Rotkäppchen und der Wolf

  • [reserviert]



    Nela war ungewöhnlich spät für einen ihrer Marktbesuche unterwegs. Sonst zog sie doch eher den Vormittag oder die frühe Nachmittagszeit vor. Aber es hatte sie einfach hinaus gezogen. Da ihr kein anderes Ziel einfiel als der Markt, war sie eben dorthin gegangen. Sie hatte zwar gern allein sein wollen und war ohne familiäre Begleitung losgezogen. Um nicht auf dem Markt angesprochen zu werden und damit sie auch keiner erkennen konnte und sie so nicht verpetzt wurde, hatte sie sich ein wenig maskiert. Sie war nicht als Sevilla unterwegs, in ihrem schicken römischen Gewand, sondern hatte sich als einfache Germanin gekleidet. Auch als Nela kleidete sie sich anders. Es war ihr wichtig keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Einfach eine unter vielen zu sein. Ein schlichtes Kleid aus Leinen in hellblauer Farbe, dazu die typischen beiden Gürtel, die das Kleid in Form hielten. An einen der Gürtel hatte sie einen Lederbeutel befestigt, der ein paar Münzen beinhaltete. Ihre Haare trug sie nur von zwei geflochtenen Zöpfen gehalten auf dem Rücken offen. In diese Zöpfe hatte sie breite rote Bänder eingeflochten. So getarnt, konnte sie ohne Begleitung unterwegs sein und würde nicht gleich in Verruf geraten. Damit auch keiner ihrer Familie bemerkt, dass sie fort ist, hatte sie sich durch den Hinterausgang weggeschlichen und war den Weg in die Stadt allein gegangen.


    Ein paar Tage waren seit der Hochzeit von Runa und Curio vergangen. Einige Neuigkeiten waren in der Zeit auf die Familie zugekommen und das Haus wirkte so viel voller als sonst. Nun ließ sie sich die frische Brise um die Nase wehen. Es war noch immer einiges los auf dem Markt, aber schon erheblich weniger als zu ihren sonstigen Besuchszeiten. Sie hatte gedacht es würde inzwischen ruhiger zugehen. Doch dem war nicht so. Nun, da die Tage langsam kurzer wurden, schienen die Menschen noch die letzten Sonnenstrahlen nutzen zu wollen und die Lust zum Einkaufen schien ihnen noch nicht vergangen. Sie besah sich die Stände, schlenderte langsam an ihnen vorbei und fand auch bald einen, der ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Dort lagen Lederarbeiten aus, kleine Schmuckstücke aus Leder und Silber. Eine dieser Arbeiten war ihr sofort ins Auge gefallen. Eben noch hatte sie einen Preis gehört, den der Verkäufer eine römischen Dame genannt hatte. Es war nicht eben günstig gewesen, aber es gefiel ihr so gut, sie würde es auch dafür kaufen. Damit sie aber in ihrer Tarnung nicht auffiel, sprach sie den Mann in germanisch an und prompt wurde ihr ein anderer Preis genannt. Es überraschte sie, aber sie würde sich über den deutlich niedrigeren Preis sicher nicht beschweren. Der Verkäufer bot ihr noch ein weiteres Stück aus seiner Sammlung an, das er bisher nicht ausgelegt hatte. Es war auch schön, aber ob sie es auch kaufen sollte? Sie war sich nicht sicher und das sagte sie auch dem Verkäufer.

  • Hadamar streckte sich ein wenig, während er durch die Stadt lief, in einer einfachen Tunika, und sich den Märkten näherte. Die Reise steckte ihm noch ein bisschen in den Knochen... man sollte ja eigentlich glauben, man würde sich ans Reisen irgendwann gewöhnen, wenn man das öfter mal gemacht hatte, aber irgendwie war das nicht der Fall. Jedenfalls nicht bei ihm. Nicht dass es ihn generell störte, unterwegs zu sein, aber nach Wochen auf der Straße war er dann doch meistens froh, endlich irgendwo anzukommen und sich von der Reise erholen zu können. Allein schon der Staub, den man auf der Straße immer schluckte... Andererseits: schlechter als die Luft in Rom war das auch nicht.
    Da traf es sich ganz gut, dass er nicht mehr in Rom war. Hadamar grinste breit. So sehr es ihn genervt hatte, dass er in den letzten Jahren immer wieder auf die Straße gemusst hatte, dass er in Italia herum und später nach Lugdunum geschickt worden war mit irgendwelchen Aufträgen, die er reichlich öde und dämlich fand, und dann von letzterem aus weiter nach Carthago, von wo er nach seinem Dienst dort ja auch wieder zurück gemusst hatte: die letzte Reise, die war es wert gewesen. Die hatte sich gelohnt. Er war wieder zu Hause. Endlich.
    Und nachdem er sich im Castellum erst mal eingefunden und das Nötigste erledigt hatte, um seine Centurie zu übernehmen, hatte er beschlossen den Abend einfach mal nichts zu tun. Als Centurio konnte er das ja leichter für sich entscheiden, und am nächsten Tag hatte er für sich eh Freigang organisiert, da stand dann ein ausgiebigerer Besuch bei seiner Familie an – was ein bisschen überfällig war, aber dass er nicht gleich direkt nach seiner Ankunft dort hatte aufschlagen können, dafür hatten sie hoffentlich Verständnis, und wenn nicht: sie mussten's ja auch nicht so genau erfahren.


