[Corsica] Eine Lagune bei Aiacium

  • Wenige Stunden nach dem gelungenen Überfall auf das Handelsschiff machte Gorgus mit seiner Mannschaft in einer kleinen Lagune, wenige Wegstunden von Aiacium entfernt, fest. Ihr kleines Versteck war fast schon zu kitschig Piratenhaft: eine Höhle, ein paar drumherum gebaute Hütten, und genau ein offensichtlicher Zugang zum Innenland.
    Gorgus hatte sich nie um diese Gedanken geschert, die Lagune erfüllte ihren Zweck als taugliches Versteck, und das war schließlich alles was man als erfolgsorientierter Ausgestoßener so brauchte.


    Während seine Leute die erbeutete Ladung ausluden, stand ihr Anführer auf dem Strand herum und fühlte das gleiche Gefühl wie jedes Mal, wenn sie von einem erfolgreichen Ausflug mit Abstecher in fremde Blutbahnen zurückkehrten: Langeweile.


    Hilfe beim Ausladen kam nicht in Frage. Er war Gorgus, er hatte die Ideen.. die Muskeln hatten die anderen. Nicht dass Gorgus dünn war, oder schmächtig. Er hatte immernoch keine Probleme damit jede beliebige Schlägerei zu gewinnen. Was aber wieder daran lag dass er einfach mehr Kopfleistung in die Sache einbrachte, als die meisten seiner Kontrahenten jemals aufzubieten hatten.


    Die Sonne ging langsam dazu über sich hinter dem Meer zu verkriechen, dort, wo irgendwo mal Hispania anfangen würde, und Gorgus entschloss sich zu einem Bad.
    Schnell hatte er die dreckige, mit trockenem Blut verkrustete Tunika ausgezogen und sich in die ruhigen Wassern der Lagune geworfen.
    Zwei, drei Züge, dann legte er sich auf den Rücken und ließ sich treiben... die Geräusche, die gedämpft durch das salzige Wasser in sein Ohr drangen, ließen darauf schließen dass seine Mannschaft die Ausladeprozedur beendet hatte, und sie den Fang des Tages anscheinend mit einem zünftigen Besäufnis feiern wollten.


    Sollten sie nur, Gorgus hatte andere Pläne. Als er sich aufrichtete, sich das Wasser aus den Augen blinzelte und die Lagune überblickte fiel ihm etwas auf. An der dem Lagekai gegenüberliegenden Seite stand jemand.
    Gorgus brauchte nicht lange um zu erkennen wer das war, und ein finsteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Mit wenig Kraftanstrengung hatte er es geschafft sich zum Ufer zu bewegen, und stieg nackt wie die Götter ihn schufen aus dem Wasser. Sein Gegenüber bewegte sich nicht, schien fast gefroren an dem Platz an dem er stand. Oder besser gesagt: sie.


    Sera rührte sich nicht. Die Frau, die Gorgus ihrem Ehemann abgenommen hatte nachdem er ihn auf Kiemen getestet hatte, stand still und starr am Ufer, und schien irgendwie auf ihn zu warten. Was Gorgus das Lächeln beschert hatte, erinnerte er sich doch an ihre ersten Tage, als sie sich noch verzweifelt gegen ihn gewehrt hatte. Ihre linke Seite schien kaum mehr geschwollen, Gorgus Züchtigung hatte seinen Zweck erfüllt. Er hatte es schon beinahe bereut dieses hübsche Gesicht zu schlagen, aber auch nur fast.


    Er betrachtete sie mit genießerischem Wohlwollen. Der fette Sack der ihr Ehemann war, hatte genug Geld gehabt um ihre Familie zu einer Heirat überreden zu können, wie es schien. Nun war er tot, und ihre Familie dachte wahrscheinlich genau dasselbe von ihr.
    Sie gehörte ihm.
    Als Zeichen seiner Hingabe an dieses fleisch gewordene Stück Göttin hatte er ihr ein Halsband umgehängt. Natürlich ein massives, nicht aus Gold, aber aus Bronze. Gorgus hasste Gold. Gold machte alle Menschen verrückt, und verlieh dem Wert der Ware einen metallenen Beigeschmack.
    Er spürte ihr Zittern, als er sich ihr näherte, doch das störte ihn nicht. Ganz im Gegenteil.
    Er musste es nicht einmal sagen... "Zieh dich aus, Frau." ...kein Wort darüber. Sie tat es von alleine. Wusste genau, was geschah wenn Gorgus einen guten Tag hatte. In seinen Augen blitzte es... und dieses Mal nicht vor Mordlust.
    Wie ein Raubtier warf er sich schließlich auf sie, und wieder konnte sie nicht umhin vor Schreck zu schreien..


    Während das Grölen und Feiern am anderen Ende der Lagune immer lauter wurde, widmete sich Gorgus seiner zweiten Beute.


    Was ein Tag.

  • Leise knirschte das Holz der "Karpfen des Todes", als sie sich in den Strand schob, und laut platschte das Wasser als zwei der vier Männer von Bord sprangen, um die mitgebrachte Ware in Empfang zu nehmen. Schnell kam die restliche Bage aus der Höhle und den Hütten herbeigeeilt um den beladenen Kahn schnell in einen unbeladenen zu verwandeln.


    Als die erste Kiste mit den Rüstungen der Classis heruntergeworfen wurde, erklang die von Gorgus nur allzu lange erwartete Frage. Er wusste nicht wie lange seine Männer es ohne ausgehalten hatten.


    "Rüstungen der Classis? Wofür?", es war Phobos, der sie stellte. Der junge Mann hatte kaum zwanzig Sommer erlebt, war aber kräftig und geistig hellwach. Gorgus würde ihn wie einen Sohn ansehen, wäre er zu was ähnlichem wie Vatergefühlen imstande.


    "Wir werden sie brauchen."


    "Natürlich werden wir das, aber erlaube mir die Frage: wofür?", bohrte der Junge nach.


    "Wir haben morgen etwas vor, übe dich in Soldatensprache.", befahl Gorgus knapp. So wenig Informationen wie möglich, um so viel wie möglich zu bewegen.


    "Wie du meinst.", sprach Phobos, der sich die Kiste auf die Schulter stemmte und sie davontrug.


    Eine halbe Stunde später war das Schiff entladen, und ihre kleine Kommune um einige Annehmlichkeiten reicher. Dass von keiner ihrer Kaperfahrten Gold mitgenommen wurde störte hier niemanden, es reichte auch so zu einem Leben das man als Gesetzloser und Ausgestoßener schon fast "luxuriös" nennen konnte. Im Endeffekt war es natürlich bitterlich arm, aber dafür waren sie frei, wie Verbrecher nun einmal frei sein konnten. Sie hatten sich und die See, und den unbezwingbaren Willen so vielen Menschen wie möglich das Leben zur Hölle zu machen.


    Es war ein guter Tag, die Sonne versank langsam im Meer, und es wurden mehrere Fässer mit Bier herausgerollt, um im Sand des Strandes den den Abend ausklingen zu lassen... es dauerte nicht lange, und der Hüne Pacus nutzte sein enormes Organ um ein Lied anzustimmen, in das die anderen sehr schnell einfielen. Alle, bis auf Gorgus.


    "Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Gorgus und Pacus und Phobos und Stip,
    die haben Bärte, die haben Bärte
    Iason und Ceph und Olar und Scip,
    die haben Bärte, die fahren mit


    Alle die Hölle und Teufel nicht fürchten,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Ari und Cine und Proto und Rik,
    die haben Bärte, die haben Bärte
    Zela und Horon und Skagi und Pitt,
    die haben Bärte, die fahren mit,


    Alle die mit uns die Seemenschen schlachten,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Gorgus und Pacus und Phobos und Stip,
    die haben Bärte, die haben Bärte
    Iason und Ceph und Olar und Scip,
    die haben Bärte, die fahren mit,


    Alle, die euch die Weiber rauben,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Ari und Cine und Proto und Ric,
    die haben Bärte, die haben Bärte
    Zela und Horon und Skagi und Pitt,
    die haben Bärte, die fahren mit,"


    Gerade als sie die letzte Strophe anfangen wollten, ließ ein lauter Schrei sie alle herumfahren. Erst konnten sie nicht ausmachen woher dieser stammte, doch schließlich zeigte Ricus nach oben auf einen Felsvorsprung über dem hohen Höhleneingang, auf dem sich sich anscheinend eine Person befand.


