Saturnalia Flaviae

  • Es war der erste Abend der Saturnalia, der große Raum war ansehnlich dekoriert, mit den Zweigen immergrüner Bäume, an denen Süßigkeiten befestigt waren, und mit honigfarbenen Kerzen, deren Flammen alles in ein sanftes Licht tauchten. Durch die ganze Villa zog bereits der Duft von köstlichem Essen, mehr, als die ganze Familie an einem Abend essen würde können, und durch die bezahlten Freien fiel es beinahe nicht auf, dass Sklaven heute nicht Sklaven waren und keinen Dienst verrichten mussten.


    Sciurus fiel dies nur allzusehr auf. Er hatte gehofft, sein Herr würde ihn wie an den letzten Saturnalia über die Feiertage aus seinem Dienst entlassen, so dass er sich nicht der unwürdigen Behandlung als Gleichgestellter neben ihm zu sein unterziehen musste. Doch Gracchus war ihm mit der Ausrichtung des Familienfestes zuvor gekommen. Immerhin hatte er Sciurus die Organisation übertragen, so war er nicht nur unangemessener Gast an der Tafel, sondern hatte gleichsam eine Aufgabe. Er musterte noch einmal die anwesenden Diener, einfache Bürger und Freigelassene, welche an den Saturnalia durch ihre Dienstleistungen mehr Sesterzen einnahmen, als sonst in einem ganzen Monat. Durch die Tatsache, dass alle Häuser an diesen Tagen auf die Dienste dieser Menschen angewiesen waren, da jede Familie, welche ihre Sklaven dennoch arbeiten ließ, als ehrlos verschrieen wurde, konnten sie äußerst unverschämte Preise verlangen. Doch immerhin sahen jene, welche Sciurus angeheuert hatte, passabel aus, verhielten sich angemessen, sprachen beinahe dialektfrei und wussten, was sie erwartete, wenn sie ihre Arbeit nicht zur Zufriedenheit der Flavia erledigen würden.


    Für die Opferung war ebenfalls alles vorbereitet, der kleine Altar stand bereit und das Ferkel wartete in der Küche auf sein ehrenvolles Ende. Das Fest konnte beginnen.

  • Nachdem er sich am Vormittag bei dem offiziellen Opfer für eine rotfarbene Tunika entschieden hatte, trug Gracchus nun zum familiären Fest eine etwas hellere, in orangerotem Ton, mit goldenen Borten - im eigenen Hause brauchte man schließlich nicht darauf zu achten, als Gleicher unter Gleichen nicht aufzufallen. Dem Tage angemessen trug er nun auch einen Pilleus, diese Sitte der Saturnalia hatte Gracchus schon immer in besonderer Weise amüsiert und die Freiheitskappe zu tragen brachte geradezu eine kindliche Freude in ihm auf. Als er den Raum betrat war er von der Anzahl der bereitstehenden Klinen ein wenig überrascht, doch ein eiliges Überschlagen der Einwohner der Villa Flavia rechtfertigte ihre Zahl tatsächlich. Es würde in der Tat eine äußerst familiäre Zusammenkunft werden, eine, wie sie Gracchus seit seiner Kindheit nicht mehr erlebt hatte. In Achaia hatte er die Saturnalia meist nur mit Aquilius und einigen Freunden bei traditionellem Würfelspiel und mit großen Mengen Wein verbracht, und auch in diesem Haus waren sie bisher nicht sonderlich groß ausgefallen. Wie nicht anders zu erwarten, war er einer der ersten, nur Sciurus stand bereits im Raum und überprüfte die Opferutensilien am Altar. Gracchus trat auf ihn zu.
    "Bona Saturnalia, Sciurus!"
    Ein hintergründiges Lächeln kräuselte Gracchus' Lippen, wusste er doch sehr genau um das Missvergnügen, welches der Sklave dieser Tage, von seinen Pflichten entbunden, empfand. Doch dies führte nur dazu, dass er Gracchus um so wertvoller wurde, und ein wenig erfreute es diesen, den Sklaven damit necken zu können.

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  • Nervosität war das beherrschende Gefühl, was Marcus den ganzen Tag bewegte. Nervös? Warum war Marcus nur nervös? Es lag an dem bevorstehenden Abend. Schließlich traf sich die ganze Familie an den Saturnalien. Das wäre natürlich nicht ein Grund, warum Marcus aufgeregt wäre wie ein kleiner Junge, der alles zum ersten Mal erlebte. Nein, einige der Sitten in den flavischen Saturnaliarunden überforderten Marcus jedes Jahr von neuem. Diese kleinen disputationes machten ihm immer besonders große Schwierigkeiten. Noch als er sein Gewand anzog, es war eine dunkelblaue tunica mit silbergoldenen Borte, wozu er einen breiten und schweren Silbergürtel trug, spähte er immer wieder auf das papyrus, was ihm Hannibal heute beim kleinen Mittagsmahl geschrieben hatte. Eine Auswahl berühmter Philosophen und großer Weisheiten zu jedem Thema waren dort aufgelistet. Außerdem noch die ein oder andere Anekdote eben solcher Philosophen. Trotzdem war Marcus mulmig zu mute. Er haßte es, haßte es zutiefst, wenn ihn die Anderen für einfältig oder gar dumm hielten. Zwar verwechselte Marcus viel, hatte seine Schwierigkeiten beim Schreiben, verachtete das Lesen und beschäftigte sich lieber mit den praktischen Dingen des Lebens, aber er war nicht dumm!!


