Hochverratsprozess gegen Vinicius Lucianus

  • IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI
    DECRETUM IMPERATORIS



    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM XIV KAL DEC DCCCLXII A.U.C.
    (18.11.2012/109 n.Chr.)


    wird die Anklage im Fall
    IUD IMP I/DCCCLXII
    Imperium Romanum vs. Marcus Vinicius Lucianus erhoben.


    Die Anklage lautet wie folgt:



    § 64 Hochverrat
    § 65 Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens
    § 104 Bildung krimineller Gruppen


    Der Imperator Caesar Augustus hat Gaius Octavius Victor als Vertreter der Anklage benannt.



    Gemäß


    § 4 Iudicium Imperialis
    (1) Die Coercitio Extraordinaria des Kaisers wird entsprechend den Bestimmungen des Kaisers durchgeführt. Iudex ist ein oder mehrere vom Imperator Caesar Augustus eingesetzte Iudices, gegebenenfalls auch der Imperator Caesar Augustus selbst.


    übernimmt der
    Imperator Caesar Augustus
    Potitus Vescularius Salinator

    als Iudex Prior den Gerichtsvorsitz.



    - DCCCLXII AB URBE CONDITA -

  • Potitus hatte lange darauf gewartet. Nun war der Tag der Abrechnung gekommen! In der seitlichen, kleineren Halle der Domus Flaviana war alles für den Gerichtstermin vorbereitet worden. Neben einer Sella Curulis, die dem Kaiser als Richterstuhl dienen würde, waren Bänke für die Anklage, geführt von Octavius Victor, und die Verteidigung, zu übernehmen vom Beklagten selbst, aufgestellt worden. Als Beobachter waren die Schreiberlinge von den Acta Diurna und die höchsten Reichspraefekten zugelassen, soweit sie kommen wollten. Da der Senat das Vetrauen des Kaisers verspielt hatte, wurden auch aus diesem Gremium nur die gewohnten Freunde Salinators vorgelassen!

  • Ohne viel Tamtam wurde der Angeklagte in den Saal geführt, begleitet nur von einer kleinen Delegation der Garde, weglaufen konnte der Mann wohl sowieso nicht mehr, schließlich hatte ihm die Zeit im Carcer doch zugesetzt, auch wenn dafür gesorgt wurde dass er frisch gewaschen, rasiert und in neuer Kleidung präsentiert wurde, merkte man ihm die Strapazen wohl an. Schweigend brachten ihn die Gardisten zu seinem Platz, und hielten sich von da an bedeckt, wie es sich nun einmal gehörte..

  • Am Tage des Prozesses gegen Lucianus erschien Victor pünktlich und in einer strahlenden neuen Toga vor Gericht. Viel Vorbereitungszeit war zwar nicht gewesen für diesen Fall, aber er versprach ja auch nicht sonderlich kompliziert zu werden. Also kein Grund sich Sorgen zu machen. Und selbst wenn sich der Octavier welche gemacht hätte (was er aus den verschiedenen Gründen durchaus tat), würde er sich diese nicht anmerken lassen. Nun zugegeben, ein optimistisches Strahlen wäre bei diesem Fall vielleicht auch ein wenig zuviel gewesen, aber entschlossen durfte man wohl gucken, ohne geschmacklos zu wirken. So nahm Victor also mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck auf der Seite der Anklage Platz und harrte dann der Dinge, die da kommen mochten.


    Wie zum Beispiel der Angeklagte, der gerade von den Prätorianern hereingeführt wurde. Bedauerlicherweise sah man auf den ersten Blick, dass der Vinicier nicht mehr in der Blüte seines Lebens stand. Aber nunja... immerhin stand er überhaupt.

  • Potitus grinste, als er Lucianus sah. Der Bursche sah ein bisschen mitgenommen aus! War ihm die monatelange Kerkerhaft wohl nicht so gut bekommen!
    Sein Klient erhielt dagegen ein Nicken und nach kurzem Abwarten, ob sich noch ein paar ranghohe Gäste blicken ließen, eröffnete er schließlich die Verhandlung. "Hiermit eröffne ich die Hauptverhandlung des Iudicium Imperatoris in der Sache Imperium Romanum, vertreten durch den Curator Rei Publicae Gaius Octavius Victor gegen den Verräter Marcus Vinicius Lucianus. Dem Angeklagten wird Hochverrat, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und Bildung krimineller Banden vorgeworfen! Octavius, du hast das Wort!" Endlich ging es los! Bald würde ganz Rom ganz öffentlich sehen, was er mit Verrätern zu tun gedachte!