    Es war Sera.


    Sie war in eine dünne Tunika gekleidet, und der Wind zupfte an dem Stoff und an ihren langen Haaren. Man sehen wie sie mit zorneserröteten Augen auf die Gruppe zeigte.


    "IHR VERDORBENES PACK! UNMENSCHEN SEID IHR! IUSTITIA WIRD SICH EURER ANNEHMEN UND EURE SEELEN ZUR HÖLLE SCHICKEN!"


    Pacus rülpste laut vernehmbar, und schickte ein trotziges "Erzähl uns etwas was wir noch nicht wissen, Weib!" zurück. Gorgus schwieg, was ihn aber nicht vor der Aufmerksamkeit der Furie schützte.


    "UND DU, GORGUS! DU KRANKES SCHWEIN! DAS WAS DU MIR ANGETAN HAST WIRD DICH IN EWIGKEIT LEIDEN LASSEN! ICH VERFLUCHE DICH UND DEINE VERROTTETE SEELE!!! NIE WIEDER! NIE WIEDER! NIE WIEDER!"


    Nach den letzten Worten warf sie sich von dem Felsvorsprung, und stürzte auf die saufende Gruppe zu. Knapp drei Schritte neben der lagernden Bagage prallte sie auf dem Boden auf, und man konnte deutlich hören wie viele Knochen der Beanspruchung nachgaben und barsten. Nach ihrem pompösen Ende kehrten einige Sekunden Stille ein, die Cinetus mit einem ahnungslosen "Und was bedeutet das jetzt?" unterbrach, und irgendwie schien keiner zu wagen Gorgus direkt anzusehen. Aber er war es, der allen nicht stattfindenden Blicken antwortete.


    "Dass ich Ersatz brauche."


    "Alle die mit uns zur Hölle fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren,
    das müssen Männer mit Bärten sein
    Gorgus und Pacus und Phobos und Stip,
    die haben Bärte, die haben Bärte
    Iason und Ceph und Olar und Scip,
    die haben Bärte, die fahren mit...

  • Langsam schoben sich die beiden Boote durch den schmalen Eingang der Lagune, und noch bevor sie seichtes Wasser erreichten sprangen die ersten Männer ins Wasser um den Kater mit dem leichten Schock des kühlen Mare Nostrum von sich zu waschen.


    Man könnte die Lagune als das Paradies bezeichnen, verwachsene Hänge, üppige Vegetation, windstille Ecken in denen die Hütten lagen, zweitausend Jahre später würde hier mit Sicherheit ein Hotel für nichtsahnende Wohlstandsmenschen stehen, mit allem Komfort den sich Normalsterbliche aus der übrigen Welt nicht leisten konnten. Im Moment jedoch war dies die übrige Welt, und damit die Hölle für Wohlstandsmenschen.


    Als die beiden Boote sich knirschend in den Sand schoben und so abrupt halt machten wurde das übliche Entladeprozedere begonnen. Die beiden mitgebrachten Frauen warf man achtlos einfach ins seichtlose Wasser, damit sie nicht im Weg standen wenn die Männer ihren Dienst versahen...


    Die kleine Iulia saß etwas abseits im Strand und hatte die Knie unters Kinn gezogen. Als die beiden Frauen so unsanft von Bord befördert wurden erhob sie sich schließlich und ging zu der Stelle wo sie wahrscheinlich aus dem Wasser klettern würden.


    "Ihr seid also die Neuen...", erklang ihre glockenhelle Stimme, und in ihr lag keine Trauer, sondern verquere Freude. Mit ihrer kleinen Hand winkte sie Gorgus zu, der die Begrüßung mit einem leichten Lächeln erwiderte... dann wandte sie sich wieder den beiden Frauen zu: "Wer von euch gehört Gorgus?"

  • Tage waren bereits vergangen, seit man Ylva und mich verschleppt hatte. Unser Gefängnis war dieses schreckliche Schiff, welches auf einem schier endlosen Meer zu treiben schien. Die Mannschaft gab sich allabendlich ihrem Besäufnis hin. Nur ihr Anführer nahm sich davon aus. Er war der Einzige der während der ganzen Fahrt einen klaren Kopf behalten hatte.


    Meine Sklavin Ylva, war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die einst ansehnliche junge Frau hatte am ganzen Körper blaue Flecke. Ihr Gesicht war blutverkrustet und angeschwollen. Tagsüber versuchten Ylva und ich sowenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Dadurch waren wir einigermaßen vor den Zugriffen der Männer geschützt. Ylvas Bitte, ich solle sie töten, waren die letzten Worte, die über ihre Lippen kamen. Seitdem hatte sie nicht mehr gesprochen. Mit dem wenigen Wasser, das uns zur Verfügung stand, hatte ich ihre Wunden gesäubert. Es tat mir in der Seele weh, sie so sehen zu müssen. Im Grunde waren unsere verschienenen Stände auf diesem Schiff aufgehoben. Sie war nicht mehr länger meine Sklavin und nicht länger ihre Herrin. Dieses Recht hatte ich in dem Augenblick verwirkt, als ich sie hilflos ausgeliefert hatte. Nachts quälten mich ihre jämmerlichen Schreie. Tagsüber war mir ihr Anblick eine Mahnung. Nein, ich hatte nicht mehr das Recht, mich ihre Herrin zu nennen.
    Ich stellte mir nicht mehr die Fragen, wohin sie uns wohl bringen mochten. Dieses Schiff war bereits die Hölle. Etwas Schlimmeres und abstoßenderes konnte ich mir beileibe nicht mehr vorstellen.


    Dann kam Land in Sicht. Die Geschäftigkeit auf dem Schiff nahm zu. Die Männer bereiteten sich auf die Landung vor. Ich wußte nicht, ob ich mich freuen sollte oder lieber auch hoffen, bald in den Hades hinab zu steigen.
    Plötzlich packte man uns und warf uns kurzer Hand über Bord Mir blieb fast das Herz stehen, als ich im seichten Wasser landete. Hilflos ruderte ich mir den Armen. Irgendwie hatten wir es geschafft, an Land zu kommen.
    Das erste, was ich erblickte, als ich an Land ging, waren die Augen eines kleinen Mädchens. Sie erwartete uns bereits. Ich versuchte zu lächeln. Doch das Lächeln verging mir gleich wieder, als mir bewußt wurde, daß auch sie zu dieser Mörderbande gehörte.
    "Ich..., das bin ich," antwortete ich zögernd auf ihre Frage.

  • "Das ist schön. Wir werden viel Spaß zusammen haben.", quietschte das Kind vergnügt. Die Sklavin beachtete sie garnicht, es war als würde die Frau nicht für sie existieren. Iulia hüpfte auf die Frau, die sich eben als Gorgus neues Privateigentum offenbahrt hatte, zu, nahm sie bei der Hand und zog daran...


    "Komm, komm... ich werde dir zeigen wo wir wohnen.", mit diesen Worten zog sie die Frau hinter sich her und führte sie zu einer Hütte die abseits der anderen Stand, beinahe am Eingang der Lagune, von der man dennoch alles im besten Blick hatte. Der Lärm von den arbeitenden Piraten drang gedämpft hier herüber, die vornehmliche Klangkulisse gestaltete das weite Meer.
    Diese Hütte war ein provisorisches Werk aus Schwemmholz und den Palmen die am Strand standen, und doch sah man ihr sofort dass sie sich von den übrigen Behausungen unterschied. In dieser Bude wurde nicht gehaust, hier wurde gelebt.


    "Das war eine ziemliche Bruchbude, als ich hier ankam. Aber mit etwas Hilfe habe ich es schön eingerichtet. Sera hat mir dabei geholfen.", schon fast stolz deutete das Mädchen auf die Fassade der Hütte. Schnell hatte sie die Tür geöffnet und das innere offenbahrt: es war nur ein Zimmer.


    "Das da ist mein Platz."
    In einer Ecke stand ein bettartiges Gestell das wohl aus den biegsamen Sträuchern der Küstenflora geflochten worden war, drum herum lag primitives Spielzeug wie geflochtene Puppen aus Stroh und Bast, und anderer Kram mit dem man Kinder beschäftigen konnte.


