Das Untier mit den drei Köpfen – Serapio im Serapeion


  • "Wer hat die Gestalten der Sterne geschaffen?
    Wer hat ihren Weg erfunden?
    Wer war der Erzeuger der Früchte?
    Wer hat die Berge in die Höhe gehoben?"


    sangen die Priester, die sich vor dem Kultbild des Serapis versammelt hatten, und der Klang ihrer Stimmen, vereint im Hymnos, erfüllte die riesige Tempelhalle mit einem ehrfurchtgebietenden Brausen. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und andächtig sah ich hinauf zu der gigantischen Statue des All-Gottes, der von den Feuern zu seinen Füßen rotflackernd beleuchtet wurde. Ich schloß die Hand um das ihm geweihte Amulett auf meiner Brust. Zusammen mit anderen Interessierten, Gläubigen, Touristen oder sich Heilung erhoffenden, stand ich am Grunde der Halle - im größten Heiligtum der Welt! - während die Priesterschaft eine ihrer allstündlichen Zeremonien vollführte. Das war so ganz anders, als der mir bekannte Kult. Viel ergreifender, großartiger, mystischer...


    "Wer hat den Winden befohlen, ihr Werk nach den Jahreszeiten zu vollführen?
    Wer ist der Gott der Ewigkeit, der die Ewigkeit hervorbringt und in Ewigkeiten herrscht?
    Du, der EINE unsterbliche Gott.
    Du bist der Erzeuger von allem;
    Du teilst allen ihre Seelen zu und du lenkst alles, König der Ewigkeiten und Herr;
    Du, vor dem die Berge und die Ebenen erzittern, die Wasser der Quellen und der Flüsse, die Waldschluchten auf der Erde und die Winde, alles, was entstanden ist;
    Der hoch droben leuchtende Himmel und alle Meere fürchten dich, allmächtiger Herrscher, heiliger Gott, Herr über alles.
    Durch deine Kraft sind die Elemente und wächst alles,
    in der Luft und auf der Erde, im Wasser und im Hauch des Feuers."


    Ich war hier, weil es zur Zeit nicht so gut lief, bei mir. Mein Arm war noch immer nicht wieder richtig zusammengewachsen, die Wunde wollte nicht heilen... beim Praefectus Legionis war ich in Ungnade gefallen... und dass ich es mit dem Opium ein bisschen übertrieb, das mußte mittlerweile sogar ich selbst mir eingestehen... und jetzt hatte sich auch noch herausgestellt, dass meine heiße Meditrinalienliebe auch nicht besser war als all die anderen desaströsen Romanzen, die ich in meinem jungen Leben schon so angesammelt hatte.
    Ja, es hätte echt besser laufen können. Ich war aber nicht gewillt, das hinzunehmen, und hatte mich ins Serapeion begeben, um dem geheimnisvollen Gott ein Opfer zu bringen, in der Hoffnung, dass er sich meiner erbarmte. Schließlich war er mein Namenspatron. Aber dass die Zeremonie mich so packen würde, das hätte ich nicht erwartet.



    PS. Gebet aus der IR-Wiki
    PPS. "Götter"-IDs müssen leider draussen bleiben

  • Mir brannte ein Haufen Fragen auf der Zunge, und einer der Initiaten des Tempels nahm es auf sich, diese zu beantworten. Sein Schädel war kahlrasiert, bis auf eine Locke über den rechten Ohr. Er hieß Phorbas, und war sehr geduldig. Wir spazierten durch die Gartenanlagen, während er erzählte und erklärte, stundenlang, und dabei doch nur die hauchdünne Oberfläche dieses faszinierenden Kultes ankratzte. Ich erfuhr zum Beispiel, dass Serapis oft in Träumen zu seinen Eingeweihten spricht – auch Phorbas hatte in einem Traum von seiner Bestimmung erfahren – und dass er, wie Osiris, immer neu wiedergeboren wird, und dass das dreiköpfige Ungeheuer, das ihn begleitet, nicht einfach nur der Cerberus ist. Es hat nämlich einen Löwenkopf, der stark und wild ist, und für die Gegenwart steht, und einen Wolfskopf für die Vergangenheit, denn die Erinnerungen an das Vergangene werden uns von der Zeit entrissen und verschlungen. Die Zukunft ist ein Hund, er steht für die unbeständige, schwankende Hoffnung. Die Priester des Serapis tragen keine Wolle und unterliegen auch sonst vielen Verboten – so gut wie alles was Spaß macht –, Phorbas jedoch schien das nicht zu bedauern, und er deutete an, dass die Seele durch die Mysterien wunderbar erhoben würde, so dass nichts, auch nicht der Tod sie mehr schrecken könne... genaueres wollte er mir zu diesem Punkt aber nicht verraten. Mir war klar, dass ich unbedingt noch einmal wieder wieder kommen musste, um noch mehr zu erfahren.