    Endlich daheim also und der erste freie Abend seit seiner Ankunft – entsprechend gut gelaunt tauchte Hadamar in die Menschenmenge ein, die nach wie vor unterwegs war auf den Märkten, viele für die Verhältnisse hier wohl, aber doch so viel weniger, als es in Rom gewesen wären, diesem Moloch. Er besah sich flüchtig die Auslagen der Stände, war nicht auf der Suche nach irgendetwas Bestimmtem – für den Besuch bei seiner Familie hatte er schon alles, ein paar Mitbringsel für seine Mutter, seine Geschwister. Selbst für Runa, die Braut, hätte er was, er musste nur eins der Geschenke quasi, naja, umwidmen, sozusagen. Er wollte einfach nur die Stadt genießen, die er so lange vermisst hatte, und die trotz der langen Abwesenheit nach wie vor so vertraute Atmosphäre spüren. Er trank Mogontiacum regelrecht, kam es ihm vor. Für einen Moment blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief ein, um es zu genießen.
    Als er sie wieder öffnete, sah er jemanden. Weiblich. Jung. Hübsch. Sein linker Mundwinkel zuckte leicht nach oben, und mehr aus einem Impuls heraus denn aus einem bewussten Entschluss näherte er sich ihr langsam. Sie war an einem Schmuckstand und unterhielt sich auf Germanisch mit dem Händler, der offenbar gerade versuchte ihr ein Stück anzudrehen. Ohne groß nachzudenken gesellte Hadamar sich dazu. „Na... des würd i net nehmn“, klinkte er sich ungefragt in das Gespräch ein, und lächelte dabei ein wenig. Er nahm dem Händler das Schmuckstück – eine Haarspange war es, mit dunklen roten Steinen besetzt – aus der Hand und hielt sie gegen das Gesicht der Fremden. „De Farb passt net ganz. Für'n Hals wärs guat, aber in deine Haar fällt's net auf. Bisserl heller wär bessa. Oder a weiß. Weiß dat dir stehn.“ Jetzt lächelte er sie komplett an, offen und ein wenig verschmitzt. „Entschuldige. I such grad nach am Gschenk für mei Mutta.“ Tat er nicht, er hatte ja schon was, mal davon abgesehen dass seine Mutter sich schön bedanken würde, wenn sie was von hier bekam, wo er doch sogar in Carthago gewesen war. „Da hab i des grad mitbekomman und konnt net anderst ois wos zu sagn. I bin Hadamar.“

  • Es war schön sich einfach an den Ständen bewegen zu können und ganz ungezwungen mit den Händlern zu plaudern. Gerade hatte sie sich eigentlich dazu entschlossen das Stück auch zu kaufen, das ihr der Händler noch angeboten hatte, als sich jemand in ihr Gespräch einmischte. Ebenfalls germanisch sprechend wie sie, aber einen anderen Dialekt nutzend. Das war für diese Gegend nichts Besonderes. Hier trafen sich viele Germanen und sie sprachen die verschiedensten Dialekte und wenn sie von weit her kamen, dann war es mit dem Verstehen auch gar nicht so einfach. Aber dieser Dialekt war nicht schwer zu verstehen und er kam ihr auch bekannt vor. Er wurde in Mogontiacum häufiger gesprochen. Ihre Hand zuckte zurück und sie sah zu dem Mann auf, der nun neben ihr stand. Er schien eine kräftige Statur zu haben. Aber besonders fielen ihr die blaugrauen Augen auf. Einen Moment länger als es vermutlich schicklich wäre, sah sie ihn an. Als es ihr auffiel, senkte sie schnell wieder ihren Blick auf die Auslage und hier im Besonderen auf die Spange in der Hand des Verkäufers. Warum nur musste sie gerade an das Gespräch mit Dagny denken. Sie musste sich auf die Haarklammer konzentrieren. Diese befand sich nun in der Hand des Mannes, der sich einfach dazu gestellt und ins Gespräch eingemischt hatte. Plötzlich hielt er sie nun vor ihr Gesicht und jetzt sah sie auch wieder zu dem Fremden auf. Als er sie anlächelte, verzogen sich auch ihre Mundwinkel zu einem freundlichen Lächeln. Du meine Güte, der sieht nicht schlecht aus, dachte sie sich. Ja, das Gespräch mit Dagny beim Sticken.