    Seufzend machte er sich auf und ging in Richtung des Speiseraumes und dort, wo die Saturnalien gefeiert wurden. Als er die Dekoration erblickte, mußte er doch lächeln und er entspannte sich ein wenig. Saturnalien, ein Tag der Familie! Es freute ihn jedes Jahr wieder. Und dann ganz besonders, wenn er danach verschwinden konnte und richtig feiern durfte. Nur zu schade, daß seine Mutter nicht hier war. Marcus sah auf die Klinen und auf die Kerzen. Es war schön, aber wenn seine Mutter das Fest ausrichtete, war es natürlich noch viel schöner. Heimweh und die Sehnsucht nach seiner klugen und wundervollen Mutter packte Marcus, voll mit liebevoller Zärtlichkeit dachte er an Agrippina. Doch da sah er schon Gracchus, den er ja länger sprechen wollte- ungestört oder einigermaßen ungestört waren sie ja noch.


    „Io Saturnalia, Vetter!“


    Marcus trat auf ihn zu und versteckte schnell seinen Spickzettel unter dem schweren, silbernen Gürtel, der aus vielen Einzelgliedern bestand und ihm recht gut stand.


    „Manius, hast Du vielleicht einen kurzen Moment für mich?“


    Marcus nickte dem Sklaven kurz zu, richtig einordnen konnte er ihn nicht, aber dann war seine Aufmerksamkeit wieder ganz bei seinem Vetter.

  • Ein ehrlich erfreutes Lächeln legte sich auf Gracchus' Lippen. Mochte Aristides auch wenig geeignet sein, tiefgründige Tischgespräche mit seinen Beiträgen zu komplettieren, doch er gehörte zur Familie wie jeder andere auch, und Gracchus erinnerte sich durchaus mit heimlicher Freude an den ein oder anderen Abend, welchen sein Vetter mit Aquilius und ihm in Achaia verbracht hatte. Es war jedes mal gewesen, als würde er in eine andere Welt eintauchen, welche ihm ansonsten völlig verborgen blieb.
    "Bona Saturnalia, Vetter! Aber natürlich habe ich etwas Zeit, es wird ohnehin noch dauern, bis der Rest der Familie versammelt ist."
    Er legte Aristides freundschaftlich die Hand auf die Schulter und führte ihn ein wenig von den bezahlten Bediensteten fort zur anderen Seite des Raumes hin.
    "Es freut mich außerordentlich, dass du die Feiertage in Rom verbringen kannst, vor allem wegen Serenus. Ist er es, worüber du sprechen möchtest? Er macht sich außerordentlich gut, du brauchst dir keinerlei Sorge um ihn zu machen. Auch wenn er in mancherlei Hinsicht noch ein wenig, nun, sagen wir kindlich ist, so ist er doch alles in allem recht schicklich und wissbegierig. Ich bin sicher, er hat eine glänzende Zukunft vor sich."

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  • Ein seliges Lächeln erschien auf Leontias Gesicht, als sie in den geschmückten Raum hineintrat, und in honigfarbenes Licht tauchte. Ein Blick in die Runde sagte ihr, daß sie wohl früh dran war, aber das war kein Wunder, denn solche familiär-festlichen Anlässe konnte sie immer kaum erwarten. Und vor allem brannte sie darauf, die Geschenke zu verteilen, bei deren Beschaffung sie große Aktivität entwickelt hatte. Teils schon lange vorbereitet, teils erst in letzter Sekunde ergattert, lagen sie nun alle, hübsch in bunte Stoffe eingeschlagen, in dem Weidenkorb, den sie in der Hand trug.


    Bei ihrer Kleidung hatte sie heute Kompromisse gemacht, denn ihre bevorzugten Blautöne hätten mit der Dekoration des Raumes - auf den sie vorher vorsorglich einen heimlichen Blick geworfen hatte - nicht harmoniert. So trug sie heute ausnahmsweise einmal rot, wenn auch in einem gedeckten Ton, an einer langen rohseidenen Tunika, die sie an den Rändern selbst mit einer goldschimmernden Akanthus-Stickerei eingefasst hatte. Ebenso bestickte Bänder fielen kreuzweise geschlungen locker um ihre Taille herum.


    An ihrer Flechtfrisur hatte sie vorsichtshalber nichts verändert, denn sie traute der freien Dienerin, die Salambo über die Feiertage vertat, nicht zu, etwas apartes zustandezubringen. Beim Schuck hatte sie lange gezögert, doch dann alle Perlen verbannt, und sich statt dessen für eine schlichte Kette mit geschliffenen Tigeraugen entschieden, deren ovale Steine im Kerzenschein goldbraun glommen.


    Da Leontia sah, daß ihre beiden Vettern auf der anderen Seite des Raumes gerade die Köpfe zusammensteckten, trat sie erst einmal auf Sciurus zu und wünschte fröhlich: „Io Saturnalia!“. Schnell griff sie dann in ihren Korb - sie konnte sich einfach nicht mehr beherrschen - und zog eines der Allzweck-Geschenke hervor, von denen sie für die Sklaven einige eingepackt hatte. Lächelnd hielt sie ihn einen kleinen Beutel hin, aus blauem Leinen mit einer roten Schleife zugebunden. Darin befand sich eine schön gearbeitete kleine Öllampe aus blankpoliertem Messing, in Form eines Phönix, der gerade die Schwingen ausbreitete, und den Schnabel aufsperrte. Wenn man die Lampe entzündete, würde er eine Flamme atmen.

