Dass einmal ein Wunder geschieht – Clivus Cinnae

  • Die Thermen des Zenodorus, an der Via Crastina? Viel zu vorbelastet! Wäre ein schlechtes Omen.
    Die Taberna Irem auf der Tiberinsel? Zu speziell. Was wenn er orientalisches Essen verabscheute?
    Am Obelisken der großen Sonnenuhr, auf dem Marsfeld? Unmöglich. Zu viele Blicke.
    Ein diskretes Hinterzimmer, irgendwo? Zu anrüchig. Und geschmacklos. Sähe ja so aus als wolle ich nur das eine.
    Eine lauschige Hütte auf unseren Ländereien bei Ostia? Zu weit weg. Weder er noch ich konnten einen ganzen Tag lang einfach verschwinden.
    Zuletzt entschied ich mich für den Clivus Cinnae. Dieser Hügel, der nördliche Ausläufer des Ianiculums, lag nahe genug an der Stadt, um ihn in kurzer Zeit zu erreichen, und war doch schon außerhalb, ländlich und idyllisch, sozusagen perfekt für ein romantisches Rendezvous an einem schönen Spätsommerabend. Ob es so romantisch werden würde, das bezweifelte ich zwar, aber..... aber es würde dann auf jeden Fall nicht am Treffpunkt liegen.


    Und so verbannte ich meine Bedenken in ein abgeschiedenes, energisch umzäuntes Distrikt meiner Selbst, und schrieb ihm eine kleine Botschaft. Was hatte ich noch zu verlieren? Nach meiner blamablen Flucht beim letzten Zusammentreffen: Nichts! Aber sowas von gar nichts!
    Ravdushara wurde genauestens instruiert und überbrachte das Briefchen mit vielen Vorsichtsmaßnahmen. Und tags darauf begab ich mich mit flatterndem Herzen zum Clivus Cinnae. Ich ritt auf Tertia, denn das machte zum einen den Weg angenehmer, zum anderen wusste ich, dass ich auf meiner schönen weißen Stute eine besonders gute Figur machte, und ausserdem waren die Satteltaschen schwer, vollgepackt mit guten Dingen für ein romantisches Picknick.
    Falls es denn soweit kam.
    Falls er überhaupt kam.
    Falls ich nicht alleine da oben herumsitzen und ihn, mit wachsender Ungeduld und Demütigung, vergeblich erwarten würde.
    Nein, nicht gleich das schlimmste annehmen.


    Hoch zu Ross, das Gladius am Sattel, in eine locker gegürtete saphirblaue Tunika gekleidet, (von der ich wußte, dass sie die Farbe meiner Augen betonte), sorgfältig rasiert, frisiert, mit wohlduftendem Zimtöl eingerieben, so erreichte ich den Gipfel. Ich war früh dran. Die drei Pinien ragten, lange Schatten werfend, in den klaren Himmel. Das Gras auf der Hügelkuppe stand hoch, es war trocken und vergilbt, und raschelte leise, als ich Tertia hindurchtrieb, auf die Bäume zu. Der Blick war wunderbar von hier oben. Die Stadt, alle sieben Hügel, schienen zum Greifen nahe, und dahinter sah ich, bläulich im Dunst, die Berge von Alba und Tusculum. Unten auf der Via Flaminia, fuhren Gespanne, klein wie Spielzeug, und auf dem Tiber glitt gerade ein breiter Flußkahn, gezogen von Treidelochsen, unter dem Pons Mulvius hindurch.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Am Himmel kreisten die Schwalben. Ich band Tertia an einem niedrigen Ast fest, so dass sie am Gras knuspern konnte. Die Sonne war warm, es roch nach Harz und Holz und trockenem Gras. Ich spähte in alle Richtungen, genoss die herrliche Aussicht. Von hier oben erschienen mir auch die Bedenken, die ich da unten gehegt hatte, kleiner... kleinlicher... weniger bedeutsam.
    Wie er mich im Tempel angesehen hatte... das war alles andere als gleichgültig gewesen! Und das mit dem Prozess... ich hatte mir die Akten dazu angesehen, und ich hatte meine Schwester so intensiv befragt, dass ich am ende schon fürchtete, sie habe Verdacht geschöpft. Der Prozess war ohne Zweifel eine niederträchtige Ungerechtigkeit gewesen... aber Manius war doch nur eine Randfigur darin gewesen, hatte die Motive dahinter nicht erahnen können... ich war im Grunde meines Herzen nicht vollkommen abgeneigt ihm zu verzeihen. Er könnte mir ja vielleicht im Gegenzug meine harschen Vorwürfe verzeihen. Und dass ich ihn im Tempel einfach hatte stehen lassen.
    In Gedanken pflückte ich einen Halm, und kaute versonnen darauf herum. Dann streckte ich mich im hohen Gras aus. Es umgab mich wie ein goldenes Meer. Ich blinzelte in die Sonne, fühlte mich wohl, spürte die Wärme des schwindenden Sommers, die mich ganz durchdrang. Träge wie eine Eidechse sah ich den Wolken nach, die langsam durch das endlose Blau zogen, und träumte vor mich hin. Es waren bald wieder Meditrinalien... ob Suavis wieder ein Gastmahl veranstaltete...? Ich sollte mich um eine Einladung kümmern... ich würde gerne mit Manius zusammen dort hin gehen...
    Die Schatten wurden länger.