    "Ick heiß Nela," stellte sie sich in germanischer Sprache vor und lächelte erneut. "Det is janz nett von dir, janz dufte, det du mir hilfst." Sie wandte sich an den Händler und fragte ihn nach etwas in weiß. Dieser machte dann ein trauriges Gesicht. Etwas in weiß hatte dieser nicht da. Aber er versprach beim nächsten Mal etwas dabei zu haben. Dann könne sie doch wiederkommen. Also kaufte sie nur das eine Stück und packte dieses dann in ihren Beutel. "Hast du denn schon wat für deen Mutter gefunden oder kann ick dir helfn. So als Jefallen für deene Hilfe. Wo er ihr doch geholfen hatte, war es doch sicher nicht verkehrt ihm nun ebenfalls einen Gefallen zu erweisen.

  • Hadamar betrachtete sie, und die Tatsache, dass sie recht bald wieder auf die Auslage guckte und so nicht sehen konnte, was er tat – und es entsprechend auch nicht ungehörig finden –, nutzte er schamlos aus. Sie war gekleidet wie eine von hier, und sie sprach auch Germanisch, ein Dialekt, der ihm vertraut war, wenn auch nicht ganz der seine, und ihre Aussprache war akzentfrei. Aber ihr Aussehen passte irgendwie nicht ganz dazu. Ihre Haare, ihre Augen, ihr Teint, das alles war... einen Tick zu dunkel. Der Widerspruch machte ihn neugierig, was wohl dahinter stecken mochte, mal abgesehen davon, dass sie hübsch war und seinen Blick allein dadurch schon auf sich gezogen hatte. „Gfreit mi sehr, Nela“, erwiderte er, immer noch verschmitzt lächelnd, und neigte leicht den Kopf. „Gern gschehn.“ Sie folgte seiner Empfehlung, das dunkelrote Teil nicht zu nehmen, Hadamar nahm das amüsiert und erfreut zugleich zur Kenntnis, und sie fragte den Händler sogar nach etwas Weißem. Was der bedauerlicherweise nicht bieten konnte... Hadamar wollte schon fragen, ob das sein Ernst war – alles, um der jungen Frau zu helfen, natürlich, ohne jeden Hintergedanken, was hätte er auch schon davon sich als Held aufzuspielen? ... –, da zahlte Nela auch schon, was sie sich bereits ausgesucht hatte. Leider ohne ihn dazu um seine Meinung zu fragen. Dafür allerdings bot sie gleich darauf nun ihre Hilfe an, um das angebliche Geschenk für seine Mutter auszusuchen... Für einen flüchtigen Moment glitt ein breites Grinsen über sein Gesicht. Genau darauf war er aus gewesen. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert, schoss ihm durch den Kopf, und dann dämpfte er das Grinsen etwas, damit es nicht mehr ganz so breit war, sondern passend wirkte. „Na, no net. Bin grad erst aufn Markt kemma. Des wär wirklich liab vo dir, wennst mir heifn kanntst, i hab... naja, sang ma moi, net immer des beste Händchen bei da Auswahl.“ Er zog eine leichte Grimasse, hauptsächlich amüsiert, aber gewürzt mit ein bisschen Verlegenheit und Reue, in der Hoffnung damit den richtigen Eindruck rüber zu bringen: da war ein Kerl, der seiner Mutter wirklich wirklich eine Freude machen wollte, aber nicht so recht wusste wie und Angst hatte, das Falsche auszusuchen. „Schmuck dat si obietn, sollt ma moana, aba sie trägt net so oft weichn, da sollt's dann was bsondres sei. Was würdst denn empfein?“