  • Selbst am Morgen der Saturnalien war Furianus nicht gerade glücklich aus dem Bett gestiegen, denn die Kopfschmerzen plagten ihn seit geraumer Zeit und raubten ihm jeden Gedanken, die doch Formeln zur Berechnung der Warenmenge errechnen sollten. So ließ er sich auch missmutig waschen und einölen, denn er hoffte auf eine lindernde Wirkung, die auch glücklicherweise eintraf und ein wenig des Schmerzes nachließ.
    In keinster Weise war er gut gelaunt, vielmehr war ihm der Tag recht gleichgültig.
    So trat auch er in einer dunkelroten Tunika in den Raum und grüßte.


    "Io Saturnalia."


    Und wieder musste er feststellen, dass hier eine Frau stand, die er nicht kannte. Entweder sein Nomenclator hatte vergessen ihm von der Ankunft einer Frau zu erzählen oder er hatte es schlicht vergessen. Aufs erstere hoffend trat er zu ihr.


    "Salve junge Dame, ich bin Lucius Flavius Furianus. Sohn des Senators Flavius Felix."


    Da er sogleich Gracchus und Aristides erblickte, stellte er die Vermutung auf, dass dies holde Wesen Aristides mitgebracht hatte. Gracchus konnte es nicht sein, denn er war vermählt, doch Aristides sah man nie in Rom, sie musste zu ihm gehören.

  • Den Gruß seines Herrn hatte Sciurus trocken erwidert und er war froh gewesen, dass dessen Vetter so bald aufgetaucht war und ihn vorerst vor weiteren Nettigkeiten bewahrt hatte. Doch das Schicksal hatte kein Erbarmen, würde es bis zum Ende des Tages, oder eher der Nacht, auch kaum haben. Noch ehe er sich versah, stand die Herrin vor ihm, welche erst wenige Tage zuvor Rom erreicht hatte. 'Meine teuereste Leontia, seit Wochen wartete ich begierig auf deine Zeilen und nun, da meine Finger über das zarte Pergament streichen ...' Sciurus wusste nicht, wie viele verworfene Worte er für seinen Herrn notiert hatte, doch es waren unzälhige gewesen. Manches mal hatte er geglaubt, dass sein Herr weit mehr mit dieser Frau verband, als er zugeben wollte, und manches mal hatte er das Gefühl gehabt, dass er sich selbst nicht so sicher war, wieviel ihn mit ihr verband, doch spätestens zum Abend hin hatte Sciurus diese Gedanken wieder verworfen.


    "Io Saturnalia." Er unterdrückte den Impuls, ein 'Herrin' anzufügen und blickte ein wenig ratlos auf das Geschenk. Zögernd nahm er es an. Er hasste diese Tage. Zudem waren dies die ersten Saturnalien, welche Sciurus auf solcherlei Weise feierte. Zu Beginn seines Lebens war er zu unwichtig gewesen, um mit den Herren zu speisen, und seit den letzten beiden Herren hatte er für die Feiertage immer um Entlassung in die Stadt gebeten. Jene war ihm gewährt worden, bisher auch von Gracchus. "Danke." Er wagte nicht, sie anzusehen und blickte noch immer grübelnd auf den Beutel, als der Herr Furianus den Raum betrat. Erleichtert über diese Ablenkung versuchte Sciurus mit dem Raum zu verschmelzen, wie es auch sonst seine Art war, in der Hoffnung nicht weiter aufzufallen. Als Sklave war er frei jeglicher Bedenken, wie auch frei jeglicher Verantwortung, doch die vermeintliche Freiheit in Anwesenheit der Herren überforderte ihn.

  • Aus einem unerfindlichen Grund entspannte sich Marcus schon beim ersten Wort, daß Gracchus sprach. Marcus hatte das Gefühl, daß Gracchus schon alles Schlimme der letzten Wochen lösen und von der Welt schaffen konnte. Es mußte einfach so sein! Schließlich war Gracchus, nach Marcus Mutter natürlich, der brillanteste Geist in der Familie, zumindest hielt Marcus ihn dafür. So folgte Marcus Gracchus zur anderen Seite des Raumes und lauschte dessen Worte. Sein Sohn Serenus? Ein wenig von seinen Sorgen wurden durch die Worte fortgetrieben, nicht, daß sich Marcus groß Sorgen um seinen Erben und Sproß machen würde, aber natürlich kümmerte ihn Serenus Wohlergehen sehr. Auch war Marcus immer noch sehr stolz auf seinen kleinen Jungen.


    „Sorgen? Wegen Lucius? Nein, er ist ein zäher Brocken, der Kleine. Außerdem hat er den Genius seiner Großmutter, somit sollten sich wohl die Mächtigen und Reichen bald Sorgen um ihre Positionen machen!“


    Marcus schmunzelte bei den Worten, natürlich war es ein Scherz, aber halb ernst gemeint. Denn wenn Serenus nur einen Funken von seiner Großmutter in sich trug, dann würde ihm eine glänzende Zukunft bevorstehen. Und viel glänzender als seine Mutter bei ihm- Marcus- je zu hoffen wagte. Andeutungsweise schüttelte Marcus seinen Kopf.