    "Und das da deiner."
    Daneben lag eine mit Stroh unterlegte Decke aus rauer Wolle und ein mit demselben Material gefüllter Sack.
    An der Wand hinter diesem Lager konnte man sehen wie etwas in die Wand geritzt worden war. Bei genauerer Betrachtung offenbahrten sich einem die folgenden Worte: "MEDIA IN VITE IN MORTE SVM, NEMOQUE ANTE MORTEM BEAVTVS. AT EGO HOC SVM, MORTE, TE SALVTO. VÆ TIBI, SVCCESSA MEA, VÆ TIBI."


    Es waren nur diese zwei Plätze. Iulia ging zu ihrem und nahm eine Puppe in die Hand. Ein schwarze Ding aus gammeligem Stroh, die Augen hohl und leer... leise tapste sie mit den brüchigen Beinen über den knarzenden Holzboden, fast bedächtig. Auf dem Gesicht des Mädchens machte sich ein energischer Gesichtsausdruck breit, als sie mit ihren zierlichen Fingern die Glieder der primitiven Puppe in Bewegung versetzte. Nach einer Weile hielt sie inne, und sah die Frau mit schrägem Blick an, als würde sie nicht verstehen warum sie immernoch da stand.


    "Komm, spielen."

  • Mein konsternierter Blick haftete an dem Mädchen. Eigentlich mochte ich Kinder. Doch dieses Mädchen machte mir einfach Angst. Sie zog mich fort von Ylva. "Nein! Was ist mit ihr? Was geschiet mit Ylva? Wir müssen sie mitnehmen! Wir können sie nicht hier lassen!" Doch das Mädchen schenkte Ylva gar keine Beachtung.
    Ich hatte in den letzten Tagen einiges an Kraft eingebüßt, was nicht nur an der schlechten Nahrungsversorgung gelegen hatte. Sie zog mich hinter sich her zu einer Hütte und ich konnte ihr nur stolpernd folgen. Das sollte der Platz sein, an dem ich nun wohnen sollte? Oh ihr Götter, warum tut ihr mir das nur an? In meinem Leben war ich wirklich besseres gewohnt, als diese Bruchbude! Wahrscheinlich wimmelte es hier nur so vin Ratten und Ungeziefer.
    Das Mädchen führte mich ins Innere der Hütte und zeigte mir voller Stolz ihren Platz. Sie sprach von einer Sera. Hauste hier noch ein anderes Mädchen außer ihr? "Wer.. wer ist Sera?" Ich traute mich, kaum zu fragen, denn ich fürchtete mich aus einem unbestimmten Grund vor der Antwort. Dieses Mädchen wollte nicht so recht zu dem Rest passen, den ich bereits kennen gelernt hatte.


    Schließlich zeigte sie auf eine andere Ecke des Zimmers, in der etwas Stroh, eine versiffte Decke und ein mit Stroh gefüllter Sack lagen. Jede Sklavenunterkunft war komfortabler als dieses Loch!
    Ich trat etwas näher, da ich eine Kritzelei an der Wand entdeckt hatte. Jemand musste dort eine Nachricht oder dergleichen hinterlassen haben. Ich versuchte die Inschrift zu entziffern und das, was ich laß, ließ mir mein Blut in den Adern gefrieren. Ich wollte schreien, doch die Stimmer wollte versagen. Fassungslosigkeit! Nur noch Fassungslosigkeit umgab mich!
    Das Kind sprach mich wieder an, doch ich konnte ihm erst nicht folgen. Zu sehr stand ich unter Schock. Es hatte eine Art Puppe hervorgeholt und begann damit zu spielen. Diese Szenerie war so abstrus. Vollkommen verwirrt starrte ich auf das Kind. Wie konnte sie nur in dieser Hölle leben? Oder war sie am Ende Cerberus selbst?
    "Wie bitte?" fragte ich verstört.

  • "Spielen... wir sollten spielen...", meinte das kleine Mädchen mit belegter Stimme, und sah dabei die Frau mit großen Augen an. Verstand sie denn nicht? Aber sie fragte nach Sera... also verstand sie nicht. Oder Gorgus hatte ihr nicht davon erzählt. Natürlich hatte er das nicht. Es war immernoch Gorgus.


    "Sera war vor dir hier. Sie hat mit mir gespielt... sie war sehr traurig... SEHR traurig.", das Mädchen legte die Puppe bei Seite und sah die Frau fragend an, "Bist du auch traurig? Ich will nicht dass du traurig bist... Sera ist gegangen, weil sie so traurig war. Ich glaube es lag an Gorgus... Gorgus war nicht nett zu ihr. Er hat Dinge getan... ich meine: er TUT Dinge. Du bist hübsch... aber nicht so hübsch wie Sera... vielleicht hilft dir das. Gorgus mag hübsche Dinge. Er hat mir diese Puppe gemacht."


    Iulias Blick war auf einmal voll mit Trauer: "Wirst du auch gehen? Verina meint dass Gorgus dir dasselbe tun wird wie Sera. Ich will das nicht... er hat sie zum weinen gebracht... und auf einmal war sie nichtmehr da. Ich will nicht mehr alleine sein... Gorgus meint Blutoh würde uns alle holen, und dann wäre all das hier vorbei... wann kommt Blutoh? Wann kommt Blutoh? Wann kommt Blutoh?"


    Die letzten Worte wiederholte sie immer wieder... stammelte vor sich hin, in kindlicher Manie gefangen. Wieder ergriff sie ihre Puppe, und strich ihr durch das brüchige Haar... schließlich fasste sie sich wieder, und wieder galt ihr Blick der Frau die sie so verständnislos anblickte: "Wir werden alle sterben."

  • Spielen wollte sie, nur spielen! Das Kind sah mich etwas verständnislos an und begann dann von Sera zu sprechen. Mir dämmerte langsam, wer oder was diese Sera war. Meine Vorgängerin also, eine Frau, die die Piraten auch entführt hatten und die sie hier gefangen gehalten hatten, bis sie gegangen war . Wohin war sie gegangen? Ich fand nicht den Mut, das Kind danach zu fragen. Meine Bedenken, ihr gegenüber hatte ich beiseite gelegt. Ich sah schon Gespenster, wo gar keine waren! Sie war doch nur ein Kind und sie tat mir so furchtbar leid. Sie mußte in dieser Hölle aufwachsen und war tagtäglich mit der Gewalt konfrontiert.
    "Ja, ich bin auch traurig, weißt du. Als die Männer mich entführt haben, da haben sie meinem Leibwächter und meiner Skl.. Freundin da draußen sehr weh getan. Außerdem möchte ich wieder nach Hause. Deshalb bin ich so traurig." Ich scheute mich, dem Kind die ganze Wahrheit zu sagen. Ich wollte es nicht auch noch dem Mord und Totschlag aussetzen.
    Es lag mit einem Mal so viel Trauer in ihren weichen Zügen und wieder begann sie zu erzählen. Sie sprach in Rätseln für mich, doch ich fand, es war meine Pflicht, sie zu trösten. "Nein, ich werde nicht gehen! Nicht ohne dich! Wenn ich gehe, dann nehme ich dich mit, fort aus dieser Hölle!" Ich versucht ihr wieder Mut zu machen und zwinkerte ihr zu. Dabei fragte ich mich, wie ich es alleine schaffen sollte, von hier fort zu kommen. Ich wußte ja nicht einmal, wo genau ich war. Wie sollte ich jemandem Mut machen, wenn ich selbst keinen mehr besaß? Das Mädchen mußte das gespürt haben, denn sie ließ sich nicht so einfach wieder froh stimmen. Immer und immer wieder begann sie von Pluto zu sprechen, wiederholte dies so oft, daß ich es kaum mehr hören wollte. "Wer ist eigentlich Varinia und was hat denn Gorgus mit Sera gemacht?" unterbrach ich sie. Im gleichen Atemzug verfluchte ich mich wieder für diese Fragen. Sie würden wahrscheinlich kaum ihrer oder meiner Beruhigung dienen.
    Letztendlich schockierte sie mich mit ihrer Prophezeiung. Wir werden alle sterben! Nein, ich konnte nichts mehr darauf sagen! Ich wollte nur noch hier weg! Ich erhob mich wieder und wollte hinaus spähen, was draußen vor sich ging.

