Ein kleiner Bummel durch die 'Stadt'

  • Es war ein schöner Tag. Nun, an einem anderen hätte sie es auch nicht gewagt, die Principia ihres Onkels zu verlassen. Sie verabscheute Regen, verabscheute eisigen Wind und verabscheute Hitze. Und heute war einer jener Tage, an denen weder das eine, noch das andere wirklich auf sie wartete. Sie hatte sich in Begleitung ihrer Sklavin aufgemacht und die Sänftenträger weggeschickt. Ein wenig Bewegung würde ihr gut tun, gerade jetzt im Winter. Da saß man doch zumeist nur innerhalb der eigenen vier Wände.
    Mit einem doch recht gutegelauntem Blick sah sie in den klaren, blauen Himmel hinauf und befand, dass es eine gute Entscheidung gewesen war. Am heutigen Tage trug sie eine weiße, dicke Tunika mit der purpurnen Stola und einer ebensolchen Palla. Ihre Familie hatte Geld und dass dies offen zur Schau getragen wird, war doch nur selbstverständlich.
    Das Haar trug sie sorgsam verborgen, sodass nur die feinen Gesichtszüge zur Schau getragen wurden. Sie wirkte frisch und schien in den letzten Nächten ausgezeichnet geschlafen zu haben. Nicht einmal altgewohnte schlechte Laune war auf ihren Lippen abgezeichnet. Sie lächelten etwas und die begleitende Sklavin schien darüber doch recht erleichtert. Sie wagte sogar hin und wieder, Einwände zu bringen.
    "Findest du nicht, dass dieses Tuch ausgezeichnet zu mir passen würde?" fragte Minervina und zog einen dunkelblauen Stoff hervor, der offenkundig herausragend als Palla geeignet war.
    "Nun, um ehrlich zu..."
    "Hör mit deiner Floskelei auf! Ja oder nein?"
    "Nunja..."
    "Na also, wusste ich's doch!"
    sprachs und fragte nach dem Preis für diesen Stoff. Die Sklavin schwieg. In ein paar Tagen würde sie vorgehalten bekommen, warum sie die Herrin nicht von diesem Fehlkauf abgehalten hatte. Mit großer Sicherheit. Nämlich an einem jener Tage, wo sie schlechte Laune hatte. Und diese Tage waren nicht eben selten. Also übernahm sie lediglich das weitere Gespräch, während sich Minervina weiterhin höchst interessiert die Auslage betrachtete.

  • Nur selten hatte Tiberius während seiner bisherigen Amtszeit die Märkte inspiziert. Er hatte andere Aufgaben, denen er mehr Priorität beimessen musste. Obschon er sich diese Aufgabe selbst auferlegt hatte, war eine dieser die Organisation des Turniers in Mantua, das mittlerweile abgeschlossen war. War es doch recht zufriedenstellend abgelaufen, hoffte der Decimus dass es vielleicht auch das Stadtleben etwas belebte. Vor allem der Marktplatz bereitete Crassus sorgen, war er doch einst voller Stände und Geschrei der Händler. Und tatsächlich - der zwar kühle, aber auf jeden Fall sonnige Tag schien doch einige Seelen aus ihren Häusern und Hütten herauszulocken und das Stadtleben zu genießen.


    Zwar neigte sich seine Amtsperiode langsam aber sicher dem Ende zu, überlegte er doch schon des öfteren über eine Kandidatur zum Duumvir. Nun, wo er eine zumindest halbwegs stabile Basis errichten konnte, wollte er nicht einfach nachgeben und diese Basis womöglich dem Glück überlassen. Nein, ganz bestimmt nicht. Die Kassen waren voll und Mantua hatte zumindest wieder einen Hauch Prestige gewonnen. Die Türen für neue Projekte standen offen, nur wusste Tiberius noch nicht sicher für welche Projekte genau. Sollte er vielleicht einige Betriebe eröffnen und diese in die Obhut der Stadtverwaltung stellen? Sollte er in den Merkurtempel investieren, dessen Renovierung schon längst hinfällig war? Der Decimus schüttelte den Kopf. Warum zerbrach er sich schon wieder den Kopf darüber. Er wurde langsam zu einem richtigen Arbeitstier. Jeder Schritt und Tritt ließ ihn ins Grübeln kommen, er brauchte eindeutig Ablenkung.


    Tiberius schritt auf einen der Stände zu. Ein Stoffhändler, so schien es. Dieser hatte einiges an Auswahl zu bieten, was Crassus zunächst, abgesehen von den Werberufen, die der Mercator immer wieder verlautbarte, neugierig stimmte. Der Magistrat trat näher und begutachtete eine stattliche Tunika, seinem Rang als Beamter angemessen. Es war wohl Schicksal, oder der Götter Willen, dass er im selben Moment auf ein Schauspiel unweit von ihm aufmerksam wurde. Bei der einen konnte es sich wohl nur, ihr Auftreten betrachend, um eine Sklavin oder eine Dienerin handeln. Die andere musste dann wohl die Herrin sein, was ihre Tonlage und ihre Art nur noch bestätigte...doch...halt...da war doch was ?!?! Die Stimme kannte Tiberius doch. Hochnäsig, eingebildet, arrogant...Einen flüchtigen Blick zu der Dame konnte er sich nicht mehr verkneifen. Obwohl sie dick eingekleidet war und nur ihr Gesicht für Crassus sichtbar war, war sie unverkennbar. Äußerlich so schön wie Aphrodite, innerlich so kühl und abschätzig. Minervina, wenn er ihren Namen noch richtig im Gedächtnis hatte...

