Sura | Ein besonderer Übergang

  • Tage lang waren sie marschiert, vier Legionen Roms und die sie begleitenden Hilfstruppen. Sie hatten in den vergangen Monaten schwere Schlachten geschlagen, hatten glorreiche Siege aber auch Rückschläge erlitten. Und der schwerste dieser Rückschläge hatte sie schliesslich veranlasst, Dura Europos den Rücken zu kehren und sich auf den Weg nach Hause zu machen, in einem Marsch, welcher einem wirklichen Trauermarsch gleich kam.


    Und so lagerten sie hier vor Sura, vier Marschlager hatten sie vor der Stadt am Euphrates errichtet, hier wo mit der Provinz Syria auch wieder das Imperium Romanum begann. Boten waren vorraus geritten, hatten die Magistrate der Stadt darauf hingewiesen, welches besondere Ereignis hier stattfinden würde und das alle Vorbereitungen getroffen werden sollten. `Noch in Jahrhunderten wird man von Sura sprechen,` waren die Worte gewesen, welche der Legatus der Prima ihnen hatte aussrichten lassen. Und man hatte sich darauf vorbereitet...


    Zwischen den Lagern und der Stadt war eine grosse, freie Fläsche, genug Platz um tausende Soldaten aufmarschieren zu lassen und noch genug Platz für die Ehrenvollsten Bürger der Stadt und des Umlandes zu haben. Mitten auf diesem Platz war ein grosser Scheiterhaufen errichtet worden und dahinter eine Plattform, damit möglichst jeder auf dem Feld ein Blick auf das Opfer werfen konnte.


    Am Abend zuvor waren sie angekommen und hatten ihre Lager errichtet und am heutigen Spätnachmittag sollte die Ceremonie stattfinden. Doch wer glaubte die Milites hätten etwas ruhe gefunden, der irrte, denn es war die Devise ausgeben worden, das alle in makelloser Rüstung erscheinen sollten, was nach einem langen Feldzug kein leichtes Unterfangen war.

  • Nachdem die legiones Sura erreicht hatten, taten die milites zuerst das, was sie immer taten, wenn sie einen neuen Ort erreichten, sie bauten ein Lager erst die Verteidigung, dann die Zelte der Verwaltung und die Lagerzelte und anschließend die eigenen.
    Anschließend wurden die Abendrationen verspeißt, an sich auch nichts ungewöhnliches, außer, dass diese jetzt in der Nähe einer römischen Stadt großzügiger ausfielen als während des Feldzuges. Soweit war es also eigentlich ein ganz normales Marschtagsende, wenn man von der Tatsache absah, dass man einen toten Imperator mit sich führte.
    Im Normalfall hätten die milites nun ihre Zeit an den Lagerfeuern verbracht und wären an sie, so sie keine Nachtwache hatten, bald die Befehle "in tabernaculae!" und "lumines extingute!"ausgegeben worden.
    Dies blieb heute jedoch aus. Stattdessen saßen alle milites und Offiziere mit Polierlappen und ihren Rüstungen am Feuer und probierten ihre Rüstungen so glänzend wie möglich zu kriegen.
    So auch Licinus, der wusste, das die Ansprüche des primus pilus an die Rüstungen seiner milites und vor allem seiner Unteroffiziere astronomisch hoch sein würden. So stand er unter einer Fackel vor der über den Feldschreibtisch gelegten Rüstung (diesen kleinen Luxus gönnte er sich als optio) und wienerte alle erdenklichen und unerdenklichen Stellen an seiner Rüstung so lange, bis er beim besten (oder auch bösesten) Willen keine schadhafte Stelle mehr finden konnte. Es war mittlerweile sehr spät geworden, aber Licinus war sich bewusst, dass es nur für Unfrieden sorgen würde, wenn er morgen mit einer weniger als perfekten Rüstung milites für unzureichend polierte Rüstungen bestrafen würde. Außerdem verlangte es seine Achtung vor dem verstorbenen Imperator.
    Plötzlich fiel ein Schatten auf seine Rüstung und Licinus sah ärgerlich auf
    "Was?!" zischte er.