  • ”Ick freu mir och, erwiderte sie dann höflich und lächelte erneut. Wenn sie wollte, konnte sie ja wirklich gut erzogen sein und sich auch von ihrer besten Seite zeigen. Wobei das gerade gar nicht sein musste. Sie war ja inkognito unterwegs und musste sich gar nicht so besonders gut benehmen. Doch irgendwie, es geschah ganz von allein. Hadamar war freundlich zu ihr und sie nun zu ihm. Erneut lächelte sie als er seinen Dienst als nichts wirklich Besonderes darstellte. Nachdem sie ihm also ihre Hilfe angeboten hatte, hörte sie sich seine Ideen an. Aus den Markt war sie gegangen um sich abzulenken und etwas Ruhe zu haben. Das war ihr primäres Ziel gewesen. Es gab einfach so Tage an denen sie gern für sich allein war und es ihr egal sein konnte wer sie war und was sie zu tun hatte und dies war so ein Moment gewesen. Warum sie sich jetzt nun als Helferin anbot, wollte sich ihr nicht so ganz erschließen. Sie hatte sich einen Augenblick Ruhe schaffen wollen und war nun weder allein, noch würde sie allein für sich einkaufen können. Nun gut, Ruhe konnte man auch irgendwie dann finden wenn man sich zu zweit über den Markt durchschlug. Vielleicht, möglicherweise oder auch eher nicht. Der Germane war nett und hatte sie vor einem modischen Fehltritt bewahrt und schon deswegen musste sie sich doch erkenntlich zeigen. Mit dieser Begründung war sie dann zufrieden.


    ”Ick glob, ick hab da wirklich eenen Vorschlach wat du deener Mutta schenken kannst und et is echt nich ganz alltäglich. Komm ma mit,” erklärte sie dann und bahnte sich einen Weg durch die Menge der anderen Marktbesucher. Ein Händler aus dem Westen hatte sich eingefunden und bot keltische Schmuckstücke feil. Nela hatte bisher nur von ihm gehört und ebenfalls mitbekommen, dass dieser Händler schöne Stücke haben soll. Das hatte man ihr ausgerichtet. Ihr Blick glitt über die Auslage. Sie griff zu einer Kette und zu einer Brosche mit der man ein Kleid geschlossen halten konnte. Zu erst hielt sie ihm die Kette hin. Ein Ring aus schmalen bronzenen Metallfäden, die zu einem Geflecht verknotet worden waren und in der Mitte hatten sie ein Stück polierter Muschelschale eingefasst. ”Dat wär doch wat Besonderes und gefällt mit großa Wahrscheinlichkeit jeda Mutter, de nur selten Schmuck trägt. Wat meenst de?” Schmuck war ihr Metier. Da kannte sie sich aus und hatte zu 95% ein gutes Händchen. Sie strahlte ihn breit an und freute sich über diesen Fund. Dann präsentierte sie ihm die Brosche, die sie sich auf ihre Hand gelegt hatte und ihm nun fast schon unter die Nase hielt. Diese Brosche war kostbarer gearbeitet und das konnte man nicht nur daran erkennen, dass der Händler ein wenig unruhig Nelas Treiben verfolgte. Es war ein Ring aus Silber, der an der oben recht dünn gehalten war und nach unten dicker zu lief. In der Mitte prangte ein blauer Stein und eine dünne Nadel war angebracht worden um sie an der Kleidung befestigen zu können. ”Det wär och wat Schönes. Da muss se keenen Halsschmuck tragen oder so. Se kann einfach de Kleidung verschönern. Wat meenste hier?” Wenn ihm ihre erste Auswahl nicht gefallen wollte, dann würde sie sicher noch etwas Anderes finden. Bis zu seinem abschließenden Ergebnis jedenfalls strahlte sie ihn fröhlich an und harrte der Entscheidung, die da kommen mochte.

  • Während sie zahlte, ließ Hadamar seinen Blick für die Auslage schweifen, in der Hoffnung irgendwas zu entdecken, von dem er fand dass es ihr stehen könnte. Aber als Geld und Schmuckstück die Hände gewechselt hatte, ging Nela auf sein... Problem mit dem Geschenk für seine Mutter ein, und damit war schon genug Grundlage geschaffen, um ihr Gespräch am Laufen zu halten für den Moment. Und wenn sie etwas gefunden hatten, konnte er dann schauen, wie er sich bei ihr wiederum für ihre Hilfe erkenntlich zeigen konnte. So oder so: ein bisschen Zeit würden sie jetzt miteinander verbringen, und das war sein Ziel gewesen. Ein bisschen Zeit war immer die Voraussetzung für alles weitere, das noch folgen mochte.


