• Inzwischen waren die wichtigsten Dinge geklärt. Die Offiziere seiner Leibwache hatten den Besprechungsraum wieder verlassen. Alle acht Turmae der Equites Singulares hatten Aufgaben erhalten. Sogar eine Centurie der Pedites Singulares war mit Ersatzpferden der Kavallerieabteilung ausgestattet. Zeit war wichtig. Dass dieser Tag kommen würde, war schon seit längerem klar, sodass man Vorbereitungen getroffen hatte. Unter den Einheiten, deren Kommandeure ersetzt werden mussten, waren verschiedene Offiziere und Unteroffiziere stets gefördert worden, damit sicher gestellt werden konnte, dass die Einheiten nicht aufbegehren würden. Auch würden die Männer offiziell wegen der Verschwörung zum Mord am Princeps verhaftet werden.


    Dabei hatte Modestus sich aber nicht nur auf die Hand voll Anhänger des Vesculariers beschränkt, die es in der Provinz gab. Nein, auch der eine oder andere potentielle Verbündete für den Claudier beziehungsweise Gegner des Corneliers waren zu Anhängern des Vesculariers erklärt worden. Man musste schließlich sicher gehen.


    Aber bisher lief alles wie geplant. Es war noch nicht sicher, was mit dem Terentier passieren würde. Entweder er wurde ebenfalls verhaftet oder er würde wohl ein Verbündeter des Claudiers werden. Aber wenn es bei 400 Mann Kavallerie bleiben würde, war das zu verschmerzen. Während er auf den Claudier wartete, bediente er sich noch an den Speißen, von der Cena mit dem Claudier, die ein Sklave für ihn in den Besprechungsraum gebracht hatte. Durch die Todesnachricht war er nicht zum Essen gekommen und nun einige Zeit später machte sich sein Magen natürlich bemerkbar. Hoffentlich würde der Claudier sich nicht all zu viel Zeit lassen.

  • Menecrates betrat innerhalb von 24 Stunden erneut die Regia und brachte hohe Erwartungen an das bevorstehende Gespräch mit. Die letzten Monate fanden insgesamt gesehen weniger einschneidende Ereignisse statt als in den letzten 24 Stunden und der Legat erwartete - wie gesagt - noch mehr. Es konnten weitere Nachrichten offizieller Art aus Rom eingetroffen sein oder inoffizielle Boten mit Informationen. Selbst wenn es heute nur um die Absprache der weiteren Vorgehensweise ging, würde das interessant und vor allem wichtig genug sein, sodass sich Menecrates entsprechend vorbereitete. Trotz der vielfältigen Entscheidungen, die er zu treffen hatte, wies sein Terminplaner außer dieser Besprechung in der Regia keine weiteren Einträge auf. Am meisten brannte er auf Informationen aus Rom. Er wollte wissen, auf wen er konkret seinen Zorn richten musste. Und Zorn empfand Menecrates noch immer, auch wenn er ihn in großen Teilen bereits in Entschlossenheit umgewandelt hatte.


    Er blickte sich auf dem Weg durch die Gänge um, ob er Veränderungen wahrnehmen und aus ihnen Schlüsse ableiten konnte, aber außer einem erhöhten Aufkommen an Wachen beim Eingang zur Regia fiel ihm nichts ins Auge. Ein Sklave wies ihm den Weg und er betrat wenig später den Besprechungsraum, in dem der Statthalter bereits wartete.


    "Salve Legatus, ich hoffe, dein Appetit ist ein Zeichen dafür, dass es keine weiteren unerfreulichen Nachrichten gibt." Nachdem Menecrates beim Gruß kurz stehengeblieben war, trat er nun näher.

  • "Salve, Claudius, aber so solltest du meinen Appetit nicht interpretieren. Ich lasse ihn mir nicht von schlechten Nachrichten verderben, denn gerade wenn man diese erhält, sollte man im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Aber, nein, bisher kamen keine anderen Nachrichten aus Rom an."


    erwiderte Modestus und wies dem Claudier mit einer kurzen Geste einen Stuhl zu, während er sich noch ein wenig weiter seinem Essen widmete. Einer der Sklaven an der Seite trat derweil zu dem Claudier mit einem Tablet auf dem neben einem Teller auch ein Becher stand und sah ihn fragend an, falls dieser auch etwas wollte. Es gab solche Anführer, die sich in diesen Situationen keinen Schlaf und kein Essen gönnten und nur an das Problem dachten. Doch davon hielt Modestus nichts. Hunger und Übermüdung führten nur zu falschen Entscheidungen und die nützten niemandem etwas. Wenn es einen Feldzug gab, womit er fest rechnete, würde Erschöpfung und schlechtes Essen von ganz allein kommen.


    "Aber sag, wie haben die Männer der Legio es aufgenommen? Wie verlief der Appell?"

  • Menecrates folgte der Einladung und nahm Platz. Nebenbei registrierte er die Auskunft, dass es bislang keine weiteren Nachrichten aus Rom gab. Er winkte ab, als ihm ein Becher angeboten wurde, vermutlich deswegen, weil Essen und Trinken für ihn nichts weiter als lebenserhaltende Maßnahmen darstellten. Er zog daraus keinen übermäßigen Genuss und er fühlte sich momentan nicht aufgelegt, genüsslich Wein zu trinken.