  • Seiana war durchaus ein wenig überrascht gewesen, als sie erfahren hatte, wie eingeschränkt der Kreis derer war, die als Zuschauer zugelassen waren. Sie hätte gedacht, der Kaiser würde diesen Prozess groß aufziehen, mit möglichst breiter Öffentlichkeitswirkung – sicher bestand dabei die Gefahr, dass Vinicius und seine Anhänger den Prozess als Bühne für sich nutzten, aber die Oberhand hatte immer noch der Kaiser... und auch für ihn wäre es eine Bühne gewesen. Aus dem Prozess hätte ein Spektakel sondergleichen werden können, und Seiana schätzte Vescularius durchaus so ein, dass er Spektakel liebte. In diesem Fall schien er lieber vorsichtig zu sein, was die Frage aufwarf, warum... Aber vielleicht wollte er sich das Spektaktel auch nur für die Vollstreckung des Urteils aufheben – denn an dem Ausgang dieses Prozesses hegte Seiana keinen Zweifel.
    Dass hingegen sie zu dem exklusiven Kreis an Zuschauern zählte, der zu diesem Prozess überhaupt zugelassen worden war, verwunderte Seiana kaum. Sie war leicht auf Linie zu trimmen – nicht nur weil die Acta ein Staatsorgan war, sondern auch wegen ihrer Familie, vor allem wegen ihres Bruders. Sie hatten zu viel gewonnen unter diesem Kaiser, hatten zu viel zu verlieren. Was ihr ganz und gar nicht gefiel, aber ändern konnte sie daran auch nichts, wollte sie nicht nur sich, sondern auch ihre Verwandten nicht gefährden. Sie konnte nur testen, wie weit sie die Regeln, nach denen sie spielen musste, dehnen konnte, und selbst das war schon riskant.


    Ruhig saß sie da, während sie auf den Beginn des Prozesses wartete, beobachtete wie Kaiser und Ankläger ihre Plätze einnahmen, wie Vinicius herein gebracht wurde, und wie der Prozess schließlich eröffnet wurde.

  • Proximus hatte sich auch eingefunden. In der Halle waren neben den Bänken der Anklage und der Verteidigung nur wenige Zuschauer zugelassen. Diese hatten sich bisher auch nur spärlich eingefunden. Als Proximus sich einfand, saß eine Frau schon in der Reihe vor ihm. Er nickte kurz zur Begrüßung und setzte sich sodann nieder. Dann erwartete er gespannt die Eröffnung des Prozesses.


    Man führte schließlich den Angeklagten herein. Danach nahmen auch die Ankläger ihre Plätze ein. Proximus erwartete gespannt den Beginn.

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    DECURIO - MISENUM

    Klient - Lucius Aelius Quarto

  • Als Verwandter des Anklägers und früherer Freund des Angeklagten hatte ich ein besonderes Interesse an diesem Fall. Zum einen war mir klar das es nicht Salinator gewesen sein konnte der den ehemaligen Kaiser ermordet hatte, zum anderen konnte ich kaum glauben das Lucianus damit zu tun hatte ... auch wenn er sicher nur an der Planung und Finanzierung beteiligt gewesen war ...


    Die Anwesenden setzten sich nur aus kleinen Teilen bestimmter "Grüppchen" zusammen, die Acta war vertreten, was eigentlich keine Überraschung war, immerhin musste ja jemand all den "Nicht-Anwesenden" erzählen was hier vorgefallen war. Der Iulisch Tribun war hier, was mich etwas verwunderte zählte er doch eigentlich nicht zu den eingeladenen, aber wahrscheinlich fungierte er als Ersatz für den Praefectus Urbi ... welcher scheinbar immernoch nicht ersetzt worden war.


    Als Lucianus herein geführt wurde erkannte ich ihn kaum wieder, aber ich war nicht überrascht ... diese Wirkung hatte der Kerker auf viele Männer die sich an ein gutes Leben gewöhnt hatten ...

  • Eine Sekunde lang sammelte sich Victor noch, dann erhob er sich von seinem Platz, als der Kaiser ihm das Wort erteilte. Noch einmal räusperte er sich kurz und musterte des Publikum. Sonderlich groß war es zwar nicht, jedoch waren einige bekannte Gesichter darunter und sogar Dragonum hatte den Weg hierher gefunden. Nun denn, ein Kurzer Blick noch auf den Angeklagten, dann begann der Octavier mit fester Stimme sein Eröffnungsplädoyer.