    Nela überlegte auch nicht lange, sondern schien auf Anhieb eine passende Idee zu haben. Sie ging los und lief zielstrebig durch die Menge, bis sie schließlich bei einem Stand stehen blieb – Hadamar die ganze Zeit in ihrem Schlepptau, und mit der besten Ausrede der Welt um hinter ihr zu bleiben und ihre Rückansicht zu begutachten. Nicht dass er die Ausrede gebraucht hätte. Sie sah es ja nicht, und als sie den Stand erreicht hatten und Nela sich ihm zuwandte, lag Hadamars Blick schon längst wieder auf ungefährlichen Bereichen. Bei der Begeisterung, die sie dann beim Aussuchen an den Tag legte, musste Hadamar grinsen. Es hatte irgendwie etwas Süßes an sich, wie sie sich darauf stürzte, und erst recht wie sie sich selbst zu freuen schien darüber, etwas Schönes gefunden zu haben. Er sah sich die beiden Stücke, die sie herausgesucht hatte, ausgiebig an, nahm zuerst das eine, dann das andere in die Hand, wobei seine Hand die Nelas zwangsläufig öfter leicht berührte. Was er selbstredend nutzte, um die ein oder andere Berührung länger als nötig ausfallen zu lassen – nicht so lang, dass wirklich aufgefallen wäre dass Absicht dahinter steckte, aber lang genug dass es hoffentlich zu merken war. Dann hob er seinen Blick wieder zu ihren Augen, auf seinem Gesicht erneut jenes halb verschmitzte, halb verlegene Grinsen wie zuvor. „Du hast echt a guats Auge für so was. I find beides toll. Aba...“ Er musterte noch mal die beiden Schmuckstücke und versuchte für einen Moment ernsthaft, sie sich an seiner Mutter vorzustellen. Nur weil es vorgeschoben war, hieß das ja nicht, dass er ihr den Schmuck nicht irgendwann wirklich schenken konnte, wenn er ihn eh schon kaufte. Sofern er ihn nicht vorher verspielte oder so. Aber Vorstellung hin oder her: er konnte tatsächlich nicht sagen, was ihr besser stehen würde. Es sah doch alles irgendwie gut aus, fand er, aber er wusste, dass Frauen da ihre eigenen Ansichten hatten. „Wie gsagt: i kann des schwer sagn, aber rein vom Gfui her glaub i, dass ihr de Kettn bessa stehn würd.“ Sein Grinsen wurde ein wenig breiter, und er wies auf seine Haare. „Sie is no mehr Rotschopf ois wia i. I woaß net ob Silba und Blau dazu dann net zvui war. Oda was moanst du?“

  • Der Kelte schien nicht die schlechteste Wahl gewesen zu sein. Es war so viel zu sehen und noch viel mehr zu kaufen gewesen. Sie hatte zwei der schönsten Dinge herausgesucht, die sie gefunden hatte und diese zeigte sie dem Fremden nun. Sein Lächeln war ansteckend und so wurde ihres noch breiter. Als seine Finger ihre Hände berührten, fühlte es sich nicht unangenehm an. Ganz im Gegenteil. Immer wenn er sie berührte, schienen sich Wellen von dort ausgehend ihre Arme entlang auszubreiten. Kurz musterte sie etwas eingehender sein Gesicht weil sie nicht so recht verstehen konnte woher dieses Gefühl kam und warum sie es hatte. Vor ihr stand ein fremder Mann und sie hatte ihm doch nur als Gegenleistung für seine Hilfe versprochen ihm nun bei seinem Problem zu helfen. Doch irgendwie... Sie konnte es sich beim besten Willen einfach nicht erklären wieso sie es als angenehm empfand von diesem Mann berührt zu werden. Schnell scheuchte sie diesen Gedanken wieder fort. Das gehörte nicht an diese Stelle. „Ick dank di für det Lob.“ Dann kam jedoch schon seine Kritik und sie ließ die Schultern etwas hängen. Es kam also nicht so gut an wie sie es sich gedacht hatte. Dann sprach er aber auch schon weiter. Nela dachte angestrengt nach und betrachtete ihn und die Schmuckstücke abwechselnd. „Jenau so wie du? Hm... Ick denk, de Kette wär wirklich bessa. Det schaut bestimmt knorke an ih aus.“ Die Kette war schön und sie drängte sich nicht auf. Sie würde einer rothaarigen Frau sicher besser stehen als die andere Wahl die sie getroffen hatten. Doch, damit könnte er sich sicher zu Hause sehen lassen. “Nimm de Kette. Die is schöna.“


