[Hortus] Ehen und sonstige Katastrophen

  • Die Luft roch anders, als sie diese in Erinnerung gehabt hatte, und so war jeder Schritt durch den kleinen Garten, der zum praetorium gehörte, eine Reise in die Vergangenheit, und gleichzeitig auch eine Neuentdeckung. Letztlich hatte sie sich in Italia nie wirklich heimisch gefühlt, sodass sie Hispania mehr als Italia vermisst hatte, wenn sie gereist war - aber es war auch nichts, was der Iulierin allzu sehr das Herz hätte schwer werden lassen. Sie hatte in ihrem Leben genügend Veränderungen erlebt und mitgemacht, sodass grundlegende Wehmut nie allzu lange andauerte, denn die Erfahrung, dass eine Veränderung nichts schlechtes sein musste, war ein stetiger Begleiter geworden. Manchmal mussten sich Dinge auch erst verändern, dass man Neues erkennen und lernen konnte.


    Lächelnd nahm sie schließlich auf einer kleinen Bank Platz, die in Rufweite des Hauses stand und blickte in den klaren, blauen Himmel. Das Wetter war schön, wenngleich noch nicht so warm, wie es zu dieser Jahreszeit hätte sein sollen, aber zumindest regnete es nicht ... die Finger gelinde ineinander verschränkend, wartete sie ab. Bevor sie in den Garten hinausgetreten war, hatte sie Xamander gebeten, Tiberia Albina zu suchen und sie zu bitten, sie im Garten zu einem Gespräch zu treffen - und nun wartete sie entweder auf die selbige, oder aber auf ihren Sklaven, der ihr berichten sollte, dass die junge Tiberierin verhindert wäre, aus welchem Grunde auch immer. Sie mochte die junge Frau, und der Gedanke, sie bald an einen der Flavier und nach Hispania zu verlieren, sollte er dort weiterhin procurator sein und bleiben, gefiel ihr nicht unbedingt.


    Nach ihrem Geschmack war diese Ehe keine glückliche Idee, aber ... sie war beschlossen, und es würde beiden Familien schaden, die Verlobung aufzulösen, auch wenn sie selbst kein gutes Gefühl dabei hatte. Sie hätte den Grund nicht einmal erklären können, wieso sie einen anderen Gemahl für Albina vorgezogen hätte, es war nur eine Ahnung, und auf Ahnungen ließ sich schlecht aufbauen, vor allem nicht, wenn Begründungen gefragt waren. Hoffentlich würde Albina dennoch glücklich werden, und darin wollte sie die junge Frau gern unterstützen. Sinnierend strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück und ließ die Gedanken wandern ...

  • Vor gut einer viertel Stunde war Albina beim vor sich hin sinnieren durch ein Klopfen gestört worden. Auf die Worte Xamanders hin hatte sie sich zurecht gemacht und war sogleich losgegangen um nun an der Bank, wo Helena bereits auf sie wartete anzukommen. Sie wusste nicht, was der Grund sein mochte, weswegen Helena sie zu sprechen wünschte, doch das spielte eigentlich auch keine Rolle. Albina genoss die Gesellschaft der Verlobten ihres Cousins stets und machte sich daher keine großen Gedanken. Lächelnd kam sie auf Helena zu und grüßte diese.
    "Salve! Xamander meinte, du wolltest mich sprechen?" Während sie sprach, ließ sich die junge Tiberierin neben Helena auf der Bank nieder. Und sofort merkte sie, wie herrlich doch die Sonne schien. In letzter Zeit verließ sie ihre Kammer immer seltener... woran das wohl liegen mochte? Sie hatte eine Ahnung, aber schob die Gedanken daran gleich wieder beiseite.

  • "Ja, das ist richtig," sagte die Iulierin freundlich und lächelte die Cousine ihres Verlobten offen an. Leises Vogelzwitschern mischte sich in ihre Worte, ein Paar eifrig umherschwirrender Piepmätze schien gerade Nistmaterial an einer nahen Hecke zusammenzutragen und unterhielt sich eifrig über die Vorzüge dieses oder jenen Ästchens - zumindest war das der Eindruck der Iulierin, auch wenn sie die Vögel natürlich nicht verstehen konnte. Letztlich war es schon amüsant, wie nahe dieses Naturschauspiel dem kam, worüber sie mit Albina sprechen wollte. "Es ist schön, dass Du etwas Zeit gefunden hast, die Vorbereitungen für Deine Vermählungen sind sicherlich zeitaufwendig genug." Sanft blickte sie ihre Gesprächspartnerin ab, achtete aber auch recht genau auf deren Reaktion zum Thema bevorstehende Heirat. Ob sie glücklich war, einen einflussreichen Mann zu heiraten, der aus einer der Patrizierfamilien kam? Bisher erschien ihr Albina eher etwas gedrückt, nachdenklicher ...


