Domus Aeliana - Adedis


  • ADEDIS


    Wie das tablinum ist auch das adedis ein Wohngemach. Aber es
    ist etwas kleiner und weniger repräsentativ ausstaffiert, dafür
    jedoch umso gemütlicher. Hierher können sich die Bewohner der
    domus Aeliana zurückziehen, um die Ferse der großen Dichter
    Horatius Flaccus oder Vergilius Maro zu lesen. Man kann hier aber
    auch gute Freunde oder nahe Verwandte empfangen.

  • Der Sklave Nakhti betrat das bescheidene, aber gemütlich eingerichtete und in behaglichen Braun- und Beigetönen gehaltene kleine Wohngemach. Für die Inneneinrichtung und und die geschmackvolle Farbkomposition hatte er jedoch keine Augen und hätte sie auch nicht gehabt, wenn er dafür auch nur einen Funken Empfindung besessen hätte.
    Nein, seine ganze Aufmerksamkeit galt seinem Herrn, dem Hausherrn Aelius Quarto. Den hoffte er hier vorzufinden und er fand ihn auch.


    Nakhti verneigte sich und sagte: “'err! Der 'err Prudentius Balbus 'ier ist. Er zu dir möchte, 'err!“

  • “Oh! Wie schön!“, antwortete Quarto und lächelte erfreut, denn Balbus war ein langjähriger Client, der Sohn eines guten, wenn auch inzwischen toten Freundes, und der Ehemann seiner Lieblingsnichte Vespa.


    “Lass ihn gleich herein zu mir! Spute dich!“

  • Und da Nakhti ihn reinliess, betrat Balbus den Raum dann auch. Mit einem freundlichen Lächeln ging er auf den Onkel seiner Frau zu.


    "Salve Patron." grüßte er den Senator. "Danke, dass du so spontan Zeit für mich findest."

  • “Salve Tiberius Prudentius! Aber ja, natürlich, dass ist doch keine Frage.
    Bitte, nimm Platz.“


    Es war eine fast schon knappe Begrüßung, aber nicht aus Mangel an Wertschätzung, sondern wegen des Umstandes, dass die beiden Männer sich ziemlich oft und regelmäßig trafen.

  • Balbus tat wie geheissen und nahm Platz, noch immer lächelnd, auch wenn der Grund für sein Kommen natürlich nicht der fröhlichste war.
    Er wartete einen kurzen Moment, bevor er anfing zu reden: "Ich habe heute hochrangigen Besuch bekommen, der vor einigen Tagen erst mit deinem Bruder gesprochen hat."

  • “Wirklich? Wer war es?“


    Keine Frage, es musste jemand von hohem Rang sein, denn andere wurden gar nicht bis zum Kaiser vorgelassen, der sich zur Erholung in seine Villa in Campania zurückgezogen hatte.

  • "Der Praetor Urbanus." sagte Balbus. "Er war meines Wissens nach unserem Gespräch auch noch hier bei dir. Zumindest wollte er dich auch aufsuchen."
    Er war sich ziemlich sicher, dass Livianus hier gewesen war, denn das hatten ihm mehrere vertrauenswürdige Praetorianer bestätigt.


    "Er war bei mir, um mir unter anderem auch seinen persönlichen Eindruck vom Zustand deines Bruders mitzuteilen."

  • “Und was hat er gesagt?“, fragte Aelius Quarto sofort, ohne den Besuch des praetors zu bestätigen. Der Gesundheitszustand seines leiblichen Bruders war für ihn nicht nur eine persönliche Angelegenheit – was alleine schon genügt hätte – es war auch eine staatspolitische Frage.

  • "Offenbar geht es deinem Bruder ein wenig schlechter als die Nachrichten aus Misenum es zumeist zeigen." sagte er. "Decimus Livianus sagte mir, dass dein Bruder große Probleme hatte seine Krankheit zu verbergen, was ihm hier ja zumeist doch noch geglückt war."
    Er schaute Quarto besorgt an.
    "Ich vertraue Decimus Livianus und gehe davon aus, dass seine Aussagen der Wahrheit entsprechen. Und demnach scheint die erhoffte Besserung bisher noch weitestgehend auszubleiben."