    Heute aber war ich zum Opfern hier. Und nach den nötigen Vorbereitungen, und nachdem ich mir ein paar Gebetsfloskeln eingeprägt hatte, ging ich ans Werk. Ravdushara hatte mir einen prächtigen weißen Ochsen besorgt, ihn dann noch mit Kreide eingestäubt, so dass er wirklich leuchtete, geschmückt, die Hörner vergolden lassen und so weiter. Vor einem der vielen Altäre brachte ich erst einmal das übliche Räucherwerk und Wein, dann das Tier dem Gott dar. Nach ritus graecus trug ich dabei einen Kranz auf dem Kopf.


    "Allgott aus den vier Winden, Aion, Iuppiter mit dem tausendgestirnten Haupt, Du bist Vater und Knabe, Aides und Dionys, Charon und Asklepios, Ende und Anfang. Dein Leib sind die Salzwogen des Okeanos, Deine Füße die Erde, Dein Atem die Lüfte, Helios bist Du und Apis, Horos und Thot, Deine Augen sind die gleißende Sonne!
    Vernimm meine Lobpreisung, Serapis, Weltenherrscher und sieh mein Opfer, diesen vortrefflichen, starken Ochsen, dessen Blut und Kraft ich Dir zu Ehren hier verströmen lasse. Allgott, Du hast Himmel und Erde voneinander getrennt und Finsternis von Licht und Tag von Nacht und Aufgang von Untergang und Leben von Tod und Werden von Vergehen und Schwarz von Weiß und Trocken von Feucht und Wasser Von Land und Bitter von Süß und Fleisch von Seele... gewähre mir armem gequältem Sterblichen die Berührung eines... nur eines Funkens Deiner allgöttlichen Macht und trenne das Übel, das mich befallen hat von mir, scheide es von meinem Körper und meiner Seele!"

    So betete ich voll Inbrunst, flehte verzweifelt, die linke Handfläche gen den wolkenlosen Himmel gerichtet:
    "O Serapis, gewähre mir Heilung! Mach dass mein Schwertarm wieder heil und stark wird! Lindere die Qualen der Wunde, die der grausame Eros mir geschlagen hat! Und nimm diesen... nie stillbaren Hunger nach den falschen Träumen von mir. Serapis, der Du Krankheit und Tod besiegt hast... bitte lass mich endlich gesund werden! Ich gelobe, Dir eine wunderschöne Statue aus bestem Mamor meißeln zu lassen, sobald Du mich gesund gemachst hast. Do ut des."


    Ein Opferschlächter eledigte den blutigen Teil. Ich mußte an die Schlacht in der Wüste zurückdenken, während ich da stand und zusah wie das Blut aus dem weißen Ochsenhals hervorsprudelte. Mein Arm schmerzte. Ich fühlte mich erschöpft und leer.

  • Eine Hand berührte meine Schulter.
    "Nun solltest du dich ausruhen. Leg dich eine Weile schlafen." riet mir Phorbas mit seiner ruhigen Stimme.
    Ich zögerte einen Augenblick, überlegte, ob ich nicht schon zu lange aus Nikopolis fort war, kam aber zu dem Schluß, dass ich im Kastell zur Zeit sowieso völlig nutzlos war. Den Verwaltungs- und Zahlenkram, den ich übertragen bekommen hatte, seitdem ich mich für diensttauglich erklärt hatte, den erledigte mein Beneficiarius eh viel schneller (und korrekter) als ich. Eigentlich mußte ich immer bloß abzeichnen, was er ausgerechnet hatte.
    Ich nickte, nahm den Kranz ab, tauchte dann meine Hände in den nahen Brunnen und bewegte sie im klaren Wasser hin und her, bevor ich Phorbas folgte. Er führte mich durch die Tempelanlage (Tempelstadt sollte ich wohl eher sagen) zu einem schummrigen Nebentempel mit einer Statuengruppe von Serapis, Isis und Harpokrates. Die Wände waren über und über mit Fresken ausgemalt, auf denen wundertätige Heilungen dargestellt wurden, davor stapelten sich alle möglichen Votivgaben, und in Raum befanden sich viele Liegestätten, wo Menschen schlummerten.
    Ich bedeutete Ravdushara, ein Auge auf mich zu haben, und legte mich zu Füßen der Götterfamilie aufs Ohr. Zuerst dachte ich, dass ich hier doch nie im Leben einschlafen könne, aber kaum hatte ich das gedacht, überwältigte mich die Müdigkeit. Meine Lider wurden schwer, ich wühlte den Kopf ins Kissen und driftete hinein in das Reich von Morpheus, Phobos und Phantasos...