    "Verehrter Imperator, ehrenwerte Anwesende", leicht wandte sich Victor jeweils zu den Angesprochenen, bevor er fortfuhr. "Der Kaiser nannte gerade schon die Vorwürfe die gegenüber dem hier unter uns weilenden Marcus Vinicius Lucianus erhoben wurden, doch angesichts ihrer Schwere, will ich sie noch einmal nennen, auf dass jedem hier klar werde, welch ungeheuerliche Taten dem Vinicius Lucianus zur Last gelegt werden. Taten, für die das Gesetz nichts anderes als die Verurteilung zum Tode vorsieht. Als treuer Bürger des Imperiums, als Senator und als Ankläger hier ist es meine Pflicht den Marcus Vinicius Lucianus der Bildung einer kriminellen Gruppe, der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und des Hochverrates zu bezichtigen. Ich klage Marcus Vinicius Lucianus also im Namen des Imperium Romanum an, gegen die Paragraphen 64, 65 und 104 auf das schwerste verstoßen zu haben."


    Vielleicht war das nicht gerade die eloquenteste und spritzigste Eröffnung (die Aufzählung von Paragraphen wirkte ja auf manche immer leicht trocken), aber es gehörte ja nun einmal dazu. Nach einer winzigen Kunstpause fuhr Victor fort.


    "Warum nun werden Vinicius Lucianus diese Straftaten vorgeworfen? Nun, ich denke es gibt keinen hier Anwesenden, nein vermutlich keinen einzigen Menschen im ganzen Reich, der nicht wüsste welch furchtbarer Frevel, welch wahnsinnige Tat auch im Auftrag des Angeklagten vollbracht wurde. Es ist noch nicht solange her, dass auch nur ein lebender Mensch vergessen haben könnte, wie die Ränke und finsteren Pläne des Vinicius Lucianus zu der Ermordung des Imperator Caesar Augustus Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, ebenso seiner Frau Livilla Ulpia Lucilla und sogar seines Sohnes Publius Ulpius Maioranus vermittels Gift geführt haben. Eine Tat, die verruchter nicht sein könnte und unser Reich in Aufruhr und Bürgerkrieg getrieben hat. Dem voran ging die Bildung einer Gruppe von einstmals zu verehrenden, nun aber zu verdammenden führenden Persönlichkeiten des Staates und des Senates. Eine Gruppe von Verrätern, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, den rechtmäßigen Imperator Caesar Augustus aus dem Weg zu räumen und einem der ihren, dem ehrlosen Usurpator Cornelius Palma die Macht zu übertragen. Eine Gruppe von Verrätern, zu denen auch der Angeklagte Vinicius Lucianus gehört. Als ob aber der Mord an einem Kaiser und seiner unschuldigen Familie noch nicht reicht, hat sich eben diese Gruppe von Verrätern, deren Teil der Angeklagte ist, auch noch dazu verschworen den rechtmäßigen Nachfolger und einzig wahren, neuen Imperator Caesar Augustus Potitus Vescularius Salinator zu stürzen und dabei in einem sinnlosen Bürgerkrieg Römer auf Römer zu hetzen."


    Seine Worte unterstrich Victor mit knappen Gesten, nur am Ende holte er weit aus und deutete erst auf Salinator und machte dann eine umfassende Bewegung mit beiden Händen. Nachdem er auch bei der Rekapitulation der Tat immer eindringlicher gesprochen hatte, sprach der Octavier bei seinen abschließenden Worten wieder normal und ohne erhobene Stimme.


    "Aber woher wissen wir, dass Marcus Vinicius Lucianus der Taten schuldig ist, die ihm hier vorgeworfen werden? Diese Frage lässt sich dreifach beantworten: Es gibt Beweise, gesammelt von den Cohortes Praetoriae. Es gibt Zeugen, das Werkzeug der Verräter bei der Ausführung ihres Mordplanes lebt noch und hat gestanden. Und als letzter aber auch wichtigster Punkt: Der Angeklagte hat gestanden und steht bisher ohne Reue zu zeigen zu seinen Taten! Alleine schon dieser Umstand sollte das hohe Gericht und die ehrenwerten hier Anwesenden davon überzeugen, dass die Anklage stichhaltig und begründet ist und der Gerechtigkeit schnell Genüge getan werden muss! Verehrter Imperator, ich gebe das Wort zurück." Einmal noch nickte Victor kurz seinem Patron zu, dann nahm er wieder auf seinem Sitz Platz.

