[Schiff] Fortuna

  • Das also war die Fortuna. Ich hatte die Privatjacht des Senators bisher noch nie gesehen und stand schon etwas erfürchtig vor dem Schiff. Es lag friedlich am Rande eines Piers, weit und breit war niemand zu sehen. Einzig ein Nauta döste in der Sonne, gleich neben dem Masten und schien damit beauftragt worden sein, auf den Besitz seines Herrn aufzupassen.


    "Hey, Du da!"


    rief ich und rief nocheinmal, nachdem ich merkte, dass er nicht sofort darauf reagierte. Der Nauta zog seinen breitkrempigen Hut aus dem Gesicht und blickte zu mir, als ich das Schiff über den kleinen Steg betrat.


    "Senator Decimus Meridius schickt mich. Ich habe den Auftrag auszurichten, dass ihr das Schiff einsatzbereit machen sollt. Es kann gut sein, dass er in den nächsten Tagen und Wochen auszulaufen gedenkt. Ziel unbekannt, doch ich vermute OSTEN. Falls es also noch etwas zu warten gibt, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt."


    Der Nauta erhob sich, spuckte dann aus und fluchte etwas vor sich hin. Das Schiff sah von nahem noch beeindruckender aus. Es musste ein Vermögen gekostet haben...

  • Noch bevor die meisten Schiffe den Hafen anlaufen oder verlassen würden, wollte der Senator zusammen mit seinem jungen Verwandten Mattiacus und einer handvoll zuverlässiger Gefährten an Bord seiner Privatyacht Ostia verlassen. Sie hatten sich folglich schon am Vorabend auf den Weg gemacht, durch einen Boten den Kapitän des Schiffes verständigt, so dass die Besatzung bereits vor dem Morgengrauen begann, alles für die Abfahrt vorzubereiten. Ein letztes Mal machte der verantwortliche Sklave seinen Kontrollgang. Proviant war in ausreichendem Maße vorhanden, sie hatten Nahrungsmittel, Kleidung, Decken, Waffen für alle Eventualitäten und genügend Bargeld - auch in parthischer Münze - damit nichts mehr schief gehen konnte an Bord geschafft. Das Kartenmaterial, die Pässe, alle teuer im Vorfeld gekauft und erworben - wenn auch nicht immer legal - würde der Senator mit sich bringen. Ansonsten waren auch beinahe alle Reisenden beisammen. Die Ruder- und Segelmannschaft, der Kapitän, ein Schiffsarzt, einige kampferprobte Veteranen, die der ehemalige Legatus schon aus seiner Zeit bei der Legio II und Legio IX kannte. Sie waren alle speziell ausgesucht, der Gestalt, dass sie einen abschreckenden Eindruck zwar machten, so wie es häufig bei Wachen von Reisenden der Fall war, ohne jedoch sogleich als Legionäre aufzufallen. Einige von ihnen kamen sogar aus dem Osten, sprachen Griechisch, sahen zudem aus wie aus dem Osten, so dass sie gut und gerne eben nicht als Römer durchgingen. Was sie vielleicht verriet, war die Disziplin, diese jedoch erkannte man nur, wenn man dafür einen geübten Blick hatte oder sich mit ihnen im Kampf befand.


    Der Senator hatte diesen Blick und kaum war er eingetroffen, erfasste ihn eine Vitalität und positive Anspannung, welche ihn immer begleitet hatte, wenn es mit der Truppe auf eine Mission ging. Er hatte schon gedacht, er würde nie wieder in seinem Leben in eine vergleichbare Situation kommen, deren Ausgang dermaßen ungewiss war, dass er sich sogar genötigt sah, vor seiner Abreise das Testament zu machen. Doch jetzt, als es soweit war, bereute er nichts. Vielleicht die Tatsache, seine Gemahlin und seinen Erben lange Zeit nicht mehr zu sehen. Und wenn es dumm kam, vielleicht nie wieder ...


