hinfort trieb von ihm, nicht nur physisch, sondern auch emotional. Hätte Gracchus selbst gewusst, was er wollte, allfällig hätte er es ausgesprochen, hätte Serapio Klarheit verschafft, doch tatsächlicherweise hatte er in diesem Augenblicke nicht den geringsten Schimmer einer Ahnung, wie dies Beisammensein ihrem ersten Akte sollte nachfolgen. Tief sog er die warme Luft des Raumes durch seine Nase ein - alles hier schien ihm so seltsam vertraut, beginnend mit dem latenten Odeur nach lignum santalinum, mit dessen Rauch der Raum ab und an wurde durchzogen, über den Einfall des Lichtes durch das Fenster hindurch, welches zu dieser Tageszeit das Regalfach mit Ciceros de natura deorum mit hellem Schimmer umrahmte, über die klassisch-stilvollen Möbelstücke, die wenigen, kostbaren Zierstücke, bis hin zu dem abstrakten Charakter des Centurio Serapio - einer von vielen, welche er in diesem Raume hatte empfangen oder noch würde empfangen. Einzig Hephaistion, dessen Blick Gracchus in ein Meer aus güldenem Honig tauchte, dessen Anblick ihn schwelgen ließ in einem tiefen See aus Verzückung, mochte nicht sich einfügen in diese perfekte Komposition, wiewohl auch Aton, welcher gänzlich fremd war in diesen Gefilden - zu groß und zu klein, zu früh und zu spät, zu unbedeutend und zu wichtig, zu richtig und zu falsch - schlichtweg gänzlich inadäquat, denn in keinem anderen Raume auf der Welt war mehr Flavius Gracchus als in diesem.
    "Mö'htest du ein Glas Wein?"
    Ohne Serapio aus seinem Blick zu entlassen, erhob sich Gracchus, trat an den kleinen dreibeinigen Holztisch, welcher unter dem Fenster stand, um dort aus einer gläsernen Kanne Wein einzuschenken in ein grünfarben schimmerndes, becherförmiges Glas. Es war keiner der exquisiten Tropfen aus Felix' Beständen, welche für besondere Gäste waren reserviert, indes auch kein billiger Fusel für ungebetene Gäste, sondern einer der hochwertigen, ausgesuchten Weine zur Gaumenfreude der Hausherren. Gracchus füllte das Gefäß zur Hälfte, überließ Serapio, es mit Wasser oder noch mehr Wein aufzufüllen, ehedem er sein eigenes Glas zu drei Vierteln mit Wein füllte, sodann anhob.
    "Auf Heroen und Götter!"
    Obzwar er suchte, ihn mit einem schmissigen Konterfei zu garnieren, hallte der Trinkspruch merkwürdig deplatziert in seinen Ohren wider, dass Gracchus schlussendlich resignierend den Kopf schüttelte, das Glas wieder abstellte, ohne auch nur einen einzigen Schluck daraus getrunken zu haben, seinen Blick indes zu dem Gefäß und der darin dunkel schimmernden, rotfarbenen Flüssigkeit hin senkte.
    "In der Philosophie gibt es viele divergente Theorien darüber, wie die Sonne exakt beschaffen ist"
    , begann er, als wäre dies tatsächlich nur ein belangloses Gespräch zwischen zwei zufälligen Bekannten.
    "Eine dieser Theorien besagt, die lodernde Scheibe, welche des Tages die Himmelsphäre ziert, ist nur der Anblick der Öffnung eines Ton..kruges, welcher gefüllt ist mit flüssigem Feuer. Eines fernen Tages wird dieser Krug bersten vor Hitze, und die glühende Essenz wird über das Angesi'ht der Welt sich verteilen, sie verschlingen in einem gewaltigen Flammeninferno."
    Er hob den Blick wieder und sah in die blaufarben leuchtenden Augen Serapios.
    "Die tönerne Haut um das flüssige Feuer in meinem Inneren ist bereits zum Bersten angespannt, die Flammen lohen unersättli'h nach dem makedonischen Lande, und doch liegt eine diaphane Membran darum, welche das Gefäß fest zusammen hält, so dass es nicht zersplittern kann. Nicht hier."
    Mit einer indifferenten Geste aus dem Handgelenk heraus umfasste Gracchus den Raum, wiewohl das gesamte Anwesen.