    „Nein, es ist nicht wegen Lucius! Es geht um Arrecina. Dieser elende Germane, der Sklave, hat meine Tochter mit einem üblen Fluch belegt. Seitdem sie in seiner Gewalt war, erinnert sie sich an nichts mehr...an nichts, Gracchus! Weder, daß ich ihr Vater bin, wer sie ist, noch wo sie herkommt und was sie je vorher erlebt hat. Es ist alles wie herausgeschnitten. Der Medicus konnte sich keinen Reim darauf machen und ihr Zustand hat sich schon seit Wochen nicht gebessert. Gracchus, Du als Priester mußt doch Bescheid wissen. Was kann man gegen diesen Fluch nur tun? Ich bin inzwischen völlig verzweifelt und...“


    In dem Moment kamen die Anderen in den Raum hinein. Bedrückt sah Marcus zu ihnen rüber, nickte Leontia lächelnd zu, grüßte ebenso Furianus freundlich. Und als er Leontia das erste Geschenk austeilen sah, fiel es ihm siedendheiß ein. Etwas hatte er natürlich vergessen bei all der Aufregung- die Geschenke!!! Bei Saturn und allen gnädigen Göttern, was nun?

  • Eher aus Pflicht, den der Kür wegen erreichte ich die Räume wo die Saturnalien ihre Feier fanden. Schon einige Bewohner, aber auch Sklaven waren anwesend. Trotz das Letztere hier sicher nicht ihren Tanz bekamen, wie in diesen Plejberfamilien.


    So nickte ich einigen zu, gab meine Hand aber eher zaghaft raus und platzierte mich schließlich auf einer Liege. Von wo ich alles bestens übersehen konnte und zusätzlich das Lauschen nicht zu anstrengend war.

  • Auch um Gracchus' Mund legte sich ein leichtes Schmunzeln beim Gedanken an die Zukunft des Serenus. Es gab wenig, worum Aristides zu beneiden war, doch neben seiner Befähigung zu jenem eleganten, geschwungenen und formvollendeten M, gehörte sicherlich auch sein Sohn hierzu, schon allein die bloße Existenz dessen. Doch natürlich brauchte er sich um ihn keine Sorge zu machen, war es doch seine Tochter, welche unentwegt für die absonderlichsten Verwicklungen zu sorgen schien.
    "Ein ... Fluch?"
    Das Wort schleppte sich über Gracchus' Lippen, als müsse es erst mühselig den Weg aus seiner Kehle heraus emporklettern. Vermutlich war es so. Seit den Ereignissen in Achaia, seit Gracchus selbst am eigenen Leib die Wirkung solcher Verwünschung verspürt hatte, versuchte er jenem Themengebiet so weit wie möglich aus dem Wege zu gehen. Er blickte seinem Vetter in die Augen und es schien, als würde er in zwei kleine Spiegel sehen und dort seine eigenen Empfindungen erblicken. Furcht, tiefe Beklommenheit und Sorge. Gracchus hatte noch nie einen Exorzismus gewirkt, den über ihm liegenden Bann hatte er dereinst gebrochen, in dem er sich selbst in den Dienst und Schutz des Iuppiters gestellt hatte, doch natürlich war er mit der Theorie vertraut.
    "Ich werde tun, was in meiner Macht steht, Marcus, dessen sei dir versichert. Was ist mit dem Sklaven? Ist er tot? Ein Fluch ist eng verwoben mit demjenigen, welcher ihn gesprochen hat oder worauf er gebannt wurde, darum ist die Bannung einfacher, wenn dies zur Zerstörung verfügbar ist."
    Er folgte Aristides' abgelenktem Blick und lächelte innerlich, als er Sciurus verkniffenen Gesichtsausdruck sah. Leontia und Furianus grüßte er wie sein Vetter mit einem Nicken, ebenso seinen Bruder, der in diesem Augenblick erschien.

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  • Minervina hatte Mühe gehabt aus dem Bett zu steigen. Sie fühlte sich schwach und müde. Auch der Besuch in den Thermen schien nicht geholfen zu haben. Lange war sie vor dem Spiegel gestanden und hatte zuerst selbst versucht die Ringe unter ihren Augen verschwinden zu lassen, bis schließlich ihre Sklavin ihr dabei half.


    Sie legte ihre Tunika an. ein helle und dünklere Orangetöne prägten das Bild, sowie leichte goldene Stickerein.


    Mit schweren Schritten ging sie zum Speisesaal, holte noch einmal tief Luft, niemand sollte merken wie sie sich fühlte, und begrüßte ihre Familie.


    Um nicht die Unterhaltung zu unterbrechen,begab sie sich fast lautlos an den Tisch.


    Zum Glück war auch ihre Cousine da...

  • Wohlwollend nahm Leontia die, in ihren Augen, schüchterne Zurückhaltung des Sklaven zu Kenntnis, und dachte zugleich indigniert an ihre Salambo, die sich heute, auch für Saturnalien-Verhältnisse, ein bisschen zu viel herausgenommen hatte. Nur daß Sciurus nicht gleich auspackte, fand sie etwas schade. Dann trat Furianus heran und grüßte, sie wandte sich ihm sogleich zu, und der Sklave war vergessen.


    Ein höfliches Lächeln auf den Lippen hörte sie mit leicht geneigtem Kopf seine Vorstellung, sogleich wurde das Lächeln wärmer, und ihre nachtblauen Augen strahlten in ehrlicher Freude. „Bona Saturnalia! Es freut mich, daß wir uns auch einmal kennenlernen! Ich bin Flavia Leontia, die jüngste Tochter von Gnaeus Flavius Aetius. Erst vor kurzem traf ich aus Ravenna ein.“ Aber was Gracchus wohl mit „unbotmäßigen Ämtern“ gemeint hatte? Auf den ersten Blick jedenfalls war an Furianus nichts Unbotmäßiges zu entdecken, im Gegenteil.