    "Ich bin sehr zufrieden, wie die Männer auf die Botschaften während des Appells reagiert haben", antwortete er auf die Frage des Statthalters. "Ich habe allerdings auch so gut es ging Komplikationen vorgebeugt, denn ich habe zuvor eine Stabsbesprechung einberufen, bei der die Loyalität eines jeden Offiziers unter die Lupe genommen wurde. In dessen Folge gab es noch vor dem Appell die eine oder andere Entlassung, Versetzung, Ernennung. Die Lücken sind weitgehend geschlossen und hinter mir steht eine schlagkräftige und eingeschworene Legion. Die Männer sind bereit, sich gegen römische Truppen zu stellen, wenn ich es befehle." Menecrates suchte den Blick des Statthalters und fügte an. "Nichts ist im Augenblick so wichtig, wie verlässliche Informationen aus Rom. Ich will wissen, was plant und unternimmt Vescularius Salinator, und ich will wissen, ob sich die Verdachtsmomente gegen ihn erhärten." Für Menecrates fiel und stand seine Position mit der Klärung der Täterfrage. Sein Hauptverdacht richtete sich selbstverständlich gegen Salinator, alles sprach dafür, doch die Skepsis gegen einzelne Senatoren konnte sie nicht völlig überlagern.

  • "Was Informationen aus Rom angeht, so solltest du dir keine all zu großen Hoffnungen machen. Es wird uns kaum etwas über die genauen Pläne des Vesculariers einfach so in den Schoß fallen. Wobei sich sein weiteres Vorgehen absehen lässt. Es würde mich nicht wundern wenn er bald zum Kaiser ausgerufen wird."


    sagte Modestus, denn für solches Wissen brauchte man in der Regel besonders fähige Männer und viel Geld. Er war sich sicher, nein er hoffte, dass der Vescularier sich bald von seinen Truppen zum Kaiser ausrufen lassen würde und dann den Senat zwingen würde dies zu Bestätigen. Mit den städtischen Truppen unter seiner Kontrolle würde der Senat es nicht wagen ihm zu widersprechen. Dann wäre er der Ursupator und die Verschwörer konnten die Rollen der Befreier einnehmen.


    "Außerdem bezweifle ich, dass wir in naher Zukunft irgendetwas verlässliche Informationen über den Mord am Princeps erhalten werden. Solche Dinge werden von Praetorianern untersucht. Selbst sie nicht an der Ermordung des Princeps beteiligt waren, sind sie auf der Seite des Vesculariers, der kontrollieren wird welche Informationen in Umlauf kommen."


    Modestus wurde immer sicherer, dass der Claudier sich gegen die Verschwörung wenden würde, wenn er davon erfahren und es auch glauben würde. Man würde später auf jeden Fall dafür sorgen müssen, dass der Claudier nicht schnüffelte. Wobei es dann sowieso keine Rolle spielen würde. Der Claudier hatte höchstens seine Legio II. Bald verfügte Modestus allein über drei getreue Legionen sowie Hilfstruppen. Ganz zu Schweigen von den Truppen der Cornelier in Britannia und im Osten. Und selbst dann, was würde der Claudier erreichen? Salinator unterstützen? Das würde er wohl kaum.
    Während Modestus so nachdachte, öffnete sich die Tür und ein Sklave betrat den Besprechungsraum. Der Sklave trat zu ihm und flüsterte ihm etwas zu.


    "Gaius Terentius Primus steht unten an der Porta und möchte mich sprechen. Weißt du irgendetwas darüber?"

  • Wie bereits erwartet, gab es in der Kürzer der Zeit keine neuen Informationen aus Rom. Es lag auch auf der Hand, dass der Hauptverdächtige, in dem Fall Salinator, seine Gegner nicht mit Informationen versorgte. Und Menecrates zählte automatisch zu den Gegnern, weil er aus dem Weg geräumt werden sollte. Informationen erwartete Menecrates jedoch vom Senat, der hoffentlich nicht willig aus der Hand des Vesculariers fraß.


    "Ich will doch wohl hoffen, dass der Senat arbeits- und entscheidungsfähig ist", antwortete er auf die Bemerkung, Salinator könne alsbald zum Kaiser ausgerufen werden.
    "Aber dein Einwand zum Thema Informationswäsche ist natürlich berechtigt." Keiner wusste es besser als er selbst, dass die Prätorianer derzeit willige Werkzeuge in den Händen des PU, oder aber selbst die Fädenzieher waren. Diese Unklarheit in Verbindung mit den Beschränkungen der eigenen Informationsbeschaffung ärgerten Menecrates. Er konnte sich aber nicht mehr auf den Gedanken konzentrieren, weil ein Sklave den Raum betrat und der Statthalter eine überraschende Frage an ihn richtete.


    "Terentius an der Porta?" Menecrates verstand das Handeln des befreundeten Präfekten nicht und klang glaubhaft überrascht. "Ich habe Kontakt zu ihm aufgenommen und um eine Unterredung gebeten, um ihn für unsere Sache zu gewinnen", antwortete Menecrates. "Von der Regia war dabei nicht die Rede. Auch erschließt sich mir nicht, warum er nach Mogontiacum reitet und den Prätorianer begleitet, der eigentlich festgesetzt werden soll. Mein Bote hatte ihn bereits im Aufbruch angetroffen. Eine Antwort auf mein Anliegen wollte er mir jedenfalls persönlich heute am Abend geben.“ Menecrates zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht mehr als der Statthalter und befand sich im Unklaren über die Motivation des Präfekten.

  • "Der Senat? Claudius, du bist sehr optimistisch. Nein, der Senat wird keinen Finger entgegen der Wünsche des Vesculariers rühren. Die meisten Senatoren werden eher wie dressierte Hunde tun, was er von ihnen fordert. Denn die Senatoren, die gegen ihn aufstehen, werden sich schnell im Carcer wiederfinden. Und wenn es beim Carcer bleibt, haben sie wahrscheinlich noch Glück gehabt. Der Vescularier kennt keine Skrupel und die städtischen Truppen stehen auf seiner Seite. Der Senat wird tun, was immer auch Potitius Vescularius Salinator auch möchte."


    sagte Modestus, denn was sollten 300 alte Männer schon gegen die Praetorianer und Urbaner ausrichten? Der Vescularier würde im Zweifelsfall die Senatoren zu Dutzenden wegsperren lassen, um sich dann von einer Scharr Senatoren, die aus seinen Anhängern und Opportunisten bestand, zum Kaiser machen zu lassen. Nein, mit dem Senat konnte man nicht rechnen und das war auch im Sinne von Modestus.