    "Bist Du bereit?"


    fragte er Mattiacus, als er vom Pferd stieg, die Zügel einem Sklaven reichte, sich die Beine ausklopfte und den Hafen überblickte. Ruhig lagen die meisten Schiffe vor ihm, einzig an Bord seiner Yacht nahmen Seemänner ihre Plätze ein. Der Hafenmeister näherte sich aus der Ferne, vor der Abreise mussten noch die gängigen Formalitäten geklärt werden. Kein Problem jedoch für diese Reisegesellschaft, war doch auch dafür im Vorfeld alles soweit vorbereitet worden. Die Papiere würden nachher besagen, der Senator wäre mit seinem Verwandten nach Hispania aufgebrochen. Ein Klient in Tarraco war bereits instruiert, den dortigen Hafenmeister zu bezahlen, in fünf Tagen die Einfahrt zu vermerken. Wohin die Reise wirklich ging, wussten nur die Wenigsten.

  • "Aber natürlich." entgegnete Mattiacus selbstsicher und frohen Mutes.


    Sein gladius hing ihm am Gürtel und dank des Trainings mit einem von Meridius Veteranen war auch wieder einigemaßen fit im Fechten so wie ein Bürohocker und Zivilist fit sein konnte. Aber Mattiacus erinnerte sich an vieles aus seiner Kindheit und Jugend wieder. Sein Vater Mercator hatte dafür gesorgt, dass er und seine Brüder einem militärischen Training unterzogen wurden. Mattiacus hatte es zwar damals gehaßt, jetzt war er aber froh, dieser Tortur unterzogen worden zu sein.


    Er hatte sich sogar für die Reise einen neuen Reismantel geleistet, aber er hatte auch etwas feinere Kleider dabei, falls es die Situation einmal erforderte. In der Schola Atheniensis hatte er alle Bücher über Parthien und die Parther verschlungen, die er in die Hand bekam, damit er einigermaßen über das Land bescheid wusste, in das sie zogen.

    Er hatte alles dabei, was er brauchte eingepackt und schon den Lademeistern gegeben, damit sie sein Gepäck verstauen konnten.
    Das Wichtigste hatte er aber in einer Dokumententasche an seinem Körper: Die kaiserliche Vollmacht, im Namen des Kaisers sprechen zu können. Damit waren sie auch von offizieller Seite voll abgesichert.


    Von seiner Seite aus konnte Livianus Rettung also losgehen.

  • Mattiacus gab einen recht merkwürdigen Anblick. Schon in seiner Kindheit war er derjenige gewesen, welcher zu Waffen eher einen distanzierten Abstand einhielt. Zumindest hatte er das Waffentraining gehaßt und zu den Truppen war er auch nie gegangen. Meridius schmunzelte daher, gab aber keinen weiteren Kommentar ab. Statt dessen nickte er dem Hafenmeister zu, während ein Sklave die entsprechenden Formulare ausfüllte. Einen letzten Atemzug tat er an Land, dann trat er auf die hölzerne Diele, welche auf das Schiff führte. Jeder seiner Schritte knarrte, das Holz bog sich und ächzte, als würde es ahnen, welche Strapatzen möglicherweise noch vor ihnen lagen.


    "Einen Vorteil haben wir..."


    sprach er leise zu Mattiacus. Und als er das Deck des Schiffes erreicht hatte, wandte er sich zu seinem jungen Verwandten, der ihm wie ein Schatten gefolgt war um.


    "Sie werden nicht wissen, dass wir kommen. Wir sind zwar wenige, aber das ist unsere Stärke. Unbemerkt können wir viel erreichen. Wir müssen also darauf achten, so lange wie möglich unerkannt zu bleiben. Unsere Identität darf nur dort offenliegen, wo es uns von Nutzen ist."


    Ein schwieriges Unterfangen allzumal. Nach Livianus hätte er lieber wirklich in Hispania gesucht. Dort hätten sie gute Aussichten gehabt, ihn wirklich herauszuhauen.

  • "Das stimmt, da hast du recht. Und zur rechten Zeit am rechten Ort, zeigen wir unser Wunderblättchen." sagte Matticacus und klopfte auf die Dokumententasche.


    "Ich hoffe, damit lässt sich etwas erreichen. Haben wir auch genug Gold dabei? Im Orient kann ein Geschenk an den Richtigen Wunder wirken."