    Ein kleines schalkhaftes Funkeln trat in ihre Augen, als sie weitersprach. „Ich bin also deine Tante. Nun ja, genaugenommen deine Tante zweiten Grades.“ Sie schmunzelte, da er sicherlich viel älter als sie war. Schon mit Milo hatte sie sich immer darüber amüsiert - vor dem Zerwürfnis. Unwillkürlich schweifte ihr Blick kurz zum Eingang, und erleichtert stellte sie fest, daß kein Milo in Sicht war, dafür aber ihre Cousine, der sie ein herzliches Lächeln zuwarf.

  • „MIAU!“


    erklang es herzzerreissend im Raum. Eine kleine Hauskatze, von denen es in der Villa viele gab um eine mögliche Ratten- und Mäuseproblematik direkt im Keim zu ersticken, rannte zur Tür in den Raum herein und bremste unmittelbar vor Sciurus ab.


    Mit lautem „WAFF! WAFF! WAU! WAU! GRRRRRRRRR!“ folgte der Kampfhund Nero von Serenus der Katze dicht auf.


    Und dann flog auch schon die Tür komplett auf und Serenus stürmte in marsroter Tunika und eine Schleuder schwingend in den Raum.


    Die Katze drehte sich auf der Stelle um und rannte jetzt dem Hund entgegen und unter dessen Beinen durch. Der Hund bremste ab, versuchte dabei der Katze hinterher zu schauen, rutschte auf dem Marmorboden und machte einen halben Salto mit Bruchlandung. Serenus, der von dem Katzen- und Hundemanöver komplett überrascht wurde konnte auch nicht mehr bremsen, stolperte über den Hund und landete erst einmal auf dem Marmor.


    Der Kampfhund rappelte sich hoch und setzte wütend bellend zur erneuten Verfolgung an.


    „IO SATURNALIA alle zusammen!“ rief Serenus und stand auf.
    „Diese verdammte Katze hat meinem Hund auf seine Kuscheldecke geschissen. Keine Hauskatze scheisst meinem Freund auf die Decke. Das haben die Katzen in Baiae gelernt, das werden auch die Katzen hier in der Villa schnell lernen, wenn wir dieses Mistvieh erwischen! Bis gleich!“


    Serenus stürmte die Tür hinaus und schwang wieder die Schleuder. Vor der Tür blieb er kurz stehen und schickte einen Schleuderstein auf die Reise. Irgendwo erklang das Geräusch, welches zu hören ist, wenn eine Keramik zu Bruch geht.


    „Verdammt! Daneben! Das Vieh ist wirklich schnell. Nero! Fass! Ich schneide ihr hier den Weg ab.“


    Serenus stürmte in ausgelassener Stimmung der Katze und dem Hund hinterher. Wenige Augenblicke lief aus entgegen gesetzter Richtung zuerst die Katze an der Tür vorbei, dann der Hund und mit etwas Abstand folgte wieder Serenus.

  • „Ja, ein Fluch. Ich kann es mir nicht mehr anders erklären, Manius. Und auch ja, der Germane lebt noch. Er ist hier in der Villa eingesperrt. Meine letzte Hoffnung liegt bei Dir, Vetter. Ich...“


    Weiter kam Marcus nicht, denn das Desaster folgte seinem Sohn auf den Schritt. Oder besser ausgedrückt, die Flutwelle stürmte ihm voran, polterte unübersehbar in die Räumlichkeiten. Verdattert betrachtete Marcus die fauchende Katze, den akrobatischen Hund und schon folgte sein Sohn. Wider Willen schlich sich ein breites Grinsen in Marcus Gesicht. Hach, das erinnerte ihn irgendwie an sich selber und an seine Kindheit, als er noch seine Mutter zur Verzweiflung trieb und das gesamt Haus aufscheuchte. Marcus betrachtete seinen Sohn, seine Schultern zuckten durch ein unterdrücktes Lachen bei Serenus Worten. Doch dann besann er sich- schließlich war er Serenus Vater und das ging doch nicht. Sollte zumindest so nicht sein!


    „Entschuldige mich mal, Manius. Ich muss mal wieder Vater spielen...“


    Schnellen Schrittes nahm Marcus die Verfolgung der kleinen Sturmtruppe- Katze, Hund, Junge- auf. Im Vorbeigehen grüßte er die später Angekommenen noch mal mit einem gutmütigen Lächeln.


    “Grüß Dich, Lucius. Ah, meine Lieblingsbasen Leontia und Minervina! Bona Saturnalia Euch Beiden!“


    Noch bevor Marcus den Raum verlassen hatte, bemühte er sich um eine äußerst gestrenge Miene, glätte sein Gesicht von allen Spuren eines Lächelns und richtete sich auf. Schließlich konnte er seinem Sohn nicht alles durchgehen lassen. Seiner Tochter gegenüber war Marcus schon von je her sehr viel gnädiger gewesen als bei seinem jungen Sohn. Schon war er vorbei und aus dem Raum entschwunden. Nur Marcus Stimme war noch mal laut und deutlich zu hören, war sie doch in der letzten Zeit an Soldaten erprobt und vorher schon durch den Rethorikunterricht aufs vortrefflichste geschult worden.