  • Sie schritt ein paar Schritte zur Seite entlang, während die Sklavin zahlte und sich die Stoffbahn über den Arm hängte, die so gar nicht zu Minervina passen wollte. Diese temperamentvolle Frau brauchte warme und helle Farben. Dieser Stoff würde nicht einmal auf einer Trauerfeier zu ihr passen, aber sie schwieg lieber. Oder sollte sie... Da griff Minervina nach einer Tunika, dunkelblau und mit kunstvoller Borte verziert. Wunderschön, das gab auch die Sklavin für sich zu, aber eine Herrentunika. Dass Minervina darüber nachdachte, sie ihrem Onkel mitzubringen, das konnte sie ja schließlich nicht riechen.
    "Herrin, ich glaube nicht, das..."
    "Bei den Göttern!" seufzte Minervina genervt auf und hob den Kopf an, mit dem Rücken zur Sklavin. Sie öffnete die Augen um sich anschließend umzudrehen. Sogar Luft geholt für einen Wortschwall hatte sie schon, als sie beinahe direkt in das Gesicht eines Mannes blickte, der offenkundig zu ihr hinübersah. Was fiel ihm ein, sie anzusehen, wenn sie gerade mit ihrer Sklavin schimpfen wollte! Dass sie exakt diesen einen Moment abgepasst hatte, da er überhaupt zu ihr sah, interessierte sie nicht. Gerade wollte sie auf ihn losgehen, als ihr auffiel, dass sie sein Gesicht zu gut kannte. Sie schloss ihren Mund wieder, all das war binnen kürzester Zeit geschehen.
    "Salve." brachte sie lahm hervor und betrachtete Decimus wie ein Fisch wohl zum Hai aufblickte. Dann fing sie sich langsam wieder und ein annähernd affektiertes Lächeln, liebreizend, trat auf ihr Gesicht. Der Sklavin war anzusehen, dass sie, so sie eine Christin wäre, am liebsten viele tausend Kreuze für dieses glückliche Schicksal schlagen würde.


    "Wie schön dich hier anzutreffen, Decimus! Was.. machst du hier?" fragte sie, höflich, allerdings eher mäßig interessiert. Dass ihr Gespräch von einst doch schon tiefgreifender war, als über das Wetter, hatte sie inzwischen höchst erfolgreich verdrängt und vergessen. Sie legte ihre Hände wieder artig an ihren Körper und nahm eine vernünftige Haltung ein. Immer diese Ausbrüche. Sie würde der Sklavin eine gehörige Lektion erteilen müssen. Ihr zu widersprechen und sie in eine so unangenehme Lage zu bringen.. Frechheit!

  • Die junge, hübsche und gleischam recht eigenartige Rediviva hätte Tiberius hier in Mantua am wenigsten erwartet. Man sah sich anscheinend wirklich zweimal im Leben. Als Minervina den Blick des Decimus erwiderte, überschlug sich eine Handlung nach der anderen folglich, die Crassus erst einmal nacheinander zuorden musste. Im ersten Moment schien sie wie ein Gewitter über Tiberius hereinbrechen zu wollen. Entweder sie war unentschlossen, oder sie erkannte den Magistraten erst einen Moment später, als sie ihren Mund wieder schloss und sich ihr Zorn wieder zu lindern schien. Crassus schüttelte unmerklich den Kopf, als wolle er sich damit wieder auf die Situation besinnen und die Verwirrung in seinem Kopf beseitigen.


    Mit einem ebenso neutralen und gleichsam höflichen "Salve"grüßte er die junge Frau. Ihrem strengen Gesichtsausdruck entgegnete Tiberius mit einem charmanten und gelassenen Lächeln. Einerseits war sie in gewisser eine Tyrannin, andererseits war sie reizend und gesittet. Ihr darauffolgendes Lächeln schien zwar halbwegs ernst gemeint zu sein, jedoch lernte der Decimus sie als durchaus hinterlistig und tückisch kennen, weshalb er auf dieses zunächst keinen Wert legen wollte. Seine Hand würde er für sie auf jeden Fall noch nicht ins Feuer legen, dafür war Rediviva eindeutig noch zu verschlossen.


    Ihre nette Begrüßung war ebenfalls recht zwieträchtig. Vielleicht war Tiberius auch schon übervorsichtig geworden, doch auf die Schnauze wollte er keinesfalls fliegen, deshalb ließ er lieber Vorsicht walten.


    "Ich arbeite...Ich bin Magistratus von Mantua. Und du?"