    "Nicht, weil es zu gefahrenträ'htig wäre - außerhalb dieser Mauer ist dies weitaus gewagter -, doch … in diesem Raume ist mein Schatten zu groß, als dass ich könnte darüber springen, wiewohl in diesem Raume keine göttliche Sonne verweilt, welche diesen Schatten könnte in ihrem herrli'hen Glanze verschlingen."
    Allfällig würde Serapio dies nicht nachvollziehen können, schien er doch Hephaistion weitaus näher, was womöglich ein Aspekt ihrer unterschiedlichen Stände, ihrer differenten Positionen war, doch für Gracchus gab es in diesem Raum keinen Platz für eine klandestine Liaison. Würde seine Gemahlin sich erdreisten, in dieses, sein Reich einzudringen, die eheliche Pflicht zu fordern - ohne Zögern hätte er zu solcherlei sich können durchringen - abgesehen von seiner natürlichen Abneigung dem weiblichen Körper als solchen gegenüber -, wiewohl er jeden Sklaven seines Begehrs hätte in diesem Raume nehmen können - auf der Liege, über den Schreibtisch gebeugt oder an eines der Regale gepresst allfällig -, und auch mit seinem Vetter Caius wären jegliche Bedenken hinfällig, gehörte dieser doch wie sonst kaum ein Mensch zu Flavius Gracchus, und Flavius Gracchus in diesen Raum; Hephaistion hinwieder war Aton zugehörig, und die göttliche Sonne Ägyptens war diesem Raume, diesem gesamten Anwesen so fern wie die Sonne der Nacht - in ihren Peripherien mochten sie einander approximieren, doch gemeinsam konnten sie niemals am Himmel stehen. Ein Seufzen drängte sich Gracchus' Kehle empor, echappierte schlussendlich über seine Lippen.
    "Es tut mir leid, so ich differente Er..wartung in dir erweckte, ich hätte dies wohl erwähnen müssen in meiner Nachricht. "

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  • So eine wohlklingende Abfuhr hatte ich noch nie bekommen. Ich drehte mein unberührtes Glas in den Händen, und fühlte ganz deutlich, wie all die Leichtigkeit - das spielerische und unbekümmerte, das mich auf dem Weg hierher beflügelt hatte - aus mir entwich und sich wie Rauch im Wind verflüchtigte.
    Die Stimme so ernst. Die Miene so beherrscht. Das Seufzen so schwer. Die Haltung so förmlich. Aton wollte wirklich nicht, dass ich hier war. Ich störte einfach nur. Sein ganzes Gebaren sprach so deutlich davon.... und die Worte von der Leidenschaft, der verborgen lohenden, sie klangen schön, aber sie blieben Worte ohne Tat, reine Theorie. So sehr konnte man sich doch nicht verstellen! So verleugnen! Nicht mal die kleinste Geste, die bescheidenste Annäherung untermalte diese angebliche Leidenschaft, und darum konnte ich nicht an sie glauben und fühlte mich einfach nur zurückgewiesen.
    Ich kam mir so blöd vor! Wie in aller Welt war ich auf die Schnapsidee gekommen, einfach hier aufzukreuzen? Wie zum Hades hatte ich glauben können, dass aus einem Orgienamüsement vielleicht irgendwas weitergehendes erwachsen könne? Ich hätte es wirklich besser wissen müssen... denn Hannibal hatte ich ja auch auf einer Orgie kennengelernt... und bei ihm hatte ich auch fatalerweise einen galanten Brief für bare Münze genommen... und viel zu viel und alles auf einmal gewollt. Aber warum, warum nur machte ich dieselben Fehler immer, immer wieder, rannte blindlings los, warf mich jedem halbwegs interessanten gleich an den Hals, wollte ALLES oder NICHTS... ?!!


    Waidwund sah ich ihn an. Aton... Jetzt hielt er mich für 'leichtfertig', für einen billigen Amasiunculus, bestimmt dachte er, ich wäre nur für eine schnelle Nummer hierhergekommen. Aber, beim Schweife des Satyren, ich kannte es einfach nicht anders, als dass man bei solchen Treffen ohne viel Umschweife zur Sache kam.