  • Am Geld durfte die Mission keinesfalls scheitern und so hatte der Senator in der Tat schon seit Wochen die entsprechenden Summen und Münzen aufgetrieben. Er nickte auf die Frage seines Verwandten, während die Seeleute gerade die letzten Taue an der Pier lösten und das Schiff vom Land abstießen. Ein klares Signal gab zu verstehen, dass die Reise nun begann. Sanft schwebte das Schiff noch zwischen Land und Wasser, nahm dann jedoch zunehmend Fahrt auf. Mit gleichmäßigen Bewegungen beschleunigten die Ruderer die Fortuna, sie würden sie bis aufs Meer hinaus rudern, wo der Wind seinen Teil dazu beitragen würde. Um die Tarnung vollends perfekt zu machen, sollten sie erst nach Westen fahren, bis sie ausser Sicht der Küste waren und erst dann nach Süden schwenken.


    "Im Orient wird man vermutlich mit Geld mehr erreichen können, als mit jedem anderen Mittel."


    sprach Meridius und fügte wenig später hinzu:


    "Ich geh in die Kajüte. Wir sind die Nacht über geritten, ich muss ein wenig Schlaf nachholen. Wenn es etwas wichtiges gibt, weckt mich bitte."


    klopfte Mattiacus auf die Schulter und wandte sich dann um.

  • Mattiacus schaute noch ein wenig aufs Meer hinaus. Er genoß diesen Moment der Weite und des Alleinseins auf hoher See immer sehr.


    "Alles klar, falls irgendwas spannendes passiert hole ich dich." sagte er mit einem Blick über seine Schulter.

  • Kaum hatte die Fortuna die Küste aus den Augen verloren, nahm sie neuen Kurs Richtung Süden. Messana war der Hafen, den sie erreichen wollte. Dort, so hatte man abgemacht, würden noch zwei weitere Personen zusteigen. Der erste war ein Grieche, welcher den Osten schon bereist hatte, sich in Parthien einigermaßen auskannte und die Sprache sprach. Der zweite ein ebenfalls nützlicher Mann, Schiffskoch von Beruf. Der Kapitän des Schiffes zeigte sich sichtlich zufrieden, bedeutete doch dies, dass auch die Mannschaft während der Reise gut speisen würde.


    "He, Du da!" rief er einen Matrosen an, welcher das Segel straffte. "Sieh zu, dass die Seile immer gespannt sind."


    Wollten sie schnell und zügig vorran kommen, war höchste Disziplin gefragt. Schon oft hatte er das Mittelmeer befahren, die Route nach Alexandria war ihm vertraut, ebenso der nördliche Weg, welcher an der Küste Asias verlief. Welchen Weg sie letztlich nehmen würden, hing wohl auch davon ab, wie sich das Wetter verhielte.


    Ein merkwürdiges Gefühl. Seine letzte Fahrt. Er hatte sich vorgenommen, danach in den Ruhestand zu gehen. Die Bezahlung durch den Senator war üppig, sicher auch dem Umstand geschuldet, dass es ein gefährliches Unternehmen war, bei dem sie alle auch sterben konnten. Wenn er also jetzt die Münzen nicht nahm, würde er nie dazu kommen, sich einen kleinen Flecken Erde kaufen zu können. Was wenn er den Senator einfach im Osten ablud? Dann die Mannschaft überzeugte, was sicher ein leichtes war, und vorzeitig wieder absegelte? Die Gefahr für ihn selber würde dadurch minimiert. Doch war es auch unehrenhaft. Und sollte der Senator dann doch zurückkehren, würde er ihn mit Sicherheit suchen und vernichten. Schnell verscheuchte er den Gedanken wie er gekommen war.


    Gerade rechtzeitig, so dass sich seine nachdenkliche Mine wieder aufhellte, als der Senator nachdem er mehrere Stunden geschlafen hatte, wieder auf das Deck trat. Die Sonne war herausgekommen, es war für die Jahreszeit ein prächtiger Vormittag. Vereinzelte Wolken zogen am Himmel in eine andere Richtung, ein Zeichen dafür, dass der Wind heute noch wechseln konnte. Doch sicher war dies nicht.