    "Mit dem Praetorianer? Das ist sehr merkwürdig... Vielleicht hat er über den Decurio der Praetorianer schon von den Anschuldigungen gegen dich erfahren. Das würde erklären, warum er dich umgeht und erst zu mir kommt. Es gibt in dieser Provinz sicherlich noch eine Hand voll verdeckte Spione der Praetorianer, über die sie an die Information gelangt sein könnten. Wer weiß schon was der Bote nicht alles auf dem Weg nach Mogontiacum noch getan hat... Ich glaube es ist sinnvoller, wenn ich ihn erst einmal ohne dein Beisein spreche. Denn offenbar wollte er dich umgehen. Aus welchen Gründen auch immer."


    überlegte Modestus laut als er versuchte sich einen Reim auf das komische Verhalten des Terentiers zu machen. Vielleicht hatte Terentius Cyprianus, der Praefectus Praetorio auch einen extra Boten an seinen Vettern gesandt. Das war alles sehr merkwürdig und das machte Modestus misstrauisch.


    "Auf jeden Fall ist er allein hier und wurde am Tor entwaffnet. Im Zweifelsfall können wir ihn gleich in Arrest nehmen."

  • Menecrates musste, ob er nun wollte oder nicht, den Argumenten des Statthalters in Bezug auf die unabhängige Handlungsfähigkeit des Senats Beachtung schenken. Es lag mehr als nahe, dass der Vescularier seine Gegner im Senat unter fadenscheinigen Begründungen unter Anklage stellte. Sie würden vermutlich genauso in Arrest kommen und möglicherweise heimlich ihr Leben lassen wie er selbst in Arrest genommen werden sollte. Und weil dem Claudier, bei dem kein Haar in der Suppe zu finden war, erst gestern dieses Schicksal ereilen sollte, schloss sich Menecrates voll und ganz der Ansicht des Statthalters an.


    "Er hat so gut vorgearbeitet auf diesen Moment…" Menecrates Verdacht gegen Vescularius als Kaisermörder erhärte sich damit, während die Möglichkeit einer Verschwörung anderer Senatoren sank. Er fühlte sich wie in einem Prozess, bei dem jegliche Beweise fehlten und er einzig auf die Auswertung von Indizien angewiesen war. In Fällen wie diesem bestand die Gefahr, dass der Täter aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde, das aber durfte nicht geschehen. Sein Handeln richtete Menecrates aktuell aber ausschließlich nach den Indizien, denn anderes blieb ihm auch nicht übrig.



    Auch zum Thema Primus fehlten Menecrates klare Aussagen oder Belege dafür, wie der Präfekt der ALA eingestellt war. Schlüsse würde er jedoch erst ziehen, nachdem er mit ihm gesprochen hatte. Ob es allerdings dazu noch kam, blieb abzuwarten, denn es trat genau das ein, was Menecrates ursprünglich verhindern wollte: Primus würde zuerst auf den Statthalter treffen, was seine Zukunft ungewiss werden ließ. Menecrates hätte dem befreundeten Kommandeur den Rückzug gestattet, wenn der sich gegen sie gestellt hätte. Der Statthalter würde ihn in Arrest nehmen, so viel stand fest und das äußerte Modestus auch gerade.


    Trotz der Sorge antwortete Menecrates: "Ich bin sehr gespannt, welche Position Terentius einnimmt." Es gab aktuell auch nichts Entscheidenderes. "Weitere Boten aus Rom können und werden in Germania eintreffen. Welche Vorbereitungen wollen wir treffen? Ich bin sicher, du hast bereits Pläne für das weitere Vorgehen. Und lässt sich bereits absehen, wie alleine wir auf weiter Flur stehen oder wie groß die Unterstützung gegen Vescularius sein könnte? Du sagst, und ich habe es erleben müssen, sämtliche Stadteinheiten stehen auf der gegnerischer Seite. Als am nächsten stationierte Einheit von Rom fällt mir die Prima ein. Ist deren Position bereits bekannt?" Gern hätte er angefügt: ‚Und sollten wir nicht aktiv werden?‘, unterließ es aber, weil er vermutete, er müsse den Statthalter nicht anschieben. Falls doch, könnte er es immer noch tun.

  • "Zudem bezichtigt er auch eine Verschwörung aus Senatoren des Mordes am Princeps. Das bietet ihm den Vorwand sich eines jedweden Senators zu entledigen, wenn er es möchte."


    fügte Modestus noch hinzu. Es war ein weiteres Argument dafür, dass die Verschwörung aus Senatoren nur eine Erfindung des Vesculariers war. Das entsprach zwar nicht den Tatsachen, aber das sollte auch nicht bekannt werden. Man musste später auf jeden Fall dafür sorgen, dass es keine richtige Ermittlung gab. Aber das würde der neue Princeps sicherlich bewerkstelligen können.


    "Was die Vorbereitungen angeht, so gibt es zwei Bereiche. Einen Politischen und einen Militärischen. Was die Politik angeht, so müssen Verbündete kontaktiert und neue Verbündete gewonnen werden. Auch muss dem Vescularier quasi der Krieg erklärt werden, sobald er sich zum Kaiser ausrufen lässt. Militärisch müssen die Truppen mobilisiert, gesammelt und mit Vorräten ausgestattet werden. Und natürlich muss auch festgelegt werden, was Heer dann überhaupt tun soll."


    erklärte Modestus die Schritte, die zu gehen waren, bevor des Heer ins Feld ziehen würde. Dabei gedachte Modestus sich um das politische Vorgehen selbst zu kümmern. Dann bedeutete er dem Sklaven, der ihn über die Anwesenheit des Terentiers und die eingetroffene Acta Diurna informiert hatte, das Papyrus dem Claudier zu reichen.