    "Ich dachte...... - ", murmelte ich geknickt, mit belegter Stimme, mir würde, nach einer langen Nacht, die Sonne neu lachen, dachte, du könntest womöglich der eine, der ganz besondere irgendwo da draussen sein, an den ich eigentlich ja gar nicht glaube, aber von dem ich doch irgendwie hoffe dass es ihn gibt und... - was zum Henker denke ich hier eigentlich schon wieder für romantischen Scheiss...?! Mit wegwerfender Geste winkte ich ab.
    "- ...ach, egal."
    Ich verstummte. Stellte das Glas abrupt zurück auf den Tisch. Der Wein schwappte hoch, und ein leises Klirren durchdrang die drückend gediegene Atmospäre des Raumes. Mein iberischer Stolz erwachte, ließ mich die Schultern straffen, das Kinn recken. Verärgert blitzte ich ihn an, diesen kühlen Senator der mir einfach die kalte Schulter zeigte. Das konnte ich auch.


    "Oh nein," erwiderte ich zynisch, "mir tut es leid. Dein Brief war... wunderschön, doch ich habe ihn offenbar vollkommen falsch verstanden! Also bitte verzeih mein Eindringen in dein schattiges Gemach, Senator Flavius, wenn hier ewige Nacht herrscht, dann liegt es mir natürlich fern, dabei zu stören. Es wird nicht wieder vorkommen."
    Dazu ein sarkastisches Schnauben, und ich wandte mich ab, marschierte wieder auf die andere Seite des Tisches und ergriff meinen Helm, den ich zuvor dort deponiert hatte. Unwirsch zog zog ihn auf, aber ich war so aufgewühlt, meine Finger trotz der Wärme wie klamm, dass ich den Kinnriemen nicht in die Schnalle bekam. Diese Kleinigkeit irritierte mich gerade masslos. "Jolín..." fluchte ich leise, und ließ den Riemen lose hängen. Ein tiefer Atemzug hob und senkte meine Brust, ich machte eine halbe Wendung zur Türe und verharrte dann doch, vollkommen ambivalent, unschlüssig, hin- und hergerissen, bestürmt von widerstreitenden Impulsen. Eigentlich wollte ich davonstürmen, effektvoll abtreten und dabei hoffte ich doch sehr, dass er mich aufhielte... ich wollte diesen kaltherzigen Patriziersnob nie wieder sehen und hatte doch eine überwältigende, eine ganz schreckliche Sehnsucht danach, wieder in seine Arme zu sinken.

  • Immer gewaltiger türmte der Wall zwischen ihnen sich auf, dass Gracchus alsbald schien, der strahlende Heroe wäre gänzlich dahinter verborgen, unerreichbar für ihn, wiewohl es den Anschein bot, Decimus würde nun selbst Hand anlegen, Stein um Stein aufschichten, ihn nicht mehr blicken zu müssen. Langsam und zähflüssig, eines anderen, fernen Tempus entstammend, rann das Geschehen in Gracchus' Geiste, dass viel zu schnell, viel zu unbegreiflich ihm war, als der Rücken des Centurio sich vor ihm auftürmte, der Helm stolz auf seinem Haupte thronend, die Hand bereits im Anschlag, die Türe zu öffnen, den drögen Welten des Flavius Gracchus zu entkommen, für welche er selbst erst ihm hatte die Augen geöffnet. Kein gewichtiges Wort löste sich von des Heroen Lippen, kein Wort eines Wiedersehens, kein Wort des ungeduldigen Harrens, kein Wort von Relevanz, welches über die schreckliche Zeit der Dürre sie würde erretten, so dass Aton nur würde verloren zurück bleiben, treibend in der Dunkelheit seiner selbst, hier in der tiefsten Düsternis des Fremden in ihm, zerfallen zu einem bedeutungslosen Häuflein aus Staub. Flüchtig entsann Gracchus sich der griechischen Art, dass der ältere Liebhaber den Geliebten zu Beginn der Annäherung solle dürsten lassen, mehrmalig zurückweisen, dass die Sehnsucht des Jüngeren ins Unermessliche steige - doch obgleich Gracchus zweifelsohne der Ältere in dieser hauchdünnen, kaum vorhandenen Liaison war, so war er nicht gewillt auch nur einen winzigen Augenblick dieser kostbaren Zweisamkeit zu opfern, um der Kunst griechischer Verführung Rechnung zu tragen, denn so marginal er auch nur würde sein, es wäre ein verlorener Augenblick.
