Servitriciuum | Evridikis Ankunft

  • -->


    Candace hatte unverzüglich den Heimweg angetreten, nachdem ihr Evridiki übergeben worden war. Idealerweise hatte sie alle anderen Besorgungen vor ihrem Besuch auf dem Sklavenmarkt erledigt. Umso besser, dass sie eine Sklavin hatte kaufen können. So wurde diese sofort eingespannt, indem Candace ihr einen Teil der Einkäufe überließ. Es war durchaus angenehm, nicht alles allein bis zur Villa Flavia tragen zu müssen. Die Neue sah zwar recht zierlich aus, aber zupacken konnte sie. Sie war offensichtlich körperliche Arbeit gewohnt. Domitilla würde sicher hochzufrieden mit ihr sein.


    „Du hast echt Glück, in ein Haus wie die Villa Flavia zu kommen!“, hatte sie Evridiki unterwegs anvertraut. Zwar hatte Candace bislang noch keine Erfahrungen gemacht, wie es in andern Haushalten zuging, aber sie konnte sich kaum vorstellen, dass es woanders besser war. „Solange du gehorchst und fleißig bist, hast du nichts zu befürchten.“ Diese Ratschläge, die für einen Sklaven wohl ziemlich allgemeingültig waren, mussten für den Anfang reichen. Die Domina hatte zu entscheiden, was mit der Neuen zu geschehen hatte, nicht sie.


    Endlich hatten sie die Villa erreicht. Jedoch hütete sich davor, das Anwesen über den prachtvollen Haupteingang zu betreten und sich mit diesem Fauxpas den Zorn des Ianitors auf sich zu ziehen. Wie es sich für die Bediensteten der Villa ziemte, benutzten sie den Hintereingang, der weitaus unscheinbarer war und sie direkt in den recht nüchtern gehaltenen Gesindetrakt führte.


    „So hier wären wir!“ Candace nahm ihr die Einkäufe ab. Die Neue konnte sicher ein Bad vertragen, bevor sie neu eingekleidet wurde. Denn so, wie sie jetzt aussah, konnte sie unmöglich der Domina unter die Augen treten.

  • Ausgelaugt und mit Sicherheit noch um ein beträchtliches Maß dreckiger und struppiger als noch zu Beginn der Versteigerung, hatte die Neue weder Energie noch irgendeine Veranlassung, sich Candace gegenüber nur im Mindesten aufmüpfig zu präsentieren. Es war wohl das Beste, niemandem auf die Füße zu treten, denn bisher hatte das ja auch ziemlich gut so funktioniert - warum nun nicht auch in der Villa Flavia? Dementsprechend blieb die junge Griechin die ganze Zeit über still und gehorsam, höchstens kamen ihr ein "Ja" oder - für ihre Verhältnisse schon sehr ausgefallen - "Natürlich" über die Lippen, selbst wenn es nicht ganz ihrem hier und da doch noch vorhandenen Ego gerecht wurde, als Packesel "missbraucht" zu werden.


    Ihrem Naturell gerecht stand sie letztendlich auch vor Candace, als ihr die Ladung abgenommen wurde: So unauffällig wie möglich, sacht lächelnd und in ihrer Gesamtheit doch äußerst schüchtern, zumindest auf den ersten Blick. Wie auch immer es weitergehen würde, und was auch immer für sie vorgesehen war - etwas Anderes zu tun als einfach abzuwarten, wäre wohl kaum angemessen.
    So stand sie also da, blickte sich aus den Augenwinkeln um, und wartete. Worauf auch immer. Dennoch war sie bedacht, den Blondschopf gegenüber immer mal wieder nett anzulächeln. Denn auch wenn es wohl keine allzu große Errungenschaft für einen Sklaven war, an einen neuen Besitzer verkauft zu werden, war die Griechin Candace doch für den Kauf dankbar - unter der Vorraussetzung, dass das von ihr beschriebene Glück, in der Villa Flavia gelandet zu sein, sich wirklich als solches herausstellte.

