[Sepultura] Der Tod eines Medicus- Das Begräbnis



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    ~Der Tod eines Medicus, Akt 2, Szene 1- Die Leichenwache~
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    Schummriges Kerzenlicht beleuchtete den Ort des Geschehens, Weihrauch waberte durch den extra dafür geräumten großen Raum. In der Mitte war ein lectus funebris, ein Paradebett, für den toten Medicus aufgestellt worden. Große Kerzenleuchter standen an der Seite und zwei junge Männer saßen auf kleinen Holzstühlen. Mit der Tibia spielten sie lang gezogene Klagelaute, zwischendrin setzten sie die Flöte ab und jammerten und klagten um den Toten. Der Tote lag einbalsamiert und gesalbt auf dem großen Bett. Ihn umkränzten allerlei farbige Blumen und duftende Lampen. Unter seiner Zunge lag das Kupferstück, was er für die Überfahrt des Styx benötigen würde. Charon war schließlich kein Wesen, was umsonst arbeitete. So hergerichtet sah der Medicus wohl besser aus als in den letzten Jahren und besser riechen tat er allemal. Aber in den nächsten Tagen sollte die gesamte Legio hier durchmarschieren und ihrem Medicus die letzte Ehre und das letzte Geleit erweisen. Da sollte er doch einen guten letzten Eindruck hinterlassen.


    Optio Marcus Flavius Aristides war eindeutig froh darüber, daß die Männer von dem Bestattungsunternehmen die Organisation der Totenwache übernommen hatte. Mitsamt seinem Optiokollegen, Tallius Priscus, kam er schließlich in dem Raum an. Mit gerunzelter Stirn sah er auf den so friedlich schlummernden Medicus, zumindest erschien er bei diesem Licht so, und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. Gepolsterte Stühle standen tastsächlich für all jene bereit, die vor hatten, dort einige Stunden zu harren und den Toten den Übertritt in die Unterwelt leichter zu machen. Außerdem konnte man ja nie ganz gewiss sein, ob jener nicht doch noch lebte. Marcus ließ sich seufzend auf den Stuhl nieder und sah leicht genervt zu den Tibiaspielern, die gerade ihre Flöten abgesetzt hatten und inbrünstig jammerten.


    „Kanntest Du den Medicus gut, Optio?“

  • "Gut würde ich es nicht nennen", antwortete Priscus leise. "Ich kannte ihn, wie ihn wohl jeder hier kannte, der lange genug dabei war. Er war ja einer der Ärzte, mit denen man zuerst in Kontakt kam, wenn man das Valetudinarium aufsuchte. Egal ob zur Musterung oder wegen einer Verletzung."


    Erst jetzt kam Priscus in den Sinn, dass dies vielleicht Absicht gewesen sein könnte. Wer nicht wirklich krank war, der vermied es nämlich, sich in die Hände des ständig betrunkenen Mannes zu begeben.

  • Avitus kannte den Mann zwar nicht, aber die Soldatenehre verlangte, dass auch er zu erscheinen und dem Toten die letzte Ehre erweisen sollte. Es würde eine lange Prozession werden, wenn man bedachte, dass an dem Toten sechs tausend Mann vorbeimarschieren sollten. Zu seiner Überraschung schien er zu den Ersten zu gehören. In voller Rüstung trat Avitus hinein, die beiden Optiones mit einem knappen Nicken begrüßend. Dann glitt sein Blick zu dem Toten, der da regungslos lag, neben dem die "Mietlinge" Klagelieder auf den Toten sangen. Avitus nahm den Helm ab und dann auf enem der bereitgestellten Stühle Platz, um eine Weile in Ruhe in dem Raum zu verweilen und dem toten Kameraden auf seinem Übergang ins Jenseits beizustehen...

  • Die Reiterei war in Rüstung angetreten... Zusammen mit den anderen Decuriones ging ich vorran, als der kleine 120 Mann Zug den Toten passierte, nahmen alle ihre Helme ab und wünschten dem Toten mit gedämpfter Stimme den Segen der Götter und einen guten Übergang ins Jenseits. Während einige danach sofort wieder in ihre Unterkunft verschwanden setzte ich mich neben Avitus, schweigend betrachtete ich den toten Medicus.

    'Hannibal wusste wie man Siege erringt, aber nicht wie man damit umzugehen hat.'