    "Nichts weiter, optio, ich dachte nur ein Becher verdünnten Weines könnte dir gut tun, mittlerweile ist die zweite Wache zur Hälfte rum" es war Lucius Battiacus, der alte Veteran und tesserarius der centuria


    "So spät ist es schon?!" fragte Licinus und sah sich um. Tatsächluich saßen kaum noch Soldaten an den Feuern, die meisten waren wohl schon zu Bett gegangen. "Danke für den Wein, du bist schon fertig mit deiner Rüstung?"


    "Einer der kleinen Vorteile der lorica hamata" grinßte der Veteran
    "Man muss deutlich weniger polieren"


    "Ach, so ist das. Nun, dann. Hast du ein Auge auf die Rüstungen der anderen geworfen?" fragte Licinus nach einem Schluck Wein und versuchte seine Verärgerung zu verbergen, es nicht selbst getan zu haben.


    "Einige von den Jungspunden hab ich im Auge behalten, aber das sah annehmbar aus, und die Veteranen werden uns morgen eh keine Schande machen"


    "Annehmbar reicht morgen nicht, Battiacus! Nun gut, ich denke der centurio wird morgen früh noch eine Inspektion anordnen, dann werden wir sehen, ob dein "annehmbar" reicht."


    "Ja, werden wir. So ich geh jetzt auch, bin hundemüde." verkündete er mit der Gelassenheit desjenigen, der schon hunderte Inspektionen über sich hatte ergehen lassen müssen und der wusste, dass ihm der optio aus Respekt vor der langen Dienstzeit (gegen die Licinus geradezu lächerlich kurz war) keinen Strick wegen dieses Verhaltens unter vier Augen drehen würde.


    "Mach das. Und Danke für den Wein" entgegnete Licinus und sekte mit einem unhörbaren Seufzer seinen Blick wieder auf den Tisch. Die Rüstung ist fertig entschied er und wandte sich seinem Helm zu.
    Dieser verlangte nur eine kurze Bearbeitung mit dem Tuch. die beiden Paradefedern waren hatten die Schachtel ja den ganzen Feldzug über nicht verlassen. Ebenfalls recht schnell war er mit dem Knauf des Optiostabes fertig. Blieb noch ein letztes, die amillae. Zum ersten Mal würde er sie morgen tragen. Vorsichtig nahm er den Lappen und begann sie in gleichmäßigen Zügen zu polieren, und auch die letzten Feinheiten nachzufahren, bis sie ihm Licht der Fackel blitzten und keine matte Stelle mehr zu finden war.


    Dann machte sich auch Licinus auf und steuerte sein Zelt an um Schlafen zu gehen.

  • "Neinneinnein, so wird das nie etwas!" Energisch schüttelte Priscus den Kopf. "Hier, Lederlappen in die Hand nehmen, etwas Sand drauf, einen Tropfen Olivenöl und dann geht's los. Und kräftig drücken, du sollst den Rost entfernen und nicht streicheln!" Während des Feldzuges war die Pflege der Ausrüstung nicht ganz so wichtig gewesen, aber jetzt nahm Priscus es umso genauer und kümmerte sich um jeden Mann einzeln. Der Schweiß hatte teilweise hässliche Spuren hinterlassen, die es nun zu entfernen galt.


    "Mit einem nassen Lappen geht es besser", war sein Rat an den nächsten Kameraden, der ein paar Blutflecken aus den Ecken seiner Cingulumbeschläge entfernen wollte. "Wasser könnt ihr euch dort drüben holen. Heute wird daran nicht gespart."


    Zwei Zelte weiter hatten die Soldaten Probleme bemerkt, als sie probehalber schonmal die Helmzier auf den Helm setzen sollten. "Tja, der Haken ist hinüber. Schlagt entweder einen neuen rein oder versucht was mit Lederschnüren zu improvisieren. Ich schaue mir das nachher an."