    "Und wir werden nicht allein auf weitem Flur stehen. Ich gehe davon aus, dass die germanischen Truppen fast vollständig diese Sache unterstützen werden. Syria, Britannia, Aegyptus. Ich vermute auch die Legio I. Man wird sehen. Wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich werde Terentius Primus empfangen. Du kannst dich solange mit der neuen Acta Diurna befassen. Ich denke sie wird dich interessieren."


    sagte Modestus und verlies dann den Raum, um den Terentier zu sehen. Er war gespannt, warum der Terentier den Claudier umgangen hatte.

  • Menecrates nahm die Schriftrolle aus Rom entgegen, behielt sie aber ungesehen in den Händen, weil er zunächst den Ausführungen des Statthalters folgte. Als Hauptverdächtiger am Kaisermord durfte sich Vescularius nicht ungestraft zum Nachfolger ausrufen lassen - darin ging Menecrates mit dem Statthalter absolut konform. Nach seiner Ansicht müsste erst die Unschuld des PU glaubhaft bewiesen sein. Sollte also der Fall eintreten, dass die Kunde von der Selbsternennung nach Germania drang, würde Menecrates nicht zögern und seine Männer gegen die Truppen des Vesculariers führen. Was das bedeutete, wussten alle: Krieg. Menecrates war gewiss kein Freund des Krieges und ihn trieb auch nicht mehr der innere Heißsporn wie einst in jungen Jahren, aber Recht musste Recht bleiben. Und Recht gab es nur dann, wenn ein erwiesenermaßen unschuldiger Mann Valerianus‘ Nachfolge antreten würde.


    "Ja, die Frage, wer auf welcher Seite steht, muss umgehend geklärt werden", pflichtete er dem Annaeer bei. Nach der angekündigten Unterredung mit Terentius würde noch genug Zeit sein, näher darauf einzugehen.



    Als der Statthalter den Raum verlassen hatte, entrollte Menecrates das Blatt. Er konnte nicht anders - sein Blick fiel auf den Leitartikel und veranlasste ihn, näher hinzusehen. Das Wort "Staatsfeinde" sprang ihm ins Auge, dann las er die Namen. Für einen Moment flackerte sein Verdacht gegen eine bestimmte Gruppe an Senatoren auf, die er als Kritiker des Kaisers in Erinnerung hatte. Aber nur für einen Moment. Sextus Aurelius Lupus und Manius Flavius Gracchus - beide gehörten zu seinen ganz persönlichen Verdächtigen. Als unbeschriebenes Blatt hingegen empfand er Appius Cornelius Palma, was ihn an der soeben aufgestellten Theorie wieder zweifeln ließ. Und noch etwas schob den aufgeflammten Verdacht weg: weder tauchten auf der Liste Tiberius Durus noch Vinicius Lucianus, Aurelius Avianus oder der Statthalter selbst auf.
    Seine persönliche Verschwörungstheorie war also eine fixe Idee, die Indizien und die Zusammensetzung der Namen in der Acta sprachen dagegen. Stattdessen bekam der eingangs erwähnte Satz des Statthalters 'Vescularius bezichtet eine Verschwörung aus Senatoren des Mordes am Princeps' eine ganz andere Bedeutung. Möglicherweise trug der PU dieses Gerücht tatsächlich unters Volk, um von sich abzulenken. Nichts war im Moment so naheliegend wie diese Sichtweise, was bedeuten würde, dass die Liste an Namen wahllos zusammengestellt war.


    "Rom ist ein Sumpf!", schimpfte Menecrates vor sich hin.

  • "Ich hoffe du fandest die Lektüre der Acta Diurna interessant. Ich habe gerade auch zwei weitere Briefe aus Rom erhalten. Die Männer, die zu Staatsfeinden erklärt wurden, konnten im Gegensatz zu anderen Senatoren aus Rom entkommen. Wie befürchtet kam es zu weiteren Verhaftungen. Marcus Vinicius Hungaricus, Lucius Flavius Furianus und diverse andere auch. Außerdem wurde das Testament des Princeps durch Vescularius Salinator abgeholt, aber noch nicht öffentlich verlesen. Ich gehe davon aus, dass er es zu seinen Gunsten fälschen lassen wird, bevor er es der Öffentlichkeit präsentiert. Es dauert wohl nicht mehr lange, bis er sich zum Kaiser ausruft und es beginnt."


    sagte Modestus, nachdem er den Besprechungsraum mit Claudius Menecrates wieder betreten hatte. Nach dem Gespräch mit dem Terentier hatte er auch gleich die Briefe erhalten, denn in der derzeitigen Lage spielten sie eine wichtige Rolle. Neue Informationen aus Rom und dem Reich waren immer wichtig. Nachdem er die wichtigsten Fakten aus dem ersten Brief erläutert hatte, ging er auch auf den zweiten Brief ein. Denn die Kanzlei und damit der Vescularier hatte den Claudier nicht vergessen.


    "Die Kanzlei brennt übrigens darauf zu erfahren, ob du bereits in Haft genommen wurdest und welche Offiziere der Legio II ersetzt werden müssen. Außerdem ist mein Gesandter aus Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Gaius Flaminius Clio, der Statthalter von Germania Inferior, hat mir seine Unterstützung zugesichert."


    Während er Germania Inferior erwähnte, lies sich Modestus wieder auf seinem Stuhl nieder. Damit war der Claudier nun auf dem neusten Stand und man konnte gleich die militärischen Angelegenheiten angehen.