    "Nun, wir haben uns seit der Rückkehr der Legion noch nicht wirklich unterhalten können, und das möchte ich gerne nachholen. Gerade jetzt, da Du noch hier weilst und es leider absehbar ist, dass wir Dich in die Arme Deines künftigen Gemahls entlassen müssen, scheint mir die verbliebene Zeit kostbar und wichtig - nicht zuletzt, weil es keine andere Frau gibt, die Dir mit Erfahrung bei diesem Thema beistehen könnte." Sklavinnen kamen dabei einfach nicht in Frage. Selbst eine verdiente Sklavin wie Mania, die viele Jahre erlebt hatte, war doch keine römische matrona, und es würde immer entscheidende Unterschiede geben. Einen gleichwertigen Ersatz konnte also eine Sklavin niemals bieten, nicht zuletzt, weil die Glaubensriten einer Hochzeit und der folgenden Ehe Sache der Römer waren, nicht der Sklaven. "Als ich mit fünfzehn in die Ehe gegeben wurde, gab es vieles, das mich verunsichert hat, und nur meiner Mutter verdanke ich, dass ich nicht vollkommen verängstigt zu meinem Gemahl ging. Da Deine Mutter nicht hier sein kann, möchte ich Dir anbieten, Dir zur Seite zu stehen, wenn Du es möchtest."

  • Albina blickte in lächelnd in die Krone eines Baumes, bis das Wort Vermählung ins Spiel kam. Einen Moment lang blickte sie Helena überrascht an, bevor sich ihre Züge fassten und sie zustimmend nickte. Und das tat sie mit großer Überwindung, denn in Wirklichkeit verdrängte Albina die Gedanken an die Planung ebenso wie die an die Hochzeit selbst in letzter Zeit relativ gut. Sie hatte sich so gefreut, diesen Nachmittag mit Helena zu verbringen und nun so etwas... Sie lauschte den Worten der Verlobten ihres Vetters nach außen hin aufmerksam, doch innerlich dachte sie "Was willst du schon davon wissen, wie es mir geht?". Doch nichts davon zeigte sie, wusste sie doch, wie lächerlich es war, Groll gegen Helena zu hegen, nur weil sie ihr eigenes Schicksal so verfluchte. Und augenblicklich kamen wieder Erinnerungen von Verres ans Licht... ob Quintus ihr davon erzählt hatte? Sie wusste es nicht und konnte es sich kaum vorstellen, doch unter Liebenden gab es das ein oder andere Geheimnis.
    "Das ist sehr freundlich von dir." meinte sie zunächst, da sie merkte, dass sie an der Reihe war etwas zu sagen. Doch so richtig wusste sie noch nicht, was genau das sein sollte. "Ich..." begann sie einen Satz, doch brachte ihn nicht zu Ende. Sie strich sich eine Strähne ihres dunklen Haares hinter die Ohren und versuchte es dann noch einmal, ohne Helena dabei anzublicken.
    "Ich weiß nicht, ob ich wirklich Angst vor dieser Vermählung habe... Es ist nur... Was hat Quintus dir denn darüber erzählt?" hatte sie sich dafür entschieden zunächst einmal auszuloten, was die Verlobte ihres Vetters nun wusste und was nicht.

  • Wie still sie doch ist, dachte die Iulierin und maß die junge Frau mit einem nachdenklichen Blick. Vielleicht machte ihr die bevorstehende Ehe mehr Angst, als sie es zugeben wollte, oder aber Albina gehörte einfach zu jenen Menschen, die gerne über die Dinge schwiegen, die in ihnen vorgingen. So gut kannte sie die Tiberierin nicht und wollte sich darob auch kein Urteil anmaßen. "Er hat mir erzählt, wen Du heiraten wirst," erwiederte sie freundlich und machte dann eine beredte Geste. "Einen Mann, der sich seit einigen Jahren erfolgreich auf der politischen Spielwiese vergnügt und der bereits eine Verlobte hatte, welche den Freitod gewählt hat, wenn ich nicht irre. Und abermals sucht er in derselben Familie nach einer geeigneten Gattin." Zudem war dieser Furianus ein Flavier, und jeder wusste, dass in dieser Familie einiges im Argen lag. Sie waren weit weniger alt als viele andere gentes, die seit Jahrhunderten die politischen Belange Roms mitbestimmt hatten, jäh aufgestiegen, und seitdem hatten sie sich Helenas Meinung nach an der Macht mehr als einmal verbrannt. Sie war sich indes noch nicht sicher, wie sie das sich hartnäckig haltende Gerücht nehmen sollte, alle Flavier seien auf ihre Weise verrückt.