    Finster konnte sich Tiberius noch an irgendeine Verwandtschaft ihrerseits in Mantua erinnern, wie genau diese aufgebaut war, war ihm in den letzten Wochen entfallen.

  • Sie verzog kurz das Gesicht, dass er sie nicht beim Namen nannte. Hatte er ihn etwa vergessen? Oder war er einfach nur so taktvoll, sie nicht bei ihrem plebejischen Namen nennen zu wollen, der ihr so tief zuwider war, aber nun einmal rein rechtlich zu ihr gehörte? Man wusste es nicht. Und sie noch viel weniger, aber konnte sie einem Banausen wie ihm wirklich soviel Anstand zugestehen? Der sie mitten auf der Straße angerempelt hatte und heute und hier zu hier hinüberstarrte? Dass er sie jedenfalls als Tyrannin sah, fiel ihr bei seinem Lächeln nicht auf. Sie war eine gute Menschenkennerin, aber auf gutes Schauspiel fiel auch sie herein.


    Nun fiel ihr Lächeln etwas sparsamer, aber dafür aufrichtiger aus. Es wirkte etwas peinlich berührt. Wenn auch wirklich nur etwas. "Oh, dann lass mich Dir gratulieren, das ist ja großartig. Seltsam dass wir uns dann erst jetzt begegnen. Man hätte meinen mögen, es hätte schon genug Gelegenheiten gegeben, mich über den Haufen zu rennen." Sie lächelte nun etwas breiter und schien sich auch merklich etwas zu entspannen. Ihe Haltung war weniger aggressiv, aber dennoch nachwievor katzenhaft. "Ich für meinen Teil bin zum Einkaufen hier." erklärte sie arglos und betrachtete kurz ihre gespreizten Finger. Wie makellos gepflegt sie waren, sie konnte wirklich stolz auf ihre Entwicklung sein. Und auch auf die junge Sklavin die sich um dies alles kümmerte, seit sie Lana nach Hispania geschickt hatte, mit einem Brief für ihre Mutter. Sie war viel besser als die nutzlose Syrerin damals!


    "Oh, aber deine Frage bezog sich sicher nicht darauf. Meine schon, aber was soll's. Ich lebe zur Zeit bei meinem Onkel im Castellum. Er ist doch Legat und hier kann er sich besser um meine Entwicklung kümmern." Sie hob den Blick wieder um ihn weiterhin anzulächeln. Aber es schien ihr, als habe er ein wenig dazugelernt. Er wirkte nicht so verunsichert wie damals, schien es der jungen Rediviva. Den weiteren Verlauf des Gesprächs überließ sie, höflicherweise, dem jungen Herrn. Schließlich wusste sie, was sich gehörte.

  • Ihre Gratulationen und ihre anschließende, wohl eher humorvolle und ironische Bemerkung, lockte nun auch beim Decimus ein herzliches Lächeln hervor. Vielleicht war die Rediviva doch nicht mehr so fixiert und herrisch wie bei ihrem ersten Treffen. Noch immer ließ ihn das Gefühl nicht los, dass Minervina in eigenartiger Weise besonders, um nicht zu sagen sehr interessant war. Einerseits ihr äußerst sittliches Verhalten, das von einer strengen Erziehung zeugte, andererseits ihr bezauberndes Lächeln und ihre unerwartete Freundlichkeit, die Tiberius immer wieder aufs Neue verwunderte. Nun konnte Crassus auch bei ihr zum ersten Mal einen Hauch Unsicherheit verspüren.


    “Dankesehr…dass du mir noch immer nicht verziehen hast ist bedauernswert.“ entgegnete Tiberius. Einfach alles hier über sich ergehen zu lassen wollte er auch nicht, nein, dazu war er zu aufmerksam. Schließlich schindete er sicherlich keinen Eindruck bei ihr, wenn er einfach schwieg und keinerlei Biss zeigte. Es war unverkennbar, dass die hübsche Rediviva nach diesem etwas lockereren Moment wieder darauf bedacht war schnellstens Haltung anzunehmen, um ihre vermeintliche Überlegenheit zur Schau zu stellen.


    “Ah…der Legat. Auch ich hatte bereits die Gelegenheit dazu Bekanntschaft mit ihm zu machen. Er unterstützte die Stadtverwaltung bei der Organisation des Turniers, von dem du vielleicht schon gehört hast.“


    Als es ruhig wurde war es an der Zeit, dass der Decimus die Initiative übernahm, wie es sich gehörte. Die Stoffe hatte die Rediviva, beziehungsweise ihre Sklavin, bereits gezahlt, weshalb es Crassus nicht mehr möglich war diese für Minervina zu kaufen. Als sich seine Aufmerksamkeit auf eben diese Kleider, die natürlich von der Sklavin getragen wurden, richtete, konnte sich Tiberius einen genaueren Blick nicht verkneifen, wollte er eigentlich auch gar nicht. Um sich nicht irgendwelchen, unnötigen Fragen entgegenzusehen, wendete sich Tiberius schnell wieder von den Stoffen ab. Er wollte Minervina auf keinen Fall in irgendeiner Weise verletzen.