  • “Das sind schlechte Neuigkeiten.“, sagte Quarto bedrückt und runzelte sorgenvoll die Stirn.
    “Du vertraust Senator Decimus? Ja, warum sollte er auch etwas berichten, dass nicht wahr ist. Aber er ist sich hoffentlich auch bewusst, dass dies kein geeigneter Gesprächsstoff für die Gassen und Foren Roms ist. Das wirkliche Ausmaß der Schwäche des Kaisers muss geheim bleiben. Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass seine Krankheit zu einer Erkrankung des Staates führt. Du verstehst was ich meine?“

  • "Ich kenne den Senator seit ich dem Imperium diene und unter seinem Kommando zog ich bereits in den Krieg. Ich vertraue ihm mehr, als vielen anderen Senatoren, denn ich habe gesehen wie er im Anblick des Todes reagierte." sagte Balbus.
    "Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er mit niemandem darüber sprechen darf. Er versteht den Ernst der Lage und gab mir das Versprechen, dass dies nicht passieren dürfte."
    Er nickte leicht. "Ich verstehe natürlich was du meinst."


    Balbus holte nun zum nächsten Thema aus. "Decimus Livianus sprach bei unserem Gespräch noch einen anderen, sehr wichtigen Punkt an, über den ich selbst auch schon so manches Mal nachdenken musste."

  • Als Prudentius Balbus davon sprach, wie sehr er dem praetor vertraute und das er ihm gesagt hatte, er müsse Stillschweigen bewahren, da nickte Aelius Quarto beruhigt.
    “Das war sehr umsichtig von dir. Sehr gut.“, murmelte er, in Gedanken aber wohl noch immer bei seinem Bruder in Campania.


    Doch dann schnitt Balbus ein neues Thema an und Quarto sah hoch und hörte zu.
    “Ein anderer wichtiger Punkt?“

  • "Ja." sagte Balbus. "Einen sehr wichtigen, über den zu sprechen mir ein wenig unangenehm ist."


    Die Sorgen in seinem Blick wurden noch offensichtlicher.


    "Es geht um die Frage was geschieht, falls,und das mögen die Götter verhindern, die Gesundheit deines Bruders sich nicht mehr bessert. Sowohl Decimus Livianus als auch ich sind sehr besorgt über die möglichen Konsequenzen."

  • “Oh ja, mögen es die Götter verhüten! Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich diesen Gedanken nur ungern bis zur letzten Konsequenz zuende denke.“


    Quarto faltete die Hände und blickte Balbus sorgenvoll an.


    “Wir wollen nicht daran denken – doch müssen wir es. Denn uns liegt Rom am Herzen und auch wenn sich unser Inneres dagegen sträubt, so müssen wir doch auf das Undenkbare vorbereitet sein. Was geschieht, wenn mein Bru... ähm... wenn der Imperator Caesar Augustus von seiner Krankheit gepeinigt noch mehr als jetzt schon, seine Handlungsfähigkeit verliert? Was, wenn er praktisch nicht mehr regieren kann? Und wenn er gar stirbt, was wird dann sein?“

  • "Glaube mir, ich habe große Probleme damit diesen Gedanken bis zum Ende zu folgen. Es kostet mich eine Menge dies zu tun, denn ich bin um das Wohl des Kaisers selbst ebenso besorgt, wie um das des Gemeinwesens. Da aber letzteres vom Wohl des Kaisers abhängt, bin ich als Römer dazu gezwungen diese finsteren Gedanken zuzulassen." sagte Balbus, dem es tatsächlich sehr schwer fiel über den möglichen Tod Valerians nachzudenken.


    "Im günstigsten Fall entscheidet sich der Kaisers doch kurzfristig noch dafür einen Caesar als Nachfolger und Mitregenten zu ernennen. Dies wird zu meinem großen Bedauern unter den gegebenen Vorzeichen zwar vermutlich der Praefectus Urbi sein, aber zumindest wäre die Zukunft dann nicht mehr so ungewiss wie sie es derzeit ist."
    Es wäre in der Tat der günstigste Fall gewesen, wenn Valerian dies in Betracht zog, doch war es zugleich auch einer der schlechtesten Fälle, denn die Macht des Vesculariers wäre dann noch weiter gefestigt und er hätte Rom noch enger in seinem fetten Fingern umschlossen.


    "Der ungünstigste Fall, den sowohl ich als auch Decimus Livianus befürchten, wäre der Tod des Kaisers ohne einen designierten Nachfolger, was vermutlich zu einem Bürgerkrieg führen könnte. Ich glaube nämlich nicht, dass eine Machtergreifung des Vesculariers, und die befürchten wir, ohne große Gegenwehr vonstatten gehen würde."

  • Aelius Quarto schüttelte entschieden den Kopf. Fast konnte man so etwas wie Abscheu in seinem Gesicht lesen.