  • In der Dämmerung flatterte eine Fledermaus, ein kleiner dunkler Schemen, der blitzschnell mal hierhin, mal dorthin schoss. Ihr hohes, kurzes Zirpen drang seltsam an mein Ohr. Die Sonne ging unter, in einem üppigen Gemälde von Purpur- und Goldglanz. Ich saß mit dem Rücken an eine der Pinien gelehnt, und trank die Farben mit den Augen. Sonnenuntergang.... das war die bestimmte Zeit. Ob er bald kommt...?
    Ob er überhaupt kommt?

    Efeu umrankte den Stamm, und um meine Finger zu beschäftigen, riss ich ein paar Ranken davon ab. Ich hielt sie zwischen den Knien festgeklemmt, und begann mit der linken Hand einen Kranz daraus zu winden, dann noch einen zweiten. Der Abend sollte Dionysos gehören. Io! dem efeubekränzten Thyrsosschwinger, dem größten aller Götter, der die Dinge, die am weitesten auseinander lagen, mit Leichtigkeit vereinte.
    Ein Geräusch ließ mich aufblicken. Meine Stute hatte den Kopf gehoben, witterte gen Waldrand, dort wo der Pfad hier hinauf als unbestimmter hellerer Streifen zu sehen war.
    Ich spürte mein Herz schneller schlagen, strich hastig meine Tunika zurecht, und das Haar zurück, blickte mit fiebriger Erwartung dorthin. Aber es war nur eine Gruppe von Rehen, die lautlos aus dem Schatten der Bäume hinaustraten. Als ich mich enttäuscht, mit einer abrupten Bewegung, wieder zurücklehnte, schreckte ich sie auf, und wie Geister jagten sie davon, verschwanden mit schwerelosen Sprüngen im Grau und dunklen Blau des Waldes.
    Venus, der Abendstern, erschien am Himmel über dem Kapitol.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Aus der Dunkelheit rief eine Eule. Schuhuu, schuhuu...
    Kühl war es geworden. Ich zog die Lacerna enger um meine Schultern. Über mir stand der Himmel voller Sterne, unter mir lag dunkel die Stadt, nur an einigen Stellen, da wo die Tempel standen, und in den Vergnügungsvierteln, schimmerten Lichter. Ich lehnte den Kopf zurück, gegen die raue Rinde, und starrte in die Nacht. Mein Herz war schwer.
    Er kommt nicht.
    Was kein Wunder war... nach dem Auftritt im Tempel. Trotzdem war ich im Grunde nicht darauf gefasst gewesen. Ich war ein Narr... Und so saß ich da, die Nachtkühle kroch mit klammen Fingern unter meine schicke Seidentunika, und ich wünschte mir, mein Herz wäre auch so kühl, und würde nicht so schmerzen. Ach, dachte ich wegwerfend, es ist doch immer wieder das selbe.
    Meine Augen wurden feucht, ich blinzelte und schluckte, und stand dann energisch auf, es war zu jämmerlich ihm nachzuweinen. Wir passten gar nicht zusammen! Es war doch sowieso nur ein Meditrinalientraum gewesen! Eine Nacht im Taumel der Glückseligkeit, eine einzige, im Morgengrauen schon vergangen, und der Versuch dieses Glück zu halten und zu behalten war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, eben weil das Glück aus der Flüchtigkeit, dem Rausch, dem Maskenspiel entsprungen war... Von wegen Aristophanes-Mythos, von wegen hoher Eros. Alles Blödsinn. Wütend warf ich den ersten Efeukranz von mir, schleuderte dann den zweiten hinterher, wie einen Diskus, und ich schwor, voll Kummer und Zorn:
    “Bei Eros und Anteros! Niemals wieder, NIEMALS WIEDER verliebe ich mich in eine Orgienbekanntschaft!“
    Wiese und Wald hörten es schweigend an. Ich band mein Pferd los und kehrte den Pinien den Rücken, verließ den Ort meines vergeblichen Ausharrens. Im schwachen Sternenlicht führte ich Tertia am Zügel hinter mir her. Das Gras strich taufeucht um meine Waden. Mit zusammengepressten Lippen, den Blick zu Boden gerichtet, schlug ich den Heimweg ein.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!