    Und da war er wieder: der Albtraum! Das gefräßige Heulen der Hunde, die den Garten umschlichen, mit gebleckten Reißzähnen. Und ich zwischen den hohen Mauern... wo ich doch eigentlich hätte in Sicherheit sein müssen... aber da war diese Öffnung im Boden... dieser dunkle Schacht, vor dem ich eine entsetzliche Furcht verspürte. Etwas Böses war dort unten. Und es stieg hinauf... zu mir.... Diesmal war es Nacht in meinem Traum. Und ich war nicht alleine, noch andere Männer waren in dem Garten. Ich suchte die Dunkelheit zu durchdringen, ihre Gesichter zu erkennen, doch das Geheul der Bestien draußen wurde immer wilder, und dann war da dieses Schaben als die schwere Metallluke, die den Schacht verdeckte, ruckte, und langsam zur Seite geschoben wurde...


    "...aaah!!!"
    Ich fuhr hoch, von meinem eigenen Schrei aufgeschreckt. Nur ein Traum. Nur ein Traum. Es war Tag, ich war sicher, da war nichts, was aus der Tiefe kam und mich holen wollte.
    Ich richtete mich auf, und begegnete zerknirscht den Blicken der Tempelschläfer, die ich mit meinem Schrei aufgeweckt hatte. Meine Tunika war ekelhaft verschwitzt. Vorwurfsvoll blickte ich hoch zum steinernen Serapis, der mir alles andere als erholsamen Schlaf beschert hatte! Oder... hatte auch das etwas zu bedeuten?
    Ravdushara besorgte mir einen Schluck zu trinken und richtete meine zerknitterte Kleidung. Dann ging ich zum Traumdeuter, direkt nebenan. Es war ein alter Serapispriester mit tief eingefallenen, gütigen Augen, wie Brunnen der Weisheit.


    "Da ist etwas, was zwischen dir und der ersehnten Heilung steht." sagte er mir, nachdem ich ihm meinen Albtraum ganz genau geschildert hatte. "Etwas Übles, das dich nicht loslässt."
    Ein kaltes Grausen strich mir über den Rücken. "...was ist es?"
    Aber das konnte der weise Mann mir auch nicht sagen. "Oft enthüllt Serapis das tief Verborgene ganz unerwartet. Zermartere dir nicht den Kopf, vertraue auf den Allgott, den Allsehenden... bewahre seinen Namen in deinem Herzen. Er wird dir die Erkenntnis zur rechten Zeit schenken. Sei getrost!"
    Dieses Konzept war mir fremd. Was sollte ich damit anfangen?! Nun wäre mir doch ein weniger vager Kult lieber gewesen, einer bei dem einem klar gesagt wird, welche Opfergabe für welchen Beistand verlangt wird... Mein Blick wanderte zu dem dreiköpfigen Tier zur Rechten des Gottes, zur Wolfsfratze der Vergangenheit, dem Maul, das die Erinnerungen verschlingt. Es erinnerte mich an die wilde Meute in meinem Traum.


    Der alte Priester besprach mein Serapisamulett mit einem Schutzzauber, der mich vor dem Bösen beschirmen sollte. Ich hinterließ dem Tempel dann eine angemessen große Spende, und erwarb auch noch eine Serapisstatuette aus Bronze für meinen Hausaltar, bevor ich mich wieder aufmachte und zurück nach Nikopolis ritt – sehr nachdenklich und voll faszinierender Eindrücke, aber doch ziemlich aufgewühlt... Etwas Übles.
    Und auch wenn mir vollkommen klar war, wie albern das war... ich fürchtete mich ein wenig vor den Kanaldeckeln, an denen ich auf dem Heimweg durch das Broucheion vorüberkam... und machte einen großen Bogen um sie herum.

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