    "Wann werden wir Messana erreichen?"


    fragte Meridius seinen Kapitän und beobachtete, wie sich ein paar Männer der Seemannschaft in eine Ecke des Schiffes zurückgezogen hatten und würfelten. Das Schiff lag gut im Wind, durchstieß die Wellen mit einer Leichtigkeit, die einen Seefahrer nur erfreuen konnte.


    "Bis heute Abend in jedem Fall, Dominus!" antwortete der Rhodesier, warf einen angestrengten Blick zum Himmel, als ob er den Wind und die Wolken abschätze und nickte dann bestätigend. Meridius war zufrieden.


    "Sehr gut. Je schneller es geht, umso besser. Die meisten meiner Männer sind Landratten, es wäre nicht gut, wenn wir ewig an Bord herumhingen."


    Der Kapitän verstand. Bis Messana konnte er eine schnelle Überfahrt garantieren. Was jedoch danach kommen würde, wussten alleine die Götter.


    Sim-Off:

    --> Provincia Italia

  • Messana lag an einer strategisch günstigen Stelle. Beinahe am nordöstlichsten Zipfel der Insel Sicilia gelegen, überwachte die Stadt die schmale Meeresenge, welche das Mare Internum mit dem Mare Siculum verband. Italia, besser gesagt Rhegium war auch von Messana aus durchaus zu sehen, blickte man statt dessen jedoch ins Landesinnere der so fruchtbaren Insel, erhob sich in der Ferne der bekannteste Vulkan der Insel, Aetna Mons. Hin und wieder war er aktiv, der letzte folgenschwere Ausbruch im Jahre 709 ad urbe condita
    hatten dazu geführt, dass sich im fernen Rom der Himmel verdunkelte und es Missernten bis nach Aegyptus hinein gab. Dieses fruchtbare Sicilia hing also sehr wohl von der Gunst der Götter ab, genau so sehr wie die Macht Roms von jedem einzelnen Getreidehalm abhängen konnte, der aus Alexandria oder aber Messana nach Ostia transportiert wurde.


    Nicht umsonst hatten ionische Seeräuber die Stadt schon sehr früh besiedelt und in der Umgebung für Angst und Schrecken gesorgt, später plünderten die Karthager die Stadt, ehe sie von Dyonisus dem I aus Syrakusae erobert wurde und noch vor dem ersten großen Krieg gegen die Karthager zu einem der Verbündeten Roms aufstieg. Messana war einer der ausschlaggebenden Gründe gewesen, weshalb es zum Kampf um Sicilia gekommen war, Tausende römischer Soldaten schlugen sich in der Folgezeit um die kleine Kornkammer im Mittelmeer und tränkten den Boden mit ihrem Blut.


    Der Hafen lag sicher hinter einer sichelförmigen Landzunge, der Leuchtturm zeigte den Schiffen schon von weitem die Gefahr an, in die man sich begab, wenn man bei schlechtem Wetter alzu forsch entlang der Küste steuerte.


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    Meridius war bereits einmal hier gewesen, in Folge seiner Ambitionen auf der Insel mehrere Landgüter zu erwerben, ausser in Agrigentum hatte er dann letzlich seine Sesterzen für sich behalten und sie in der Tarraconensis investiert. Die Menschen auf Sicilia selbst waren ihm freundlich erschienen, es war ein Schlag von Menschen, der sehr vielschichtig war, sich aus ehemaligen Phöniziern, Karthagern, Griechen und weiß der Geier noch wem zusammensetzte. So genau hatte er sich jedenfalls damals nicht damit beschäftigt.


    Auch heute würde das Schiff nur kurz anlegen, genauer im Hafen liegen bleiben, bis ein kleines Boot die beiden Männer herangerudert hatte, die zusteigen sollten um die Mannschaft zu komplettieren. Zudem würden sie hier letzte Nachrichten aus dem Osten erhalten, vorausgesetzt der Informant in Palmyra hatte etwas herausgefunden und dem Senator geschrieben.