  • Vor seiner Abreise nach Rom kam Claudius, um seinem langjährigen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen. Es war mehr für ihn als nur die selbstverständliche Hilfe beim Übertritt - er verabschiedete nicht nur seinen Kameraden: Für ihn war eine Ära beendet. Der kauzige Typ würde große und wichtige Anteile aus Claudius’ bisherigen Leben in die Unterwelt mitnehmen.


    Der Tribun richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf die Bahre, niemand der Umstehenden interessierte ihn, und obwohl er sicher war, dass dem Toten bereits eine Münze zugesteckt wurde, legte er eine weitere als Notgroschen neben ihn.
    Anschließend nahm er auf einem der in Kopfhöhe aufgestellten Stühle Platz und ließ die letzten gemeinsamen Dienstjahre noch einmal Revue passieren. Äußerlich ungerührt und mit abweisender Miene suchte er Minuten, ja Stunden der Ruhe. Er wollte weder angesprochen noch in seinen Erinnerungen unterbrochen werden. Es gab ohnehin kaum noch jemanden, den er nun gerne neben sich gesehen hätte.

  • Auch Marcus kam mit einigen Kameraden um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Er hatte den Medicus nicht gekannt. Er sah es aber als seine Pflicht in der Legion bei der Abschiedsprozession anwesend zu sein. Sein Blick heftete sich auf die Bahre, auf der der Tote lag. Vielleicht trat er jetzt gerade seine Reise in die Unterwelt an. Marcus sprach still ein kurzes Gebet zur Ehrung des Toten. Er hoffte, dass die Götter ihn erhörten.

  • Lucullus stand vor dem Leichnam des Medicus und nahm seinen Helm ab um zu Salutieren. Beim Salutieren betrachtete er die Person etwas genauer. Es schien als hätte er nur noch ein Auge gehabt, der restliche Körper war vernarbt. Das Gesicht hatte tiefe Kerben und sah furchtbar aus. Das war es also, was die Legion aus einen machen konnte. Einen alten, vernarbten Alkoholiker. Wirklich tolle Aussichten für die paar Sesterzen im Monat. Nichtsdestotrotz ließ Lucullus und seine Kameraden keine Ehrerbietung aus die dem Medicus zustanden. Lucullus setzte seinen Helm wieder auf und verließ die Räumlichkeiten. Er brauchte frische Luft nach diesen Anblick. Dennoch, viel Glück Kamerad. Wir sehen uns im Elysium wieder.

  • Verstehend nickte Marcus. Keine Kinder, die die Leichenrede halten konnte. Das wußte Marcus schon, aber sonst hatte er keine Ahnung über das Leben des Verstorbenen. Marcus hoffte immer noch, daß es nicht an ihm hängen bleiben würde die Rede zu halten. Aber man konnte nie wissen. Zwar war Marcus kein guter Redenschreiber, aber ein passabler Redner. Gelernt war schließlich gelernt! Marcus zuckte leicht zusammen als wieder einer der Angestellten des Bestattungsunternehmens laut aufjammerte. Langsam, aber sicher bekam Marcus davon Kopfschmerzen.


    „Das was Du mitbekommen hast, Optio...war der Medicus ein gewissenhafter Mann oder eher lebenslustig? Wie wirkte er so auf Dich? Und was sagt man so im Allgemeinen über ihn?“


    Marcus spähte auf den toten Körper des toten Medicus. Er schien tatsächlich nur zu schlafen. Er hatte sogar durch die Arbeit der Libitinarii wieder eine einigermaßen gesunde Hautfarbe. Erstaunlich was alle möglich war. Aber so manch eine Frau erhielt auch erst durch die Schminke eine lebendige Farbe im Gesicht. Besonders diese durchscheinend blonden Frauen, mit denen Marcus nie sonderlich was anfangen konnte. Schon trafen die ersten Soldaten und Offiziere ein. Marcus nickte ihnen zum Gruß zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Lächelnd beobachtete Marcus, daß die komplette Reiterei zusammen kam. Wieder ein lautes Jammern, das Lächeln verging Marcus sofort. Die duftende Lampen, der angezündete Weihrauch, der Kerzenrauch fingen an Marcus Geist langsam zu benebeln und ihn in Watte zu packen. Das Wehklagen verschwand im Hintergrund und irgendwann bemerkte Marcus den nicht mehr.