    Sim-Off:

    Nachdem sich die Sache mit Primus nun dem Ende zuneigte fahre ich hier schonmal fort. Sobald der Thread mit Primus dann fertig ist, werde ich auch SimON mit Modestus darauf eingehen.

  • Der Statthalter betrat den Raum, und die Liste an unglaublichen Neuigkeiten verlängerte sich durch seinen Bericht.
    "Vinicius Hungaricus?" Menecrates schüttelte den Kopf zum Zeichen größten Unverständnisses. "Bisher hatte es für mich den Anschein, dass vornehmlich bzw. ausschließlich Patrizier auf der Abschussliste des PU stehen." Das stärkte die Annahme, dass der Vescularier einen Feldzug gegen die Patrizier führte, um mit möglichst wenigen Gegenstimmen auf den Thron zu gelangen.


    "Ich verstehe Rom nicht!", schimpfte Menecrates und sprang auf die Beine, als die Nachricht von der Aushändigung des Testaments an Vescularius zur Sprache kam. "Vesta dienen viele Patrizierinnen. Man sollte annehmen, die Damen besitzen ihren Kopf auch zum Denken. Wie kann das Testament jenem Mann ausgehändigt werden, der nicht nur im starken Verdacht steht, einen Kaisermord begangen zu haben und damit als Patriziermörder, sondern auch im Allgemeinen als Patriziergegner gilt?!" Menecrates hob anklagend die Hände zur Zimmerdecke.
    "Alles, was uns je als Testamentinhalt bekannt gegeben wird, verliert damit an Bedeutung."


    Im Vergleich zu diesem Desaster erschien Menecrates die Nachfrage nach seiner Person recht unbedeutend. "Ich habe bereits unzuverlässige erscheinende Offiziere ersetzt - wenn auch sicherlich nicht im Sinne des Vesculariers", erwiderte Menecrates, nicht ohne Zufriedenheit in der Stimme. "Was wirst du ihm mich betreffend zurückmelden?"


    Schließlich kam die Sprache auf den Statthalter von Germania Inferior und Menecrates setzte sich wieder.
    "Sehr gut. Dort sind wichtige Legionen stationiert", kommentierte Menecrates. "Wichtig wäre vor allem auch Raetia. Welche Informationen liegen uns da vor? Wenn bekannt ist, welche Einheiten den Vescularier unterstützen bzw. ihn als Imperator ausrufen, können wir danach unsere Taktik planen. Also, welche Einheiten kann er zusammenziehen, wie schnell kann er das bewerkstelligen? Wenn es beginnt, wie du sagst, sollten wir zuvor gewählt haben, ob wir die angreifende oder die verteidigende Position einnehmen."

  • "Bevor ich dir antworte, möchte ich noch eine andere Sache ansprechen. Es geht um dein Anliegen bezüglich meines Verhältnisses zur Legio II und meiner Leibwache. Ich möchte, dass die Legio II bald eine Centurie meiner Leibwache stellt. Daher würde ich gerne in den nächsten Wochen einen Appell der Legio abnehmen, um die Männer für die Pedites Singulares auszusuchen. Wobei ich es allerdings begrüßen würde, wenn du schon eine Vorauswahl für mich triffst. Nach unseren früheren Differenzen sollten wir den Männern auch zeigen, dass wir uns nun gemeinsam gegen den Ursupator stellen."


    führte Modestus noch an, und er rechnete eigentlich damit, dass der Claudier diese Sache schon wieder vergessen hatte. Zumindest hatte er selbst dies fast vergessen und sich nur per Zufall daran erinnert. Aber er wollte dem Claudier dieses Zeichen des Vertrauens durchaus geben, gerade weil man sich in der gegebenen Situation aufeinander verlassen musste. Der Appell würde aber erst in einigen Wochen stattfinden können, denn erst mussten wichtigere Dinge getan werden. Der Vescularier würde sicherlich nicht auf seine Feinde warten.


    "So ungern ich es auch über meine Standesgenossen sage, so haben sich viele auch bei dem Vescularier angebiedert. Die Iulier, Octavier oder die Germanicer. Von daher ist es wiederum auch nicht verwunderlich, dass bisher eher wenige Plebejer verhaftet wurden. Auch wenn der Vescularier sicherlich keine Liebe für Patrizier übrig hat."


    sagte Modestus und nannte dabei die drei plebejischen Gentes mit Senatoren, die seiner Meinung nach am engsten mit dem Vescularier verflochten waren. Man würde sehen, was nach dem Bürgerkrieg mit ihnen Geschehen würde.


    "Ich würde mit den Vestalinnen nicht so hart in Gericht gehen. Wer weiß schon welcher Druck auf sie ausgeübt wurde. Dem Vescularier ist vieles zuzutrauen. Aber was das Testament angeht, so hast du sicherlich recht."


    sagte Modestus zur Verteidigung der Vestalinnen. Das Klassenbewusstsein des Claudiers, das ihn aus seinen Worten geradezu ansprang, vermerkte Modestus gedanklich für sich selbst.


    "Bisher habe ich keine Rückmeldung gegeben und ich habe es auch nicht vor. Der Weg über die Alpen ist weit und gefährlich. Nicht immer kommt jeder Brief auch an. Was sollte ich ihm auch schreiben? Es ist zu früh ihm offen die Feindschaft zu erklären. Erst wenn er sich selbst zum Kaiser erklärt."


    entegnete Modestus und schmunzelte als Modestus die ersetzten Offiziere erwähnte. Nichts anderes hatte er selbst mit dem einen oder anderen Kommandeur der Provinz getan.