  • Auch im Praetorium der Prima herrschte ein rege Geschäftigkeit, galt es doch, Rüstung und Kleidung des Legaten für die kommende Zeremonie so herrichten, das sie so tadellos wirkten, wie die Rüstungen der Legionäre und so, das sie dem Ereignis angemessen war. Und das war, nach einem langem Feldzug nicht leicht, besonders, wenn man nicht die Zeit hatte, die Resourcen der Stadt zu nutzen.


    Tiberius Vitamalacus hingegen bekam von all dem wenig mit, er bereitet sich auf seine Art auf das kommende Ereignis vor, denn er wird seinen persönlichen Eid auf Rom zuvor erneuern.


    Und als alles so weit ist, tritt er in das Lararium des Praetoriums, eigentlich nicht mehr als eine kleine Ecke in einem der Zelte. Seinen Helm trägt er unter seinem linken Arm, seine Rüstung ist makelos und sitzt perfekt. Er geht aufrecht auf den improvisierten Schrein zu, stellt dreei kleine Standilder dazu, eines eine Statuette Iupiters, ein Abbild des verstorbenen Impertors und eines des neuen.


    Langsam kniet er vor dem Schrein nieder, stellt seinen Helm vor sich ab.


    "Ihr meine Ahnen, die ihr immer über mich wacht, nach deren Vorbild ich lebe und deren Andenken ich ehren und mehren möchte, ich komme heute, um vor euch als Zeugen, meinen Schwur zu erneuern."


    Er zieht das Gladius, hielt den Griff mit der rechten und umschliesst die scharf geschliffene Klinge mit der Linken.


    "Oh Iupiter, ich schwöre bei meinem Leben und dem Heil meiner Ahnen, zu dienen Rom. Es zu verteidigen, mit Worten und Taten, seine Bevölkerung zu schützen, ihr zu dienen, zu ihrem Wohl zu handeln."


    "Oh Iupiter, ich schwöre bei meinem Leben und dem Heil meiner Ahnen, zu dienen dem Imperator, das zu tuen, was er von mir verlangt. Dort zu kämpfen oder zu dienen, wo er es für richtig hält."


    "Oh Iupiter, ich schwöre bei einem Leben und dem Heil meiner Ahnen, zu dienen meiner Familie, sie zu beschützen und zu verteidigen, mit meinen Worten und meinen Taten, ihren Ruhm zu mehren."


    Mit jeden Wort, das er spricht umschliest er die klinge etwas fester, bis sich ein kleines Rinnsaal von Blut an beiden Seiten der Klinge bildet und zu boden Boden tropft.


    Er bleibt noch eine Weile Knien, dann steht er auf, steckt sein Gladius zurück und verlässt das Praetorium. Direkt am Ausgang bleibt er kurz stehen, hinter ihm sammelt sich seine Garde.
    "Lasst zum Sammeln blassen !" befiehlt er den Cornichen und sogleich ertönt das Signal, welches die Legionen schon den ganzen Tag erwartet. In das Signal der Prima, mischen sich die Signale der anderen Legionen, werden auch hinausgetragen in die Stadt.

  • Appius hatte seine Uniform den ganzen Abend und Vormittag reinigen lassen. Nun blitzte sie regelrecht.
    Mit blitzeder Rüstung und allen seinen Ehrenzeichen behangne (ganze Zwei) betrat er nun zusammen mit den restlichen Soldaten den Sammelplatz, um dann bald dem verstorbenen Kaiser die letzte Ehre zu erweisen.

  • Am nächsten Morgen war Licinus von den viel zu früh erklingenden Weckrufen der cornicenes geweckt worden, ein schnelles Frühstück zu sich genommen und anschließend zusammen mit dem primus pilus die centuria inspiziert.


    Zu seiner persönlichen Freude waren an keinerlei Rüstungen schwere Makel zu endecken gewesen. An einigen gab es zwar leichte Mängel, diese konnten aber schnell behoben werden und zogen neben einigen schnellen, aber relativ sanften Hieben mit der vitis seitens des primus pilus keine Konsequenzen nach sich. Diese Fehler versucht jedoch die milites in der knappen Zeit zwischen Inspektion und Sammelbefehl noch zu beheben, was in den meisten Fällen auch gelang, sodass die erste cohors, als dass Signal ertönte, wie ein einziger Schimmer zum sammeln aufbrach.