    Anstatt weiter auf die Kleider einzugehen, wollte er ihr etwas anderes vorschlagen. Es wäre dumm von ihm in dieser zweifelhaften Situation einfach von ihr abzulassen, schließlich war er sich immer noch uneins, was Minervina betraf.


    “Wenn du Lust und Zeit hast…wir könnten einen kleinen Spaziergang machen, ich kenne ein schönes Plätzchen. Natürlich nur, wenn meine Anwesenheit weiterhin erwünscht ist.“ meinte Tiberius mit einer gewissen Neutralität, um voreilige Schlüsse ihrerseits zu vermeiden.

  • Minervina nickte nur, als er von ihrem Onkel sprach und ein leichter Hauch von Stolz und Bewunderung für ihren Vormund schlich sich in ihre Züge. Einer der wenigen Menschen, der ihr wirklich etwas bedeutete. Die einzigen beiden anderen waren mittlerweile verstorben, Selbstmord und Tötung wegen Diebstahl. Sehr verschiedene Todesursachen, aber dennoch nicht weniger traurig. Kurz verdunkelte sich ihr Blick und sie wandte ihn rasch ab, um zur Sklavin zu blicken. Diese trug die Stoffbahn über den Arm gelegt. "Nun verschwinde schon, ich find nachher schon heim." fuhr sie diese an. Sie wusste es ziemte sich, dass eine Sklavin als Anstandsdame dabei war. Aber Minervina konnte es nicht leiden, wenn sie bei Gesprächen belauscht wurde. Zu oft schon drangen Informationen an die Ohren ihres Vormundes, die zwar nicht schlimm gewesen waren, aber dennoch nicht für ihn bestimmt waren und sie in eine unangenehme Lage gebracht hatten. Besonders von dieser kleinen, vorlauten Lana. Dann blickte sie, wieder ruhiger, zu Decimus und hörte aus dem Hintergrund, wie die Sklavin diesen Wunsch befolgte. Sie wusste, der Sklavin gefiel es gar nicht. Der Zorn Vitamalacus konnte noch schlimmer sein als der ihre. Aber im schlimmsten Falle würde sie bei diesem nur verkauft werden. Minervinas Rache konnte noch grausamer sein. Und das vor Allem enorm gekonnt versteckt.


    "Jetzt würde ich mich freuen, ein wenig mit zu kommen. Mir fehlt Bewegung und alleine einfach die Unterhaltung. Scheint mir eine willkommene Abwechslung zu werden." erklärte sie Decimus mit einem freundlichen Lächeln. Sie hatte heute wirklich gute Laune, befand sie. Sie musste schon nahezu unheimlich freundlich wirken, hoffentlich zeigte sie nicht sogar schon zuviel Gefühl. "Aber, um deine Frage genaustens zu beantworten: Ich habe massig Zeit und auf Grund dieser Tatsache gibt es kaum Dinge, denen ich gerade mehr Interesse zuweisen könnte." Arrogant gewählte Worte, das wusste auch sie. Aber sie unterstrich diese geschickt mit einem erheiterten Zwinkern in seine Richtung, raffte ein wenig ihre Stola und warf einen letzten Blick in Richtung der verschwundenen Sklavin. Na endlich. Anstandsdamen konnten sehr lästig sein...


    "Andererseits.. Ist meine Anwesenheit denn überhaupt gewünscht? Oder halte ich dich von Wichtigem ab? Ich weiß wie wichtig Pflichterfüllung ist, also möchte ich nicht zuviel deiner Zeit beanspruchen." erklärte sie höflich und hielt freundlich den Blick in sein Gesicht gerichtet. Zeit, um ihr Ansehen wieder ein wenig zu steigern, fand sie. Immerhin schien er sich bemühen doch ein wenig aus seinem Leben zu machen und vermied geschickt die militärische, niedere Laufbah. Er schien zu wissen, was sich schickte, auch wenn er nur ein einfacher Plebejer war.

  • Minervinas schroffer Umgangston mit der Sklavin bestätigte den Decimus nur in seiner Annahme, dass die Rediviva ihren Stand tiefernst nahm. Etwas anderes konnte er wohl auch nicht erwarten. Vielleicht war Tiberius diesbezüglich auch zu weich, doch empfand er immer, dass man einen gewissen Respekt gegenüber seinem Sklavin oder seiner Sklavin wahren musste. Sklaven waren Diener, doch vielleicht nicht nur in körperlicher, sondern auch in geistlicher Weise. Ein Sklave war aufgrund der Bindung zu seinem Herren eigentlicher stets objektiv, auch wenn er nur eine objektive Meinung von sich geben würde, solange sein Herr keinen Schaden davon ziehen würde. Sie waren wohl exzellente Ratgeber in vielerlei Situationen. Doch damit wollte sich Tiberius jetzt nicht mehr weiter beschäftigen. Er hatte einen Sklaven, der ihm als Schreiber diente und mehr auch nicht. Minervinas Sklavin war nun jedenfalls verschwunden, was Crassus nicht unbedingt als schlecht befand.