    "Hephaistion!"
    Er konnte nicht ihn gehen, ihn ziehen lassen ohne die Gewissheit, dass sie sich würden wiedersehen, denn einmal schon hatte er diese Gelegenheit verpasst, hatte zu lange in Sehnen verharrt. Mit wenigen Schritten war Gracchus nahe Serapio, hob die linke Hand, sie auf die breite Schulter zu legen.
    "Bitte ... ich ... es ..."
    Undurchdringliche Wirrnis füllte Gracchus' Geist, jeder Beginn eines Satzes war ein verlorener Gedanke, jedes verworrene Begehren das Ende verständlicher Artikulation, so dass ihm gänzlich ausgeschlossen schein, Hephaistion, - Serapio seinen inneren Zwiespalt aufzeigen, ihn davon abzubringen, aufzugeben, was so kostbar in der Tiefe verborgen schlummerte.
    "Bitte, Hephaistion"
    , dringlicher nun wurde der Griff an der Schulter, fordernd beinah den Leib zurück zu ziehen, doch statt sein Gegenüber in seinem Bestreben zu hindern, trat Gracchus nur um ihn herum, dass er ein wenig seitlich stand, nicht zwischen der Tür und dem Centurio, doch weit genug, sein Antlitz zu blicken, die Hand zögernd empor zu heben an Serapios Wangen, doch nicht wagend, den letzten Abstand zwischen ihrer Hautschichten zu durchbrechen.
    "Bitte ... es ist nicht dein Verschulden, mitni'hten! Ich ... wie kann ich ...? Es ist ..."
    Für einige Augenblicke schloss Gracchus die Augen, vorwiegend dem lockenden Anblicke sich zu entziehen, seine Gedanken in geordnete Bahnen zurück zu zwingen.
    "Ich ... bin nun einmal derjenige, der ich bin."
    Er öffnete wieder die Augen.
    "Ich kann dies nicht leugnen, noch einfa'h darüber hinweg mich setzen, und so ich dich glauben machte, dies könnte ... anderer Art sein, so ... so bedaure ich dies wahr..haftig und bitte dich darob, dies zu exkulpieren."
    Zögerlich berührten Gracchus' Fingerspitzen nun die kühle Haut Serapios, einem Windhauch gleich, einem Traume, der mit wenigen Augenblicken der Wachheit würde hinfortgewischt werden können.
    "Doch ich ... ich hatte gehofft ... wir könnten dem gemeinsam entkommen ... ab und an vergessen was ist, dies alles ... dich und mich ... an einem Ort, der keinen von uns bindet, keinen von uns verdeckt, der nichteinmal derart muss ver..borgen sein wie der Olymp nur ... nur ein bisschen weniger Alltäglichkeit als dies hier."
    Flehentlich endeten beinahe schon seine Worte, in der letztlichen Hoffnung, dass auch Serapio dies musste plausibel werden, schlussendlich war als Centurio er ebenfalls nicht gänzlich frei in seinen Handlungen, gleichsam Gracchus bezweifelte, dass eine publike homophile Beziehung seiner Karriere, wiewohl seinem Ansehen würde dienlich sein - so dass auch er solcherlei sich nicht würde einfach hingeben können gleich einem idealistischen, träumerischen Poeten.

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  • Jetzt, jetzt auf einmal, zeigte er, dass ihm anscheinend doch was an mir lag... und bei den zögernden Worten, die so gar nicht zum dringlichen Griff meiner Schulter passen mochten, und als er gar bat, stammelnd, er, der sonst über eine einzigartige Eloquenz verfügte... das war Balsam für meinen verletzten Stolz. Meine Schultern, angespannt zurückgenommen, lockerten sich, und während mein Körper noch immer in halb abgewandter Haltung verharrte, als wolle ich im nächsten Moment von dannen schreiten, wandte ich ihm das Gesicht zu, blickte erst spröde, dann nachdenklich... er wirkte so gequält, das wollte ich nicht – demonstrieren, dass ich verdammt noch mal nicht selbstverständlich hier war, das schon, aber nicht, ihn wirklich in einen schlimmen Zwiespalt stürzen. Mich beschlich das seltsame Gefühl, dass er wirklich ehrlich war, und schon die ganze Zeit gewesen war. Merkwürdig. Es war sehr merkwürdig, jemanden zu treffen, der auf die üblichen Spielchen einfach verzichtete... weltfremd auf eine gewisse Weise, und zugleich zu gut um wahr zu sein. Wenn es denn so war.