  • Auf die neue Sklavin musste Candace wohl als sehr gefühlsarmes Gegenüber wirken, welches dafür aber äußerst pflichtbewusst war. Tatsächlich hatte es die Leibsklavin bisher an aufmunternden oder gar freundlichen Worten missen lassen. Ebenso hatte sie das freundliche Lächeln der jungen Frau nicht einmal erwidert. Sie war eben ein Produkt flavischer Sklavenzucht, in erster Linie auf das Wohl ihrer Domina programmiert. In der Neuen sah sie vorerst nur eine Neuanschaffung, eine Sache die noch Vorbereitung bedurfte. Dass Candace jedoch auch über andere Verhaltenszüge verfügte, stand außer Frage. Doch im Augenblick gab es andere Prioritäten!


    „Komm mit!“ Sie führte die neue Sklavin in eine Art Waschraum. Dort war bereits eine weitere Slavin damit beschäftigt, Wasser in einen großen hölzernen Bottich zu füllen, der der Neuen dazu dienen sollte, sich zu waschen. Wasserdampf stieg aus der Wanne empor. Die Neue hatte Glück, dass gerade genügend heißes Wasser vorhanden war. So konnte ihr Bad doch noch recht angenehm werden.
    Unter den Blicken der Leibsklavin sollte die neue Sklavin sich nun waschen. Candace hatte es sich scheinbar selbst zur Aufgabe gemacht, vorerst jeden Schritt der Neuen zu überwachen.
    „Wie heißt du eigentlich? Und woher kommst du?“, fragte sie schließlich nach einer Weile um die Stimmung etwas aufzulockern. Vielleicht war ihr langsam bewusst geworden, wie kalt sie sich der jungen Frau bisher gegenüber verhalten hatte. „Ich heiße übrigens Candace und bin die Leibsklavin unserer Domina.“ Endlich huschte ein zartes Lächeln über ihre Lippen. Doch als eine Sklavin den Raum betrat, um frische Kleidung für die neue Sklavin zu bringen, war dieses zarte Lächeln schnell wieder verschwunden. Auch ihr unpersönliche Befehlston etablierte sich wieder.„Zieh dich an, unsere Domina wartet bereits auf dich!“

  • Selbstverständlich kam auch was das Waschen anging keine Widerrede von der Neuen. Und obwohl sie sich doch zunächst einmal für einen Moment zierte, erwies sich das bisschen an warmem Wasser später als echter Heilsbringer: Hätte die junge Griechin mehr Zeit gehabt, sie hätte Stunden im Wasser planschen können. Doch so - konstant um Gehorsam und Effizienz bemüht - beeilte sie sich zusehends. Selbst das wilde Lockenhaar ließ sich binnen weniger Minuten einigermaßen bändigen, obwohl es mit zunehmender Trockenheit schon wieder problematisch wurde.


    Die Fragen der Anderen wurden knapp beantwortet, mit dem üblichen zarten Stimmchen: "Ich.. heiße Evridiki und bin in Athen geboren und aufgewachsen."
    Das war es dann aber auch, der Rest wurde lächelnd und nickend quittiert. Spätestens als sie in die frischen Kleider schlüpfte, fühlte sich die Kurze tatsächlich recht wohl in ihrer Haut - zum ersten Mal seit Wochen. Und auch wenn sie äußerst schweigsam und verschüchtert daherkam, wollte sie doch mit ihrem betont freundlichen Blick und ihrer selbst einer Gleichgestellten gegenüber unterwürfigen Körperhaltung so etwas wie eine Beziehung aufbauen. Evridiki wusste selbst nicht, wie viel davon Berechnung war. Doch es konnte ja kaum schaden, jemanden zu haben, der bei der Eingewöhnung hilft.

