• Aus dem Lager der Legio I kommend, zog Priscus mit seiner Centurie nicht wie üblich zum Exerzierplatz, sondern ließ die Männer neben der Straße im Gras vom Lager weg marschieren.


    "So, dann machen wir mal ein wenig Tempo.


    Leichter Laufschritt!"

  • Geländelauf! Innerlich strahlte Cunctator. Wie oft hatte ihm doch sein Onkel zuhause erlaubt, an den Geländeläufen seiner legionarii teilzunehmen. Noch immer klangen seine Worte in den Ohren: Wer gut reiten will, muß noch besser laufen können!


    Cunctator gab seinem Vordermann zwei Längen vor und nahm dann den Laufschritt auf. Sein Atmen paßte er dem Tempo an gemäß der Devise: Durchhalten ist wichtig!

  • Priscus blieb zunächst eine Zeit lang an der Spitze der Gruppe, um das Tempo vorzugeben, dann überließ er dem erfahrenen und durchtrainierten Signifer der Centurie die Spitze und ließ sich langsam entlang der Kolonne zurückfallen, um die Soldaten im Blick zu behalten. Wenn nämlich jemand seinen Helm oder seine Caligae nicht richtig geschnürt hatte, dann machte sich das meist schon nach den ersten Schritten bemerkbar. Das Tempo war gerade so hoch, dass der Optio noch hier und da ein paar Worte mit den Soldaten wechseln konnte, auch wenn das Klimpern und Klappern der Ausrüstung ein wenig störte. So schnell zu laufen, dass die Männer außer Atem kommen würden, war auch gar nicht das Ziel der Übung.


    Priscus wollte gerade zur Auflockerung ein Soldatenlied anstimmen, da begann es leicht zu regnen. "Na Jungs, was hab' ich euch gesagt? Jetzt wird's so richtig gemütlich hier draußen."


    Später würden sie zwar noch in den Wald abbiegen und dort wohl vor dem Regen etwas geschützt sein, aber bis dahin schien es richtig schönes Schweinewetter werden zu wollen.

  • Gemächlich trabte Cunctator dahin. Die galea saß einwandfrei und seine privaten ausgetretenen caligae, die er für den Geländelauf angezogen hatte, garantierten ihm blasenfreie Füße.


    Das vom optio vorgegebene Tempo verlockte gerade dazu, auch seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Cunctators Gedanken waren bei seinem Pferd, das er in einer caupona in Mantua untergestellt hatte und nach dem er nach Dienstschluß sehen wollte. Zudem war dieser Tage das Entgelt für die Unterstellung fällig.


    Das Laufen machte Cunctator nichts aus. Seine Gedanken konzentrierten sich auf den Feierabend. Vielleicht sollte er noch einmal mit dem tribunus wegen einer Unterstellung seines Pferdes in den Stallungen der legio reden.


    Cunctator war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er die ersten Regentropfen nicht wahrnahm. Als es aber mehr zu regnen begann, kamen ihm schlagartig ganz andere Gedanken in den Sinn: Aus der Traum vom Feierabend! Aus der Traum vom Besuch bei seinem Pferd! Nach Dienstschluß war Reinigung und Pflege der Ausrüstung angesagt!


    Mit einem Mal fiel ihm das Laufen schwer ...

  • Priscus konnte nicht behaupten, dass ihm der Geländelauf bei Regen besonders viel Spass machen würde, aber das war auch nicht so wichtig. Kondition, Disziplin und Widerstandsfähigkeit der Männer galt es zu trainieren und da würde er sich von einem kleinen Regenschauer nicht aufhalten lassen. Um wieder zur Spitze der Kolonne aufzuschließen, beschleunigte der Optio sein Tempo und stimmte dann mit dem Signifer einen motivierenden Wechselgesang an.


    "Mit dem Pilum in der Hand
    kämpfen wir für unser Land!"


    "Denn war wagt zu kämpfen schon,
    gegen unsere Legion?"


    "Legio Prima vorneweg
    drückt die Feinde in den Dreck!"