    "Letztlich ... ist eine Verlobung nur ein vager Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn Du Deinen eigenen Haushalt führen musst und zudem einen Gemahl hast, der Deine Aufmerksamkeit verlangt. Das sind Dinge, über die man sprechen sollte, auch über .. die Gepflogenheiten des Ehebetts, über Kinder ... über all jene Dinge, die Du später nicht unbedingt einer Sklavin anvertrauen möchten könntest," fuhr sie in warmem Ton fort und lächelte aufmunternd zu Albina. Eine Liebesheirat war dies alles sicher nicht, dafür wirkte Albina zu passiv, und eine Zweckehe konnte sich gut entwickeln, wenn beide daran arbeiteten, aber ... es gab auch die andere Richtung. Jene, die aus Ehepartnern hassende Menschen machte. Vor so etwas hätte sie das Mündel ihres Verlobten gerne bewahrt.

  • Albina folgte den Worten der Iulierin und atmete innerlich erleichtert auf, als sich herauszukristallisieren schien, dass Helena zumindest über Albinas wahre Sorgen nichts wusste.
    "Kennst du Furianus denn persönlich?" fragte sie, obwohl sie es sich nur schwerlich vorstellen konnte. So standesbewusst wie Furianus es war, verkehrte er in der Regel wohl kaum mit Plebejern. Zumindest, wenn es vermeidbar war... Ein Umstand den Albina zwar nicht wirklich nachvollziehen konnte, aber sie nahm es hin.
    "Ich bin ihm mittlerweile zweimal begegnet und er schreibt mir sehr häufig wirklich aufmerksame und liebevolle Briefe." Auch dass diese Briefe für Albina mehr Qual als Grund zur Freude waren behielt die junge Patrizierin für sich. Wem konnte sie all das was wirklich in ihr vorging auch schon anvertrauen... außer vielleicht Quintus selbst.
    "Er scheint ein tugendhafter Mann zu sein. Ich weiß nicht viel über ihn, aber was ich bisher gesehen und gelesen habe, erweckt mir den Anschein. Ich meine..." fuhr sie dann fort " wenn man die wahren Gründe für diese Verbindung bedenkt so müsste Furianus sich keineswegs so um mich bemühen. Das er es tut ist doch ein gutes Zeichen... oder?" Sie legte ihr Hände nun gefaltet in den Schoß, nachdem sie sie während des Gespräches die ganze Zeit leicht unsicher geknetet hatte.

  • "Nein, persönlich habe ich ihn noch nicht kennengelernt," bekannte sie und lächelte etwas. "Aber ist das entscheidend? Er ist seit einigen Jahren eine bekannte politische Gestalt und ich verfolge die Arbeit des Senats so gut es geht - und da ist er mir bisher nicht unbedingt nur positiv aufgefallen, so leid es mir auch tut. Wie so einige Patrizier scheint er seinem eigenen Vorteil sehr zu huldigen, und das lässt mich vorsichtig werden. Albina, ich hoffe sehr für Dich, dass er sich als der liebevolle Gatte erweisen wird, den Du verdient hast, als ein aufmerksamer Mann, der Deinen Respekt verdient. Aber die wenigsten Männer halten, was sie versprechen, und noch weniger Männern kann man trauen. Das haben mich meine Jahre in der Politik gelehrt, und ich befürchte, dass sich das Verhalten der Männer auch im privaten Bereich nicht unbedingt von dem unterscheidet, wo sie ihre Macht nach außen hin ausüben."
    Sie hob ihre Brauen leicht an, als ihr die doch etwas nervös oder unsicher erscheinenden, sich stets bewegenden Finger der Tiberierin auffielen, und insgeheim bedauerte sie die junge Frau, die mit einem ihr fremden Mann verheiratet wurde, dessen Familie nicht gerade für ein sanftes Temperament bekannt war.