  • Neben einem größeren Sold war der Vorteil, Stabsoffizier zu sein, der, dass man eine gewisse Anzahl an Dienern und Helfern stets in seiner Nähe wusste. Zwar hatte Avitus bereits als Primus Pilus Sklaven in der Castra gehabt, aber als Praefectus standen ihm mehrere zu, die sich nun fleißig darum kümmerten, dass seine Rüstung in einem tadellosen Zustand präsentiert werden konnte, geradezu ohne, dass man ihr die zurückliegenden Strapazen ansehen konnte. Nachdem er sie angelegt hatte, trat Avitus hinaus, schwang sich in den Sattel und trabte in Richtung des Sammelplatzes. Im gleichen Moment erklangen die Signale der Cornicen, die die Legionen zusammenriefen. Alles machte sich bereit für die bevorstehende, wichtige Zeremonie. Avitus warf einen kurzen Blick in Richtung des schwer bewachten Zelts, in dem der verstorbene Leichnahm aufgebahrt wurde und blickte dann in die Richtung, in der man den Scheiterhaufen aufgebaut hatte. Die Kulisse stand bereit, es fehlten die Legionen, doch die Bewegung, die in den Lagern enststand, sobald die Cornicen riefen, verriet, dass es lange wohl nicht mehr dauern würde.

  • "Alles antreten!", übersetzte Priscus den Klang der Hörner noch einmal in Worte, damit auch keiner behaupten konnte, etwas verpasst zu haben. Eilig ordneten die Soldaten ihre Ausrüstung, setzten die Helme auf oder kontrollierten noch einmal den Sitz von Gladius oder Pugio. "In der Lagergasse antreten! Zwei Linien!" Der Optio war etwas lauter und angespannter als sonst, immerhin war dies kein gewöhnliches Sammeln. Die Einheit sollte einen tadellosen Eindruck machen und dazu gehörte exaktes und schnelles Antreten ebenfalls dazu.

  • Und so setzten sich die Prima in Marsch, wieder einmal hallten tausende Caligae, wieder einmal ertönte das monotone Geräusch von tausenden Rüstungen und Scuti. Und nicht nur aus dem Lager der Prima strömmten Kohorte um Kohorte, Centurie um Centurie, auch in den anderen Lagern stömten tausende Soldaten.


    Centuriones bellten Befehle, Optionis kontrollierten die Ausrichtung der Milites in Reih und Gleid, nach und nach meldete jede Centurie : "Vollständig angetreten !"


    Rund um den vorbereiteten Scheiterhaufen nahmen alle am Feldzug beteiligten Einheiten aufstellung, nur auf einem kleinen Stück, da stand eine civile Abordnung der Stadt Sura.

  • Durch die Reihen seiner Legion schreitet Tiberius Vitamalacus hindurch, hinter him folgen die Stabsoffiziere und einige Milites aus seiner eigenen Garde. Helmbusch und Umhang wehen leicht in dem Wind, der sachte über das Arreal weht. Zwar ist die Mittagszeit schon vorbei, doch auch die Nachmittagssonne scheint unbarmherzig herunter, selbst wenn sie sich auch schon langsam dem Horizont zu neigt. Unter dem Helm des Legaten rinnt Schweis herunter, schon jetzt, da er sich bewegt, sammelt sich grosse Hitze unter dem Helm. Für die Soldaten, die nur Stramm stehen dürfen, muss es noch unerträglicher sein.