  • Draußen ging immernoch der Trubel vor sich, den zwei beladene Schiffe mit sich brachten. Die Männer standen im Wasser und reichten über Ketten die Ballen, Amphoren und Bündel weiter die sie die lange Reise von Ostia hergeschafft hatten.
    Die Ausbeute war legendär, die Ware war durchaus in der Lage der Meute das Leben auf monate hinaus angenehmer zu gestalten. Und darum ging es schließlich hier.
    Es war nun nicht unbedingt eine Piratenmeute die unglaublichen Wohlstand anhäufen wollte, es war eine Meute die aus dem Prinzip bestand das Leben wahrzunehmen solange es einem wohl gesonnen war. Niemand hier machte sich Illusionen darüber auf ewig so weitermachen zu können, man beschritt einen Weg der so zielstrebig ins Verderben führte dass man sich "totgeweiht" auf die Stirn ritzen konnte ohne zu übertreiben. Nur der Weg dorthin sollte so angenehm wie möglich sein.


    Die Sklavin der Frau konnte sich bisher schönster Ignoranz erfreuen, denn niemandem stand jetzt der Sinn nach gewalttätiger Befriedigung der eigenen Triebe.


    In der Menge, etwa vierzig Menschen, konnte man einige Frauen erkennen, die mithalfen wo sie nur konnten. Kinder waren bis auf Iulia vollkommen abwesend. Obwohl es durchaus verheiratete Paare gab, wie Scipio und Verina bewiesen, die damit einen kleinen Rest ihres bürgerlichen Lebens in dieses neue mitgenommen hatten. Doch an Kinder wollte hier keiner denken, ein letztes bißchen Respekt vor dem neuen Leben war geblieben, und niemand wollte geliebte Wesen in die Welt setzen um sie gleich der Hölle auszusetzen. Umso grauenvoller waren die Mienen als Gorgus Iulia mit von einer Kaperfahrt gebracht hatte. Verständnislos hatte die Truppe reagiert, doch wagte niemand das Urteil anzuzweifeln.


    Inmitten des Trubels stand Gorgus und besah sich die Arbeit die verrichtet wurde, sein Blick war vollkommen frei von Stolz, wusste er doch von Anfang an dass funktionieren würde was er erdacht hatte.
    Im Moment war die Leere in ihm, die er jedes Mal empfand wenn ein Plan vollbracht war, und gerade diese Momente waren es die besonders gefährlich waren, denn Gorgus' Geist kannte keinen Müßiggang. Sobald die Arbeit getan war, würde die Heimkehr der Truppe gefeiert, und es zeichnete sich ein langer Abend ab, und eine noch längere Nacht.


    Es war die Nacht, die der Frau am meisten Sorgen machen sollte. Nicht dass Gorgus Probleme damit hatte sich am helligsten Tag zu nehmen was er wollte, nein. Aber bis dahin stand noch einiges an...


    Gorgus' Blick schweifte zu Iulias Hütte, die Kleine hatte die Frau mitgenommen, wahrscheinlich um zu spielen. Er lächelte, war Iulia doch ein kleiner Anker in seinem Leben der ihn daran erinnerte was er war: ein Mensch.
    Die Frauen, die er sich in den Jahren zuvor gehalten hatte erinnerten ihn ebenso an den Menschen Gorgus. An den Menschen mit Trieben. An den Menschen mit der dunklen Seite.
    Iulia stand für das Licht in Gorgus Leben, das in etwa die Position einer kleinen Kerze in einer mit schwarzem Rauch erfüllten Welt einnahm, und er war immer wieder dafür dankbar dass er sie gefunden hatte, obwohl das Wort "Dankbarkeit" bei Gorgus in etwa den gleichen Wert wie "illyrischer Hartpflaumenwachs" einnahm.


    Er wartete... die Sonne kroch das Firmament entlang, und wie eine Sanduhr rann die Zeit dahin die die beiden Frauen sich noch an ihre Vergangenheit unter Menschen klammern konnten. Der Abend kam... und Gorgus würde wollen.


    Und sich nehmen.

  • Durch einen schmalen Spalt konnte ich das geschäftige Treiben, draußen beobachten. Ich sah, wie die Männer ihr Beutegut vom Schiff schaften und es an Land brachten. Auch Frauen konnte ich unter ihnen vereinzelt erkennen. Wie konnten sie hier nur so leben? Ich fragte mich, wie es Ylva ging. Warum hatte man sie nicht auch hier in diese Hütte gebracht? Ich mußte versuchen, zu ihr zu kommen, um dann einen Plan für unsere Flucht zu erstellen. Doch bei Tage war das ein Ding der Unmöglichkeit. Ich mußte es nachts probieren, wenn alles schlief.
    Das kleine Mädchen hatte keine meiner Fragen beantwortet. Sie war längst wieder im Spiel mit ihrer Puppe vertieft. Sie erinnerte mich ein wenig an meine eigene Kindheit. Ich war als einziges Mädchen unter einer wilden Horde von Jungs aufgewachsen und mußte daher auch des Öfteren alleine mir meinen Puppen spielen. Natürlich waren meine Puppen viel schöner und edler gewesen, als diese notdürftig zusammengebundene Puppe aus Stroh. Sie waren mein ganzer Stolz gewesen und als ich sie am Vorabend meiner Hochzeit den Flammen übergeben mußte, blutete mir mein Herz.
    Für eine unbestimmte Zeit lang, beobachtete ich sie, wie sie auf dem Boden kauernd der Puppe Leben einhauchte, fernab von jeder Realität. Dies war die einzige Art und Weise dem Wahnsinn wenigstens zeitweise zu entgehen. Schließlich setzte ich mich wieder zu ihr und begann mit ihr zu spielen. Dies half auch mir, den Wahnsinn wenigstens für kurze Zeit beiseite schieben zu können. So bemerkte ich auch nicht, wie allmählich Die Sonne unterging und auf leisen Schritten die Nacht herein brach. Erst als es fast zu dunkel war, um etwas sehen zu können, sah ich mich nach einer Lampe um. "Gibt es eine Lampe hier? Es ist schon so dunkel. Man kann kaum noch die Hand vor Augen sehen!" Während des Spiels war ich unaufmerksam geworden und hätte fast vergessen, wo ich war du was man mir und Ylva angetan hatte. Meine Sklavin hatte bisher am meisten gelitten. Sie war wirklich zu bedauern. Insgeheim hoffte ich, mir würde dergleichen erspart bleiben. Aber nein, niemand würde es wagen, mich anzufassen! Ich war eine Flavia! Ich entstammte einer vornehmen Familie, die bereits drei Kaiser gestellt hatte und schon bald würde ich die Gemahlin eines Senators sein! Nein, für mich würde man Lösegeld fordern. Wie ich meine beiden Onkel kannte, würden diese sich nicht lumpen lassen und bald schon wäre ich wieder zurück, in meiner altgewohnten Umgebung mit allen Annehmlichkeiten, die man sich vorstellen konnte.

  • [Blockierte Grafik: http://img244.imageshack.us/img244/4470/de564537de5b0efcf710c3bae2.gif]


    Ylva hatte in jenem Augenblick gehofft, da ihr Körper über Bord geworfen wurde, sie würde bis auf den Grund sinken und dort bleiben, bis Hel sie geholt hatte. Allerdings wurde ihr Körper wieder aufgetrieben. Eine Hand hatte nach ihr gegriffen und sie mit an Land gezogen. Am Strand blieb sie liegen und rührte sich nicht mehr. Ihre Herrin rief nach ihr, doch sie brachte es nicht fertig, die verquollenen Augen zu öffnen. Hel, komm und hol mich! Das war ihr einziges Bitten. Wieder spürte sie, wie ihr Körper mühevoll weiter an Land gezogen wurde. Es war Celerina, ihre Herrin, die mit all ihren Kräften versuchte, sie vom Strand fort zu bringen. Hier in der prallen Sonne konnte Ylva nicht liegen bleiben! Einige wenige passus konnte sie ihre Sklavin fortbewegen, brach aber dann erschöpft zusammen und blieb neben ihr liegen. Ylva vernahm von weitem eine Mädchenstimme, die etwas fragte. Auch hörte sie die Antwort ihrer Herrin. Ihre Herrin gehörte jemandem, der Gorgus hieß? War am Ende ihre Herrin auch zu einer Sklavin geworden? Bald bemerkte Ylva, daß sie nun alleine am Strand war. Celerina war verschwunden. Wieder einmal hatte sie sie im Stich gelassen. "Hel, komm und hol mich!" rief sie laut. Nun war sie allein, der prallen Sonne ausgeliefert. Zurückgelassen zum sterben.