  • Potitus nickte. Er hatte sich zwar noch ein bisschen mehr Polemik gegen diese ganze Verbrecherbrut gewünscht, aber das Wesentliche war ja gesagt! Blieb es an Lucianus, sich zu verteidigen! "Der Angeklagte hat das Wort?" Er sah mit gespieltem Mitleid hinab zu dem ehemals stolzen Senator.

  • Doch dann ertönte doch noch die Stimme des Senators. Ob es nun aus Absicht geschah, um den Kaiser zu provozieren, oder einfach nur Zufall, dass es solange gedauert hatte würde man wohl nie erfahren.


    Lucianus war sehr mitgenommen, die letzten Wochen, oder waren es Monate im Carcer unter Hunger leidend und Folter ertragend liessen keinen Menschen ohne Zeichen zurück.
    Ausserdem war Lucianus nicht mehr der jüngste, was erschwerend hinzukam.
    Dpch trotz alledem konnte man im Blick von Lucianas noch immer Stolz und Ehre erkennen und niemand sollte Zweifel daran haben, dass die gesprochenen Worte nicht dem entsprachen, was Lucianus wirklich glaubte und fühlte.


    Lucianus sah zum Ankläger "Octavius" und nickte im zu und dann zum Kaiser "Vescularius" und bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick.


    "Dieser Prozess ist eine Farce, der Richter der Geschädigte und der Ankläger eine Marionette seiner... " ich blickte zu Octavius "... es tut mir Leid, aber die Wahrheit muss gesagt werden!"
    Dann sah ich wieder zu dem sogenannten Kaiser "Und du! Du bist ohnehin der letzte, der irgendjemand anklagen sollte, du der du den Kaiser so lange Zeit vor der Öffentlichkeit versteckt hast, ihn vor den Worten des Senats ferngehalten hast und ihn sogar vor uns abgeschirmt hast, damit wir keine Sekunde mit ihm persönlich sprechen konnten. Du hast ihn mit deinen Lügen geimpft und solange eingeredet, dass er nicht mehr regieren konnte, bis er dir all seine Macht in deine gierigen Finger legte.
    Der Senat musste handelt, aber du weisst ja selbst, denn es kam dir ja zugute, welch Memmen im Senat teilweise sitzen und genau aus diesem Grund musste wir handeln, zum Wohle Roms.
    Die Tat an sich kann man so grausam erscheinen lassen, wie man will, der Grund dahinter ist ehrenhaft und verlangte diese Vorgehensweise. Ich bedauere einzig, dass wir nicht so erfolgreich waren und Rom jetzt vielleicht in einen Bürgerkrieg stürzt, welcher das Leben vieler guter Männer kosten wird. Doch am Ende, ihr werdet es alle sehen, wird die Gerechtigkeit siegen und du Salinator wirst dorthin geschickt werden, wo du hingehörst und das ist nicht Rom und nicht der Kaiserstuhl!"


    Kurz hielt ich inne "Richtet über mich, sofern ihr das hier ein Gericht nennen wollt und beendet diese farce endlich! Dann kann ich mich endlich bei denen verantworten, die die ganze Wahrheit kennen, den Göttern und diese sind die einzigen, die richtig urteilen werden!"


    Dass Lucianus alleine hier stand, ihm nicht einmal ein Verteidiger angeboten wurde geschweige denn er gefragt wurde, konnte jeder sehen und es musste nicht gesagt werden. Jeder konnte sich sein eigenes Bild machen und es würde dann an die Öffentlichkeit getragen werden.

  • Potitus grinste. Er mochte es, wenn seine Beute noch ein bisschen zappelte! "Ehrenhaft? Einen kranken Mann zu vergiften ist ehrenhaft? Ich glaube, deine Haft hat deinen Geist ein bisschen verwirrt! Du verwechselst scheinbar Ehre mit Feigheit und das Wohl Roms mit euren egoistischen Wünschen!" Obwohl ein Richter eigentlich neutral sein musste, pfiff der Kaiser bei diesem absurden Schauspiel auf solche Zurückhaltung. Zu groß war die Versuchung, diesem armen Irren seine Niederlage vor Augen zu führen!