    "Was Raetia angeht, so wird sich Caius Lurius Sulla, der Praefectus Augusti, der Seite anschließen, die die besten Siegeschancen und die tiefsten Taschen hat. Ich hoffe ihn zumindest auf letzterem Gebiet überzeugen zu können. Auch wenn Raetia uns eher wenige Truppen bringen wird, die geographischen Lage bringt uns Vorteile. Und nachdem wir einen guten Teil der Truppen auch in Germania verweilen muss, um die Sicherheit der Provinzen zu gewährleisten, können ist es klug jeden Vorteil zu nutzen."


    sagte Modestus und ging aber vorerst nicht näher auf die Vorteile von Raetia ein. Das würde gleich noch bei den strategischen Erwägungen einen Rolle spielen.


    "Ich vermute, dass die Donaulegionen geschlossen hinter den Vescularier stellen. Er in der Region viele seiner Günstlinge eingesetzt. Wie schnell er sie mobilisieren kann, ist schwer zu sagen. Sobald wir ihm offen den Krieg erklären, sollten wir so schnell als Möglich die Truppen zusammenziehen. Wobei ich unsere letztendliche Strategie von dem Vorgehen des Feindes ausmachen würde. Aber ich denke wenn schnell zum Fluss Oenus vorstoßen können, hätten wir damit eine vorteilhafte Position. Er könnte uns bei der Verteidigung ein großer Vorteil und bei einem Angriff ein großes Hindernis sein."

  • Das Thema, das der Statthalter allem voranschob, stand bei Menecrates nicht mehr auf dem Plan, denn es erging bereits eine Absage. Umso mehr überraschte ihn nicht nur das Thema, sondern die gesamte Aussage. Er las für Augenblicke in dem Gesicht des Statthalters, als der schwieg, dann zeigte sich ein leichtes Nicken. Es freute Menecrates, dass seine Einheit nunmehr doch der Tradition der letzten Jahre folgend, für den Schutz des Statthalters herangezogen wurde. Damit wuchs Menecrates Einflussbereich und ebenso seine offene Haltung gegenüber dem Statthalter.
    "Eine Entscheidung, die von Weitsicht getragen ist", lobte er. "In der Tat demonstriert diese Aufgabe für ausgewählte Männer meiner Einheit eine gewachsene Zusammenarbeit und mehr Zusammenhalt. Kein unwichtiger Aspekt in diesen unruhigen Zeiten. Ich werde mich um eine Vorauswahl kümmern."


    Anschließend hörte er den weiteren Ausführungen zu und vermerkte bei sich die genannten Gensnamen im Zusammenhang mit dem PU. Auch registrierte er, dass in Bezug auf ihn selbst noch keine Rückmeldung nach Rom erfolgte. Dem Claudier wurde bewusst, dass ihn das letztlich auch nicht kümmerte. Schließlich kam das Gespräch auf Raetia.
    "Ich halte die geographische Lage Raetias ebenfalls für hilfreich, ja gewinnbringend, wenn nicht sogar entscheidend", bekräftigte Menecrates. "Fast möchte ich sagen, es wäre erstrebenswert, auch Noricum zu gewinnen. Kontrollieren wir dieses Gebiet, wird es nicht möglich sein, dass in Italia befindliche Truppen bzw. Vescularius sich mit den Donaulegionen zusammenschließt." Es klag nicht in Menecrates' Absicht, dem Statthalter die von ihm bevorzugte Strategie des Abwartens auszureden, daher gab er nur den Gedankenanstoß, und zwar ohne den Zusatz, dass er persönlich Vescularius' Schritten, gleich welchen, zuvorkommen würde. "Ihn in Italia einzuschließen, halte ich für einen brauchbaren Gedanken." Menecrates' Augen glomm kurzzeitig ein verschmitzter Funken auf, dann fügte er bedacht an: "Absolut richtig zunächst zu warten, bis er sich zum Kaiser erklärt." Zwar glaubte er nicht, dass dieser Schritt ausbleiben würde, aber vorher gab es keinen Rechtfertigungsgrund für Gegenmaßnahmen.

  • "Ich glaube, wir werden Schwierigkeiten haben Noricum vor den pannoischen Legionen zu erreichen. Außerdem könnten die Truppen Salinators auch mit Hilfe der Flotte nach Italia übersetzen. Aber darüber können wir uns Sorgen machen, wenn es soweit ist. In naher Zukunft soll es noch eine große Besprechung mit allen bedeutenden Militärs geben, wo wir dann auf die Verteidigung der Provinz während des Bürgerkriegs und den Feldzug selbst zu sprechen kommen werden."


    sagte Modestus im Hinblick auf Noricum. Er sah es schon als schwierig an, rechtzeitig die Grenze von Raetia zu sichern. Immerhin standen die pannonischen Legionen direkt an der norischen Grenze. Aber man würde sehen, was machbar war, und sich die Meinungen diverser Militärs anhören. Vorerst gab es ein wichtigeres Thema.


    "Ich möchte jetzt ein wichtigeres Thema besprechen. Um das offensichtliche festzustellen, wir haben keinen Imperator. In einigen Wochen wird es einen neuen Imperator geben, der zwar vom Senat und den Donaulegionen anerkannt wird, aber nicht von uns. Und wenn wir diesen Bürgerkrieg mit der Beseitigung des Vesculariers beenden wollen, damit das Reich nicht im Chaos eines andauernden Bürgerkriegs versinkt, dann müssen wir uns jetzt über die Nachfolge des Valerianus unterhalten. Dann müssen wir uns auf einen Nachfolger einigen."

  • Es würde also eine große militärische Besprechung folgen. Menecrates nickte dazu und verschob die Klärung, wann welche Provinz gesichert werden sollte, auf diesen Zeitpunkt. Auch die Bemerkung, dass alles, was Salinator behindern würde, seinen Zweck erfüllte, vertagte er. Ein Übersetzen mit der Flotte erachtete er durchaus als Behinderung und er eröffnete ihnen viele Möglichkeiten. Mit seinem Nicken war jedoch dieses Thema zunächst vom Tisch.