    Nachdem die Suche nach dem Geschenk dann abgeschlossen war, wurde Nela bewusst wie spät es schon war. Sie musste nach Hause. Bald würden sie merken, dass sie fehlte und am Ende würde sie wieder gesucht werden und sie wollte sich nicht mit Thorgall anlegen. Seine Reaktion beim unfreiwilligen Ausflug mit Runa hatte ihr da schon gereicht. Doch ehe sie sich dann verabschieden konnte, kam ein Mann auf sie zu und ehe sie es sich versah, stand sie auch schon vor dessen Stand. “Hier gibt es frische Säfte, die muss man unbedingt gekostet haben. Frische Obstsäfte.“ Dann hatte Nela auch schon einen Becher in der Hand. Der Becher war nicht teuer und so war sie geneigt dem Mann sein Geld auch zu geben und den Saft zu trinken. Nun mit dem Becher in der Hand, wandte sie sich wieder Hadamar zu. “Wenn ick den Becha ausjetrunken hab, dann muss ick Heeme. Is Zeit für mich. Et is scho spät.“ Aber denn Becher würde sie jetzt nicht herunterstürzen und sich ein wenig Zeit damit lassen. Dann konnte sie sich noch ein wenig mit Hadamar unterhalten und auf die paar Augenblicke kam es ja nun auch nicht mehr an.

  • Er mochte sich irren, aber seine Berührungen schienen bei Nela was zu bewirken. In jedem Fall wich sie nicht zurück, und auch ihr Lächeln blieb, wurde sogar eher noch offener. So weit lief also alles wunderbar. „No mehra wiari“, wiederholte Hadamar dann, als es um seine Haare und die seiner Mutter ging, und nickte, als Nela auch meinte, die Kette wäre besser. Hatte er offenbar gar nicht falsch gelegen mit seiner Einschätzung – aber gut, wenigstens das hatte er über die Jahre in der Hinsicht dann doch gelernt: wenn er niemanden hatte, der ihm einen Tipp geben konnte, lieber auf Nummer Sicher gehen und das kaufen, was nicht zu auffällig war. War auch nicht immer richtig, aber doch in deutlich mehr Fällen als umgekehrt.
    Spielte im Moment aber keine Rolle. Er hatte ja gerade jemanden, der ihm half – und selbst das spielte eigentlich keine Rolle, weil das Geschenk für seine Mutter nur ein Vorwand war. „Dann nehm i die.“ Er gab dem Händler einen Wink und reichte die Kette an ihn weiter, damit er sie einpacken konnte. Sein Blick glitt noch mal über die Auslage, aber mehr, weil es aufdringlich wirken könnte wenn er sie die ganze Zeit ansah, und weniger weil ihn tatsächlich da irgendwas interessierte. Er besah sich das ein oder andere Stück und zahlte dann für die Kette, als der Händler fertig war mit Einpacken.


    Die Kette verschwand gerade in einem Beutel an seinem Gürtel, als ein weiterer Händler die Gunst des Augenblicks ergriff und ihnen frische Säfte anpries – und da Nela nicht abgeneigt zu sein schien, sagte Hadamar freilich auch nicht nein. Er war nur wieder zu langsam, um für sie mitzuzahlen, das wurde langsam zum... naja. Nicht Problem, im eigentlichen Sinn, aber für einen Moment fragte er sich flüchtig, warum das so war. Ob sie das bewusst machte, weil sie ihn trotz aller Freundlichkeit auf Distanz halten wollte. Aber er schob den Gedanken weg. Wenn es so war, würde er das noch früh genug merken, im Moment hieß es: einfach weiter machen. Er holte sich ebenfalls einen Becher Saft, aber bevor er davon trinken konnte, sprach Nela davon dass sie bald heim müsste. „Wos? Ah geh, des konnst do net doa.“ Er lächelte, leicht und freundlich, auch wenn er gerade innerlich etwas angespannt war. Wenn sie nach dem Becher wirklich gehen wollte, dann war's das, dann gab es wohl auch nichts, womit er sie aufhalten konnte. Aber wenn sie eigentlich nicht wollte, oder wenigstens noch unschlüssig war... musste er das irgendwie herausfinden, ohne sich lächerlich zu machen oder sie zu verschrecken. Also... musste er ihr die Möglichkeit geben, eine Rückfrage zu stellen. Ihr Interesse zu signalisieren. „I muss mi doch no revanchiern dafür, dassd mia gholfn hast. Es is scho spät, aber no net zu spät dafür, sich zu bedankn...“ Er wies auf den Himmel, der noch hell war.