    "Ich weiss nicht, ob es ein gutes Zeichen ist, dass er dem folgt, was Ovid einem Mann empfiehlt, der um eine Frau zu werben versucht - entweder hat er wirklich Gefühle für Dich entdeckt oder aber er tut es, um den Schein zu wahren, um auch den Ansprüchen Deiner Verwandten Genüge zu tun - das weiss ich nicht zu sagen. Ich hoffe natürlich, dass es ersteres ist, und dass er aufrichtig für Dich empfindet. Vorbereitet solltest Du allerdings auf alle Möglichkeiten sein. Eine Ehe ist ... nicht immer leicht, vor allem, wenn man sich vorher nicht kennt, oder vielleicht schon einmal einen anderen Menschen geliebt hat. Die wenigsten Menschen gehen in die erste Ehe, weil sie den anderen lieben, diese Freiheit ist einem selten genug gegeben, wenn man für die gens heiratet, darin unterscheiden sich die patrizischen Familien nicht von den plebejischen."
    Nicht zuletzt wusste sie das so gut, weil sie es selbst erlebt hatte - leise seufzte sie und schüttelte dann den Kopf. "Ich rede, und rede, dass Dir wahrscheinlich ganz bange ums Herz wird. Es tut mir leid, Albina, ich wünschte, ich könnte Dir ausschließlich Hoffnungen machen, wie es meine Mutter einst bei mir tat, aber im Nachhinein denke ich, hätten mir offene Worte mehr geholfen."

  • Vieles von dem, was Helena ihr sagte, hatte Albina bereits vermutet. Männer waren längst nicht immer das, was sie nach außen hin darstellten. Ein angesehener Patrizier längst nicht zwangsläufig ein guter Mensch, ein einfacher Sklave längst nicht immer ein primitives gefühlloses Wesen, wie viele es betrachteten. Eben jenes hatte sie von Verres gelernt. Wie sehr sie doch wünschte er würde noch Leben... und dennoch, es hätte keinen Unterschied gemacht. In dieser Welt hätten sie nie zusammen sein können. Ihr war ein Leben an der Seite eines Patriziers bestimmt worden... und wie es schien an Seite von Furianus.
    "Glaube mir, ich weiß deine offenen Worte sehr zu schätzen." lächelte Albina Helena sanft zu. Sie mochte die Verlobte ihres Vetters aufrichtig und war froh, eine Frau an der Seite zu haben mit der sie zumindest über das ein oder andere reden konnte, wenn natürlich auch nicht über alles.
    "Ich weiß, dass ich Furianus kaum kenne. Die wenigen Minuten die wir bisher miteinander verbrachten lassen kaum eine Aussage über sein wahres Wesen zu. Ich erwarte keineswegs, dass seine Gefühle, die er beschreibt, aufrichtig sind. Ich kann und will von ihm nicht einmal Liebe erwarten. Denn ich selbst, glaube ich," in Gedanken ersetzte sie das ´glaube ich`durch ein ´weiß ich`, "werde ihn selbst kaum lieben können. Ich hoffe nur, dass ich ihm ansonsten eine gute Frau sein kann. Dass er nicht bereuen wird, mich geheiratet zu haben. Schließlich ist es doch meine Aufgabe um der Familie willen, dass diese Ehe eine gute wird..." erklärte sie dann. Als Aufgabe, und als nichts sonst, betrachtete sie nämlich diese Verbindung. Sie wollte nur, dass Furianus nie unter ihrem eigenen gebrochenen Herzen leiden würde, dass sie vermögen würde, sich ihm in jederlei Hinsicht hinzugeben, obwohl sie schon bei dem leichten Kuss auf die Stirn, den er ihr beim letzten Treffen gab, pure Abwehr gespürt hatte.
    "Ich habe nur Angst ganz allein in Hispania zu sein. Ohne irgendwen, den ich kenne in meiner Nähe..." gestand sie dann.