    War es nun Hel oder eine andere Gottheit, oder vielleicht war es auch ein Sterblicher, der sich ihrer annahm. Eine starke Hand packte sie schließlich und zog sie weg vom Strand, hiein in den Schatten. Es musste eine Art Behausung gewesen sein. Jedenfalls war es einigermaßen erträglich und es herrschte Stille.
    Die Germanin war unfähig, sich zu bewegen. Jedes einzelne ihrer Glieder schmerzte bei der kleinsten Bewegung. Vorsichtig versuchte sie, ihre Augen zu öffnen. Ihr Gesicht brannte, wie Feuer. Es war, als hätte man ihr die Haut abgezogen.
    Sie fand sich schließlich in einer primitiv gebauten Hütte wieder. Wenigstens bot sie ihr Schutz gegen die Sonne und gegen die Blicke der Bestien. Sie schloß ihre Augen wieder und schlief ein.

  • Was ist diese Seuche,
    in unserer Mitte,
    wandelnd in Unrat.
    Nichts erscheint mehr richtig
    Ich fordere Erlösung!


    Die Abenddämmerung lag schwer in der Luft, die Sonne schien in ihrer Röte in der Luft zu verharren, einen unnatürlichen Kampf gegen die Dunkelheit streitend. Fast als hätte sie Mitleid und Sorge um das Schicksal der beiden Frauen, die von Gorgus und den seinen aus ihrem Leben gerissen wurden.
    Der Lauf der Welt machte klar: sie würde versagen. Die Dunkelheit, die in dieser Umgebung immer spürbar, aber des Tages nicht greifbar war, hatte ihren Siegeszug angetreten als die Piraten diesen Flecken Erde in den Vorposten der Hölle verwandelt haben, wenige Meter dem Acheron entrissen und in die irdische Welt geholt, um von hier Tod und Verderben über das Meer zu verbreiten, das sich die Menschen zu eigen gemacht hatten.


    Ich kenne diese Dunkelheit um meiner selbst,
    ich spürte sie schon vor Zeiten,
    die Macht ist dem Dunklen,
    mich nieder zu strecken.


    Mit zunehmender Dunkelheit fanden sich die Wesen dieser Gestade am Strand ein, der vor wenigen Stunden noch voll der Arbeit war. Nun war er ruhig, das Wasser führte seinen ewigen Kampf mit dem sandigen Boden der Lagune, es schien fast friedlich.
    Fast.
    Die ersten Fässer Wein, die herangerollt wurden, besiegelten das Schicksal dieser flüchtigen Ruhe. Lange dauerte es nicht, und die ersten Geschichten wurden erzählt, man saß beieinander, trank, aß, ließ das Unheil der letzten Tage seine Wirkung entfalten.
    Die Männer hatten vorerst genug der Ergötzung am verwundeten Körper der blonden Frau, man hielt Sitzung über das was kommen möge... vor dem Untergang. Die nächste Raubfahrt, es war keine Frage, es war so sicher wie der Aufgang der Sonne, die in neuem Bestreben die Dunkelheit dieser Welt von dannen zu treiben. Gorgus saß bei den seinen, still, wie immer, man wartete nicht darauf dass er etwas sagen würde. Sein Part war es das Vorhaben in realistische Bahnen zu lenken, dafür zu sorgen dass ihre Höllenfahrt nicht zu schnell voranschritt, der Fährmann, der seinen knorrigen Lenkstecken in die vor Blut und Tod schlammigen Gründe des Flusses steckte.
    Was er wollte waren keine Münzen, es war das Leid dass ihm Lohn genug für sein Tun war.


    Still stehe ich, die Tore weit offen,
    den Schmerz fühlend, bar jeder Bewegung,
    Angst empfindent, stehe ich still,
    Beginne es!
    Besser als nichts.


    Die Dunkelheit hatte den Ort in festem Griff, und Gorgus erhob sich.
    Kein Blick folgte der Figur des Führers, man wusste was kam.
    Die Schritte zur Hütte, sie waren viele, und doch nicht genug um aufzuschieben was kommen würde. Die Tür, ein Menschenwerk aus Holz, und doch würde sie nicht halten was sie versprach. Still stand sein Schatten im Licht der Feuer vom Strand, die wenigen Öllampen konnten nicht erhellen was von unirdischer Dunkelheit umgeben war.
    Iulia verstand sofort... das Mädchen packte seine kleine Puppe, wortlos, keinen weiteren Blick der Frau schenkend deren Schicksal so düster war wie die Nacht dort draußen. Sie drängte sich an Gorgus vorbei, und suchte Zuflucht in den Hütten der Menschen die sich ein wenig Menschlichkeit erhalten hatten.
    Die Frau war allein.


    Sehen, ich kann es nicht mehr,
    auf all diese Schrecken,
    doch offen sind meine Augen, kein Lid wagt sich zu schließen,
    vor diesem Schrecken der Schande,
    Spüre den Schmerz, das Leben schwindet,
    wenn wir unseren Schrecken begegnen.


    Eine kleine Bewegung, es reichte. Er war bei ihr, an ihr, überall.
    Gorgus wollte. Und er nahm.
    Seine Augen, im Schein der Öllampen hohl wie schwarze Löcher in einer Welt die an Dunkelheit.
    Die nächste Bewegung, in Fetzen lag die Tunika der Frau im Raum, in Fetzen lagen die Stücke Stoff die vormals Gorgus ein menschliches Antlitz gegeben hatten. Sein Atem auf ihrer Haut, kein Gestank der Hölle strich über den Körper der Frau, es war mehr Eiseskälte die sich dort breitmachte wo Lippen und Zähne der Frau an Intimität nahmen was sie sich bis dahin erhalten hatte können.
    Gorgus Hände suchten und fanden, jeder Flecken des weiblichen Körpers war Opfer und Beute, mit jedem Griff wurde Zerbrechlichkeit zerstört, Anmut entrissen, Würde geraubt.
    Gorgus wollte. Und er nahm.
    Es war ein Fest. Jeder verzweifelter Versuch das von Göttern geschenkten Heiligtum zu schützen, es war ein Akt der Hilflosigkeit. Und machte Gorgus nurnoch wilder...
    Bewegung folgte auf Regung, und doch schlug er nicht zu. Das hatte man nur nötig wenn man sich seiner Beute nicht sicher war, und Gorgus war ein Tier, ein wilder Wolf der zielstrebig und mit animalischer Gnadenlosigkeit eroberte was zuvor anderen gehörte.
    Jede Bewegung der Frau, erstickt im Ansatz, dies war keine Vorstellung von Zweisamkeit, dies war kein Kampf ebenbürtiger Gegner, dies war eine Hinrichtung. Eine Hinrichtung der Unschuld.
    Der Körper der Frau, durch schiere Gewalt auf den Boden gedrückt, durch grenzenlose Wildheit genommen, durch unbändige Lust seiner letzten Geheimnisse beraubt, er war nichtmehr.
    Gorgus schrie. Der Mann, der sein Mundwerk so selten gebrauchte wie sonst nur ein Eremit auf den Felsen des Helikon, er schrie. Die Ekstase seiner Taten gipfelten in einem markerschütterndem Schrei, die Zuflucht des Menschengeschlechts, von dannen gefegt durch die Abgründe männlicher Macht.
    Gorgus wollte. Und er hatte sich genommen.


    Der Ekstase folgte Stille. Das angestrengte Atmen von Gorgus verhallte im Raum, der sich langsam an Wirklichkeit zurück gewann. Es blieb kein Moment zweier Menschen, die sich in Gewalt und Wildheit vereint hatten. Gorgus zog sich zurück, verließ die Hütte, kein Blick zurück, nicht einmal ein Gedanke an das was geschehen war verließ die vier Wände.
    Er stürzte sich ins Wasser, ließ die kalten Fluten den Schweiss von seinem Körper waschen, die Kühle seine Sinne beruhigen, ihn wieder Mensch werden nach seiner Tat. Er reinigte sich selbst von den Spuren der vergangenen Gräuel, um Platz zu schaffen für den Schmutz der da kommen möge... und würde.