    Dann die Fingerspitzen an meiner Wange... diese ganz kleine, ganz leichte Berührung ging mir durch und durch... Ich schluckte, und murmelte leise, fast verschämt:
    "Trotzdem... ist deine Berührung wie ein wärmender Sonnenstrahl an einem eisigen Wintertag wie diesem..."
    Oh, wie kitschig das in meinen Ohren widerhallte – aber wenn es doch wahr war! Meine Sprödigkeit schmolz jedenfalls schon wieder rasant dahin. Aber was, bei Minervas Haupt, war mit "exkulpieren" gemeint? Aus dem Zusammenhang heraus tippte ich natürlich schwer auf "entschuldigen", aber vielleicht war damit auch so etwas wie "hinnehmen" gemeint, oder "mit Akzeptanz behandeln". Ich würde es zu Hause nachschlagen müssen, nachfragen war ausgeschlossen, nicht dass er mich für ungebildet hielte!
    "Ja... ich exkulpiere es."


    Er roch so gut. Ich beugte mich einen Hauch näher zu ihm, und sog tief die Luft ein. Sandelholz, und noch etwas anderes. Vergessen wollte er sich, uns, ab und an... Ich biss mir auf die Lippen, schlug verwirrt die Augen nieder. Welterschütternde Leidenschaft, das war es was ich wollte, und Liebe, die alle Schranken sprengte, trotz allem war ich doch noch immer unsäglich romatisch veranlagt. Nicht, dass ich mutig, oder rücksichtslos, genug gewesen wäre, sowas auszuleben. Die Familie, die Karriere... Aber ich wollte mir gern die Illusion bewahren, ich wollte nicht ab und an im Terminkalender des respektablen Senators stehen (als unverfängliche Abkürzung wahrscheinlich), für diskrete Treffen, und wenn man sich sonst mal über den Weg lief, dann kannte man sich nicht. Auch wenn es vernünftig war. Und realistisch.
    Vergessen was ist... mir war es, als würde ich mich doch sowieso fortwährend vergessen, ich meine, das vergessen, was mir wirklich wichtig war, um das zu tun, was man von mir erwartete. Es machte mich konfus, lag aber vielleicht auch an der Perspektive...
    "Ich glaube... ich möchte mich lieber mit dir treffen, um mich zu erinnern." Mit einem Lächeln vertrieb ich den Ernst dieser Worte, und sah ihn ein bisschen schräg, unter halbgesenkten Wimpern an – ach, die schönen, schönen braunen Augen. Wäre der Tag nur nicht so trübe, ich wollte sie so gern im Licht sehen, jede Nuance, jede Schattierung, und den goldenen Schimmer auf ihrem Grund. Aber wie es aussah, würden wir uns wohl eher wieder unter dem Mantel der Nacht begegnen.


    "Kennst du die Thermen des Zenodorus, an der Via Crastina? Da kann man wunderbar ungestört sein. - In einer Woche?" Am liebsten hätte ich "heute abend" vorgeschlagen, aber ich hatte mal wieder Wachkontrolle auf der Stadtmauer, ausserdem sollte er ruhig sehen, was er davon hatte, und sich erst mal noch ein bisschen nach mir sehnen. Dass ich mich auch sehnen würde, das musste ich leider in Kauf nehmen.
    Nun völlig ihm zugewandt, tat ich einen halben Schritt, um die verbleibende Entfernung zu überbrücken, und hob die Hand. Sacht, ganz sachte, als wäre da ein scheues Tier, das ich nicht verscheuchen durfte, strich ich über sein dunkles Haar, seitlich an der Schläfe, streifte mit der Rückseite meiner Finger seine noble Stirn.
    "Zwei Stunden nach Sonnenuntergang?" Langsam beugte ich mich näher und hauchte ihm verheissungsvoll ins Ohr: "Ich werde im phönizischen Salon auf dich warten, Aton, lux mea, gehüllt in nichts anderes als meine verzehrende Sehnsucht nach Dir!"