    “Das freut mich.“


    Langsam setzte er sich in Bewegung. Dass seine Gegenüber so aufgeschlossen und offen war, verwunderte den Decimus zunächst ein bisschen. Sollte er sich daran gewöhnen? Jedenfalls war es ein weitaus entspannteres Gefühl als bei den ewigen Machtkämpfe, oder wie man es auch nennen mochte. Ihre anschließende, etwas arrogante Bemerkung, überspielte Tiberius mit einem ruhigen Lächeln.


    “Wohl ein Wink der Götter, dass du diese Zeit gerade mit mir verbringen musst…oder darfst.“ entgegnete er ebenso temperamentvoll, aber dennoch in einem gemäßigten Ton. Einen, wie bereits beschriebenen Machtkampf, wollte er nicht austragen. Ihr Zwinkern bestätigte Tiberius darin, dass auch sie nicht gewillt war einen solchen auszutragen, was den Decimus in gewisser Weise beruhigte.


    Als die Rediviva auf Pflichterfüllung zu sprechen kam, entgegnete Crassus ihr mit einem leichten Kopfschütteln.


    “Weder haltest du mich auf, noch von etwas ab. Ich bin hergekommen um die Märkte zu inspizieren, was ich bereits getan habe. Außerdem lässt sich Arbeit und Freizeit doch recht gut verknüpfen, wenn du mir ein bisschen über Mantua erzählst. Vielleicht gibt es etwas, dass aus deiner Sicht geändert werden sollte…“


    Tiberius und Minervina waren bereits losgelaufen, das von Tiberius erwähnte Plätzchen befand sich etwas außerhalb der ‚Stadt‘, was allerdings keinen allzu langen Fußmarsch bedeutete.

  • Minervina lauschte seiner Auffassung zur Freizeit/Arbeitskombination mit leicht amüsiertem Lächeln. An und für sich hatte er durchaus Recht damit, aber was sollte sie so schnell als Kritik für Mantua herüberbringen, ohne einfallslos zu wirken? Besonders viel kam ihr nicht in den Sinn, denn sie war weder politisch übermäßig interessiert, noch machte sie häufig Komplimente. Warum sollte sie auch, es war schließlich an der Männer- und Sklavenwelt, Komplimente zu machen. Aber ein kleines hielt sie durchaus für angebracht, also öffnete sie ihre rosigen Lippen und erhob mit freundlichem Tonfall die Stimme. „Oh, mir fällt nichts ein, was noch groß verbessert werden könnte. Das versüßt dir doch sicher die Arbeit und erleichtert es, ein wenig frei zu haben?“ Sie zwinkerte ihm zu und zupfte sittsam die Palla zurecht. Niemals ließ sie sich ohne diese in der Öffentlichkeit sehen, wenngleich sie wirklich schöne Haare hatte. Aber Sittsamkeit kam vor allem anderen. Jedenfalls öffentliche Sittsamkeit. Unausgesprochene Dinge waren etwas anderes, so hatte ja auch sie ihre kleinen , süßen Geheimnisse.
    Ihre Laune nahm zu. Sie mochte es, dass er nicht auf jedes ihrer Worte demütig reagierte, das kannte sie zur Genüge. Natürlich gab es ein Maß an Frechheiten, welches man auf keinen Fall überschreiten sollte. Das ging in neunundneunzig von hundert Fällen nämlich schief. Aber er schien diese Grenzen sehr gut ausgelotet zu haben, bislang hatte sie ihm nur im ersten Moment vor ihrem geistigen Auge an einer Kette gesehen, wo er ausgepeitscht würde bis ihm die Haut davonflog. Inzwischen konnte sie drüber lachen. Soe musterte die Umgebung, die langsam an ihnen vorbeizog, sehr langsam. „Sag mal, wie lange bist du jetzt eigentlich schon in Mantua? In Rom hat man nichts mehr von dir gehört, die wenigen verbleibenden Tage. Und gefällt dir deine Arbeit?“ Sie sah tatsächlich einigermaßen interessiert aus. Offensichtlich war Decimus mittlerweile doch ein wenig mehr als ein störender Nebenfaktor. Sie akzeptierte und mochte ihn als Gesprächspartner und Geleitung, so sehr wie ein Mensch wie Minervina jemanden nach der kurzen Zeitspanne mögen konnte und vielleicht sogar ein wenig mehr. Immerhin bot er hier in dieser langweiligen Gegend eine interessante Abwechslung.
    „Und wohin geht’s eigentlich? Oder ist’s eher eine Überraschung und ich soll nicht weiter drüber nachdenken?“ Hoffentlich würde sie es nicht bereuen, die Sklavin weggeschickt zu haben. Andererseits traute sie ihm nichts zu, was sie nicht auch wollen würde. Er würde sich zu benehmen wissen, die Decima war immerhin reicher Pöbel. Und daraus schloss sie auch gutes Benehmen. Natürlich gab es auch reiche Menschen die sich nicht benehmen können, aber… Sie besaß ohnehin genug Durchsetzungvermögen. Unter diesen Gedanken lächelte sie ihn verschmitzt an. Die desinteressierte Langweile war aus ihren braunen Augen vollends geschwunden.

