Blaue Nacht, oh blaue Nacht am Hafen

  • Das Licht des Pharos schwebte hoch am nächtlichen Himmel, spiegelte sich im schwarz schwappenden Wasser des Hafenbeckens. Ich stand an Bord der 'Triton VI' und blickte auf die schlafenden Schiffe, den Wald von Masten. Es war ein großes, dickbauchiges Händlerschiff, vollbeladen mit edlen Stoffen und Gewürzen. Die Passage kostete ordentlich Geld, aber das Schiff schien solide, die griechische Besatzung machte einen ordentlichen Eindruck, und ich hatte eine einigermaßen komfortable Kajüte für mich und meine Sklaven. Und vor allem – das Schiff würde, so die Winde mitspielten, bereits morgen früh mit dem ersten Tageslicht auslaufen. Ich hatte schon zu viel Zeit verloren, zum einen durch meine, sagen wir Unpässlichkeit, zum anderen, weil der Brief der Kanzlei eine Ewigkeit unterwegs gewesen war bis er mich endlich erreicht hatte.


    Ravdushara und Pontia begleiteten mich auf dieser Reise. Ich hatte meine Versetzung zum Anlass genommen, mich von Dingen, die ich nicht wirklich brauchte, zu trennen, und in diesem Sinne hatte ich Pankratius an Tribun Collatinus verkauft, für einen Freundschaftspreis. Meinen mamornen Doryphoros hatte ich aber mitgenommen, dick in Stroh gewickelt, und meine Biga war natürlich auch dabei – was hatte das wieder Nerven gekostet, bis das gute Stück fachkundig zerlegt, hierher transportiert, verladen und sicher verstaut war! Besonders, da ich noch immer nicht richtig mitanpacken konnte. Leidig blickte ich auf meinen rechten Arm, der dicke Verband war ein weißes Schimmern in der Nacht. Für die Überfahrt hatte Ravdushara im Valetudinarium gelernt, wie die Wunde zu versorgen war... Das konnte ja was werden.


    Ich spazierte über das Deck zu dem Bretterverschlag, in dem meine beiden Schimmelstuten untergebracht waren. Sie standen zusammen, die Hälse übereinandergelegt. Ich schütete ihnen etwas Heu auf, lockerte es mundgerecht, schlenderte dann zum Bug des Schiffes. Die Gallionsfigur, ein fischschwänziger Meergreis, wurde von der Deckslaterne in ein schummriges Halblicht getaucht. Er sah sehr grimmig aus, hoffentlich grimmig genug, um die bösen Geister fernzuhalten. Ich fuhr mit der linken Hand über das buntgelackte Holz und hoffte auf eine ruhige Überfahrt - nur nicht wieder so ein entsetzlicher Sturm wie auf der Hinreise! Um so sicher wie möglich zu sein, hatte ich diesmal nicht nur Neptun, sondern auch Isis und Serapis ein Opfer gebracht.

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  • Morgen früh würde ich Ägypten hinter mir lassen... ich hatte viel erlebt hier, einiges, auf das ich gerne verzichtet hätte – besonders auf die vermaledeite Verwundung!! - anderes, das ich um keinen Preis missen wollte. Der Abschied von Massa war mir ganz und gar nicht leichtgefallen. Und mein Präfekt war mir, auf seine väterliche Art, auch sehr ans Herz gewachsen. Was Celeste anging, so hoffte ich, dass sie bald nachkommen würde.
    Was mochte mich in Rom erwarten? Seiana auf jeden Fall, und ich freute mich unheimlich darauf, sie wiederzusehen! Aber da war auch der Absender des Briefes, den ich noch immer ungelesen mit mir herumtrug... ihm wollte ich um alles in der Welt nie wieder begegnen! Allein der Gedanke daran bereitete mir ein nervöses Flattern im Magen... - nein, Magenschmerzen.


    Auf der Hafenpromenade war auch zu dieser späten Stunde eine Menge los. Die Lichter der Tavernen und Bordelle schienen wie eine Kette von Juwelen, die sich funkelnd in die Wölbung der Bucht hinein schmiegte. Sie lockten mich, das Schiff zu verlassen, und die letzte Nacht hier noch auszunutzen, sie auszukosten, mit angenehmen Ausschweifungen. Das Hafenviertel ließ in der Hinsicht ja keine Wünsche offen, da gab es dieses ganz exklusive Etablissement, das für seine samthäutigen Ägypter berühmt war... aber das war keine gute Idee, denn Priapus, der bösartige, verwehrte mir, zu meiner großen Bestürzung, noch immer seine Gunst...
    Aber in der Caupona Actium, da war es auch immer sehr lustig, da gab es den besten Wein, fidele Musiker, und wunderbares Opium... ganz exquisites Opium... ein himmlischer Genuß... Verdammt! Ich presste die Lippen zusammen, schloß die Hand fest um die Reling, und rang mit mir, denn mit einem Mal war es wie ein starker Sog, meine Füße wollten mich auf der Stelle in die Caupona tragen, dabei war das ganze Elend, das Heulen und Zähneknirschen ja erst ein paar Tage her. Bona Dea!
    Ravdushara lenkte mich ab, er kam auf leisen Sohlen an Deck, und erkundigte sich ob ich noch irgendwas brauchte. Vor ihm wollte, durfte, konnte ich mir, nach allem was ich ihm, Pontia und Massa zugemutet hatte, keine Blöße geben... und so kehrte ich der Versuchung für diesmal mühselig den Rücken und folgte Ravdushara in die Kajüte. Das sachte Schaukeln der Triton wiegte mich in den Schlaf, ich schlummerte tief und fest, und als ich am nächsten Vormittag aufwachte, war das Land nur noch ein sandbrauner Streifen am Horizont.
    Vale Ägypten, du geheimnisvolle Provinz, mit deiner glorreichen Vergangenheit und ihren verwahrlosten Erben, vale Alexandria, die du mir nur deine schmutzigschillernde Oberfläche gezeigt hast, dich hätte ich gerne besser kennengelernt, vale Nikopolis, du braver Stützpfeiler römischer Ordnung! Und vale Zwölfmeilenland, du trostloser Glutofen, der du so viele gute Männer verschlungen hast, du kannst mir für immer gestohlen bleiben!

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