    Von allen vier Legionen treffen die Stabsoffiziere am Scheiterhaufen ein, es folgt ein kurzer, streng formaler Wechsel von Militärischen Grüssen, dann nehmen die Legaten und ihre Stabsoffiziere hinter der vorbereiteten Plattform aufstellung, die Legaten in der ersten Reihe, dahinter ihr Stab. Nun folgen die Kommandeure der anderen Einheiten, wieder folgt ein formaler Wechsel von militärischen Grüssen bevor auch diese Offiziere Aufstellung nehmen. Mag es auch zwischen ihnen manchmal diskrepanzen geben, hier und jetzt ist davon nichts zu spüren, hier sind alle in ihrer Trauer vereint.


    Nach dem die gewaltige, militärische Macht Roms in all ihrer Pracht und Perfektion Aufstellung genommen hat, trit eine Handvoll Honorationen von Stadt und Provinz hinzu und begrüssen die Legaten, welche den Gruss militärisch formell erwiedern. Mit wenigen Schritten betritt Tiberius Vitamalacus, gefolgt von den anderen Legaten und den Honorationen die Plattform, welche den Blick über das ganze Feld und ganz besonders über den Scheiterhaufen erlaubt.


    In dem Moment,da der erste Legat die Plattform betritt, erklingen die Cornicen aller versammelten Einheiten...

  • Licinus und mit ihm die erste centuria standen recht weit vorne, so dass sie eine gute Sicht auf den Scheiteraufen, wie auch auf das Podest hatten.
    Während vor ihren Augen die extrem langwierigen protokollarisch exakten Begrüßungen vonstatten gingen wandten sich Licinus Gedanken zu seinen Kameraden und er versuchte mit reiner Willenskraft die Offiziellen zu zwingen ein wenig schneller zu amchen, bevor die ersten milites in ihren Rüstungen und unter ihren Helmen der brennenden Sonne zum Opfer fielen.
    "Hoffentlich bleibt der Wind so ruhig" hoffte er "wenn der stärker wird und den Rauch in eine der Abteilungen bläßt geht sicher einer in die Knie, verdammt das wäre eine Katastrophe" denn schließlich war es wahrschenlich, dass die abergläubischen unter den Soldaten, und davon gab es viele, dies als schlechtes Omen auffassen würden.
    "Hoffentlich beeilen die sich"

  • Mit den Kohorten und Centurien der Prima strömten slebstverständlich auch die vier Turmae der Legionsreitere aus dem Lager. Alle hatten ihre Rüstung auf Hochglanz poliert und versammelten sich nun um die große Plattform, auf welche der Imperator nun wohl verbrannt werden sollte. Ein wenig Abseits hatten die Einheiten der Legionsreiterei Aufstellzng genommen. Gespannt verfolgte Tiberius Andronicus, der Duplicarius der Turma Prima das weitere Geschehen...

  • Avitus schritt zum Platz, auf dem der Scheiterhaufen mit dem Leichnahm lag. Sie hatten den Kaiser hierher getragen, tagelang, wochelnlang, ungeachtet der allgegenwärtigen Gefahr durch Überfälle der Parther. Einen größeren Beweis dafür, dass die Prima, dass sie alle, jeder einzelne von ihnen, Iulian und nun seinem Sohn und Nachfolger Valerian treu ergeben war, konnte es wohl kaum geben.


    Avitus stand vorne, neben den Reihen der ersten Centuria, unweit des Adlers, für den er beinahe sein Leben gegeben hatte, als die Zeremonie begann und die Legaten und die lokalen Honoratioren sich versammelten und begrüßten. War der Tod zu verhindern gewesen? Wohl kaum, wenn es der Wille der Götter war, Iulian endlich zu ihnen zu holen. War es zu verhindern gewesen, dass der Legatus Decimus, ein Offizier, mit dem Avitus einen weiten Weg gegangen war, verschwand? Wohl kaum. Sie hatten viel erreicht, hatten Roms Interessen gewahrt und gezeigt, dass man hier an den östlichen Grenzen nicht ungehindert und ungestraft tun und lassen konnte, was man wollte. Auch als parthischer König samt einem Heer nicht. Aber zu welch einem Preis...