  • Die Beiden waren an Bord gekommen. Der Kapitän bestand vor der Weiterfahrt darauf Neptun ein Opfer zukommen zu lassen. Meridius hieß diese Maßnahme gut, würde ein positives Opfer den Seeleuten und Reisenden Mut machen und die kommenden Strapazen leichter ertragen lassen. Neptun entschied über Wohl und Wehe auf den Meeren, die Fortuna beschwor zwar die Glücksgöttin, befand sich jedoch auf Wasser und damit in den Gefilden des Gottes.


    So stieg wenig später aus einem Becken an Bord des Schiffes ein Feuer auf, während sich jeder Mann an Bord eingefunden hatte, um an der Zeremonie gläubig und betend teilzunehmen. Der Senator selbst übernahm als Besitzer des Schiffes und als Verantwortlicher der Mission das Opfermesser und erhob seine Stimme:


    "Erhabener Neptun! Sohn des Saturn, Herrscher der Meere, Erschütterer der Erde und Herr der Tiefe. Schenke uns Deine Gnade und Hilfe. Um Deine Gnade und Dein Wohlwollen bitten wir.
    Schenke unserem Schiff eine sichere Überfahrt, geleite uns unter Deinem Schutz, schenke uns gute Winde und bewahre uns vor den Stürmen des Meeres, vor den Räubern der See.
    Zertrümmere unser Schiff nicht, lass keinen der Gläubigen zu Schanden werden, so Du zürnen solltest, verschone uns."


    Das Feuer loderte, als Räucherwerk hinzugegeben wurde und ehe das Messer an das Opfer gesetzt wurde, fuhr der Senator fort:


    "Wir bringen Dir, großer Neptun, dieses Opfer!
    Nimm es in Deiner Huld an!"


    Blut floss.

  • Erfürchtig stand Mattiacusbeim Opfer neben Meridius. Ein wenig Blut spritze auch auf Mattiacus. Den Segen der Götter zu haben war immer wichtig, gerade bei einer Reise wie der ihrigen.


    "Neptun, segne unsere Reise." murmelte er still mit. Um seinen Bruder zu finden war ihm die Hilfe jeder Gottheit recht, auch des sonst zornigen Neptun.

  • Da kein Priester an Bord war, hatten es die Reisenden natürlich schwer, den Willen der Götter zu interpretieren. Sie mussten sich daher auf die einfachen und deutlichen Zeichen besinnen, welche für sie von Bedeutung sein konnten. Ob zum Beispiel der Wind für sie günstig sein würde, oder wie sich die See verhalten würde. Stemmten sich die Wellen ihnen entgegen, oder trugen die Wellen sie umso schneller ans Ziel? Im Hafenbecken selbst war dies natürlich nicht auszumachen und so wurde das Lamm Neptun geopfert, weiteres Räucherwerk zog über das Deck und die Glaubensgemeinschaft der Seeleute tat das ihrige, um den Gott zu besänftigen.


    Die Fortuna verließ den Hafen. Der Wille der Götter würde sich sowieso erst auf ihrer Reise offenbaren. Frohen Mutes und voller Optimismus blähte sich das Segel im vollen Wind auf. Das Schiff hatte zwar gegen die Wellen zu kämpfen, stieg schwer, hatte aber wenigstens den Wind. Neptun konnte also nicht gegen sie sein.


    "Welchen Kurs werden wir nehmen?"


    fragte der Senator den Kapitän.


    "Entlang der afrikanischen Küste oder entlang Asias?"


    Der Kapitän musste eine Entscheidung treffen. Er dachte einen Moment nach, blickte in die Wolken und entschied sich dann für die nördliche Strecke. Sie würden dann zwar mit den Winden aus nordwestlicher Richtung zu kämpfen haben, doch würden sie nicht ständig auf die Küste zugetragen. Sollte ein Sturm auftauchen, würden sie zumindest nicht gegen die Klippen geworfen, die sich entlang des Weges erstreckten. Und Stürme waren um diese Jahreszeit immer möglich.