  • Evridiki, Athen. Kommentarlos registrierte sie die Antworten der neuen Sklavin. Später, wenn sie beide vor der Flavia standen, waren dies wichtige Informationen, die sie an ihre Herrin weitergeben konnte.
    Zufrieden konnte sie nun auch feststellen, welche „Früchte“ das kurze aber höchst effektive Bad mit sich gebracht hatte. Endlich war aller Schmutz, der an der Neuen gehaftet hatte, weggespült. Selbst ihr Haar schien, für den Anfang zumindest, gebändigt. Und als die junge Frau nun die zugewiesene wollweiße Tunika anlegte, vervollständigte sich ihr Bild zusehends. Die Tunika, zwar recht einfach geschnitten, dafür aber von recht hoher Qualität, passte der Neuen wie angegossen. Wenn nun die Haare noch hochgesteckt waren, dann war sie perfekt und konnte Domitilla unter die Augen treten.
    „Lass mich dir helfen!“ Candace trat auf sie zu und kümmerte sich um ihre Frisur. Bei dieser Gelegenheit konnte sie der Neuen vielleicht noch ein paar gutgemeinte Tipps mit auf den Weg geben.
    „Bevor du nun unserer Domina vorgestellt wirst, solltest du dir noch einige Dinge gut einprägen,“ begann sie, während sie das Haar der Anderen mit einem beinernen Kamm durchkämmte.
    „Unsere Domina… nun ja, gelegentlich kann sie recht launisch sein. Gerade an solchen Tagen solltest du sie tunlichst mit keinem Wort oder gar einer Tat reizen. Verhalte dich am besten unauffällig und sprich nur, wenn du gefragt wirst. Momentan macht sie eine schwierige Zeit durch.“ Das sollte fürs Erste genügen. Die Neue würde noch schnell genug mitbekommen, was die Domina derzeit bewegte. Mal ganz abgesehen von dem Tratsch der anderen Sklaven, der im Servitriciuum kursierte.


    Die geschickten Finger der Leibsklavin hatten bald eine einfache aber dafür recht ansehnliche Frisur geschaffen. Das Haar der neuen Sklavin war nun ordentlich nach oben gesteckt und wurde von einem Haarband gehalten. Candace befand, dass sie gut aussah. Die Neue jedoch musste wohl oder übel auf das Urteil der Standesgenossin vertrauen, da kein Spiegel vorhanden war.
    „Wenn du noch Fragen hast, dann stelle sie jetzt!“, meinte Candace noch zum Schluss. Die Flavia wartete bereits.

  • Evridiki hörte aufmerksam zu. "Keine weiteren Fragen.", entgegnete sie ebenso sachlich wie vorsichtig. Sie begann, an ihrer Tunika herumzuzupfen, und rieb sich immer mal wieder die wund gescheuerten Handgelenke, wobei sie nicht etwa wegen der - durchaus vorhandenen - Schmerzen das Gesicht verzog, sondern bis auf das übliche festgemeißelte Lächeln zunächst keine Gefühlsregung zeigte.
    Doch Hunger hatte sie. Da es aber höchstwahrscheinlich auch in diesem Fall am zweckdienlichsten war, erst einmal alles über sich ergehen zu lassen, hielt sich die Neue weiterhin bedeckt und hüllte sich in Schweigen - ganz der vorherigen Anweisung entsprechend.

  • Die Leibsklavin fixierte die junge Frau. Doch als es sich herausstellte, dass vorerst keine Unklarheiten bestanden, nickte sie nur bedächtig. „Na gut!“ Noch ein letzter prüfender Blick auf das Äußere der Sklavin. Alles schien perfekt zu sein. Mal abgesehen von den wundgeriebenen Stellen an Evridikis Handgelenken. Die Neue rieb sie sich und empfand gewiss Schmerzen dabei. Auch wenn sie dies geschickt verbergen wollte. „Darum kümmern wir uns später. Geh nachher zu Kosmas, den Medicus. Er kann dir eine Salbe geben.“ Der flavische Medicus wirkte zwar auf jeden, der mit ihm zu tun hatte, sehr abweisend, doch seine Arzneien wirkten meistens.


    „Dann komm jetzt! Wir wollen die Domina nicht warten lassen.“ Candace ging voraus. Die Gänge des Gesindetrakts wirkten trist und grau, Lediglich ein mit der Zeit nachgedunkelter Verputz sollte das Gemäuer schützen. Auf weitere künstlerische Verzierungen hatte man hier selbstverständlich verzichtet, da wohl kaum ein Mitglied der herrschaftlichen Familia einen Fuß hierhin setzen würde. Mit Ausnahme der Saturnalia versteht sich.
    Doch einige Schritte weiter änderte sich das bisherige Erscheinungsbild der Gänge grundsätzlich. Eine Deckschicht mit leuchtend warmen Farben bedeckten die Wände, die durch aufwendig gestaltete Bordüren noch ergänzt worden waren. Schwere Türen aus Eichenholz mit kunstvollen eisernen Beschlägen führten in die einzelnen Räume. Vor einer dieser Türen blieb Candace schließlich stehen. Bevor sie klopfte, lenkte sie ihren Blick noch einmal zu der Neuen. Dann klopfte sie dezent.