    Und so wartete der Artorier, nachdenklich, so als ob er vor seinem geistigen Auge den ganzen Feldzug noch einmal Revue passieren ließ, bis es weiter ging und die sterblichen Überreste des Kaisers den Flammen preisgegeben wurden. Damit würde der Feldzug dann wohl auch offiziell beendet sein. Sie hatten viel erreicht. Viel bewiesen. Unter anderem, dass der Krieg manchmal keinen Unterschied macht zwischen Kaiser und gemeiner Soldat. Sie alle starben.

  • Als die Cornichen erklangen setzte sich mitten im Lager der Prima ein ganz besonderer Zug in Bewegung. Ausgesuchte Soldaten aus allen anwesenden Einheiten traten auf das stumme Zeichen eines Offiziers an die Barre des Imperators, die beim Eintreffen der Legionen in der Principia der Prima gestanden hatte. Ein letztes Mal hatten die Priester und Sklaven Hand an die Verzierungen gelegt, hatten die Kleidung des Imperators und Laken der Barre zu recht drapiert.


    Jede Bewegung der Soldaten war langsam und im scheinbar perfekten Gleichklang, sie hoben die Barre hoch und trugen sie mit gemessen Schritten aus dem Lager hinaus. Jeder Schritt erfolgte im Gleichklang, jede überflüssige Bewegung unterliessen sie, kein Wort kam von ihren Lippen, kein Befehl erklang, jeder wusste, welchen Schritt er wann zu tun hatte, welche Bewegung.


    Und dann stellten sie die Barre auf dem Scheiterhaufen ab, drehten sich zeitgleich um neunzig Grad, so das sie auf den Verstorbenen blickten, traten jeder fünf Schritte zurück. Die Cornichen verstummten, die Soldaten, welche die Barre getragen hatten, zogen ihre Gladi und hielten sie, klingen nach oben, vor ihre Brust.


    Noch einmal Erklangen kurz die Cornichen und die Feldzeichenträger aller Einheiten traten vor, an das Fussende der Barre.

  • Die letzten Klänge der Cornichen verstummten und mit einer langsamen Handbewegung forderte Tiberius Vitamalacus von allen Anwesenden Ruhe ein. Besonders nervös waren in diesem Augenblick einige Tempeldiener der Stadt, welche die fünf Opfertiere ruhig halten sollten. Nichts wäre unpassender, ein schlechteres Omen als das laute Blöcken eines dieser fünf Rinder. Vier von ihnen, zwei Küh, ein Ochse und ein Stier, waren von makellosem Weiss, das fünfte Rind hingegen war ein prächtiger schwarzer Ochse. Die Tiere waren von so makelloser Farbe, das man vermuten könnte, das irgendjemand dort mit Farbe nachgeholfen hätte.


    Es herrschte Ruhe und die Stimme des Tiberius Vitamalacus und das leise Knistern der Feuer in den Opferschalen, welche auf der Plattform aufgestellt waren, waren alles, was nun zu hören war.


    "Heute übergeben wir die leiblichen Überrestes unseres Imperator Caesar Augustus Lucius Ulpius Iulianus Divi Traiani Filius, Pontifex Maximus, Tribuniciae Potestatis, Censor, Imperator, Pater Patriae den Flammen, so wie es seit anher Sitte und Brauch ist."


    Die Stimme hallte über die Köpfe der Soldaten hinweg, jedes Wort schien mit bedacht gewählt.


    "Wir rufen die Götter an, auf das sie diesen grossen Mann mit grossem Wohlwollen empfangen."


    "Wir rufen das Capitolinsche Trias an, welches seit jeher über Rom wacht !"


    "Wir rufen Mars an, der uns in letzten Schlachten zur Seite stand."


    "Wir rufen Pluto an, auf das über den Weg unseres Imperator ins Elysium wacht !"


    Dann verstummte er, verharrte im Schweigen. Dies war das Zeichen, das nun das Opfer beginnen würde. Im Hintergrund erklang zuerst leise, dann lauter werdend, gedämpfte, würdevolle Musik. Ein Tempeldiener näherte sich Tiberius Vitamalacus mit einer Waschschale, andere hielten sich bereit die Opfergaben zu bringen und die Opfertiere wurden langsam zur Plattform heran geführt.