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    Sim-Off:

    --> Restliche Provinzen

  • Die Fortuna hatte Messana verlassen und begab sich um die Südspitze Italias herum auf Kurs Richtung Antiochia. Der Wind stand günstig, auch wenn die See rauh war, was jedoch zu dieser Jahreszeit keine Überraschung darstellte. Zur Zufriedenheit des Kapitäns lag sie jedoch gut im Wasser und seine Zufriedenheit drückte er auch gegenüber dem Senator aus. Der Bau und Kauf des Schiffes hatte sich gelohnt. Schon jetzt - so betonte der Rhodesier - konnte er mit gutem Recht behaupten, wisse er, dass die Fortuna auch schweren Stürmen standhalten würde. Der Probe aufs Exempel wollte Meridius jedoch lieber aus dem Weg gehen und so nickte er lächelnd, starrte weiter hinaus auf das Meer und beobachtete die ferne Küstenlinie Italias. Schon bald würde sie abbrechen, würden sie rund um sich nur noch Wasser sehen, ehe die Küste Griechenlands auf linker Seite auftauchen sollte.


    Der Senator wollte sich gerade abwenden um auf die andere Seite des Gefährts zu wechseln, als sein Blick an etwas hängen blieb, das im Wasser auf und ab tanzte. Hatte er gerade einen Arm gesehen? Einen Kopf? Er blickte in die Richtung, doch eine hohe Welle verdeckte das Objekt, falls es denn anwesend gewesen war. Die Fortuna senkte sich nun selbst in einTal und schon hatte Meridius das Etwas aus den Augen verloren. Aus den Augen aus dem Sinn sagt ein Sprichwort.


    Doch seine Augen hatten sich nicht getäuscht und hätte er nur ein wenig mehr Verbissenheit und Neugier besessen (die er freilich ansonsten auch besaß, welche jedoch in Folge des Seegangs gedämpft war und dem puren Willen so bald als möglich wieder an Land treten zu können gewichen war - was man einer Landratte nicht verdenken konnte) so hätte er in der Tat eine Leiche ausgemacht, einen erschlagenen Kämpfer, mit einer Stichwunde in der Brust und einem schweren Schlag über dem Schädel, vom Seewasser aufgedunsen, unnatürlich verfärbt, ein Opfer für Neptun, unsägliches Ende eines Zusammentreffens mehrerer Schiffe an einer viel entfernteren Stelle. Die Classis hatte unter Piraten gewütet, Pluto eine reiche Ernte eingefahren. Die Strömung des Meeres verteilte die Opfer des Meeres bisweilen hunderte Meilen weit.


    "Ich wäre froh, wenn wir schon in Antiochia wären."


    sprach der Senator zu Mattiacus, welcher sich ebenfalls gerade über die Reeling beugte. Er sah nicht gerade frisch aus, dachte Meridius, hatte jedoch selbst keine Ahnung, welche Gesichtsfarbe sein eigenes Haupt angenommen hatte.

  • Immer stärker hoben die Wellen die Fortuna an um sie wenig später in Täler zu stürzen, welche unerfahrenen Seeleuten und ungeübten Seereisenden in Angst und Schrecken versetzen konnten. Der Wind nahm an Stärke zu, zerrte an dem Segel der Navis Actuaria, die Wellen hatten bereits Höhen erreicht, welche einen ausgewachsenen Mann daneben wie einen Zwerg erschienen ließen. Den Göttern sei gedankt, zeigte sich der Rhodesier wenig beeindruckt. Er stand am Steuer des Schiffes, schrie Befehle, jagte seine Männer über das Deck, von denen wundersamer Weise bis dahin noch keiner über Bord gegangen war. Wohin Meridius auch sah, er sah nur bedrohliche Wellen. Den Kontakt zur Küste hatten sie längst verloren, Irgendwo auf der einen Seite musste doch bald Griechenland auftauchen, auf der anderen Seite war nichts als Meer. Und wie ihm schien trieb sie der Wind auf dieses hinaus, unerbittlich. Die Fortuna ächzte, die Dielen und Barren knarrten und stöhnte, die Taue waren zum reißen gespannt, und als das Segel dann tatsächlich riß, entschied der Kapitän die Fetzen einzuholen und sich treiben zu lassen.