  • “Noch mehr als wi du?“ Eine Augenbraue zog sich nach oben. Da musste seine Mutter ja wirklich feuerrote Haare haben. Das war nicht oft. Aber auch wenn die Haare seiner Mutter noch intensiver gefärbt waren, passte die Kette da deutlich besser. Es war also entschieden und nur wenig später hatte ihr Begleiter sein Geschenk verpackt eingepackt. Da hatte sie also ihre gute Tat für diesen Tag schon getan. Also es war jetzt nicht so, dass sie jeden Tag auszog um gute Taten zu vollbringen. So war es bei weitem nicht. Aber es war doch ein schönes Gefühl wenn man helfen konnte und ein richtig gutes Geschenk zu finden, war nicht einfach. Da hatte sie nun unterstützen können und er schien auch noch zufrieden damit zu sein. Also war es doch gut. Sie durfte sich nun ein wenig besser fühlen. Der Marktbesuch schien nun damit seinem Ende zu zugehen.


    Also eigentlich hatte sie es so geplant. Aber dann wurde sie zu einem Saftstand gezogen und musste dort noch etwas trinken. Der Saft war wirklich gut gewesen und sie bereute es nicht diesen Moment dafür noch aufgewandt zu haben. Das konnte sie nicht tun? Nela blickte überrascht über den Becherrand zu Hadamar. Konnte sie nicht? Eigentlich war sie doch frei zu tun was sie wollte. Ihr vorzuschreiben was sie machen sollte, ließ sie einen Augenblick auch Abwehrhaltung zu gehen. Doch seine Begründung, stimmte sie wieder versöhnlicher. Es erschien wieder ihr Lächeln im Gesicht und sie lachte sogar ein wenig. “Ah wat. Dat hab ich jern jemacht. Ick helf doch jern.“ Dass er sich jetzt noch bedanken wollte für ihre Hilfe wo sie sich doch hatte bedanken wollen für seine. Ihr Blick ging zum Himmel und schätzte die Zeit ab, die sie noch haben würde. Wenn sie jetzt noch blieb, würde sie nach Hause nicht nur laufen müssen, sie würde rennen müssen. Gern wollte sie das vermeiden. Auf der anderen Seite war ihr Begleiter doch ganz nett und sie hatte das Gefühl, dass es auch ganz lustig werden würde und wenn sie noch etwas blieb. “Ick kann nich gehen, meenste det wirchlich?“ Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen als sie nun noch mal nachfragte. Sie atmete tief durch als sie dann eine Entscheidung traf.


    “Na jut.“ Noch hatte sie sich nicht ganz entschieden. Auf der anderen Seite... würde sie wirklich jemand suchen? Sie hatte keine Verabredungen getroffen, auch am Abend stand nichts an. Es würde doch gar nicht auffallen wenn sie später nach Hause kommen würde. Sämtliche Zweifel drängte sie zur Seite. “Ick wart noch a bissel mitm Heem jehen. Das Lächeln war nun nicht mehr so sicher, ein kleiner Rest Zweifel blieb einfach. Aber nach Hause wollte sie halt eigentlich auch nicht. “Wie willst dich denn bedanken? Een Essen?“ So einen kleinen Hunger hatte sie Tatsache. Was Kleines an einer Suppenküche, könnte sie in Ruhe noch essen.

  • Hadamar nickte, und seine Augen funkelten bei ihrer Reaktion. Wo seine Haare rotbraun waren, leuchteten die seiner Mutter tatsächlich kupferrot... und seine Schwestern hatten von der Farbe auch ein bisschen mehr abbekommen als er. Genauso wie einer seiner Brüder – Iring war der einzige, der nicht mal einen rötlichen Schimmer aufwies.
    Er zahlte und steckte die Kette ein, ließ sich ebenso wie Nela einen Becher Saft geben und beobachtete sie weiterhin, immer auf jene Art, von der er hoffte dass es genau das richtige Maß traf: nicht zu viel, nicht zu wenig. Nicht aufdringlich, aber doch so, als sei sie gerade die einzige Frau der Welt für ihn.