  • Die Neue hatte ihre Feuertaufe erfolgreich überstanden. So jedenfalls sah es Candace, die auch mit sich vollends zufrieden sein konnte. Rundum war dies ein gelungener Tag im Leben der Sklavin gewesen. Ihre Domina hatte einen zufriedenen Eindruck gemacht. Nun, da sie ihren beiden Sklavinnen etwas Freiraum gewährt hatte, hatte sich die Leibsklavin dazu berufen gefühlt, ihrer neuen Kollegin auch noch den übrigen Sklaventrakt zu zeigen.
    Schnell hatte sie für Evridiki in einem der Schlafräume der Sklavinnen einen adäquaten Platz gefunden, wo sie sich nach getaner Arbeit erholen konnte.


    Ebenso hatte sie die neue Sklavin mit einigen anderen Sklaven bekannt gemacht, die sie auf ihrem Weg durch die Eingeweide der Villa getroffen hatten.
    Schließlich war ihr ein unerwartetes Geräusch aufgefallen, welches von der neuen Sklavin ausgegangen war. Eine Art Knurren, welches zweifellos seinen Ursprung in deren Magen hatte. Natürlich! Wie hatte sie das vergessen können?! Das arme Mädchen! Sie musste schrecklichen Hunger haben! Nach ihrer Ankunft hatte Candace an alles gedacht, nur nicht an die Verpflegung für die neue Sklavin. Wahrscheinlich hatte auch der Sklavenhändler dies bei seiner Ware, die heute verkauft wurde, gespart.


    „Du bist hungrig, oder?“, fragte sie Evridiki, obwohl diese Frage ja eigentlich ziemlich überflüssig war. „Komm, wir sollten etwas Essen gehen!“ Die Leibsklavin schlug zielstrebig den Weg zum Speisesaal für die Sklaven ein. Dieser Raum unterschied sich von der Aufmachung kaum von den anderen im Sklaventrakt. Er war lediglich etwas größer und mit einfachen Tischen und Hockern versehen. Hier konnten die Sklaven ihre Mahlzeiten einnehmen. An der Essensausgabe hatte sich eine der Küchenhilfen postiert, um jeden, der kam, eine Portion des Tagesessens zu reichen. Hierbei handelte es sich meist um Puls, einem Getreidebrei aus Dinkel, Wasser, Salz, Fett. Meistens wurde noch Gemüse, seltener Fleisch oder Fisch zugefügt.
    Versorgt mit einer Schale Puls und einem Becher stark verdünntem Wein, suchten die beiden Frauen nach einem Platz. An einem leeren Tisch ließen sie sich nieder. Hier hatten sie die Gelegenheit, noch über offene Fragen und über sonstiges Dinge zu sprechen. „Lass es dir schmecken,“ meinte Candace zuversichtlich. Der Getreidebrei war zwar recht nahrhaft, von „schmackhaft“ aber war er meilenweit entfernt.

  • Evridiki ließ sich dazu nicht lange bitten. Geradezu gierig löffelte sie den schon aus der Heimat nicht unbekannten Getreidebrei, spülte nur gelegentlich etwas von dem "Wein" hinterher. Wenn man das Zeug so nennen konnte; denn falls es jemals jemandem gelungen war, Wasser zu Wein zu wandeln, das hier war wohl eher das Produkt einer missglückten oder nur halbherzig durchgeführten "Wandlung". Doch selbstverständlich beschwerte die Neue sich nicht - womit auch, da ihre Mundhöhle praktisch konstant mit Brei gefüllt war?
    Das bisschen Zeit, das sie brauchte, um ihre Ration zu vertilgen, war ihr wohl auch recht gelegen, ihre Gedanken ein wenig zu sortieren. Was für eine Nummer war das eben gewesen? Wie hatte sie denn bei der Wertung ihrer neuen Herrin abgeschnitten? Wenn doch der Teil, den sie schlussendlich verbalisierte, nur so geordnet gewesen wäre...
    Stattdessen sprudelte es geradezu aus ihr heraus: "Hab ich alles richtig gemacht? War die Domina auch ganz sicher zufrieden mit mir? Bestimmt nicht, oder? Ich meine, besonders begeistert wirkte sie nun wirklich nicht. Oder ist das so grundsätzlich ihre Art, liegt das vielleicht an der Hochheit? Und.. und was ist da überhaupt los mit der Hochzeit? Ich.. hoffe, sie lässt das nicht an uns aus? Du doch auch, oder? " Ja, hier merkte man dann doch noch, wie jung die Griechin tatsächlich war - und wie unvorsichtig, wenn man sie einfach plappern ließ. Falls Candace dem nun nicht bald Einhalt gebieten würde, die Neuanschaffung würde weiter und weiter reden...