    "Vor uns liegt das Meer... Wir lassen uns jetzt mit den Wellen tragen ... sobald der Sturm dann nachlässt ... werden wir erneut Segel setzen ... und den Kurs wieder korrigieren ... Die Ruderer werden versuchen zu verhindern ... dass unser Schiff queer kommt ... Sollte das passieren, Senator ... dann halten sie sich an etwas fest, das nicht untergehen kann ..."


    Die Worte des Kapitäns waren laut, durchschnitten das Tosen der See jedoch nur in Wortfetzen, so dass Meridius gerade einmal die Hälfte verstand, jedoch genug um zu wissen, dass der Erfolg der Reise jetzt davon abhing, dass der Sturm bald nachließ und die Fortuna vor allem durchhielt. Warum um alles in der Welt hatte er sich auf diese Mission eingelassen? Und wieso waren sie nicht früher gesegelt? Würde er seine Iulia jemals wieder sehen? Und selbst wenn sie in Antiochia ankamen, würde es ihnen gelingen Livianus zu finden und zu befreien?


    Meridius empfand keine Angst. Er war Soldat und hatte Menschen sterben sehen. Sein Testament hatte er gemacht und sein Sohn war versorgt. Er hatte jedoch noch nicht vor zu gehen. Und er hatte auch nicht vor, klein beizugeben. Und so blieb er an Deck des Schiffes, band sich neben den Kapitän und verfolgte den Höhepunkt des Kampfes zwischen dem Schiff und dem Meer aus nächster Nähe.

  • Derweil saß Mattiacus in der Kabine unter Deck und wurde hin und her geschleudert. "Ahh, das gibt blaue Flecken" dachte er als er zum wievielsten Male von seiner Bett auf die Planken geschleudert wurde. Er hatte sich auch noch extra ein Seil um die Hüften gebunden, damit er nicht durch das ganze Schiff geschleudert wurde, aber es reichte ihm schon, dass er dauernd vom Bett fiel. Neptun schien ihr Opfer wohl missfallen zu haben.


    "So ein Sch****, das auch noch!" fluchte er laut, als sein Tintenfass auf seinen Mantel fiel und einen großen Fleck hinterließ. Vor dem Sturm hatte Mattiacus nämlich noch einige Briefe schreiben wollen und sich einen provisorischen Tisch auf Fäßern gebaut. Jetzt waren seine Schreibuntensilien natürlich durch den ganzen Raum verteilt und ausgerechnet jetzt war sein neuer Mantel beschmutzt. "Hätte ich doch nur Wachstafeln genommen und nicht dieses dämliche Papyrus" dachte er sich. In Antiochia gehe ich als erstes zur besten Wäscherin der Stadt, notierte sich Mattiacus im Geiste.

  • Welle um Welle stürzten die Wassermassen auf die Fortuna ein. Zum Glück für alle Männer an Bord schaffte diese es jedoch immer wieder, sich über den Wellen zu halten. Sie hob sich, nur um wenig später in halsbrecherischer Manier nach unten in den Schlund des Meeres zu stürzen. Gewaltige Mauern türmten sich auf. Würde ihr Schiff nur einmal den Takt verlieren, oder gar quer zu einer Welle stehen ... nicht auszudenken, was geschehen konnte.


    "Senator, Du musst unter Deck gehen!" schrie der Kapitän und wies zur verschlossenen Türe des Schiffaufbaus. "Es wird zu gefährlich!"


    Kaum hatte er es ausgesprochen, bockte das Schiff kurz auf, ächzte als würden die Planken gleich brechen, legte sich schräg in eine der graugrünen Mauern, so dass die halbe Mannschaft auf die andere Seite des Schiffes geschleudert wurde. Ein Schlag von Wasser schwappte über das Deck. Ein elender Körper ging über Bord.


    "Mann über Bord!" "Mann über Bord!" Meridius blickte in die Richtung, in welche die Seeleute wiesen, konnte auf einer Welle einen Mann erkennen, der hilflos dem Schiff zuwinkte und dann in der Nacht verschwand.


    "Geh jetzt nach unten!" brüllte der Kapitän, seine Stimme verriet, dass er nicht mehr auf Standesunterschiede achtete, sondern unbedingten Gehorsam forderte. Sein Schiff befand sich im Überlebenskampf. Er alleine hatte das Kommando.