    Das darauffolgende Thema, das der Statthalter als wichtiger ankündigte, verursachte bei Menecrates jedoch zunächst eine kurzzeitige Sprachlosigkeit. Er musste sich innerlich sortieren. Zunächst rief er sich in Erinnerung, dass die Aushändigung des Testaments an Salinator erfolgte. Sie würden also niemals den Willen ihres ermordeten Kaisers in Bezug auf die Thronnachfolge erfahren, denn dass in dem Testament nunmehr der Vescularier stand, zweifelte Menecrates nicht an. Der Senat war bereits in der gesamten Vergangenheit eingeknickt, also rechnete Menecrates nicht damit, dass er Salinator seine Zustimmung zum Besteigen des Thrones versagte. Dabei hatte der Claudier eine offene und faire Wahl des neuen Princeps vor Augen gehabt, sofern das Original-Testament nur den leiblichen Sohn als Thronfolger und keine vom Kaiser eingesetzte Alternative ausweisen würde.


    "Mir ist klar, dass wir einen Gegenkandidaten ausrufen müssten, und doch halte ich diesen Schritt für unangemessen. Des Kaisers Wille zählt für mich, etwas anderes hat nie gezählt." Menecrates fluchte innerlich, bevor er fortfuhr. "Leider werden wir vermutlich nie den letzten Willen unseres Kaisers erfahren. Alternativ hätte der Senat frei wählen müssen! So wäre es korrekt gewesen, aber so wird es nicht laufen. So lief es die ganzen letzten Jahre nicht." Wieder fluchte Menecrates innerlich, denn er fühlte sich nicht befugt, einen Nachfolger zu bestimmen - nicht in einem Zweiergespräch alleine mit dem Statthalter. Sie waren nur zwei Senatoren, ZWEI. Und was sagte die Erbfolge?


    "Welche Senatoren stehen auf unserer Seite?" Die Frage konnte klären, wie groß dieser "Seantsanteil" war , welche Personen ihn stellten und wie die Kontaktaufnahme stattfinden konnte, um eine mehrheitliche Meinung festellen zu können.

  • "In der Tat, so wird es nicht laufen. Denn letztlich kommt es nicht nur auf die Senatoren an..."


    sagte Modestus und sprach dabei nicht aus, was er dachte. Die Soldaten entschieden, wer Kaiser wurde, nicht die Senatoren. Das zeigte sich allein daran, dass der Senat wohl den Vescularier zum Kaiser wählen würde. Und weil diverse Männer mit Soldaten ihn nicht mochten, würden sie ihn mit Gewalt absetzen. Letztlich würde das mit jedem Kaiser passieren, der zwar genügend Unterstützung im Senat, aber nicht beim Militär hatte. Und deswegen kam es letztlich nicht auf die Senatoren an.


    "Was die Senatoren angeht, so gibt es sicher einige, die sich gegen den Vescularier stellen. Wobei das nicht bedeutet, dass wir zwangsläufig auf derselben Seite stehen. Das kommt darauf an, wofür wir uns entscheiden."


    sagte Modestus, denn der Kampf gegen den Vescularier wurde nicht nur von Germania geführt. Hatte er doch vor kurzem endlich die Nachricht erhalten, dass der Cornelier in Syria gut angekommen und zum Kaiser ausgerufen worden war.


    Appius Cornelius Palma wurde in Syria von den dortigen Legionen zum Imperator ausgerufen. Ich weiß von vielen Senatoren, die ihn unterstützen.

  • Menecrates gewann den Eindruck, dass noch eine Wahlmöglichkeit bestand, was den zu unterstützenden Mann betraf. Dass sie erörtern konnten, wer rechtmäßiger, oder falls es keinen rechtmäßigen Nachfolger gab, wer ein fähiger, gerechter und in der Staatsführung geschickt agierender Nachfolger sein könnte. Natürlich lag es nahe, dass dieser Mann auch ein Feldherr sein würde.
    Die Frage, wen denn der Statthalter unterstützen würde, lag Menecrates bereits auf den Lippen, als der Annaeer einen Namen ins Spiel brachte. Claudius musste den Namen nicht wirken lassen, erst vor Minuten, während der Wartezeit, hatte er ihn in der Acta gelesen.


    "Was spricht für Cornelius?", fragte Menecrates, und vermied zunächst jede Form von Wertung. Er kannte den Mann nicht persönlich, wusste nur, dass er Patrizier war und eine recht erfolgreiche Vita vorzuweisen hatte. "Und gehört du zu den vielen Senatoren, die ihn unterstützen? Was sind die Gründe, warum er von Vescularius zum Staatsfeind erklärt wurde? Ist er aus deiner Sicht des Verdachts der Täterschaft frei?" Menecrates rechnete damit, dass der Statthalter mehr wusste als er selbst.
    "Ich für meinen Teil möchte niemand unterstützen, auf dem ein Mordverdacht liegt. Das ist der Grund, warum ich mich gegen Vescularius stelle. Der Haftbefehl gegen mich hat damit nichts zu tun, oder sagen wir: marginal.
    Ich möchte mit dir erörtern, ob und wenn ja, welche Erben Valerianus vorzuweisen hat, Kinder natürlich, Bastarde, Brüder, Halbbrüder, du weißt schon. Natürlich ist davon auszugehen, dass ein Mordkomplott die Erbfrage mit berücksichtigt und vorsieht, mögliche gesetzliche Nachfolger mit aus dem Weg zu räumen. Einen Imperator auszurufen, ist jedoch eine solch einschneidende Handlung, dass ich auf alle Fälle sicher sein möchte, alle denkbaren Möglichkeiten entsprechend beleuchtet zu haben."