    “Lucius! Bei Iuppiters Donner, jetzt bleib stehen! Und halte den Hund zurück!“

  • Man hatte ihr gesagt was heute gefeiert wurde, eigentlich wusste sie das auch, aber sie hatte ja nicht einmal ihren eigenen Sklaven Cerco erkannt. Ein Grund mehr in ihrem Zimmer zu bleiben und sich in ein imaginäres Schneckenhaus zu verziehen. Raus kommen wollte sie eigentlich nicht und doch hatte sie die Tunika angezogen die man ihr gegeben hatte. Sie war schlicht und es machte ihr nichts aus sie zu tragen. So viel hatte sich in ihrem Leben geändert, dass sie auch in Lumpen durch die Gegend gelaufen wäre.
    Sie fürchtete sich schon ihrer Familie gegenüberzutreten, aber irgendwann musste sie es machen und auch wenn sie ihren Vater zum Teil hasste wollte sie ihm eine kleine Freue machen. In ihrer jugendlichen Naivität glaubte sie ausserdem wirklich vielleicht Rutger sehen zu können und sie wusste, dass sie es eigentlich in der Hand hatte. Sie musste ihm irgendwie helfen und wenn sie ein Spiel spielen musste.


    Langsam war sie durch die Villa gegangen in der doch recht viel los war und doch hatte sie versucht nicht aufzufallen. Sie wollte niemandem begegnen hier draussen, der sie kannte sie ihn aber nicht. Von dem Hundevorfall bekam sie nicht mit, denn sie kam etwas später und blieb zwischen Tür und Angel sozusagen stehen.


    So viele Menschen und sie hatte das Gefühl noch keinen von ihnen jemals gesehen zu haben, was ja auch irgendwie stimmte, denn im Grunde waren es alles Fremde. Schon wieder spürte sie wie ihr langsam die Luft weg blieb und deswegen trat sie auch nur unfällige drei Schritte ein um sich von den anderen fern zu halten. Ihr Blick ging umher und sie versuchte sich zu erinnern, aber jedes mal wenn es fast so weit war, verschwand alles wieder. Es war zum verzweifeln und sie tat es doch schon, verzweifeln. Vielleicht wäre es besser einfach wieder ins Zimmer zu gehen.

  • Seine Arme vor sich verschränkt hob Gracchus eine Hand und begann seine Unterlippe zu kneten. Der Germane lebte also noch und der Fluch wirkte, somit gab es nur eine Lösung, der Germane musste sterben, nicht nur des Fluches wegen, alleine seine Flucht würde dies bedingen. Doch dieser Tag war keiner, um über solche Dinge nachzudenken, und Serenus bewies dies nur allzu gut.
    "Natürlich, Vetter." entschuldigte er Aristides und blickte mit gewellter Stirn dem Auftritt des Vaters nach. Womöglich war jener doch nicht zu beneiden. Seine Schritten führten Gracchus durch den Raum, zurück zu seinem Sklaven.
    "Sciurus, mein Sciurus."
    Ein Hauch von Tadel lag in seiner Stimme. Er legte seine Fingerspitzen unter das Kinn des Sklaven und hob es an.
    "Sieh mich an. Was suchst du so dringlich mit deinen Blicken auf dem Boden, gefällt dir das Muster so sehr? Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend und blickst den Herren in die Augen. Heute ist es sogar dein Recht, heute sind wir alle gleich, sind alle Sklaven, sind alle Könige, ganz wie es dir beliebt. Also bitte bemüh dich ein wenig, zumal du heute der Gastgeber bist, und sei nicht unhöflich, indem du deinen Gästen die ihnen zustehende Aufmerksamkeit verwehrst. Lass uns beginnen, Rex bibendi."
    Gracchus klatschte laut in die Hände um die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen. Aristides und Serenus würden sicherlich gleich wieder kommen und diejenigen, welche noch nicht eingetroffen waren, dies im Laufe des Abends.
    "Bona Saturnalia, meine lieben Flavia! Es ist mir eine ausgesprochene Freude, dass wir in diesem Jahr so zahlreich in Rom verweilen, so dass dies ein ausgesprochen familiäres Saturnalienfest werden wird. Die Saturnaliengeschichte will und werde ich euch ersparen, denn ich gehe davon aus, dass ihr bereits heute Morgen meinen Worten gelauscht habt, und zudem möchte auch ich mich endlich meiner Position als Sacerdos entledigen und ein Gleicher unter Gleichen sein. Aus diesem Grunde, und um dem Geiste der Saturnalia zu huldigen, möchte ich das Wort an unseren heutigen Gastgeber übergeben, meinen dieser Tage guten Freund Sciurus, der an diesem Abend der König über uns sein mag."
    Es gefiel Gracchus außerordentlich gut, seinen Sklaven mit dieser Aufgabe in Verlegenheit zu bringen. Er liebte den Geist der Saturnalia, nicht nur die philosophischen Diskussionen, auch das Essen, den Wein, das Würfelspiel, die Geschenke und die Umkehrung der Stände. Dieses Fest fiel völlig aus dem Rahmen des Alltages, und das nicht nur für die Sklaven. Gracchus begab sich zum Tisch und legte sich auf einer der Klinen, froh darüber, dass nun nichts mehr von ihm erwartet wurde, denn das, was von allen erwartet wurde.

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  • Auch wenn es heute sein Recht gewesen wäre, seinem Herrn eine bösartige Bemerkung zu entgegnen, so schluckte Sciurus sie hinunter. Das, was dieser verlangte, und die Freude welche es ihm zudem zu bereiten schien, brachten eine gewisse Wut in dem Sklaven auf. Doch er hatte sich vorbereitet. Er knotete das Säckchen mit dem Geschenk der Herrin Leontia an seinem Gürtel fest, löste eine Pergamentrolle, welche in jenem steckte und nahm sie in die Hand. Als er nach einem Räuspern sprach war sein Blick erhoben.