    Als Meridius mit letzter Kraft die Türe aufstemmte, sich selbst in das Innere des Schiffes zog und die Türe wieder von Innen schloß, traf ein erneuter Schlag das Schiff. Langsam, beinahe wie in Zeitlupe bäumte es sich auf, als überlegte es, ob es zerbrechen sollte, oder aber den Kampf fortführte. Zum Seelenheil aller entschied es sich jedoch für letzteres. Gut gebaut und gut geführt hatte es keinen Grund, sich vorschnell auf den Grund des Meeres befördern zu lassen.

  • Eine gewisse Standfestigkeit und eine grundlegende Härte gegenüber sich selbst war Bedingung, wenn man mitten in diesem Sturm nicht wie ein Häuflein Elend in irgendeiner Ecke des Schiffes kauern wollte. Dem Erbrechen näher als jemals zuvor, wankte Meridius mehr, als dass er schritt. Nur in Etappen konnte er die Schritte von der Türe bis zu seinem Verwandten zurücklegen. Hier unter Deck sah es beinahe noch schlimmer aus als oben. Kreuz und quer lagen all die Dinge, welche nicht sorgfältig verstaut worden waren durcheinander herum. Man konnte den Seeleuten danken, dass die schweren Kisten, Seesäcke und Fässer gut vertaut waren. Ein Blick in die Gesichter der Reisenden reichte um zu verstehen, dass sie sich nach Land sehnten. Sextus, der Veteran aus der II. hatte schon einiges erlebt. Wie die meisten hier. Doch einen solchen Seegang erlebte man nicht alle Tage. Schon gar nicht, wenn man selten zur See fuhr.


    "Ich weiß es nicht."


    sprach der Senator und hielt sich an einem Gurt fest.


    "Du hattest doch nicht etwa vor, hier Dein Testament zu schreiben?"


    Offensichtlich hatte er seinen Humor trotz der Ernsthaftigkeit der Lage nicht verloren. Er deutete mit einem Nicken auf den Tintenfleck und hustete dann. Das Seewasser hatte ihn durch und durch durchnässt, die Kleidung hing wie Blei an seinem Körper.


    "Sie zurren oben gerade alles doppelt und dreifach fest. Wenn es jedoch so weitergeht, werden wir wohl das Schiff leichter machen müssen und Teile unserer Fracht über Bord werfen müssen.


    Wir treiben irgendwo in diesem verdammten Meer herum. Nichts als Wellen, Haushoch, ich weiß nicht einmal mehr, in welcher Richtung die Küste liegt. Ich schwöre Dir, wenn wir hier raus kommen, reise ich nie wieder mit dem Schiff. Gute römische Straßen, gebaut von römischen Ingenieuren, mit dem Schweiß römischer Legionäre. Wir hätten reiten sollen ..."


    Er spuckte aus. Nicht, weil es seine Worte unterstrichen hätte, sondern weil er den salzigen Geschmack der See loszuwerden gedachte, welcher in seinem Mund brannte. So viel Seewasser wie heute hatte er zuvor nie geschluckt. Nicht einmal beim Wettschwimmen mit Praetorianus oder Livianus, als sie in ihrer Jugend darum wetteten, wer sich am weitesten von der Küste entfernte.


    "Ich hasse es. Zum Glück sind wir nicht in Küstennähe. Die Wellen würden uns sonst gegen irgendeine Klippe werfen und das wäre das Ende."

  • Mattiacus wurde ganz mulmig bei dem Gedanken, gegen irgendeine Klippe geschleudert zu werden. Überhaupt rumgeschleudert zu werden missfiel ihm ganz.


    "Hoffentlich kommen wir jetzt nicht nur zwischen Scylla und Charybdis. Darauf hätte ich jetzt gar keine Lust." versuchte er zu witzeln aber eine Welle schlug wieder gegen die Seite, so dass Mattiacus wieder zu Boden fiel und so sein Witz etwas hilflos wirkte.


    "Ich habe ja nichts gegen schlechtes Wetter, aber dieses ständige Fallerei geht mir gegen den Strich." sagte er verärgert.

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