  • "Es spricht vieles für Cornelius Palma. Allein seine persönliche Qualifikationen sind beeindruckend. Er hat sich bereits früh im Cursus Honorum hervorgetan, sodass schon Iulianus große Stücke auf ihn hielt und begann ihn zu fördern. Er ist militärisch erfahren und hat in Germania wie auch im Osten des Reichs bewiesen, dass er ein fähiger Feldherr ist. Als Statthalter von Thracia und später auch Asia hat er auch gezeigt, dass er ein kompetenter aber auch gerechter Statthalter ist. In Thracia war er sogar so beliebt, dass ihn die Bevölkerung nach seiner Amtszeit noch mit einer großen Inscriptio geehrt hat. Er ist ein aufrechter und äußerst fähiger Mann."


    erklärte Modestus welche Grunde es gab, den Cornelier zu unterstützen. Natürlich hatte er sich dies zurechtgelegt und vorher noch einmal den Lebenslauf des Corneliers studiert. Und dieser war in der Tat sehr beeindruckend. Zu den persönlichen Vorzügen kamen natürlich auch noch die diversen Unterstützer, die der Cornelier hatte. Syria mit sechs Legionen war schon eine gewaltige Machtbasis. Und natürlich auch Britannia, wo ebenfalls ein Cornelier Statthalter war. Wenn sie ihn unterstützten, würde man den den Bürgerkrieg schnell beenden und wieder stabile Verhältnisse schaffen könnnen.


    "Was den Mord angeht, so glaube ich nicht, dass er daran beteiligt war. Die Anschuldigungen des Vesculariers dienen vielmehr seinen eigenen Zwecken, ganz genauso wie in deinem Fall. Cornelius Palma ist neben uns sein wichtigster Gegner. Wobei Salinator von uns natürlich nichts weiß, sodass er sich für überlegen hält."


    sagte Modestus und war sich fast sicher, dass der Cornelier nur auf der Liste stand, weil er damals aus Rom geflohen war. Und nun natürlich offen gegen Salinator rebellierte. Da war die Anschuldigung Mörder des Kaisers zu sein natürlich bequem, um dem Gegner die Legitimation zu nehmen. Wobei davon ja eigentlich in der Acta auch nichts stand. Nur, dass der Cornelier zum Staatsfeind erklärt wurde. Aber das spielte auch keine Rolle.


    "Da der Imperator und sein leiblicher Sohn verstorben sind, gibt es keine Mitglieder des Gens Ulpia mehr. Das Gens ist ausgestorben und es gibt keine rechtmäßigen Erben mehr. Es ist mir nicht bekannnt, ob Valerianus überhaupt Bastarde gezeugt hat, aber auf jeden Fall hat er keinen anerkannt. Von daher können wir das wohl ausschließen."


    "Ansonsten gibt es nur Lucius Aelius Quarto, wie du sicherlich sehr gut weißt. Aber er hat keinerlei Anspruch auf den Thron. Valerianus mag zwar als Aelius zur Welt gekommen sein, doch er wurde als Sohn des Ulpius Iulianus Princeps. Aelius Quarto ist kein Ulpius und hat daher nicht mehr Anspruch auf den Thron, als du, Cornelius Palma oder jeder andere Mann im Reich. Davon abgesehen halte ich ihn nicht für geeignet. Er ist schon im Greisenalter und hat in seinem langen Leben keinerlei Erfahrung als Militär oder als Statthalter gesammelt. Auch hat er all die Jahre, obwohl er Bruder des Princeps war, nie etwas gegen Vescularius Salintor unternommen sondern sich ins Privatleben zurückgezogen. Und falls das nicht ganz stimmt und er doch etwas unternommen hat, so ist er allerdings offensichtlich gescheitert. Also entweder ist ihm das Reich egal, oder er konnte sich nicht einmal bei seinem eigenen Bruder Gehör verschaffen. Möchtest du so jemandem, das Wohl des ganzen Reiches anvertrauen?"

  • Menecrates begrüßte, dass der Annaeer die Frage ausführlich beantwortete. Sonst schaltete er ja gerne bei langen Reden einmal ab, hier aber folgte er aufmerksam. Ab und zu nickte er, sagte "Hmm" oder "So ist es". Er fand keinen Ansatzpunkt zu Widerspruch, nicht einmal für ein beunruhigendes Bauchgefühl. Und er selbst hatte erfahren, wie schnell jemand in Verruf geriet, ohne jedweden Anlass. Vescularius hatte vorgesorgt und setzte nun alles daran, Valerianus' Nachfolger zu werden.
    Was Aelius betraf, gelangte Menecrates selbst zu dem Schluss, dass jener keinerlei Anrecht auf die Nachfolge hatte. Zwar konnte Quarto, wie jeder andere, sich als Nachfolger anbieten, aber - und auch darin musste Menecrates dem Statthalter Recht geben - ihm fehlte militärische Erfahrung. Welche Truppen sollten ihn unterstützen, abgesehen von der fehlenden Erfahrung als Feldherr?


    "Wenn sich kein Alternativkandidat findet, über den wir noch sprechen müssten, dann kann ich mich mit dir auf die Unterstützung für Cornelius einigen." Menecrates nickte nochmals sachte. Zwar störte es ihn immer noch, dass sich der Senat bei der Nachfolge offensichtlich nicht einig sein würde, aber er zweifelte nicht an der kommenden Abstimmung für oder gegen Salinator, sowie deren Ergebnis. Versularius zu unterstützen, verbot sich für ihn absolut - auch ohne den Haftbefehl, ohne das Wissen, vom selbst abgeholten Testament und dem starken Mordverdacht.


    Seine Frage, wer auf ihrer Seite stand bzw. wer von den Senatoren ebenfalls den Cornelier unterstützte, hatte Menecrates inzwischen vergessen.

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