    Beginnt es!
    Besser als nichts.
    Ich kann nicht mehr schauen,
    all diese Schrecken.

  • Das Mädchen spielte weiter, ohne mich und meine Frage zu beachten. Sie war zu vertieft in ihrem Spiel. Nicht daß ich vor der Dunkelheit Angst gehabt hätte. Nein, das war es nicht. Ich war es einfach nur gewohnt, nie im Dunkeln zu sitzen. Stets hatten die Sklaven dafür gesorgt, daß der helle Schein einer Lampe meine Umgebung beleuchtete. Und doch beschlich mich ein ungutes Gefühl. Jedes Geräusch ließ mich aufschrecken. In der Dunkelheit hörte sich alles so fremdartig an.
    Voller Anspannung erhob ich mich, um noch einmal hinausspähen zu können. Draußen hatte sich die Geschäftigkeit des Tages gelegt und von weitem konnte man bereits wieder das Grölen der Männer hören, welches sie von sich gaben, wenn sie wieder dem Alkohol in Massen frönten.
    Mein erster Gedanke galt wieder Ylva. Ich bat die Götter darum, daß man sie wenigstens diese Nacht verschonte. Doch um ehrlich zu sein, hatte ich kaum mehr Hoffnung. Wieder kam mir der Gedanke zu fliehen. Irgendwie mußte es uns doch gelingen, aus dieser Hölle zu entkommen! Mein Blick fiel wieder auf das kleine Mädchen. Sie saß weiterhin spielend am Boden und nichts konnte sie davon abhalten, so schien es jedenfalls. Wenn ich mich rettete, dann wollte ich sie mitnehmen. Ich konnte doch dieses Kind nicht hier belassen!
    Nachdenklich setzte ich mich wieder in meine Ecke und starrte in die Dunkelheit. Das spielende Kind, wie es mit seiner Puppe sprach und es seine Puppe sprechen ließ untermalte den Hintergrund. Ich achtete nicht darauf, was sie erzählte. Vielmehr dachte ich angestrengt darüber nach, wie ich von hier verschwinden konnte und möglichst auch noch Ylva und die Kleine retten konnte. Mir wurde nicht bewußt, als sich die Tür zu der Hütte öffnete und der Umriss eines Mannes erschien. Erst als das Spiel des Mädchens erstarb, sah ich fragend zu ihr hinüber. "Was… Wo.. wo gehst du hin?" Ich sah ihr unverständlich nach, wie sie wortlos aus der Hütte verschwand und sich vorher noch an der Gestalt vorbeidrängelte.
    Der Anblick der dunklen Gestalt flößte mir einen gehörigen Schrecken ein. Mit dem Rücken drückte ich mich ängstlich an die Wand, so als wolle ich eine Fuge finden, durch sie ich entrinnen konnte. Doch eine solche gab es nicht. Meine Augen weiteten sich, als er auf mich zu kam. Mit zittriger Stimme forderte ich ihn auf, sich zu erklären, doch ich mußte sogleich feststellen, daß dies in seinen Kreisen nicht üblich war. "Wer bist du? Was… Ich bin Flavia Celerina und mein zukünftiger Gemahl ist der Senator… Aaahh!" Die Gestalt gebärdete sich als wildes Tier, welches mir sogleich die Lumpen vom Leib riß, nachdem er es bei sich gleichgetan hatte. Ich schrie nur noch, als er sich auf mich stürzte, wie ein ausgehungerter Wolf. Verzweifelt versuchte ich mich zu wehren, um mich zu schlagen und zu treten. Doch je größer mein Widerstand war desto wilder wurde sein Auftreten. Gnadenlos nahm er sich, was er wollte. Irgendwann hatte ich damit aufgehört, mich zur Wehr zu setzen. Leblos, wie die Puppe des kleinen Mädchens, ließ ich mit mir tun und lassen, was er wollte. Mein glasigen Augen starrten ins nichts. Irgendwann spürte ich nichts mehr und hörte nichts mehr, was um mich und mit mir geschah. Selbst der durchdringende Schrei des Mannes, als er seinen Gipfel der Lust erreichte, konnte mich nicht mehr erfassen.


    Wie ein Stück Abfall hatte er mich zurückgelassen, als er die Hütte verließ. An diesem dreckigen Ort lag ich da, beschmutzt, entehrt und gedemütigt. Niemand war da, der mir zur Hilfe kam. Bewegungslos mußte ich eine halbe Ewigkeit dort gelegen haben und irgendwann begann ich zu wimmern. Ein Fluß aus Tränen rann mein Gesicht hinunter. Leise rief ich die Namen meiner Sklavin. Doch niemand kam. Am frühen Morgen, als es bereits dämmerte fand ich endlich etwas Schlaf. Vielmehr schaffte ich es nicht mehr, meine Augen aufzubehalten. So glitt ich hinab in einen traumlosen Schlaf.

  • Stunden mußten vergangen sein, in denen ich am Boden der Hütten liegen geblieben war, so wie der Kerl, der mich vergewaltigt hatte, zurückgelassen hatte. Irgendwann, als meine Tränen versieg waren, hatte ich die Augen geschlossen und war in einen Schlaf hinab gesunken.
    Es mußte bereits Nachmittag gewesen sein, als ich aufwachte. Ich war alleine. Zitternd versuchte ich, meinen entblößten Körper mit den Fetzen die einst eine Tunika gewesen waren, zu bedecken. Das, was in der Nacht zuvor mit mir geschehen war, war immer noch allgegenwärtig. Mit Schrecken dachte ich daran, was wohl in der kommenden Nacht mit mir geschehen würde. Nur ein Gedanke beseelte mich, ich muß hier weg!
    Vorsichtig kroch ich zur Tür und warf einen Blick hinaus. Draußen herrschte, wie am Tage zuvor ein hektisches Treiben. Wahrscheinlich wollten die Piraten bald wieder zu ihrer nächsten Kaperfahrt aufbrechen. Das war für mich die Chance, unbemerkt zu entwischen! Doch noch bevor ich nur einen Schritt vor die Tür der Hütte setzen konnte, verließ mich die Angst. Was, wenn sie mich erwischten? Schlimmer, als die letzte Nacht war, konnte es nicht mehr werden! Wenn ich hier bliebe, dann konnte ich gewiss sein, was man mir in wenigen Stunden wieder antun würde. So nahm ich all meinen Mut zusammen und schlich hinaus.
    Mein nächster Gedanke galt Ylva. Wo hatten sie sie hingebracht? Womöglich hatte man sie einfach am Strand liegen lassen. Vielleicht war sie bereits tot. Eine Stimme in mir sagte, ich sollte auf meine Sklavin keine Rücksicht nehmen. Viel wichtiger sei es nun, meine eigene Haut zu retten. Doch mein Gewissen sagte mir, es sei falsch, sie zurückzulassen. Ich hatte sie schon einmal im Stich gelassen. Ein zweites Mal konnte ich dies nicht tun! Sie war meine Sklavin. Ich war für sie verantwortlich. All die Jahre hatte sie mir treu gedient. Sie jetzt fallen zu lassen, wäre einfach schändlich gewesen!
    Ich versuchte, unbeobachtet an den Strand zu kommen, um dort Ylva zu finden. Doch dieses Unternehmen, was von Anfang an schwierig gewesen war, brachte mir die Ernüchterung, da ich meine Sklavin dort nicht antraf. Wo konnte sie nur sein? Vielleicht in einer der Hütten? Doch als ich sah, wie viele Hütten es gab, schwand wieder mein Mut. Die innere Stimme, die sagte, ich sollte meine eigene Haut retten, wurde wieder lauter. Aber davon wollte ich nichts hören. Ich mußte Ylva finden, koste es, was es wolle! Notgedrungen beschloß ich, mir die Hütten etwas genauer zu betrachten. Ich ließ äußerste Vorsicht walten, um nicht entdeckt zu werden, als ich mich wieder vom Strand entfernte. Jedoch wurde ich mit der Zeit unvorsichtiger da ich, je länger ich suchte, niedergeschlagener wurde. "Ylva, bist du hier?" flüsterte ich und hoffte eigentlich gar nicht mehr damit, eine Antwort zu erhalten. Doch dann hörte ich eine schwache ersterbende Stimme, "Ja..., Herrin…, ich… ich bin hier!"