    Und er schien den richtigen Ton zu treffen, jedenfalls so wie sie auf ihn reagierte. Zwischendurch wirkte sie überrascht, aber dann lächelte sie wieder – und sie ging auf das ein, was er sagte. Hakte nach. Zeigte sich ganz und gar nicht abgeneigt. Noch war er nicht über den Berg, hatte er das Gefühl, aber er war auf dem richtigen Weg. „Moan i“, bestätigte er. „Oiso, klar, wennst gehn mogst... aber du dadst was verpassn.“ Sie hatte Interesse daran zu bleiben, so viel stand für ihn fest, was hieß dass er sie darin einfach nur bestärken musste. Was er versuchte, mit seinem Lächeln, seinen Worten. Und dann kam, was er sich erhofft hatte – na gut. Sie blieb. Hadamars Lächeln bekam für einen winzigen Moment etwas Siegesgewisses, bevor er wieder so freundlich und leicht verschmitzt lächelte wie zuvor auch. Ein bisschen zögerlich wirkte sie zwar noch, aber sie hatte gesagt sie blieb noch, was ihm freie Hand gab, mögliche Zweifel oder Zögern erst mal zu übergehen, als gäbe es sie gar nicht. Und Nela, obwohl sie etwas unsicher schien, machte es ihm leicht, fragte sie doch jetzt nicht nur nach, wie er sich bedanken wollte, sondern machte sogar einen Vorschlag, den er tatsächlich hatte machen wollen. „Is des oafachste um si zu bedankn, ja“, grinste er also. „Du host ja koa Ahnung, wia schwar i mi efta damit doa, wos passendes zum findn. Und i war scho lang nimma in der Stadt, i hätt hia auf Anhieb nix gfundn.“ Er bot ihr seinen Arm an, um sie über den Markt zu führen, blieb aber auf genügend Distanz, dass sie völlig frei entscheiden konnte ob sie ihn nehmen wollte oder nicht. „Is die Taberna Silva Nigra imma no so guad wie vor a paar Jahr?“

  • Sie würde also etwas verpassen? Belustigung zeigte sich auf ihrem Gesicht. Hadamar schien wirklich von sich eingenommen zu sein. Er war witzig und sie hatte das Gefühl als würde ihn nichts anderes interessieren als sie. Eine Weile hatte sie das gut ignorieren können, aber langsam wurde es wirklich deutlich und wenn sie ehrlich zu sich war, dann gefiel es ihr. Vielleicht sogar ein wenig mehr als vermutlich gut war. “Et wär doch schad wenn ick wat verpassn tät. Dat jeht ja jar nicht.“ Sie lächelte, strahlte sogar. Einen Augenblick fragte sich ein Teil ihres Verstandes was sie da gerade tat und warum sie wissentlich Ärger riskierte. Aber es war nur ein kurzes Aufflackern. Sie war neugierig und sie wollte wissen was sie wohl verpassen würde wenn sie jetzt gegangen wäre. Die Frage würde sie ihn vermutlich auch noch irgendwann stellen. “Det eenfachste? Dit jlob ich glei.“ Jetzt grinste sie sogar ein wenig. “Dann wars ja jut dat du mich jefunden hast. Wer weeß watte sonst für Kram jekooft hättest. Deen arme Mutter.“ Ihr Grinsen wurde noch etwas breiter. Für einen Moment fragte sie sich ob sie sich wirklich einhaken sollte. Aber auf der anderen Seite. Warum auch nicht. Hadamar schien ja nett zu sein und er würde ihr schon nichts tun. Also tat sie es einfach. Als er dann die Taberna vorschlug, die ihrer Mutter gehörte, zuckte sie kurz zusammen. Es kannte sie dort jedoch keiner. Sie war vor Jahren dort gewesen gewesen und sie hatte sich seit dem verändert. Es würde sie also keiner erkennen. Hoffte sie jedenfalls. “Dit isse noch immer. Keene andere is besser als wie die.“ Also keine Suppenküche sondern die Taberna. Sie addierte in Gedanken noch einige Zeit zu ihrem unerlaubten Fernbleiben hinzu.

  • „Des siag i ganz genauso“, grinste Hadamar breit zurück. So wie Nela jetzt lächelte, war die Sache durch – sie würde mitkommen, was hieß: der nächste Schritt war geschafft. Der eigentlich nur darin bestand sie dazu zu bringen, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen. „Najo, wannst an bessan Vorschlag hosd: gern. Aber wos essn biat si o. Auch weil i langsam an Hunga kriag.“ Er lachte, als sie jetzt anfing herum zu albern, und während sie sich tatsächlich bei ihm unterhakte und sie sich gemeinsam in Bewegung setzten, ging er darauf ein: „I woaß gar net, vielleicht hod's a Sammlung vo all de furchtbare Gschenke, die's vo mia amoi kriagt hod.“

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