    Er drehte sich zu Victor. "Jetzt die Beweise. Bitte!"

  • Proximus saß da und horchte zu. Der Octavier tat ihm leid. Insgeheim war er froh, dass dieser Kelch an ihm vorrübergegangen war.


    Als schließlich der Angeklagte das Wort ergriff, war Proximus überrascht. Der Anfang seiner Worte war durchaus wahr, niemand konnte mehr zum Schluß an Valerianus ran, ohne vorher beim jetzigen Imperator darum gebeten zu haben. Dass aber der Vinicier mit den folgenden Worten ein glasklares Geständnis hinlegte, verwunderte ihn dann schon. Es gab also tatsächlich eine Verschwörung, der Vescularier hatte offenbar nichts mit dem Tode des Valerianus zu tun. Proximus machte sich so seine Gedanken , lies sich aber beileibe nichts anmerken.

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    DECURIO - MISENUM

    Klient - Lucius Aelius Quarto

  • Die Worte von Salinator quittierte ich mit einem eisernen Lächeln und einem Blick der Wasser hätte gefrieren lassen können.
    Alle im Raum konnten die Abscheu erkennen, die ich für diesen Mann hegte, aber auf weitere Worte verzichtete ich, war doch der Ausgang ohnehin schon klar, noch bevor die Tinte auf dem Pergament der Verlautbarung getrocknet war.

  • Regungslos lauschte Seiana dem Eröffnungsplädoyers des Anklägers. Sicher und solide vorgetragen, wie zu erwarten war, fasste die Rede zusammen, was dem Angeklagten zu Last gelegt wurde. Sie musterte die Beteiligten, den Octavius, den Kaiser, vor allem aber den Vinicius, der kaum wieder zu erkennen war... und schwieg, beinahe unerträglich lange schwieg, bis der Kaiser schon einfach weiter machen wollte – und der dann doch noch die Kraft fand zu sprechen. Und was dann aus seinem Mund kam, dröhnte in Seianas Ohren. Er gab es zu. Alles. Mehr noch, er nutzte diese Gelegenheit erneut für einen Auftritt gegen den Vescularius, für eine Rede gegen seine Herrschaft, als stünde er noch im Senat... Ein Geständnis unter Folter war eine Sache, aber das hier, vor Gericht, in diesen Worten, dieser Form zu wiederholen... das war kein erzwungenes Geständnis. Das hier war echt. Welche Zweifel Seiana auch noch gehabt haben mochte, wer hinter dem Kaisermord steckte, in diesem Moment waren sie ausgeräumt. Es steckten also tatsächlich Senatoren dahinter, und nicht etwa der Vescularier selbst. Schlechte Planung, unglücklicher Zufall, irgendetwas war schief gelaufen dabei, und nun... steuerten sie auf einen Bürgerkrieg zu, und was das Schlimmste war: egal welche Seite gewann – der Kraftakt danach, die gespaltene Gesellschaft wieder zu einen, würde vielleicht mehr kosten als sie ahnten. Und sie war sich nicht sicher, ob einer der beiden ausgerufenen Kaiser wirklich das Zeug dazu hatte. Vescularius würde so agieren wie bisher... jeden Widerspruch mit eiserner Faust unterdrücken – was die Gegner aber nicht für ihn einnehmen, nur mehr und mehr in den Untergrund treiben würde. Und was Cornelius anging, wusste sie es nicht. Wenn dieser gewann und ebenfalls darauf aus war, einfach alles auszurotten, was gegen ihn war, würde Rom noch auf Jahre hinaus bluten... vor allem seine politische Elite.


    Mit erstarrter Miene saß sie da und lauschte den Worten... ein wenig fassungslos, nicht, weil sie davon wirklich sonderlich überrascht gewesen wäre – sie hatte durchaus beide Möglichkeiten für plausibel gehalten –, sondern weil sie trotz des Wissens, dass es schon ein Geständnis gegeben hatte, trotz des Wissens darum, was ihr Bruder ihr erzählt hatte, nicht erwartet hätte, dass Vinicius hier noch einmal so klare Worte finden würde. Sein Schicksal war beschlossene Sache, schon bevor dieser Prozess überhaupt begonnen hatte – das hier war eine Farce, da hatte er Recht. Vielleicht hatte er deswegen den Mut gefunden, noch einmal so aufzutreten, weil es ohnehin nichts brachte. Vielleicht war es auch etwas anderes, was ihn dazu trieb. Was auch immer es allerdings war – mit diesem Auftritt hätte sie einfach nicht gerechnet, und dass er so gar keine Reue, kein Bedauern darüber zeigte, dass es in seinen Augen nötig gewesen war, den Kaiser und seine Familie zu ermorden, machte es schwer verdaulich.