  • Natürlich konnte Tiberius ahnen, dass die Rediviva nur nicht sehr viel zur Einschätzung Mantuas beitragen konnte, weil sie selbst nicht viel Ahnung hatte. Doch das störte den Decimus nicht. Ganz im Gegenteil, so bot sich wenigstens Gelegenheit sich ‚mit Erlaubnis‘ auf andere Themen, vielleicht sogar wichtigere Themen, konzentrieren zu können. Ihre sanften Lippen zeugten von gewisser Weiche, als sie antwortete. Ihre Worte machten das Gefühl in Crassus breit, dass sich allmählich eine zumindest geringe Sympathie zu Minervina entwickelte.


    “Das versüßt mir zumindest die Zeit mit dir.“ entgegnete der Magistrat mit einem Lächeln, was natürlich auch der Wahrheit entsprach. Er hätte jetzt vermutlich jede noch so wichtige Arbeit für Minervina abgebrochen. Es war einfach zu interessant sie kennen zu lernen, weshalb Tiberius nicht daran dachte irgendwelchen Pflichten nachzugehen, hätte er auch welche gehabt. Dass Minervina auch seine restlichen Bemerkungen recht offen aufzunehmen schien und nun auch ehrliches Interesse zeigte, wies darauf hin, dass auch sie ihn langsam aber sicher akzeptierte.


    “Schon fast drei Monate. Es tut mir Leid, dass ich mich nicht verabschiedet habe, aber ich musste rechtzeitig zu den Wahlen. Eigentlich dachte ich auch, dass es ein einmaliges Treffen war.“
    Tiberius pausierte kurz und wartete Minervinas Reaktion ab, ehe er fortfahren würde. Vielleicht war das die Möglichkeit weitere Eindrücke zu sammeln.


    “Die Arbeit gefällt mir recht gut, muss ich sagen. Ich werde wohl bei der nächsten Wahl als Duumvir kandidieren.“


    Was er danach anstrebte, war entweder noch nicht redenswert oder noch nicht entschieden. Jedenfalls wollte er die zivile Laufbahn weiterverfolgen und vielleicht sogar irgendwann in höhere, politische Kreise, einsteigen, wenn möglich.


    Auf Minervinas nächste Frage hin musste Tiberius grinsen. Natürlich hatte Tiberius nichts geplant. Er hatte keinerlei Absichten, lediglich den Wunsch die Rediviva besser kennen zu lernen. Was sich dann ergeben würde, stand wohl in den Sternen, doch das war zunächst wohl auch belanglos.


    “Lass dich überraschen. Aber erwarte nicht zu viel. Es ist nichts besonderes, glaub ich, es ist außerhalb der Stadt.“ entgegnete er mit einem ebenso temperamentvollen Zwinkern. Sie waren jedenfalls fast am Stadttor angekommen.

  • In gerader Haltung schritt sie neben ihm her. Mittlerweile musste sie sich nicht mehr so sehr auf ihre Füße konzentrieren. Sie musste an ihre Tante, Claudia, denken. Sie lehrte sie den Weg einer strengen Adligen, brachte ihr alles bei und hatte sie erzogen, nachdem ihre Mutter in dieser Disziplin versagt hatte. Sie wusste noch wie mühsam der Lernprozess für sie gewesen war, sie, den kleinen Wirbelwind von damals. Kurz erinnerte sie sich auch an Marcus und ihre Miene verfinsterte sich etwas. Marcus, ein wundervolles, aber zugleich auch verbotenes und gefährliches Kapitel in ihrem Leben. Nur sie wusste von dem, was damals geschah. Niemand sonst, sie hatte mit keinem drüber gesprochen. Sie schüttelte leicht den Kopf und einfacher einen Wiedereinstieg ins Gespräch zu finden. Sie vernahm nur noch etwas von einem einmaligen Treffen und nickte mit sehr schmalem Lächeln, ehe sie sich letztlich völlig aufraffen konnte und antwortete. "Man sieht sich immer zweimal. Ich bin froh dass du mich beim zweiten Mal etwas freundlicher begrüßt hast." Sie schmunzelte etwas und sah in den Himmel, als sie sich den Stadttoren schon sehr deutlich genähert hatten.
    Als er ihre Frage nach dem Ziel beantwortete, seufzte sie theatralisch auf und meinte, mit leicht sarkastischer Stimme: "Ich hab's doch geahnt. Immer diese Überraschungen!" Aber sie wirkte nicht als habe sie es böse gemeint. Ganz im Gegenteil. Ihr Gesicht hatte eine entspannte Mimik vorzuweisen und auch ihre Augen wirkten ruhig und gelassen, beinahe schon fröhlich. Sie hatte heute kein Bedürfnis sich zu ärgern und Decimus... er würde kaum zu ihrem Onkel laufen und ihm lang und breit erzählen dass sie mit ihm spazierengegangen war - alleine und ohne Anstandsdame. Sie strich sich kurz in einer schmunzelnden Geste über die Nase.
    "Ich für meinen Teil habe darüber nachgedacht, mich dem Dienst an den Göttern zu widmen, so wie es auch meine Tante tat. Andererseits kann ich mir durchaus vorstellen, dass mein Onkel andere Pläne für mich hat..." erklärte sie, während sie Mantua nun endlich hinter sich ließen. Sie ging immer in etwa auf einer Höhe mit ihm, ließ ihm nur den kleinen Fuß Vorsprung, den er, als Ortskundiger, wohl auch brauchte um die richtige Richtung zu weisen.