    Ganz leicht und flüchtig streifte ich seine Lippen mit den meinen, das konnte ich nicht lassen, auch wenn die Wangenklappen meines Helmes mein Gesicht kühl umrahmten, eine stete Erinnerung an Pflicht und Verleugnung. Voll Wärme lächelte ich ihn an, lachte kurz auf, als mir ganz plötzlich wieder bewusst wurde:
    "Und dabei kenne ich noch nicht mal deinen vollen Namen!"

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  • Neuerlich baute die leise Spannung sich zwischen ihnen auf, das klandestine Kribbeln im Raum, als würden die winzigen Bestandteile der Luft erzittern, in wildem Reigen aufgeregt tanzen, dass der Schimmer, welcher von ihrer Oberfläche das Licht reflektierte, vor Gracchus' Augen beinahe sichtbar zu flirren schien - doch allfällig war es auch nur das Flimmern der Aufregung in seinem Inneren. Erinnern, womöglich hatte Decimus Recht, womöglich war es dies, was sie zusammen brachte, sich dessen zu erinnern, was sie auch waren, des imperfektiven Menschen in sich, des sehnsüchtigen Träumers, des halben Geschöpfes, welches nach dem Ganzwerden sich sehnte, nach dem Menschenteil, welcher es komplettierte. Und wer hätte nicht sich allzu bereitwillig komplettieren lassen von solch einem perfekten Part, diesem verzaubernden Lächeln, diesem heroischen Strahlen, welches Hephaistion stets umrahmte, in jeder Rüstung und ohne sie.
    "Vergessen und erinnern zuglei'h"
    , entgegnete er lächelnd, ehedem er in dem kategorisierten Wissensspeicher seines Gedankengebäudes nach dem Namen des Zenodorus forschte. Allfällig war er als Aedil einmal dort gewesen zur Kontrolle, doch so es so gewesen war, hatte er es vergessen, wiewohl er kaum öffentliche Thermen denn die wirklich großen kannte, bot die Villa Flavia doch den Luxus eines eigen Bades, welches Gracchus weitaus lieber in Anspruch nahm, nicht nur da er kein sonderlich guter Gesprächspartner beiläufiger Belanglosigkeiten oder gar stupider Gerüchte war, sondern auch, da der Anblick zahlloser nackter Männerleiber ihn stets ein wenig verschämte.
    "Die Thermen kenne ich nicht, doch ich werde sie finden, und sei es dass ich der leisen Symphonie deiner Sehnsu'ht folge, die lockend in meinen Sinnen klingt. In einer Woche, zwei Stunden nach Sonnenuntergang, auf dass die Sonne um so hitziger noch einmal den Nachthimmel wird er..klimmen, alle Gestirne überstrahlen in ihrer lodernden Glut."
    War dies das Spiel der Verlockung, das vorsätzliche Verwehren des ersehnten Augenblickes, war Serapio der Liebhaber und er der Geliebte? Es war Gracchus gleichgültig, gleichsam dies eine endlose Woche würde werden, staubig öd, blass fahl, absent still, geschmacklos fad, ein rastloses Verharren, ungeduldiges Warten, quälendes Hoffen, und einzig der Gedanke der um so länger zu goutierenden Vorfreude mochte ein wenig ihn trösten, wiewohl die Hülle der verzehrenden Sehnsucht ihn schon jetzt beinahe sich vergessen ließ, insbesondere in der Berührung Hephaistions Lippen, die so köstlich auf die seinen trafen wie ein sanfter, sommerlicher Regenschauer.
    "Manius"
    , sprach er schlussendlich mit seinen Sinnen noch immer ein wenig absent auf die implizite Frage nach seinem vollen Namen jenen Praenomen aus, mit welchem niemand außerhalb der Familie ihn titulierte, welcher selbst innerhalb der Familie stets den ihm vertrautesten Personen war vorbehalten - es sei denn, sie bedienten sich selbst seiner freimütig.
    "Manius Flavius Gracchus."
    Frei nach Art der poetischen Kunst wollte er anfügen, dass es nur ein Name war, nichts weiter, doch besann er sich selbst rechtzeitig, dass noch vor wenigen Augenblicken er das Gegenteil hatte bewiesen.
    "Und dir, Hephaistion, welchen Namen flüstert dir der liebestrunkene Gefährte in dein Ohr?"