  • So viele junge Frauen schienen sehr viel zu lächeln, und vor allem war es meist ein Lächeln, das nur auf den Lippen, nicht aber im Herzen wohnte oder sich in den Augen spiegelte. Doch Albinas Lächeln war echt, erblühte auf ihren Lippen wie eine Rose, die sich dem Sonnenlicht öffnete - und nahm die Iulierin noch ein klein wenig mehr für die junge Frau ein. Es war letztendlich nur schade, dass sie bald in Hispania wohnen würde und sie nicht die Gelegenheit hatten, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Vielleicht wären sie sehr gute Freundinnen geworden, zumindest hätte ihr der Gedanke gefallen. Aber es gab auch die Möglichkeit, sich zu schreiben, die Gedanken auf Papyrus zu tauschen, wenn sich die Gelegenheit bot. Letztendlich war vieles möglich, wenn man es nur wollte.
    "Ich denke doch, dass er Dir den Dir angemessenen Respekt gegenüber beweisen wird, aber vertraue süßen Worten nicht zu schnell. Die Flavier sind eine sehr wechsellaunische Familie und bei solchen kann man sich niemals sicher sein, was einem bevorsteht. Wenn er nur Augen im Kopf hat und etwas Verstand, wird er erkennen, was er in Dir gewonnen hat, Albina, eine kluge junge Frau mit dem Herzen am rechten Fleck. Und sollte er dies nicht erkennen können, bist Du nicht gezwungen, bis in alle Ewigkeit bei ihm zu bleiben. Es besteht immer die Möglichkeit, dass Du Dich von ihm trennen kannst und ich bin mir auch sicher, dass in Quintus' und meinem Heim immer ein Platz für Dich sein wird."


    Sie lächelte Albina aufmunternd zu, griff sanft ihre Hand und drückte sie für einen Moment lang beruhigend, bevor sie einen kleinen Beutel von ihrem Gürtel nestelte und ihn in Albinas Hand legte.
    "Hierin ist der Schlüssel zum Heim meiner Familie in Tarraco. Ich werde Dir einen Brief für den Verwalter mitgeben, sodass Du dorthin immer gehen kannst, wenn Dir Dein Mann unangenehm werden sollte. Zwar bin ich mir recht sicher, dass er dies nicht wagen wird, weil er davon ausgehen muss, Quintus' Zorn kennenzulernen, aber es ist doch immer besser, wenn man weiss, dass man die Möglichkeit hat, auszuweichen, auch wenn es nicht geschieht."
    Leise atmete sie ein, dann den Kopf schüttelnd. "Es mag zum einen Deine Aufgabe sein, diese Ehe zum Glück zu führen, Albina, aber es ist auch die seine, um ein guter Ehemann zu sein. Ein Mann, der seine Frau nicht ehrt und respektiert, der sie nicht ernst nimmt als matrona, der ist genauso wenig wert wie eine Frau, die ihrem Mann nicht treu ist und den Haushalt nicht gut führt. Eine Ehe muss von beiden gemeinsam bestritten und von beiden gemeinsam immer wieder erarbeitet werden."

  • Von ihm trennen? Diese Worte hallten in Albinas Bewusstsein nach und erschüttert erkannte sie, wie diese Worte, noch bevor die Ehe geschlossen war, als eine glückverheißende Möglichkeit erschienen. Schnell unterdrückte sie diese Regung in der Hoffnung, dass Helena ihr eben dies nicht angemerkt hatte.
    "Lassen wir uns überraschen." meinte Albina daher leicht schmunzelnd in der Hoffnung, von dem Thema vorerst ablenken zu können. Was sonst sollte sie auch sagen. Welche Erwartungen und Vorstellung konnte sie von einer Ehe mit einem Mann, den sie kaum kannte, schon haben. Es blieb ihr nur die Zuversicht, dass es weniger schlimm sein würde, als sie glaubte und sie die Jahre, wie auch immer, durchstehen konnte.
    Überrascht aber sichtlich gerührt nahm Albina den Beutel entgegen und tastete unbewusst ein wenig daran rum um nur bestätigt zu bekommen, dass darin enthalten war, was Helena ankündigte. Sie blickte noch einmal die Frau an, die sie bisher so wenig kannte und die sie dennoch bereits ins Herz geschlossen hatte. Warum, konnte sie selbst nicht sagen, doch diese Geste gepaart mit den Ängsten vor der Zukunft führten dazu, dass Albina merkte, wie ihre Augen sich langsam mit Tränen füllten und bekam nur noch am Rande etwas von Helenas weiteren Worten mit.