    "Io Saturnalia." Es klang eher danach, als wolle Sciurus die Finanzlage der Flavia auflisten, denn als wolle er einen fröhlichen Saturnaliengruß sprechen. Doch schließlich holte er tief Luft und begann seine Rede. Als Haussklave war er durchaus geschult darin, seine Herren mit Texten und Gedichten zu erfreuen, und darum war es Teil seiner Ausbildung gewesen, jene auch ansprechend vortragen zu können.


    "Die Tradition gebietet an den Saturnalien die Gleichheit aller Menschen und Sklaven. Sie gebietet Ausgelassenheit und Geschenke. Sie gebietet gelehrte und tiefsinnge Gespräche, solange die Zungen dazu noch nicht zu schwer sind. Mein Herr bestimmte mich zum Saturnalienkönig, soviel zur Gleichheit aller. Doch wie es die Tradition gebietet werde ich für die Einhaltung dieser Tradition Sorge tragen. Bevor wir mit dem Mahl beginnen, soll das Ferkel für Saturnus geopfert werden, doch aufgrund der Gleichheit aller fehlt uns ein Priester. Ich habe mir lange überlegt, wie diesem Dilemma zu entkommen ist, als mir der gute alte Lucretius in die Hände fiel."


    Er entrollte das Pergament und las. "Warnung vor den Priestern.
    Jeweils denkst du vielleicht von den dräuenden Worten der Priester
    Heftig bedrängt und bekehrt aus unserem Lager zu fliehen!
    Denn was könnten sie dir nicht alles für Märchen ersinnen,
    Die dein Lebensziel von Grund aus könnten verkehren
    Und mit lähmender Angst dein Glück vollständig verwirren!
    Und in der Tat, wenn die Menschen ein sicheres Ende vermöchten
    Ihrer Leiden zu sehn, dann könnten mit einigem Grunde
    Sie auch der Religion und den Priesterdrohungen trotzen.
    Doch so fehlt für den Widerstand wie die Kraft so die Einsicht,
    Da uns die Angst umfängt vor den ewigen Strafen der Hölle."


    Sciurus lies ein Ende der Schrift los, so dass sie sich in ihre ursprüngliche Form zurückrollte. "An diesen überaus fröhlichen Tagen sollten wir gegen die Angst gefeit sein und genügend Kraft und Einsicht aufbringen, um zu erkennen, dass wir sie nicht brauchen, die Priester." Er warf die Schriftrolle achtlos bei Seite, gab einem der Freien ein Zeichen und trat an den kleinen Altar. Bis er das Opfermesser aufgenommen hatte, wurde bereits das Schwein in den Raum getragen und auf dem Altar abgestellt. "Ein Schwein für Saturnus, wie es ihm zusteht, als Dank von uns allen, gleich wie wir sind." Schneller, als irgendwer es hätte verhindern können, hatte Sciurus schon das Messer über den Hals des Tieres gezogen, welches dies mit einem empörten Quieken kommentierte, schließlich regungslos darnieder sank.


    "Bona Saturnalia, Familia Flavia! Möge das Mahl euch munden."


    Sciurus legte das Messer auf dem Altar ab und wandte sich den Klinen zu, als gäbe es nichts natürlicheres für ihn, als dort Platz zu nehmen. Im Hintergrund nahmen fünf Frauen ihr Spiel mit Tibia, Fistula, Trigonum, Tympanum und Cymbala auf, und einige Männer brachten süßen Wein, Brot, Epityrum und Oliven.

  • ~Die Nachahmenden ahmen handelnde Menschen nach. Diese sind notwendigerweise entweder gut oder schlecht. Denn die Charaktere fallen fast stets unter eine dieser beiden Kategorien; alle Menschen unterscheiden sich nämlich, was ihren Charakter betrifft, durch Schlechtigkeit und Güte. Demzufolge werden Handelnde nachgeahmt, die entweder besser oder schlechter sind, als wir zu sein pflegen, oder auch ebenso wie wir.~


    Aus einem unerfindlichen Grunde fielen Hannibal jene Worte des Aristoteles ein als er im Schatten einer Säule stand. Aus dem Dunkeln heraus konnte er gut Sciurus beobachten, verfolgte seine Regungen im Gesicht und lauschte jedem seiner Worte sehr aufmerksam. ~Warnung vor den Priestern... ~ mit einem Blick auf dessen Herren Flavius Gracchus konnte sich Hannibal ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ob jener die Worte seines Sklaven gelassen und im Sinne der Saturnalien hinnehmen würde? Da Hannibal eine neugierige Seele war, hätte er zu gerne in den nächsten Tagen an der Tür von Gracchus’ Cubiculum gelauscht. Irgendwie war Hannibal unwohl in der Runde hier, doch eigentlich wussten nur zwei, vielleicht drei von seinem desaströsen Auftritt auf dem Forum Romanum vor langer Zeit. So gab sich Hannibal einen Ruck, überprüfte noch mal, ob alle Geschenke da waren. Er kannte Aristides ja allzu gut. Außerdem hatte Hannibal sicherheitshalber noch mal Aristides Korrespondenz mit dessen Mutter überprüft und eine detaillierte Anweisung für die Saturnaliengeschenke dort gefunden. Den Tag hatte Hannibal dafür opfern müssen, aber er hatte noch einiges wieder gut zu machen.