  • Es war, als ob der optio Gedanken lesen konnte.


    Ein Soldat, ein Lied ... das war echte Motivation!


    "Bin ich des Lebens nicht mehr froh,
    schau` ich zu meinem optio".


    Und mit einem Mal machte Cunctator das Laufen selbst bei Regen wieder Spaß.


    "Der optio, der führt uns an,
    und wir folgen: Mann für Mann!"

  • Zufrieden stellte Priscus fest, dass er und der Signifer nicht die einzigen Sänger der Truppe blieben, sondern die anderen Soldaten mit einstimmten. Eigentlich kannte in jeder Situation immer irgendein Soldat ein passendes Lied, egal ob jetzt beim Geländelauf oder abends in der Stube oder vor einer Parade, aber nicht immer wurde dann auch wirklich gesungen.


    Priscus ließ die Männer an einer Ackergrenze abbiegen und querfeldein Richtung Wald laufen. Der Regen war nicht stärker geworden, aber immernoch durchgängig. Durch die zahlreichen Flüsse und Bäche, die bei Mantua und in der Umgebenung zusammen kamen, war der Boden ohnehin immer etwas feucht und jetzt wurde er nur noch feuchter. Aber im Wald sollte es bald wieder besser gehen, dafür kam dort auf den Trampelpfaden häufiger mal kleines Unterholz in den Weg.


    "Über Stock und über Stein,
    Legionäre woll'n wir sein!"

  • Mit einem Mal war der Funke des Gesangs auch auf Cunctators Kameraden übergesprungen. Daran änderten selbst Regen und
    nicht gerade für einen Geländelauf wünschenswerte Wegverhältnisse etwas.


    "Ob`s stürmt oder regnet,
    ob die Sonne uns lacht.


    Der Tag glühend heiß
    oder eiskalt die Nacht.


    Bestaubt sind die Gesichter,
    doch froh ist unser Sinn.


    Wir sind Legionäre der Prima,
    wir sind und bleiben die wir sind!"


    Jawohl, singen konnten wir ... und wie!

  • Die schwierigeren Bodenverhältnisse im Wald verringerten das Lauftempo ein wenig und die ehemals ordentliche Doppelreihe geriet ein wenig in Unordnung. Priscus kannte das schon von früheren Läufen und er kannte auch den Wald, durch die er die Soldaten führte. Zielsicher steuerte er eine Lichtung an, auf der die Gruppe einmal halb im Kreis laufen konnte, um sich ein wenig zu ordnen. Anhalten ließ er sie dabei aber nicht, da er es solber bei solchen Übungen auch nicht mochte, aus dem Laufrhytmus gebracht zu werden. Er löste sich aber von der Reihe und begab sich in die Mitte der Lichtung.


    "Jungs, ihr habt eine gute Kondition. Das sieht sehr fit aus bei euch! Niemand wird behaupten können, die Legio I hätte im Winter Speck angesetzt oder vor lauter Bauarbeiten das Laufen verlernt!"


    So ganz stimmte das zwar nicht, denn inzwischen zeichneten sich doch auf so manchem Gesicht deutliche Spuren der Anstrengung ab. Aber die Soldaten schienen immerhin motiviert und froh, überhaupt mal wieder eine solche Übung zu machen. Nach seiner kurzen Ansprache, bei der auch Priscus zumindest auf der Stelle weiter gelaufen war, wies er dem Signifer einen anderen Weg zu, auf dem es weiter gehen sollte und ließ die Männer an sich vorbei laufen, um einen weiteren Blick auf ihre Gesichter und die inzwischen merklich mit Dreck bespritzten Beine und Rüstungen zu werfen.

  • Mag sein, daß der Regen und die hinzukommende perspiratio sensibilis (... rinnen muß der Schweiß ...) den Männern ein wenig zu schaffen machten, an Schwäche zeigen oder etwa Aufgeben dachte keiner.