  • Gorgus hatte keinen einzigen Gedanken mehr an die letzte Nacht verschwendet. Für ihn war es vollkommen natürlich, sich zu nehmen was er wollte, und so war ihm das geschehene auch mehr als nur gleichgültig. Ein klein wenig Anerkennung hatte er sich abgerungen, für die Länge der Gegenwehr, die die Frau geleistet hatte, doch war diese Anerkennung im Meer untergegangen, mit dem Gorgus sich für kommende Taten gereinigt hatte.


    Nun stand er hier am Strand und überblickte die Schiffung der Karpfen, mit der sie heute einen kleinen Ausflug aufs Meer machen wollten... es war nicht so als hätten sie es bitter nötig gehabt, doch war eine kleinere Fahrt nach einer größeren immer etwas was sie zurück auf den Boden der Tatsachen holte... so auch dieses Mal.


    Es entging ihm nicht dass sein neuster Zugang sich selbstständig machte, und im Lager der Gruppe umherwandelte. Es war nicht so, dass sie niemand entdeckte. In dieser Lagune konnte man nicht einfach unentdeckt durch die Gegend laufen, vor allem weil die Frauen quasi immer an allen möglichen Stellen mit Haushaltskram zu tun hatten, während die Männer sich mit der See und Männerkram beschäftigen, nein. Die Lagune war einfach zu klein, man war unter sich, wenn man von Gorgus Hütte am linken Ausläufer mal absah.
    Er folgte ihr mit seinem Blick, und schon bald fand er heraus wonach sie eigentlich suchte: nach ihrer Sklavin, die den Männern am vorigen Abend noch recht egal gewesen war. Nach ihrer Rückkehr heute würde das natürlich wieder anders aussehen... kurz starrte er ihr noch nach als sie in die Hütte trat, und rechnete fast damit dass eine der Frauen sie wieder verjagen würde, was aber nicht geschah. Warum auch immer. Er wandte sich wieder dem Schiff zu, was nun ablegebereit vor ihm lag... die Schritte durch das Wasser zum Boot waren schnell gegangen, und bald stand er am Heck und gab das Kommando für die Ruder... langsam aber sicher schob sich die Karpfen aus der Lagune heraus.


    Keinen Blick warf Gorgus zurück zu der Stelle an dem die Frau, SEINE Frau, verschwunden war. Sie würden sich noch früh genug wiedersehen...

  • Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht Ylvas Stimme zu hören! Ich blieb stehen und blickte mich suchend um. Die schwache Stimme mußte aus der Hütte vor mit gekommen sein. Ich vergewisserte mich, daß niemand mich sah, als ich die Hütte betrat. Tatsächlich, da lag meine Sklavin. Diese widerlichen Kerle hatten sie furchtbar zugerichtet. Neben ihrem Lager stand eine Schale mit Essen. Ylva hatte wohl nichts davon angerührt. Es mußte auch schon längere Zeit dort stehen, denn ein Heer von Fliegen hatte sich bereits darüber hergemacht und kleine gelbe Maden tummelten sich darin. Der Anblick des Essens verursachte in mir Übelkeit und voller Ekel wandte ich meinen Blick ab.
    "Ylva, den Göttern sei Dank! Da bist du ja! Ylva, wir müssen hier weg! So schnell es geht! Hörst du Ylva!" Meine Sklavin regte sich kaum noch. Ihre Augen waren dick geschwollen und hatten eine bläuliche Färbung angenommen. Bei ihrem Anblick graute es mir bereits vor der nächsten Nacht. In der letzten war sie anscheinend noch einmal davon gekommen. Was würde aber die bevorstehende Nacht bringen?
    "Ja, Herrin. Ich … laß mich hier Herrin. Ich sterbe sowieso!" hauchte sie. Mir trieb es die Tränen in die Augen und ich schüttelte entschlossen den Kopf. "Nein Ylva, du wirst hier nicht sterben! Wir werden gerettet werden! Du und ich! Jetzt komm!" Ich half ihr, sich aufzurichten, als ich plötzlich hinter meinem Rücken eine raue, weibliche Stimme vernahm. "Hier wird niemand gerettet! Scher dich weg und sie zu, daß du wieder in deine Hütte kommst!" Ich erstarrte. Was sollte ich jetzt nur tun? Wer wußte, ob ich noch einmal die Gelegenheit bekam, zu Ylva zu gelangen?
    Mit einem Satz sprang ich auf, ballte meine rechte Hand zu einer Faust und schlug sie der Frau, so fest es ging, mitten ins Gesicht. Damit hatte sie wohl am wenigsten gerechnet. Überraschend ging sie zu Boden und blieb dort eine Weile reglos liegen. Mir fiel ihr Doch auf, dessen Scheide an ihrem Gürtel befestigt war. Ich nahm ihn an mich und gab den Dolch Ylva. "Hier halt ihn fest und laß ihn nicht fallen!" Dann versuchte ich Ylva aufzurichten um sie zu meiner Hütte zu schleppen, bevor die Frau wieder aufwachte.
    Es kostete mich eine Menge Kraft, bis ich mit meiner Sklavin die Hütte wieder erreicht hatte. Dort legte ich sie auf mein Lager und gab ihr etwas Wasser. Sie mußte wieder zu Kräften kommen, damit sie mit mir fliehen konnte. "Wir schaffen das, Ylva!" sagte ich ihr aufmunternd zu und lächelte dabei. Ylva nickte nur. "Ja, Herrin."
    Ich war voll der Hoffnung, auch diese schwierige Situation irgendwie meistern zu können. Ylva mußte sich nur ausruhen und dann konnten wir von hier weg, noch bevor der Abend anbrach. Ich setzte mich neben sie und beobachtete sie für eine Weile. Dann wurde ich aber doch schläfrig und nickte ein. Es war ein sanfter, wohltuender Schlaf, den ich wieder genießen konnte, denn ich wußte, bald würden wir dieser Hölle entkommen können.


    Irgendwann, es mußte bereits früher Abend gewesen sein, wachte ich wieder auf und wollte sogleich auch Ylva wecken. Doch es war, wie in meinem schlimmsten Alptraum. Nein, es konnte nicht sein! Es durfte nicht sein! Alles war voller Blut! Auf dem Boden hatte sich ein riesiger Blutsee gebildet. Der Stoff von Ylva Tunika war vollgesogen mit dem Blut, welche die Wunden an ihren Handgelenken verursacht hatten. Ich war dem Wahnsinn nahe, raufte mir die Haare und stieß einen entsetzlichen Schrei aus!

  • [Blockierte Grafik: http://img244.imageshack.us/img244/4470/de564537de5b0efcf710c3bae2.gif]


    Dumpfe Geräusche waren an Ylvas Ohr gedrungen, die aber nicht ausreichend waren, sie vollends zu wecken. Sie lag da, in einem Dämmerzustand, aus dem sie nicht wieder erwachen wollte. Spätestens nach dem die wilden Kerle über sie hergefallen waren, ihr das letzte Stückchen Ehre, welches sie tief in ihrem Inneren gehütete hatte, nahmen, sie quälten und fortwährend mißbrauchten, hatte sie all ihren Lebensmut verloren. Den einzigen Wunsch, den sie nun hatte und den sie jemals gehabt hatte, war es, zu sterben. In ihrem Leben hatte es nicht viel gegeben, was sie sich hätte wünschen können. Die Freiheit vielleicht. Doch sie war so sehr an ihr Leben gewöhnt, so wie es war. Schwerlich hätte sie es sich anders vorstellen können. Auch wenn sie manchmal darüber nachdachte, wie es sein mußte frei zu sein. Sie hatte früh lernen müssen, mit dem zufrieden zu sein, was sie hatte und daher glaubte sie auch nicht, ihr würde etwas fehlen. Doch nun war dieser eine Wunsch geboren und wenn sie es recht bedachte, war es für sie eine Möglichkeit, Freiheit zu erlangen.