    “Erlaube mir ein offenes Wort: Potitus Vescularius Salinator ist ungeeignet! Er kann Rom nicht führen! Du hast recht, man kann ihm zutrauen, dass er auf illegalem Wege versuchen könnte, die Macht an sich zu reißen. Schon das man ihm dies zutraut, sprich gegen ihn.
    Aber woher kommt der Mann überhaupt? Seine Herkunft? Fragwürdig!
    Die Vescularii sind bedeutungslos! Wer kennt seine Ahnen? Niemand mehr! Im Dunkel des Vergessens sind sie entschwunden.
    Und dann der Mann selbst! Kein Gespür für die feinen Verflechtungen römischer Politik. Keine Ehrfurcht vor unseren Traditionen und gewachsenen Strukturen. Unter einem Kaiser Salinator würde der Senat vollkommen bedeutungslos werden. Die Menschen würden nicht mehr wissen, wo ihr Platz in unserer Gesellschaft ist. Willkür würde berechenbares Handeln und Regieren vor dem Hintergrund unserer bewährten Errungenschaften ersetzen.
    Und unter einem Pontifex Maximus Salinator würden die Götter sich von Rom abwenden. Denn glaubt dieser Mann? Ehrt er die Götter? Zeigt er Demut?
    Nein, Salinator ist vollkommen ausgeschlossen! Ich weiß wirklich nicht, was der Kaiser an ihm finden kann. Ich sehe nur Schlechtes!
    Ich fürchte das was du fürchtest: würde sich der praefectus urbi zum Kaiser aufschwingen, dann hätte das Aufruhr und vielleicht sogar einen Bürgerkrieg zur Folge.
    Das muss auf jeden Fall verhindert werden!“


    Quarto machte eine Pause. Dann sagte er plötzlich, fast so, als wäre ihm das erst jetzt eingefallen, was aber natürlich kaum sein konnte: “Valerianus hat ein Kind.“


    “Er hat ein Kind, ein leibliches, rechtmäßiges Kind und, dafür müssen wir den Göttern danken, es ist ein Sohn: Publius Ulpius Maioranus. Leider ist er noch ein Knabe. Aber er ist von seinem Blut.“

  • Balbus hasste es andere Menschen zu manipulieren, vor allem wenn es Menschen waren denen er nahe stand, doch es war einfach nötig gewesen Quarto zu einer klaren Aussage über den Stadtpraefecten zu bewegen, die er bisher in dieser Deutlichkeit nie gemacht hatte.


    Natürlich wusste Balbus, dass Valerian einen Sohn hatte, und er hatte auf ihn auch eine gewisse Hoffnung gelegt. Mit einer guten Führung durch gute Berater konnte auch ein Junge das Reich regieren, denn aus einem Jungen wurde zumeist auch ein Mann.


    "Weisst du, wo genau sein Sohn sich aufhält? Und wie es um seine Gesundheit steht? Immerhin wäre ein gesunder Sohn, auch wenn eigentlich zu jung, definitiv eine bessere Wahl als Salinator. Zumindest wenn er die richtigen Berater und Helfer hat."

  • “Er ist zusammen mit seiner Mutter beim Kaiser in Misenum. Livilla hat ihn bisher weitgehend von der Öffentlichkeit fern gehalten, wie sie sich selbst auch kaum öffentlich zeigt und sehr zurückgezogen lebt. Valerianus hat sie noch nicht einmal zur Augusta erhoben. Diesen Titel trägt, wie du sicherlich weißt, nach wie vor einzig seine Adoptivmutter Drusilla.
    Der junge Maioranus – ich habe ihn das letzte mal gesehen, da war er noch ein Säugling. Aber schlechtes habe ich nicht über ihn gehört und er hat keine Makel, wie einen Klumpfuß oder einen hässlichen Buckel.
    Ja, sicher, mit den richtigen Beratern, denen das Wohl Roms am Herzen liegt, wäre er ganz bestimmt ein realistischer Nachfolger, wenn der schlimmste Fall eintritt. Besser wäre es natürlich, er hätte Zeit zum Manne zu reifen. Auch muss er beizeiten in die Öffentlichkeit treten. Aber allemal wäre das die bessere Lösung, als ein Mann wie Salinator auf dem Kaiserthron.
    Darum“
    – und hier sah Quarto seinem Gegenüber ganz fest und eindringlich in die Augen – “wäre es keineswegs das Beste, der Kaiser würde Salinator zum Caesar ernennen. Das Beste wäre es, er würde seinen Sohn zum Caesar und damit auch offiziell zu seinem designierten Nachfolger erklären. Aber auch wenn er das nicht tut, würde Maioranus nach den Buchstaben des Gesetzes auf seinen Vater folgen. Allerdings würde ihm die offizielle Ernennung eines anderen Nachfolgers dieses Erbe verwehren. Darum sage ich: besser keinen Caesar als den Falschen!“

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