  • Pruscus fand es beachtlich, dass sich der neue Optio so sehr für den verstorbenen Medicus interessierte. Das gab ihm ein Gefühl von Kameradschaft.


    "Beides trifft es. Er war, soweit ich ihn erlebt habe, permanent betrunken. Wirklich, permanent. Man hatte immer das Gefühl, dass er sich durch die Arbeit im Trinken gestört fühlte. Aber soweit ich weiß, hat er trotzdem nie einen wirklich schlimmen Fehler deswegen gemacht."


    Wahrscheinlich hatte er stattdessen viele kleine Fehler gemacht, aber wer will nach seinem Tod schon noch darüber sprechen?


    "Einige Kameraden bezeichneten ihn als wunderlich. Der wunderlich Grieche. Ja, genau das war er."

  • Ständig im Dienst betrunken? Hach je, das war ja was! Wie sollte man da eine gescheite Lobeshymne auf den Verstorbenen schreiben? Irgendwie konnte er den Griechen jedoch verstehen. Marcus nickte und rutschte dabei auf dem Hocker hin und her. Die Wache hatte gerade erst angefangen und schon war ihm der Stuhl unbequem. Doch relativ zufrieden nahm Marcus hin, daß immer mehr der Soldaten auftauchten, kurz beim Toten stehen blieben oder auch sich an die Seite des Totenbettes setzten. Pling, pling, das Jammern ging wieder los, professionell und sehr wehleidig. Der Weihrauch vernebelte schnell den Raum und auch Marcus Sinne. Die Zeit verstrich und auch die Totenwache. Etwas später nickte Marcus sogar kurz mal ein. Als er aufwachte, sah er sich verstohlen um. Ob er wohl geschnarcht hatte? Er rieb sich den Nacken und hoffte, daß dem nicht so war. Einige Stunden später mußte auch Marcus für einige Zeit die Leichenwache verlassen. Erst spät in der Nacht kam er wieder zurück und harrte selber noch ein paar Stunden dort aus. Am nächsten Morgen war die Leichenwache vorbei. Das Begräbnis sollte an dem Tag durchgeführt werden.

  • Auch Priscus' Leichenwache hatte geendet und nachdem sein Kamerad schon lange keine Fragen über den Toten mehr an ihn hatte, verabschiedete er sich und ging zurück zu den Unterkünften, wo wieder der alltägliche Dienst auf ihn wartete.


  • Einige Stunden nachdem die Nachtwache am toten Körper des toten Medicus verbracht wurde, wurden die Tore zu dem Raum geöffnet. Einige Soldaten, in Paraderüstung, standen schon bereit. Sie waren ausdrücklich hier herbefohlen worden waren, um als Sargträger zu dienen. Auch Marcus war früh erschienen, nachdem er nur einige Stunden Schlaf gefunden hatte. Die Tortour des morgendlichen Rasierens hatte er schnell hinter sich gebracht und stand nun auch mit seiner Paraderüstung bereit. Den Helm mit dem Helmbusch trug er noch unter dem Arm. Einer der Pollinctores verließ das geöffnete Lagerhaus, Ort der Nachtwache, und nickte Marcus zu.


    „Es ist alles bereit, Herr. Die Musikanten sind eingetroffen und auch die Mimen für die Masken.“


    Marcus sah ihn etwas verwundert an und versuchte in das Innere des Hauses zu spähen, doch die Sonne stand ihm strahlend ins Gesicht und blendete ihn zu sehr.


    „Was für Mimen und Masken?“


    Der Angestellte des Bestattungsunternehmens verbeugte sich fast zu sehr unterwürfig und spähte mit gesenktem Kopf zu Marcus hoch.


    “Wir haben ein paar griechische Heroen genommen, Herr. Da kann man bei einem Griechischstämmigen gar nicht falsch liegen. Die leiten sich doch alle von Hector, Hercules oder Achilles ab.“


    Marcus kratzte sich mit der freien Hand am Nacken und sah noch mal ratlos in die Richtung, wo er den Sarg vermutete.


    „Tun sie das? Ja, dann!“


    Er winkte den Soldaten zu und diese folgten ihm in das Innere. Dabei setzte er sich den Helm auf und befestigte ihn mit dem ledernen Riemen. Sie gingen auf den hölzernen Sarg zu, der auf dem ehemaligen Paradebett stand. Der Deckel des Sarges war verschlossen und Marcus sehr froh darum. Daß er da einen Toten mit auf seiner Schulter trug, behagte dem doch recht abergläubischen Marcus überhaupt nicht. Er ging in die Knie und unter die Holzstangen, auf dem der Sarg ruhte. Die anderen Soldaten folgten seinem Beispiel.