  • Beiläufig wagte der Magistrat immer wieder einen Blick durch die Straßen. Obschon kein enormer Unterschied im Vergleich zu den Tagen vor dem Turnier zu erkennen war, schien die Stadt in gewisser Weise lebendiger. Vielleicht empfand Crassus es auch nur so, weil er sich lebendiger fühlte. Irgendwie war er doch in gewisser Weise stolz auf sich. Konnte er auch sein, wenn er auf die Zeit der Unklarheit zurückblickte, als er seinen abenteuerlichen Weg nach Rom begann. Jetzt stand er auf eigenen Füßen und war nicht einmal von seinem Vater abhängig, den er erst kürzlich kennengelernt hatte. Apropos Vater. Schon seit Ewigkeiten hatte er nichts mehr von ihm gehört. Vielleicht sollte er ihm mal wieder schreiben? Vorerst war dies jedoch irrelevant, fand Tiberius das Gespräch mit Minervina doch um einiges interessanter. Ihre Behauptung kommentierte der Decimus mit einem Lächeln, das einerseits erkenntlich machte, dass Tiberius eher auf Belustigung abzielte, andererseits aufzeigte, dass Crassus etwas klar stellen wollte.


    “Hey! Du verwechselst da etwas. Ich hab dich aus Versehen angerempelt…und ehrlich gesagt, du schienst gar nicht mal so aufgebracht darüber. Zumindest nicht im zweiten Moment. Oder nicht?“ lächelte er ihr entgegen. Auch an diesem Punkt war Tiberius wieder einmal gespannt wie die Rediviva reagieren würde.


    Ihre darauffolgende Aussage nahm Tiberius wortlos zur Kenntnis, schließlich sagte ihre Mimik und die seine alles aus. Viel zu kommentieren gab es da nicht mehr, was die Situation sichtlich entspannte und entlastete. Auch er wurde langsam aber sicher aufmerksam darauf, dass sie dem Ziel immer näher kamen. Das Stadttor hatten sie schon etwa hundert Fuß hinter sich gelassen.


    “Der Cultus Deorum? Eine wirklich verantwortungsvolle Aufgabe, die bestimmt gut überlegt sein muss.“


    Tiberius pausierte kurz, eher er etwas neugierig wurde.


    “Und was willst du? Unabhängig von Onkel und Tante?“ erkundigte sich Crassus mit einem ernsteren Gesichtsausdruck.


    Einige Minuten später kamen die beiden auch schon an besagtem Ort an. Die Stadtgrenze war nur noch entfernt sichtbar. Weit und breit nur Weide und grüne bis gelbliche Wiese. Eine Vielzahl von Bäumen spendete Schatten und ein sanft plätschernder Bach verlieh ein Gefühl von Besinnlichkeit. Tiberius ließ sich im trockenen Gras nieder und hoffte gleichzeitig, dass Minervina nicht zu verzogen oder anspruchsvoll war. Immerhin war dies ‚nur‘ die einfache Natur und er war ‚nur‘ mit ihm hier.

  • Er war mutig. Sie schmunzelte leise vor sich hin und wunderte sich selbst ein wenig, dass sie keine Lust hatte, sich künstlich über seine unangebrachte Äußerung aufzuregen. Aber es war andererseits auch einmal amüsant unbeobachtet eine Unterhaltung zu führen. Wer wusste schon, wie oft sich ihr noch diese Möglichkeiten bieten würden? Also ging sie nicht minder wagemutig auf seine Äußerung ein, während sie scheinbar sehr von der Umgebung fasziniert in die entgegengesetzte Richtung blickte. "Oh, wirklich nur versehentlich? Wie schade, und ich dachte ich wäre dir gleich aufgefallen." Sie schürzte etwas die Lippen und sah dann aus blitzenden Augen wieder zu ihm. Ihre Wangen waren leicht rosig, was wohl durchaus durch den Anhauch von Enthusiasmus beim Gespräch lag, wie aber auch an dem frischen Wind, den die junge Rediviva nur mäßig gewohnt war. "Spätestens jetzt bin ich aufgebracht, dass dir nicht die Tragweite deiner verletzenden Äußerung bewusst war." meinte sie mit spielerisch schnippischer Stimme und lächelte still vor sich her. Und wieder ging ihr gewissenhaft eine leichte Reue gegenüber ihrer Erziehung durch den Kopf.