    Mit gröster Mühe versuchte sie, eben jene zu unterdrücken und trotz der jahre langen Erziehung, die allzu übermäßige Emotionen verbat, konnte sie den Strom, der sich seit langem das erste Mal einen Weg bahnte, nicht mehr aufhalten. Sie versuchte ihre Miene neutral zu halten, auch wenn sie die Nässe der ersten Tränen ihre Wange hinunter laufen spürte.


    Sie legte ihren Kopf an Helenas Schulter und begann zu Schluchzen. In Gedanken verfluchte sie die Götter für ihr eigenes Schicksal, für den Tod von Verres, für all die Schmerzen die sie ihr ihr selbst unverständlicher Weise geschickt hatten. Es gab so vieles, was sie hätte sagen wollen, was sich seit langem immer weiter in ihr bereits verbittertes Herz hineinfraß und sie sich hätte von der Seele reden müssen. Sie hatte das unbändige Gefühl schreien zu müssen. All die Wut und den Hass aus sich hinausschreien zu müssen... doch sie tat nichts der gleichen.


    Leise schluchzend barg sie nur das Gesicht an Helenas Schulter und spürte, wie die Tränen verebbten und ihre Atmung wieder ruhiger wurde...
    Sie hatte ihre Emotionen wieder im Griff, ihren Schmerz ein weiteres Mal hinunter geschluckt und wieder einmal ein kleines Stück ihrer selbst verloren.

  • Hatte sie etwas Falsches gesagt? Zuerst war ihr Albina noch belustigt, fast fröhlich erschienen, doch je mehr sie selbst sprach, desto deutlicher wurde Helena bewusst, dass die junge Frau den Tränen nahe war - dann begann sie zu weinen. Die Eheschließung musste Albina wirklich ängstigen, soviel war sicher, und sie würde darüber noch einmai mit Quintus sprechen müssen. Dass seine Nichte so elend zumute war, mochte Schwierigkeiten in der Zukunft bedeuten, und wenn nicht diese, dann doch zumindest ein nicht nach allzu viel Glück aussehendes junges Leben, das einen Mann heiraten würde, der, wie man von seiner Familie genau wusste, nicht eben ein einfacher Charakter sein musste.
    Behutsam strich sie Albina mit der Hand über den Rücken, versuchend, wenigstens auf diese Weise Trost zu spenden, wenn sie es schon mit Worten nicht zu tun vermochte, und es schien ganz so, als hätte sie damit einen kleinen Erfolg erzielt - wirklich helfen würde es wohl nicht, aber vielleicht würde sich Albina in einer dunklen Stunde auch daran erinnern, dass es Menschen gab, die zu ihr standen, ohne zu fragen, das war oft mehr wert als tausend Worte, die man sprechen konnte.


    "Ich weiss, wie wenig Du Dich freuen musst, zu einem Fremden zu gehen, Albina, aber es gibt doch immer die Hoffnung, dass Du einen Weg für Dich finden kannst, damit umzugehen. Wenn es zu schlimm werden sollte, dann komme zu uns, oder suche Zuflucht im Heim meiner Familie - oder lass mich wissen, dass er schlecht zu Dir ist, und ich werde ihn besuchen und ihm Manieren beibringen," sagte die Iulierin leise, aber lächelnd, versuchend, die Worte mit einem scherzhaften Charakter zu belegen. Letztlich wäre es sicherlich ein interessanter Anblick gewesen, wie eine Plebejerin einen Patrizier mit einem Besen durch sein eigenes Haus zu scheuchen imstande war, um ihm beizubringen, dass er mit seiner Frau besser umzugeben habe, aber vielleicht war dieses entstehende Bild eines, das Albina wieder lächeln ließ, wenn auch nur für einen Moment. Selbst ein Moment wäre ein Gewinn gewesen, oft genug schien sie sich hinter ihrer eher gleichmütigen Miene zu verbergen.

  • Der emotionale Moment war vorbei und Albina dankbar dafür. Sie konnte und wollte sich nicht hängen lassen. Das würde ja ohnehin nichts an der kommenden Herausforderungen ändern. Bei Helenas Worte musste sie dann doch lachen, und dieses Lachen verwandelte sich dann in ein aufrichtiges Lächeln.


    "Ich danke dir Helena. Ich bin froh, dass es dich und meinen Vetter gibt und bin mir sicher, dass die Götter einen Plan haben, der all die Geschehnisse erklärt und zu einem guten Ende führen wird." meinte Albina dann. Es wurde langsam Zeit, dass sie in ihr Cubiculum zurückkam, hatte sie doch noch einiges zu tun.

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