    Ohne Zweifel wusste Sciurus den vollen Namen des Centurio, doch war der Sklave - Beischläfer in manch düsterer Nacht, und doch nicht mehr als flüchtiges Amüsement, Befriedigung leiblicher Gier - in diesen Augenblicken weit mehr als vergessen.

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  • Mmmh.... seine Worte, wunderschön, berauschend schön... Ich lauschte gierig, diese Worte waren nur für mich, ich wollte sie am liebsten alle in eine Truhe stecken, wie ein Geizhals, sie dort für immer aufbewahren, dann von Zeit zu Zeit die Truhe aufschließen, diese meine Schätze betrachten und mich heimlich an ihnen ergötzen.
    "Ich kann es kaum erwarten..." raunte ich verzückt, "...Manius...." Schön, melodiös, weich und volltönend glitt dieser Name über meine Lippen, und zugleich fühlte es sich sehr intim an, ihn so vertraut anzusprechen, vielleicht zu sehr, vielleicht sollte ich es besser bei 'Aton' belassen? Aber ich hatte mich (wieder mal) viel zu schnell und viel zu heftig in diese Sache verstrickt, und es verlangte mich ungeheuer danach, diesen Senator auch jenseits seiner Sonnenmaske kennenzulernen, ich wollte sein wandelbares Wesen ergründen, wissen was er für ein Mensch war.... eigentlich wollte ich alles über ihn wissen!
    Und wieder konnte ich gar nicht anders, als verklärt – und geschmeichelt – zu lächeln, bei solch einer charmanten Gegenfrage.
    "Das liegt natürlich ganz bei jenem Gefährten" kokettierte ich, sah ihm schmachtend tief in die Augen, um ihm schließlich zu verraten: "Faustus. Das ist mein Name." Und ich wollte ihn nur zu gerne aus seinem Munde hören, bei 'Hephaistion' fühlte ich mich nämlich nicht so recht angesprochen.


    Es lag etwas in der Luft, zwischen uns. Ich sollte ja jetzt eigentlich gehen, aber ich konnte meine Hand gar nicht von ihm lassen. Wie von selbst fuhr sie langsam am Rande seines Antlitzes entlang - ich verwende dieses Wort bewusst, denn 'Gesicht' wäre viel zu profan für das noble Antlitz des Manius Flavius Gracchus! - umrahmte die Linie des Kinns, streichelte sacht seinen Hals, ein wenig unterhalb des Ohrs. Oh nein, ich glaubte ihm das nicht im Geringsten, dass "Aton" hier in dieser Villa keinen Zutritt hatte, und ohne Abschiedskuss würde er mich nicht loswerden!
    "Ich fürchte, ich muss jetzt gehen..." seufzte ich theatralisch, und näherte mich ihm doch bei diesen Worten umso mehr an, ließ meine Hand in seinen Nacken wandern, ihn dort selbstvergessen liebkosen. "Wir sehen uns in sieben Tagen... in den Bädern..." Seine Lippen, wieder fand ich sie, zuerst so zart wie zuvor, dann hielt ich meine Leidenschaft nicht länger im Zaum, ich küsste ihn so innig, dass es mindestens für eine Woche ausreichen musste!
    Aber wenn es am schönsten ist, soll man gehen, leider.
    "...und bis dahin ...in Deinen Träumen." (Der Spruch war nicht von mir aber ich fand ihn gut, und ein klein bisschen wollte ich jenen Senator auch ärgern. Denn noch war ich nicht vollständig darüber hinweg, dass er mich quasi vertröstet hatte.)
    Ich trat zurück, meine Hand ruhte dabei so lange wie noch möglich in seinem Nacken, löste sich nur widerstrebend. Dann strich ich meine Tunika zurecht, schloss den Kinnriemen des Helms, und schritt zur Türe, bedauernd zwar, doch fest entschlossen meinen eleganten Abgang jetzt wirklich durchzuziehen. (Die Befragung, die ich als Vorwand genommen hatte, um hier zu Erscheinen, die hatte ich, angesichts dieser aufregenden und dramatischen Begegnung, mittlerweile leider vollkommen vergessen.)
    Ein letzter, feuriger Blick, über die Schulter hinweg ihm zugeworfen, und ich öffnete die Türe, verließ das Gemach festen Schrittes, in der Gewissheit dessen faszinierenden Bewohner bald wiederzusehen.