    Der Geruch von Essen war an ihre Nase gedrungen. Jemand mußte ihr etwas gebracht haben und es neben ihr Lager gestellt haben. Doch Ylva war bereits an einem Punkt angelangt, an dem sie keiner Nahrung mehr bedurfte. So überließ sie es den Fliegen, die sich vielleicht nun weniger für sie interessierten, denn für das Essen in der Schale.
    Ein Tag endete und eine Nacht begann und nichts geschah. Ylva wähnte sich bereits bei den Ihren. Hatte Hel sie schon zu sich genommen? Für einen Moment öffnete sie ihre Augen und sah, daß es nicht so war. Die Nornen mußten es mit ihr gut gemeint haben. In dieser Nach hatte die Besten sie nicht geholt. Ob dies ein Segen war, daran wollte Ylva keinen Gedanken verschwenden. Für sie gab es nichts mehr, wofür es sich gelohnt hätte, zu überleben. Selbst ihre Herrin gab ihr dazu keinen Anlaß, denn sie war doch auch verloren! Der Gedanke an eine Flucht, war Ylva erst gar nicht gekommen. An Flucht hatte sie niemals gedacht. So auch jetzt nicht. Sie hatte immer das Leben gelebt, welches man ihr zugedacht hatte.
    Der nächste Morgen kam. Die Sonnenstrahlen, die auch vor Ylva Hütte nicht haltgemacht hatten, begrüßten den neuen Tag, der noch mit all seiner Unschuld den Menschen bevorstand. Für manch ein Leben sollte er der Erste sein, für einige aber auch ihr Letzter.
    Ylva verschloß sich vor den Sonnenstrahlen. Sie ließ ihre Augen geschlossen. Fast gleichmäßig ging ihr röchelnder Atem. Sie erwartete nicht mehr viel, von diesem neuen Tag, der doch gerade erst begonnen hatte. Ihre Hoffnungen kreisten um ein schnelles Ende.


    Als sie Celerinas Stimme hörte, wähnte sie sich im Traum. Sie antwortete, wie sie es immer getan hatte. Niemals hätte sie es gewagt, ihre Herrin zu ignorieren. Doch die Kraft, etwas zu tun, etwas zu bewegen, sich zu bewegen, die war ihr längst verloren gegangen.
    Sie spürte, wie eine fremde Kraft sie mühevoll wegzuschaffen versuchte, wie man ihr einen kalten Gegenstand in die Hand drückte, den sie festhalten sollte. Sie tat es, was man ihr sagte, so wie sie es immer getan hatte. Leicht öffnete sie die Augen und erkannte Celerina, die sie aufgerichtet hatte. Mit ihren letzten Kräften verließ sie die Hütte, gestützt auf ihre Herrin um an einem anderen Platz wieder zu Boden gelegt zu werden. Sie wußte nicht, wo sie war. Sie spürte das Naß auf ihren ausgetrockneten Lippen. Ein letztes Aufflammen des Lebens. Ruhe kehrte wieder ein. Ylva öffnete noch einmal die Augen und erkannte das Geschenk in ihren Händen. Es war ein Dolch. Es war ein Geschenk der Götter und sie nahm es dankend an. Niemand konnte sie daran hindern. Zum ersten mal in ihrem Leben hatte sie die Wahl und sie wählte.
    Die Schnitte, die sie sich mit dem Dolch zufügte, taten nicht weh. Ganz entspannt blieb sie liegen und wartete… bis das bißchen Leben in ihr schwand.

  • Blut. Überall nur Blut. Ihr Leben hatte Ylva längst ausgehaucht. Nun lag sie leblos neben mit. Ganz bleich. Leblos ihre Augen. Der blutverschmierte Dolch lag neben ihr. Erst hatte ich sie noch wach rütteln wollen, doch sie hatte schon längst ihre letzte Reise angetreten. Nun war auch die letzte Hoffnung auf Flucht und Rettung dahin. Blieb nur noch die Frage, ob auch ich meiner Sklavin folgen sollte. Es war doch ganz einfach. Ylva hatte es vorgemacht. Ein kleiner Schnitt, ein wenig warten und schon schlich das Leben aus meinem Körper. Verführerisch, dieser Gedanke.


    Eine Weile hielt ich Ylva noch an mich gedrückt. So als könne ich ihrem kalten Körper noch etwas Wärme spenden. Häßliche Fliegen wollten sich bereits an ihr gütlich tun. Ich vertrieb sie.
    Nein, ich wollte Ylva nicht folgen! Noch nicht! Wenn ich hier in dieser elenden Hütte mein Leben aushauchen mußte, dann würde ich es nicht alleine tun! Entschlossen griff ich nach dem Dolch und setzte mich wieder neben Ylva. Sollten diese Bestien nur kommen! Wenigstens einen von ihnen wollte ich mitnehmen, wenn auch ich sterben würde. Ihr Anführer! Der, der mich auf solch niederträchtige Weise beschmutzt hatte. Ich wollte sehen, wie er starb. Der Augenblick seines Todes würde für mich wie ein Fest sein.
    Im Dunkel der Hütte saß ich, wartend mit dem Dolch in meiner Hand. Bereit um loszuschlagen.

  • Die Tür flog auf, und Gorgus stand in dem Stück Holz das mal eine Tür gewesen war... er hatte selten miese Laune. Sein Körper roch nach Qualm und Seewasser, die Kleidung wie immer nach solchen Fahrten blutverschmiert... er suchte sie.
    Er hatte Leute verloren. Nicht dass es ihn wirklich berührte, aber es ärgerte ihn, weil es ihm das Gefühl gab ihnen nicht gut genug beigebracht zu haben warum sie überhaupt hier waren... und die Tatsache dass die Classis nun wusste mit wem sie es zu tun hatte, versetzte ihn in eine Art düsteren Rausch. Das Ende kam... und zuvor wollte er noch einiges an Spaß mitnehmen.


    Er entdeckte Iulia, die ihn in eine Ecke gekauert anstarrte... dann fiel ihm die Frau auf, die am Boden lag. War das nicht die Sklavin? Sie war tot... auch dies tat Gorgus sofort ab, wo war die Frau? Iulia blickte ihn mit einer Panik an die er so garnicht bei ihr kannte... oder... sie blickte garnicht ihn an. Sie blickte an ihm vorbei... mit einer blitzschnellen Bewegung wandte Gorgus sich um, um der Frau zu begegnen die er sein Eigen nannte..

  • Ich war mir nicht bewußt, wie viele Stunden vergangen waren, seitdem Ylva nun tot war und ich das Messer an mich genommen hatte. Als es schon längst dunkel war, hatte sich leise die Tür geöffnet und das kleine Mädchen war herein gekommen. Als sie Ylvas Leiche sah, erschrak sie und wollte schon um Hilfe rufen. Ich konnte sie davon überzeugen, es nicht zu tun. Vielmehr hatte ich sie mit dem Messer bedroht, was mir mehr als schwer gefallen war. Sie war ein Kind, so klein und unschuldig und doch hätte ihr Geschrei mich verraten. Iulia hatte sich eingeschüchtert in eine Ecke verzogen und musterte mich schweigend, vorwurfsvoll. Ich selbst hatte nicht das Bedürfnis, zu reden. Nicht nachdem, was alles an diesem Tag geschehen war.


    Einige Zeit später fiel mir der Lärm draußen auf. Diese Bestien waren es. Offenbar waren sie von ihrer Beutefahrt zurückgekehrt. Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch dieser Mistkerl hier auftauchte. Ich hielt das Messer fest in der Hand und verschanzte mich hinter der Tür. "Du darfst mich nicht verraten, höst du Iulia, wenn du hier weg willst!", sagte ich zu dem Kind und hoffte darauf, sie würde noch zu mir halten, nach allem, was ich ihr angetan hatte.
    Schritte näherten sich. Die Spannung wurde unerträglich. Die Tür wurde aufgestoßen. Ich umklammerte das Messer mit meinen Händen. Jetzt zutoßen, rief eine Stimme in mir. Aber ich brachte es nicht fertig! Ich konnte es nicht! Mein Peiniger stand bereits mitten in der Hütte, starrte die Kleine an, die Kleine starrte mich an und in einer bltzschnellen Bewegung hatte er sich mir zugewandt. Jetzt war meine letzte Möglichkeit, das Schwein abzustechen. Meine Hand zitterte, mein Herz überschlug sich fast, ich war außer mir. Ich konnte es nicht! Ein jammervolles Häufchen Elend war ich! Sonst nichts!

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