    Und daß der Feierabend mit Reinigung und Pflege der Ausrüstung ausgefüllt war, damit hatte sich Cunctator längst abgefunden. Wen kümmerte es da, ob die Rüstung leicht, mittel oder stark verschmutzt war!


    Aber die kleine laudatio optionis spornte die Legionäre an und so liefen sie weiter, an ihrem optio vorbei, gerade so, als wollten sie an ihm vorbeidefilieren.

  • Nachdem alle Männer mit hoch erhobenen Köpfen an ihm vorbei gelaufen waren, schloß sich Priscus der Truppe wieder an und lief als Schlußlicht hinterher. Auch der letzte Mann mit den kürzesten Beinen machte noch nicht den Eindruck, am Ende seiner Kräfte zu sein. Wenn das bis zum Lager so blieb, konnte Priscus dem Centurio wirklich einen guten Stand der Männer melden.


    Die Strecke wurde nun abschnittsweise etwas rauher, denn ein Sturm musste ein paar Bäume umgerissen haben, die nun quer über den Weg lagen. Bei Ästen warnten sich die Männer von vorne nach hinten, indem sie sich "Baumstamm" zuriefen und mit einem Satz über das Hindernis hinweg setzten. Bei größeren Stämmen musste die Männer auch schon mal eine Fuß auf den Stamm setzen, um erst auf ihn hinauf zu kommen und dann an der anderen Seite wieder hinunter zu springen.

  • ... und sie liefen und liefen ...


    ... und es gab keinen mehr, der noch unterscheiden konnte, ob das Nasse, das an seinem Körper herunterlief, Regen, Schweiß oder beides zusammen war.


    Aber eines wußten sie genau und sie wollten es ihrem optio beweisen: schlapp machen wollte keiner, durchhalten wollten alle!


    Sie, die legionarii centuriae Prisci!

  • Bald erreichte die Gruppe wieder den Waldrand und setzte den Lauf querfeldein fort, bis sie wieder einen Weg erreichten. Noch keine befestigte Straße, aber immerhin ein Trampelpfad, der von Bauern genutzt wurde, um mit ihren Arbeitsgeräten zu ihren Feldern zu kommen. Zwei Feldarbeiter, die sich wie die Soldaten nicht vom Regen abschrecken ließen, waren hier auch unterwegs und traten zur Seite, als sie die Soldaten ankommen sahen. Priscus hatte sich wieder entlang der Gruppe langsam nach vorne gearbeitet und lief nun wieder neben dem Signifer, der das Vexillum immernoch gut sicherbar nach oben hielt. In einiger Entfernung konnte man schon wieder das Lager der Legion erkennen.

  • Endlich! Wie eine Fata Morgana tauchte in der Ferne das castellum der Leg I auf.


    Cunctator spürte seine Beine nicht mehr. Diesen Zustand kannte er. Wenn er sich einmal eingelaufen hatte, trugen sie ihn automatisch voran. Und jetzt erst recht, denn nun kam die Vorfreude auf den Feierabend, wie auch immer der aussehen mochte.


    Cunctator straffte seinen Körper. Wenn es an den Wachposten am Tor vorbeiging, dann sollten sie es sehen:


    Hier kamen sie, die legionarii centuriae Prisci!

  • "Jungs, ich rieche schon den heimatlichen Stallgeruch!" rief Priscus noch einmal als Ansporn für die letzten Schritte, auch wenn er sich sicher war, dass die Soldaten das nicht mehr nötig hatten. Sie waren verschwitzt und verdreckt und niemand würde behaupten können, nicht erschöpft zu sein. Aber zumindest Priscus war auch glücklich, so ein Lauf an der frischen Luft machte gelegentlich einfach Spass.


    Sie erreichten das lager nun von einer etwas anderen Richtung als der, aus der sie losgelaufen waren, und kehrten daher nach einem kurzen Lauf über eine befestigte Straße durch eines der Seitentore zurück ins Lager. Priscus grüßte die Torwache und steuerte mit seinen Männern dann immernoch im leichten Laufschritt die Mannschaftsquartiere an.


    -> Mannschaftsquartiere II

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