  • Feierlich ging es zu und seltsamerweise fand Priscus dieses Gefühl vergleichbar mit dem, wenn es zu einer bevorstehenden Schlacht ging. Die Anspannung war spürbar, die Soldaten ruhiger als sonst, man hatte im Lager aufgeräumt, es wurde ordentlich angetreten, die Centurionen sprachen lauter als sonst und der Legat hielt eine Rede. Nur nur ging es diesmal nicht gegen einen Gegner und es bestand keine Aussicht, siegreich das Feld verlassen zu können. Am Ende würden sie den verstorbenen Imperator übergeben haben und dann endgültig eine Legion sein, die mit Feldherr in die Schlacht zog und ohne ihn zurück kam.


    Erinnerungen an die letzten Tage, Woche und Monate zigen nicht durch Priscus' Kopf. Vielleicht würden sie auf dem Schiff kommen, wenn man wartete und nichts anderes zu tun hatte, als sich zu unterhalten. Jetzt schwankte er noch jeden Tag zwischen routiniertem Dienst und besonderen Anlässen und wenn er mal einen Moment frei hatte um in den Himmel zu schauen und durchzuatmen, dann dachte er an irgendetwas, aber nicht an den Krieg, den sie hinter sich gelassen hatten und auch nicht an das, was nun auf sie zukommen könnte.

  • Der Legatuis der Prima nahm seinen Helm und Umhang ab, reichte ihm einen Tempeldiener, dann wusch er seine Hände in der Schale, welche ein weiterer Tempeldiener ihm gereicht hatte, benetzte auch sein Gesicht, um so die rituelle Reinheit sicherzustellen. Als Zeichen das er nun der Opferherr war, legte ihm der erste Tempeldiener einen weissen Mantel um, dessen Kapuze tief in sein Gesicht ragte.


    Dann wandte er sich dem nächsten Tempeldiener zu, der ihm ein eine geöffnete Schachtel darbot, in der sich Weihrauch befand. Der Legatus nahm diesen, drehte sich zu der Opferschale neben sich.


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, rufe ich nun dich an, Iupitter, oberster Gott, Sohn des Saturns und der Ops."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, rufe ich nun dich an, Iuno, Frau des Iupitters, Tochter des Saturns und der Ops."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, rufe ich nun dich an, Minerva, Beschützerin Roms."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, rufe ich nun dich an, Mars, Gott des Krieges, Vater von Romulus und Remus."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, rufe ich nun dich an, Pluto, Herrscher der Unterwelt, Herrscher von Elysium und Tartaros."


    Langsam und Würdevoll liess er den Weihrauch in die Opferschale fallen, dann drehte er sich wieder rechts um, nahm die nächsten Opfergaben, Wein und Kekse, entgegen, drehte sich zürück. Diesen ganzen Vorgang wiederholte er fünfmal, sprach für jeden Gott eine kurze Bitte.


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, bitten wir dich, Iupitter, oberster Gott, Sohn des Saturns und der Ops, diese unsere Gaben anzunehmen."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, bitten wir dich, Iuno, Frau des Iupitters, Tochter des Saturns und der Ops, diese unsere Gaben anzunehmen."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, bitten wir dich, Minerva, Beschützerin Roms, diese unsere Gaben anzunehmen."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, bitten wir dich, Mars, Gott des Krieges, Vater von Romulus und Remus, diese unsere Gaben anzunehmen."


    "Für das Wohl Roms, für unseren verstorbenen Imperator, bitten wir dich, Pluto, Herrscher der Unterwelt, Herrscher von Elysium und Tartaros, diese unsere Gaben anzunehmen."


    Jedesmal legte legte er die Opfergaben ab, in der Opferschale schwellte der Weihrausch langsam vor sich hin, im Hintergrund wurde das Flötenspiel langsam lauter und dann wurden die Opfertiere heran geführt.