    Tja. Hätte ich doch gewusst, dass ich gerade mal drei Tage später nach Ägypten versetzt werden würde.

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  • Als sein Name über Hephaistions Lippen perlte, einer symphonisch schmeichelnden Klangkaskade gleich, drängte der gleißende Aton sich weit empor in seinem Innerstem, blendete mit seiner übermächtigen Helligkeit seine Sinne und drohte, die äußere Hülle bersten zu lassen, den Leib in seiner Gegenwärtigkeit vergessen zu machen, lähmte jede Faser, dass beinahe Gracchus noch das Atmen vergaß, so begierig wollte er in diesen zwei Silben ertrinken, welche seine Person in ihrer Grenzenlosigkeit umfassten wie selbst Aton dies nicht konnte.
    "Faustus"
    , flüsterte er beinahe ehrfürchtig, als könne der Name, die Person zerplatzen einer Traumblase gleich, so er nicht sie sorgsam hütete, kostete zaghaft den süßen Geschmack des fremdartigen und doch scheinbar längst vertrauten Namens, wiewohl kaum ein Name je passender ihm war erschienen für einen Menschen - der Glückbringende, Glückverheißende -, gleichsam dies zweifelsohne ein Omen positiver Natur war und zudem zeigte, dass auch Hephaistion - der Glückliche, Gesegnete - in dieser Karessierung sich würde verlieren können. Als würde die Zeit endlos langsam verrinnen spürte Gracchus die Berührung Faustus' Fingerkuppen auf seiner Haut, jeden Bruchteil eines digitus, schien nurmehr aus dieser zarten Silhouette zu bestehen, wollte nurmehr aus dieser Kontur gemeinsamer Berührungspunkte bestehen, welche der Geliebte zeichnete, und verlor darüber den Inhalt seines selbst, dass die Worte des Abschieds kein Gefäß mehr fanden, in welchem sie hätten erklingen können, bis dass endlich Hephaistions Lippen seine Existenz ihm zurück gaben, sie einfließen ließ in seinen Leib, er begierig den Kuss erwiderte als würde sein Leben davon abhängen, wiewohl gleichsam mit der Entzückung die Erkenntnis des Scheidens ihm in die Sinne troff, er mühsam nur aus dem Augenblicke sich löste.
    "So werde ich sieben Tage lang nicht wa'hen, nurmehr in meinen Träumen versinken, bis dass unsere Zusammen..kunft aus der Desperation dieser Realität mich errettet."
    Während noch Gracchus zurückblieb in dem Kokon klandestiner Verzückung, vollzog vor seinen Augen sich die Wandlung von Hephaistion-Faustus zurück zu Centurio Decimus, und obgleich dessen maskulines Erscheinungsbild sein Entzücken nicht weniger zu forcieren wusste, so war es doch schlussendlich eine jener offiziellen Amtsgestalten, welche gänzlich unverdächtig aus Senator Flavius Gracchus' Officium entschwand. Und doch - als die Türe hinter Centurio Decimus sich schloss war im Raume nichts mehr übrig von Senator Flavius, blieb nur zurück eine im sanften Meer der Verzückung treibende Gestalt, eine neue Art von Manius, geboren aus des Atons glühendem Span, fern aller defätistischen Lethargie, fern allen desolaten Schwermuts, ein glühender Schimmer, welcher sukzessive sich emporzüngelte zu einer tanzenden Flamme - und hätte nicht bereits die Last des Tages seinen Leib ermatten lassen, allfällig wäre Gracchus einem liebestrunkenen Jüngling gleich auf federnden Füßen durch den Raum gewandelt und hätte in Pirouetten sich ergeben. So indes gereichte die Bewegung nurmehr dazu, den Leib hinab sinken zu lassen in einen der ledernen Sessel, während konkomitierend die Seele empor flügelte, in gedanklichem Rhythmus schwelgend, einer Feder gleich auf dem Meer der Euphorie treibend, überschwemmt von Glückseligkeit und alles umfassendem Hochgefühl. In diesem Augenblicke war Gracchus glücklich - gänzlich zufrieden mit der Welt, dem Leben und sich selbst - und für die kommenden Tage noch würde er weiter selig in diesem kostbaren Gefühl schwelgen, bis zu dem Augenblicke, da all dies wieder würde nichtig sein.


    ~ finis ~

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