    „Unio, duo, tres, elatus!“


    Die Soldaten richteten sich auf und der Sarg wurde in die Höhe gehoben.


    „Aequatis passibus! Ante!“


    Die Soldaten gingen auf das grelle Licht der Nachmittagssonne zu und traten aus der Lagerhalle heraus. Ihnen folgte der kleine Troß von Mimen und Musikanten. Marcus trat ins Sonnenlicht, blinzelte ein paar Mal und hoffte, daß die meisten Soldaten schon draußen zum Leichenzug angetreten waren.

  • Aufgrund der anscheinend doch recht großen Beliebtheit des Medicus in dieser Legion, erlaubte ich meinen Männern, ihre Paraderüstungen anzuziehen, sowie auch die anderen Turmae es taten, nun standen die Equites dort, mit der Parademaske, und den Helmen mit Federbüscheln drauf, als sich die Tür öffnete, rief ich, übrigens auch in Paraderüstung, mit dem Hahnenkamm auf dem Helm


    "Equites, STATE!"


    sofort standen sie still und so taten es auch ihre Münder, niemand der Equites sprach noch, sie alle gedachten ihrem Medicus, welcher ihnen bei so vielen kleineren und größeren Reitverletzungen geholfen hatte.

    'Hannibal wusste wie man Siege erringt, aber nicht wie man damit umzugehen hat.'

  • Bedachte man, dass es sich dem Range nach 'lediglich' um einen der Optiones gehandelt hatte, erschien das Antreten fast der gesamten Legio dem Artorier doch etwas übertrieben, auch wenn die Ehre eines Legionssoldaten natürlich gebot, dass man erschien. In der Tat schien der Medicus sich größter Beliebtheit erfreut und großen Respekt der Männer genossen zu haben.


    Avitus trug sein Kettenhemd, hatte seinen Helm und die Beinschienen auf Hochglanz poliert.
    "Milites..."
    haltte Avitus' Stimme über die Köpfe der Legionäre hinweg. Die zweite Centurie war neben ihm angetreten.
    "State... Aciem dirigite" ~ Stillgestanden... ausrichten
    Anders als die Equites hatte die Infanterie nicht ihre Helmbüsche aufgesetzt. Die Männer standen in ihren Rüstungen da, die Schilde auf dem Boden zu ihrer Linken abgestellt, jeder ein Pilum in der Hand, das er am ausgestreckten arm mit der Klinge zum Himmel auf dem Boden abstellte.

  • Es dauerte ein wenig bis sich Marcus an das helle Sonnenlicht gewöhnt hatte. Langsam, aber stetig schritten die Soldaten mit dem schweren Sarg auf den Schultern weiter. So kamen sie zu der ersten breiten Lagergasse. Zufrieden nahm Marcus die Anwesenheit der Reiterei zur Kenntnis und ihr prunkvolles Erscheinen und auch die Soldaten der zweiten Centurie mit den erhobenen Waffen. Somit waren doch mehr seiner Bitte nachgekommen als Marcus geglaubt hatte. Aus dem Lagerraum schritten drei großgewachsene Männer, die hölzerne Masken auf dem Gesicht trugen. Sie waren alle drei recht breitschultrig und trugen Lederrüstungen, die übertrieben ausgeprägte Muskelarbeiten im Leder aufwiesen, darüber Helme wie sie die Hopliten in Griechenland getragen hatten. So schritten sie mit dem Sarg, die Lagergasse entlang, an der Principa vorbei und auf den Exzerzierplatz zu. Dort umrundete Marcus mit den anderen Soldaten den Platz. Der Sarg wurde immer schwerer und der Schweiß floß über seine Rücken.