  • Potitus legte den Kopf schief, als Victor ein wenig zögerte. Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Ach, sparen wir uns den ganzen Kram! Wir haben alle gehört, dass er geständig ist und seine Tat nicht einmal bereut!" Natürlich brauchte er auch keine Beratung, denn er hatte sich im Vorfeld schon die Strafe überlegt. Also verlas er gleich das vorbereitete Urteil:


    IUDICIUM IMPERATORIS
    IUDICATIO
    IUD IMP I/DCCCLXIII


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM VI ID FEB DCCCLXIII A.U.C. (8.2.2013/110 n.Chr.)


    IM STRAFVERFAHREN
    Imperium Romanum
    - vertreten durch den Advocatus Gaius Octavius Victor -
    gegen
    Marcus Vinicius Lucianus
    vom ANTE DIEM XIV KAL DEC DCCCLXII A.U.C. (18.11.2012/109 n.Chr.)


    HAT DAS IUDICIUM IMPERIALIS DURCH


    Iudex Prior
    IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS
    POTITUS VESCULARIUS SALINATOR


    NACH MÜNDLICHER VERHANDLUNG FÜR RECHT ERKANNT:


    Der Angeklagte wird der Anklage gemäss § 64 Hochverrat, § 65 Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und § 104 Bildung krimineller Gruppen für schuldig befunden.


    Das Gericht verurteilt den Angeklagten hiermit zum Tode durch Erdrosseln. Die Vollstreckung des Urteils erfolgt im Anschluss an die Verhandlung.


    ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


    Das Gericht stellt fest, dass die genannten Anklagepunkte durch die Taten des Angeklagten vollständig erfüllt werden. Gleichsam erklärt sich auch der Angeklagte selbst schuldig im Sinne der Anklage.


    Zweifelsfrei steht fest, dass der Angeklagte gemeinschaftlich mit einer Gruppe hochrangiger Verschwörer und Hochverräter die Bildung einer kriminellen Organisation veranlasst und mitgetragen hat, deren Ziel die Vorbereitung und Durchführung eines hochverräterischen Unternehmens war.


    Das Gericht stellt eine besondere Schwere der Tat fest, da der Angeklagte als Senator Roms einen Eid auf den verschiedenen Imperator Caesar Augustus geleistet hatte, den er im Rahmen des hochverräterischen Unternehmens zu töten gedachte.


    Die vorgebrachte Rechtfertigung des Angeklagten für sein Handeln sieht das Gericht als nichtig an.


    RECHTSMITTELBELEHRUNG:


    Der Imperator Caesar Augustus behält sich gegen jede Appellation aufgrund seiner Tribunicia Potestas das Veto gemäß § 42 (1) vor. Damit ist jeder Versuch nichtig.


  • Kaum hatte der Kaiser das Urteil verkündet, traten die skythischen Leibwächter, die in der ganzen Basilica postiert worden waren, hervor. Sie waren mit der Organisation der Hinrichtung betraut worden, die ja von vornherein festgestanden hatte: Nun bildeten sie einerseits eine Eskorte für den Kaiser, der im Hof der Domus Flaviana seine Sänfte bestieg, andererseits eine Wache für den Delinquenten. Dazwischen konnten die Zuschauer ihren Platz in der kleinen "Prozession" suchen, die sich nun vom Palatin auf das Forum hinabschob.

  • Laut krachte die Faust des Octaviers auf die Lehne seines Stuhls, wie hatte sein einstmaliger Freund und Kamerad nur so weit vom Wege abkommen können? Dragonum hatte geglaubt das er Teil der Verschwörung gewesen sei, war aber davon ausgegangen das man ihm weit mehr in den Mund legte als tatsächlich wahr sein mochte ... doch dieses Geständnis war selbst für Dragonum wie ein Schlag ins Gesicht gewesen ... Seit wann war es die Aufgabe eines Soldaten zu entscheiden wer seine Vorgesetzten waren?


    Einen Kaiser ermorden ... Dragonum konnte sich wahrhaftig kein schlimmeres Verbrechen vorstellen ...

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