  • Mit einer gewissen Skepsis beobachtete Candace die junge Sklavin, die den Eindruck vermittelte, der Plus könne ihr tatsächlich munden oder aber, und das durfte wohl die treffendere Erklärung sein, dass sie völlig ausgehungert war. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie ihre Schale geleert. Mit dem wässrigen Getränk spülte sie die letzten Bissen hinunter. Candace indes stocherte in dem unliebsamen Brei herum. Selbstverständlich würde sie sich niemals erdreisten und sich über dessen Qualität beschweren. Bis zum Ende ihrer Pause aber, war dann auch für gewöhnlich ihr Schälchen geleert, denn der Puls stellte ein notwendiges Übel da, sich bei Kräften zu halten.
    Doch bevor es soweit war, wurde die Leibsklavin von ihrer neuen Elevin regelrecht mit Fragen bombardiert. Mit einer Handbewegung versuchte sie die neue Sklavin zu beschwichtigen. Doch die Geste verfehlte ihr Ziel. Schließlich legte Candace ihren Löffel zur Seite.
    „Sagen wir mal, du hast dich gut geschlagen. Also nicht, dass du alles falsch gemacht hättest. Aber du hast sie beeindruckt, glaube ich.“ Die Sklavin trank nun auch einen Schluck und versuchte, eine Faser, die sich zwischen ihren Zähnen festgesetzt hatte, mit der Zunge zu entfernen.
    „Wie ich ja bereits schon sagte, ist die Domina gelegentlich ziemlich launisch. Und ja, sie macht gerade eine schwere Zeit durch, weil ein guter Freund von ihr verschwunden ist, von dem sie gehofft hatte, er würde eines Tages ihr Gemahl werden. Stattdessen soll sie nun diesen Tiberier heiraten. Doch ihr Vetter, der Senator Gracchus wird ihr bestimmt helfen! Und wenn diese Hochzeit dann endlich vom Tisch ist, dann wirst du sehen, ist sie auch wieder leidlicher, als bisher.“ Natürlich hatte Candace sich davor gehütet, all ihr Wissen über das Verschwinden jenes Freundes mit Evridiki zu teilen. Dass der Claudius tatsächlich tot war, wusste nur sie in diesem Haus.
    „Aber bis es soweit ist, gibst du ihr besser keinen Anlass dafür, sich zu ärgern. Arbeite einfach sauber und ordentlich, dann kann eigentlich nichts passieren.“ Candace wusste eigentlich selbst, wie schwierig das war, denn wenn die Flavia einen Anlass finden wollte, dann fand sie auch stets einen.

  • "Das tue ich", kam allzu knapp die Erwiderung. Mit gerunzelter Stirn und gesenktem Blick saß der Lockenkopf nun da, missmutig den leeren Teller anstarrend. Regelrecht eingeschnappt wirkte die Kurze, als hätte man sie soeben in einer furchtbaren und noch nie dagewesene Weise beschimpft, und zog den entsprechenden Schmollmund.
    Und tatsächlich hatte Candace einen Nerv getroffen: Der einzige Stolz, den Evridiki noch aufweisen konnte, war ihre Arbeit als Sklavin. Und auch wenn sie dies auszusprechen oder gar zu denken scheute - das war nunmal ihre Existenzberechtigung. Nie hätte sie einen Gedanken an Freiheit und sonstigen Unfug verschwendet, das jetzige Dasein kam ihr wie die von den Göttern gegebene Bestimmung vor. Dass das nur daran lag, dass ihr ebendiese Botschaft von Geburt an eingetrichtert worden war, überblickte die Kurze in ihrer Naivität dann doch nicht.
    In jedem Fall kratzte es überdeutlich am Ego und an der Laune des Neuzugangs, derartig in Frage gestellt zu werden; denn ihr Dasein war ja mehr als nur irgendeine Arbeit. Keine saubere Arbeit zu leisten, hieße, wertlos zu sein. Und wertlos wollte sich Evridiki sicher nicht fühlen. Doch genau das tat sie nun, und schwieg.