    Hannibal löste sich aus dem Schatten der Säule, gemessenen Schrittes ging er auf die Klinengruppe zu als die fünf Frauen aufzuspielen begannen. Hinter seinem Rücken trug er das Behältnis für ‚Aristides’ Geschenke. Trotzdem vermochte er würdevoller, erhobeneren Hauptes als sein Herr zu laufen und er versuchte jene Würde auszustrahlen, die man ihm nur an jenem Tag gewähren mochte oder musste. Denn sonst war es schließlich an ihm, den Sklaven zu mimen. Oftmals war ihm das übel in der Vergangenheit aufgestoßen, sah er sich doch in der Lage ein besserer Patrizier zu sein als es Aristides jemals sein würde. Doch so war das Los der Schicksalsgötter, die Parzen hatten ihn zum Sklaven gemacht, Aristides zum Herren. Aber es hatte alles seinen Grund, diese feste Meinung hegte Hannibal tief in sich drin, sonst hätte er vielleicht früher angefangen Aristides zu hassen. Dezent stellte Hannibal den Korb neben eine freie Kline. Lächelnd und in die Runde nickend, dabei bedachte er Sciurus mit einem fast herausfordernden Blick, grüßte er die Anwesenden: „Bona Saturnalia!“ Dann ließ er sich heruntersinken, nahm auf einer Kline Platz und strich seine blutrote Tunika glatt, fuhr sich über seinen frisch nach gewachsenen und sorgfältig gestutzten Bart.

  • Oha! Der Ton klang ja fast wie bei Oma. Nur diesmal kam er von Papa. Serenus gab Nero die Anweisung schön der Katze aufzulauern und rannte zu seinem Vater.


    „Io Saturnalia, Papa! Die Katze hat sich auf einen Baum gerettet, aber Nero lauert ihr auf. Irgendwann muß sie ja runter kommen. Ich bin froh dich mal wieder zu sehen. Was kann ich für dich tun?“


    Serenus schaute seinen Vater an. Sein Blick war ein „Ich bin unschuldig-Hundeblick erster Güte“. Der hatte bei Oma immer gewirkt. Diesen kombinierte er mit einem offenen, aber absolut ehrlichem Lächeln. Er freute sich sichtlich seinen Vater, den großen Helden und zukünftigen Legatus der Legio I zu sehen. Seit er bei der Legio war hatte er ihn leider seltener gesehen. Da konnte Oma noch so sehr von Aufgaben und Pflicht für das Imperium sprechen. Das war schon doof.

  • Zitat

    Original von Flavia Leontia
    Wohlwollend nahm Leontia die, in ihren Augen, schüchterne Zurückhaltung des Sklaven zu Kenntnis, und dachte zugleich indigniert an ihre Salambo, die sich heute, auch für Saturnalien-Verhältnisse, ein bisschen zu viel herausgenommen hatte. Nur daß Sciurus nicht gleich auspackte, fand sie etwas schade. Dann trat Furianus heran und grüßte, sie wandte sich ihm sogleich zu, und der Sklave war vergessen.


    Ein höfliches Lächeln auf den Lippen hörte sie mit leicht geneigtem Kopf seine Vorstellung, sogleich wurde das Lächeln wärmer, und ihre nachtblauen Augen strahlten in ehrlicher Freude. „Bona Saturnalia! Es freut mich, daß wir uns auch einmal kennenlernen! Ich bin Flavia Leontia, die jüngste Tochter von Gnaeus Flavius Aetius. Erst vor kurzem traf ich aus Ravenna ein.“ Aber was Gracchus wohl mit „unbotmäßigen Ämtern“ gemeint hatte? Auf den ersten Blick jedenfalls war an Furianus nichts Unbotmäßiges zu entdecken, im Gegenteil.


    Ein kleines schalkhaftes Funkeln trat in ihre Augen, als sie weitersprach. „Ich bin also deine Tante. Nun ja, genaugenommen deine Tante zweiten Grades.“ Sie schmunzelte, da er sicherlich viel älter als sie war. Schon mit Milo hatte sie sich immer darüber amüsiert - vor dem Zerwürfnis. Unwillkürlich schweifte ihr Blick kurz zum Eingang, und erleichtert stellte sie fest, daß kein Milo in Sicht war, dafür aber ihre Cousine, der sie ein herzliches Lächeln zuwarf.


    Furianus nickte ruhig.


    "Bona Saturnalia, Flavia Leontia. Es freut mich, dass die Villa nicht nur uns Männer beherbergt, sondern auch weibliche Flavia. Besonders solch reizende und von Venus geküsste Frauen."


    Komplimente verschenkte Furianus gar zu selten, so dass er sich im gleichen Moment fragte ob es angebracht war. Doch es war es, sicherlich, denn Frauen liebten für gewöhnlich Komplimente - auch wenn die flavischen Frauen sie ständig hörten.


    "Doch ich denke nicht, dass ich dich Tante nennen sollte. Falls du es mir erlaubst, so werde ich dich einfach mit Leontia ansprechen."


    Ein leichtes Lächeln umspielte seine Züge, denn er wusste, dass sie es nicht begrüßen würde von ihm Tante genannt zu werden. Die verwandschaftlichen Beziehungen waren meist sowieso konfuser Natur und bei so großen Familien kam es häufig zu solch verwunderlichen Verwandschaftsgraden.
    Als das wilde Trio hereinstürmte konnte Furianus gerade noch dem Hund ausweichen und der Junge streifte ihn auch leicht. Entgegen seiner sonst so üblichen Reaktion lachte er herzhaft über diesen Anfang der Saturnalien. Sie würden wohl doch nicht der trockenen Natur der vorherigen Jahre folgen. Sogleich reichte er ihr seine mit der handfläche nach oben geöffnete Hand, um sie zu einem Platz zu geleiten.


    "Ich schlage vor, dass wir uns setzen. Denn wenn so etwas nochmal passiert, fürchte ich um deine Sicherheit."

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