    Die Köpfe der weissen und schwarzen Tiere war prachtvoll mit roten Wollbinden geschmückt, über ihren Rücken lagen weisse, bzw. schwarze Wolldecke. Während sich der Legat den Tieren zuwandte, befestigeten die Tempeldiener die Ketten an den Beinen der Tiere an in der Plattform eingelassenen Befestigungen.


    Langsam umrundet der hochgewachsene Tiberier die Tiere, musterte jedes gründlich. Natürlich gab es nichts zu bemängeln, schliesslich waren die Tiere sorgfältig ausgesucht worden. So musste er nur einmal nicken und erneut reichte man ihm die Schale in der er sich die Hände wusch und reichte ihm auch das malluium latum, mit dem er sich die Hände trocknete. Tempeldiener gingen die Reihen der Soldaten ab, beschrenkelten diese mit Wasser.


    Jetzt machten sich die Tempeldiener daran, den Schmuck der Tiere zu entfernen und nach und nach reichte jeder Victimarius dem Opferherren sein Opfermesser und erneut umrundete dieser das Tier, welches der jeweilige Victimarius zu opfern hatte, strich dabei mit dem Messer über den Kopf des Tieres. Dann reichte er das Messer zurück.


    Nun folgte fünfmal der traditionelle Wortwechsel zwischen Opferherr und Victimarius.


    "Agone ?"


    "Age !"


    Die Messer durchschnitt die Kehle der Tiere, Iupiters weissen Ochsen, Iunos weisse Kuh, Minervas weisse Kuh, Mars weisser stier und Pluto schwarzer Ochse. Es waren ein sauberer, glatter Schnitte und das Blut floss reichlich. Tempeldiener machten sich daran in Schalen dieses aufzufangen.


    Die tödlich verletzten Tiere gingen langsam zu Boden, kein Laut drang aus ihren Kehlen und bald darauf waren die Tiere tot, die Plattform um die Tiere herum war Blut getränkt. Dann öffnete die Schlächter jeweils ihr Tier und entfernte die Innereien, welche er in die Patera legte. Dann machte er sich daran, das restliche Tier zu zerlegen.


    Ein Tempeldiener hielt derweil die Spendenschale Tiberius Vitamalacus hin, der die ihm dargebotenen Innereien eindringlich musterte. Die anderen Legaten traten hinzu, blickten ebenfalls in die Schale.


    Schweigen herrschte, nur das Flötenspiel der Tempeldiener erklang, während alles auf die erlösendenden Worte wartete.

  • Schweigend, so wie die Herolde geboten haben, verfolgte Avitus die Opferung. Nach dem langen Marsch von Dura bis hierhin wurden die sterblichen Überreste des Kaisers den Flammen preisgegeben. Die Armee hatte ihren Feldherrn verloren. Blieb zu hoffen, dass die Götter die Opfergaben annahmen. Irgendwelche Mänger ausgerechnet jetzt zu finden und zu verkünden, dass die Götter sich weigerten, die Tier anzunehmen, würde der Armee wohl den Rest geben.

  • Pluto erschien wie Dunst, der aus der Erde aufsteigt und das grüne Gras braun und welk werden lässt. Ein eisig kalter Windhauch trieb ihn an den Ort, wo sein Name gerufen worden war.
    Er sah, dass nicht nur ihm zu Ehren geopfert wurde und wie immer neidete er allen Anderen jeden einzelnen Tropfen Blut.

  • Mars war von den überirdischen Göttern als erster am Schauplatz des Geschehens und ganz aufgeregt. Das war mal ein wirklich großes Opfer und das hier, mitten im Niemandsland. Oder zumindest fast im Niemandsland. Oder zumindest nicht in Rom. Suchend blickte er sich nach seinem Opfertier um. Missmutig verzog er den Mund, als er entdeckte, dass sein Stier gar nicht schön rot war. Selbst Pluto hatte einen in seiner Farbe bekommen. Da wurde natürlich wieder am falschen Ende gespart. Alle wollten sie Blut vergiessen, aber am Ende reichte es nicht mal für rote Farbe.

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