  • Candace löffelte unschlüssig in ihrem Puls herum. Wirklich schmecken tat er ihr nicht. Aber trotzdem aß sie weiter, nur eben ohne den nötigen Appetit, den ihre neue Mitsklavin an den Tag gelegt hatte. Es musste an Evridikis Hunger gelegen haben, philosophierte sie im Stillen vor sich hin. Nur deshalb hatte sie diese scheußliche Pampe so schnell in sich hineinschaufeln können. Aber mit der Zeit und der damit einhergehenden regelmäßigen Mahlzeiten, würde sich ihr Geschmackssinn bestimmt auch noch schärfen.


    Von dem, was in der neuen Sklavin augenscheinlich vor ging, hatte Candace vorerst nichts bemerkt. Die Leibsklavin war in dieser Beziehung nicht gerade besonders feinfühlig. Im Grunde war sie es nicht gewohnt, ihre freie Zeit mit jemand anderem zu verbringen, geschweige denn sich während des Essens zu unterhalten. Dennoch war ihr nach einer gewissen Zeit die Stille ihres Gegenübers aufgefallen, die für Evridikidoch recht untypisch war. Letztendlich waren bis vor Kurzem noch die Worte aus der neuen Sklavin nur so herausgesprudelt.
    „Ist was?“, frage sie sie, als sie endlich aufsah und das eingeschnappte Gesicht der Neuen entdeckte. Hatte sie etwa etwas Falsches gesagt? Oder hatte sie Evridiki in irgendeiner Weise beleidigt oder sie gar auf dem falschen Fuß erwischt?

  • Zunächst zuckte sie nur mit den Schultern, starrte weiter die leere Schale an. Ein wenig klarer wurde ihre Miene, als sie wohl noch zu formulieren hatte. Da der Griechin nichts Besseres einfiel, begann sie mit einem doch sehr vorsichtigen "Was.. soll denn schon sein?". Einige Sekunden war es still, ehe sie schulterzuckend weiterredete, langsam, als müsste sie selbst noch begreifen, was sie da von sich gab: "Aber ich meine... Also, warum sollte ich denn nicht sauber und ordentlich arbeiten? Das.. Das würde ja heißen, die ganze Ausbildung war umsonst gewesen.. und so."
    Das war hoffentlich noch vorsichtig genug, denn auf diese ganze Identitäts-Schiene wollte Evridiki das Gespräch sicher nicht hinauslaufen lassen; immerhin war Candace bis vor Kurzem noch eine völlig Fremde gewesen, und wie eine Fremde verhielt sie sich auch. Aber aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, konnte man doch wohl annehmen, dass alles gesagt war - egal, ob angemessen oder nicht. Denn beleidigen lassen musste man sich wohl von einer Gleichgesinnten ganz sicher nicht! Oder so ähnlich...

  • Nun legte die Leibsklavin ihren Löffel beiseite und schob die Schale von sich weg. Offensichtlich hatte sie bei der Neuen einen empfindlichen Nerv getroffen. In dieser Hinsicht schien sie mit Domina Domitilla doch tatsächlich eine Gemeinsamkeit zu haben.
    „Das hab ich doch auch gar nicht behauptet! Natürlich arbeitest du sauber und ordentlich. Mach einfach so weiter, dann wird alles gut.“ Ein wenig missmutig sah sie zu der anderen hinüber. Der Appetit auf den sowieso schon geschmacklosen Fraß war ihr nun gänzlich vergangen. Minuten der Stille zwischen ihnen vergingen, die bleiern wirkten. Das fing ja gut an, dachte sich Candace. Doch dann gab sie sich einen Ruck.
    „Was für eine Ausbildung hast du den genossen?“, fragte sie schließlich, um dieses unangenehme Schweigen zwischen ihnen zu beenden.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!