    "Ja, der Cultus Deorum." entgegnete sie dann aber wieder ein wenig ernster. Sie ließ den Blick kurz gen Himmel schweifen. Dann wieder über die Landschaft. Sie war absolut typisch für Italien, aber sie konnte sich kaum eine schönere Gegend vorstellen. Etwas herbstlich wirkte es fast noch, obwohl beinahe schon der Frühling anbrach. Aber Winter wurde es hier ohnehin fast nie richtig, es waren nur Temperaturschwankungen spürbar. Das, was sie aus Germanien gehört hatte, war hiermit nicht zu vergleichen. Dann fühlte sie sich von seiner weiteren Frage überfahren.
    Sie beobachtete ihn, wie er sich niederließ und blieb für ihren Teil stehen. Ihr Blick wirkte einen Moment nachdenklich, doch über was sie sann war bei Weitem nicht ersichtlich. Dass sie nicht über eine ehrliche Antwort nachdachte, sondern vielmehr, was sie als Antwort präsentieren sollte. Eine Antwort, die vielleicht nicht dem eigenen Wunsch entsprach, aber dem Ansehen der Familie weiterhelfen würde.
    Minervina ließ sich, wohl sicherlich zu Decimus eigener Überraschung, nun ebenfalls ins Gras sinken. Sie hob leicht die schweren Stoffe an, um diese besser legen zu können und kniete sich dann seitlich zu ihm hin. Die Grasflecken würde eine Sklavin dezent zu entfernen haben. Dann erhob sie eher langsam ihre Stimme. "Ich möchte das, was mir anerzogen wurde. Das Wohl der Familie steht weit oben." Bei ihren Worten sah sie nicht zu Crassus sondern in Richtung Mantua. Ihre Stimme hatte überzeugt gewirkt, ihr Blick wirkte hingegen ziemlich abwesend, beinahe träumerisch. Ein Gemütszustand der nur selten bei ihr zu sehen war, denn für gewöhnlich stand sie für die knallharte Realität ein.

  • Tiberius machte nicht den Eindruck, dass er von seiner ‚Meinung‘ ablassen würde, so lächelte der Decimus der Rediviva weiterhin entgegen und bekräftigte somit seine Äußerung. Sicherlich wäre ihm Minervina in Rom aufgefallen, hätte er sich gezielt umgeschaut. Doch tatsächlich war das Anrempeln nur ein Versehen, ein glückliches vielleicht sogar, im Nachhinein betrachtet. Es war offensichtlich, dass die Rediviva mit ihrem verlockendem Blick und ihrem verstohlenen Lächeln ein Kompliment aus Crassus herauslocken wollte. Oder wollte sie dies überhaupt? Wollte sie mit Komplimenten überschüttet werden. Eins stand fest, angesichts ihrer Haltung, ihrer Art und ihres Charakters war die Rediviva sich ihrer Stellung sicherlich bewusst. Fehlte ihr einfach die nötige Aufmerksamkeit? Tiberius entschied sich dazu, sie nicht weiter zu bestätigen. Ein Zeichen seinerseits, dass Minervina ihn nicht gleich mit einigen schönen Blicken in der Hand hatte. Er wollte mehr sein für sie, nicht nur ein Diener, der ihr immer sagt wer und was sie ist.


    “Ich wollte dich sicherlich nicht verletzen. Ob du mir aufgefallen wärst…hm…das kann ich nicht sagen. Aber es war auf jeden Fall nur ein Versehen.“ lächelte er ihr ebenso spielerisch entgegen. Temperament hatte Tiberius schon immer, genauso wie eine eigene Meinung und eigene Ideale. Eigenschaften, die ihn in gewisser Weise sicherlich auszeichneten, doch auch oft egoistisch und arrogant wirken ließen.


    Dass Minervina sich zu Tiberius ins Gras fallen ließ bestätigte den Magistraten zumindest darin, dass die Rediviva nicht unbedingt so sein wollte wie sie sich zumeist in der Öffentlichkeit zeigte. Vielleicht war die Anspannung aufgrund der Erwartungen, die an sie tagtäglich gestellt wurden, wirklich so groß, dass sie schnippisch und verspannt wirkte. Umso interessanter war es für Tiberius dies zu hinterfragen. Doch natürlich nicht jetzt. Erstens war er sich sicher, dass sie ihm noch nicht vollends vertraute und zweitens wollte er die entspannte Situation nicht mit allzu ernsten Themen belasten.


    Trotz dieser Freizügigkeit wurde abermals die sittliche Seite in Minervina deutlich. Obschon Tiberius noch nicht viele Verwandte kennen gelernt hatte und allgemein noch einen eher passiven Standpunkt in der Gens Decima vertrat, musste er mit Minervina übereinstimmen. Auch ihm war die Familie wichtig. Crassus‘ eigentliches Unbehagen wurde dadurch ausgelöst, dass Minervina bei diesem Thema abwesend und nachdenklich wirkte. Mit einer fürsorglichen und gleichsam beruhigenden Stimmlage versuchte Crassus mehr über sie herauszufinden, wobei er Vorsicht walten ließ. Nicht dass Minervina noch dachte er würde sie mit Fragen durchbohren und nach und nach auseinander nehmen.


    “Stimmt etwas nicht…?“

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