    Es war nicht das erste Mal, daß Marcus den Befehl des Tribuns verfluchte. Doch daran änderte jetzt nichts und sie kehrten wieder zu dem Platz vor der Principa zurück. Auf einer schnell improvisierten Erhöhung wurde der Sarg abgestellt. Marcus seufzte erleichtert auf als das schwere Ding von seiner Schulter herunter kam und er knetete sich seine steinharten Muskeln dort. Für einen Moment blieb er einfach nur ruhig stehen und sah auf die Männer, die dem Zug gefolgt war. Herrje, jetzt sollte Marcus wohl doch ein paar Worte sagen? Es ging wohl nichts daran vorbei. Zwar hatte er Dutzende von Soldaten befragt und jeder kannte den Medicus irgendwie, dann jedoch nicht so richtig. Beklommen kletterte Marcus auf die Anhöhe. Öffentliche Reden, die nicht von seinem Sklaven geschrieben worden waren, machten ihn immer sehr nervös. Rethorikausbildung hin oder her. Seine Hände wurden schnell schweißig und sein Rücken heiß und kalt gleichzeitig.


    Milites, commillitones, ich danke euch, daß ihr heute hierher gekommen seid und dem Medicus, Gaius Graecus, zu seiner letzten Ruhe geleitet. Ruhe? Nun vielleicht ist es doch zu bezweifeln, das Graecus sein elysisches Leben in Ruhe verbringen wird. So lebenslustig und munter wie er im Leben war, wird er das im Jenseits sicherlich mit einigen hübschen Mädchen fortsetzen...!“


    In dem Moment schoß Marcus der Gedanke durch den Kopf, daß der Mann Grieche war. Und man wußte doch, was Griechen lieber trieben. Das brachte Marcus etwas aus dem Konzept. Er biß sich kurz auf die Unterlippe und schwieg für einen Moment ehe ihm die nächsten Worte seiner äußerst mühsamen zusammengeklaubten Rede einfielen. Für eloquent hielt er sie nicht, aber das waren immerhin Soldaten vor ihm und keine Rostrazuhörer.


    „...Für viele war Graecus ein guter Kamerad und einige werden ihn sicherlich vermissen. Seine unnachahmliche Art die kranken Soldaten zu behandeln wird genauso fehlen werden. Doch sicherlich werden auch die Götter auf seine Verdienste mit wohlwollendem Blick sehen und ihm ein anständiges jenseitiges Leben geben. Er hat es sich hier mit seinem langjährigen Dienst verdient. Davon können einige Soldaten bezeugen, die heute noch unter uns weilen und sonst selber schon in Plutos Reich auf ihn warten würden.“


    Marcus stockte. Ein Soldat hatte ihm erzählt, daß der Medicus oft besoffen gewesen war und wer weiß, wie viele dem Medicus deswegen unter der Hand weggestorben waren. Was Marcus von ihm gehört hatte, ließ ihn nicht begeisterter sein. Aber das war ja nun vorbei und einem Toten sollte man nichts Schlechtes hinter her sagen. Was wollte er noch sagen? Hatte er alles Wichtige gesagt? Er hatte es vergessen. Etwas grübelnd wollte er sich schon am Nacken kratzen, Ausdruck seiner Ratlosigkeit, beherrschte sich jedoch im letzten Moment. Stattdessen sah er zu den Soldaten.


    “Ja, will sonst noch jemand was sagen?“

  • Priscus stand mit an der Lagerstraße und verfolgte den Leichenzug und die Rede. Der Tote war Optio gewesen, wie er, wennauch mit anderem Aufgabenbereich, und da machte man sich natürlich seine Gedanken. Andererseits war es dann auch nur einer von vielen Ärzten der Legion gewesen und einer von vielen Optiones.


    Als die Leichenrede endete, beendete auch Priscus seine Gedanken und wartete auf den Fortgang der Zeremonie. Hinzufügen wollte er nichts. Aristides hatte einiges von dem, was er ihm bei der Leichenwache erzählt hatte, in der Rede verarbeitet. Das, was vielleicht fehlte oder was er anders ausgedrückt hätte, schien ihm nicht wichtig genug, noch erwähnt zu werden.

  • Betretenes Schweigen, einige Soldaten scharrten mit der Spitze ihrer Caligulas im Sand und versuchten nicht aufzufallen. Man konnte ja nie wissen, ob man nicht nach vorne gerufen wurde. Die Sonne fiel inzwischen schon schräg auf den Sarg, ein einfacher Holzsarg. Nicht sehr edel, aber auch nicht ärmlich wirkte dieser. Einem Optio und Soldaten angemessen. Marcus betrachtete die Soldaten, doch da keiner Anstalten machte, was zu sagen, ließ er nur seinen Blick schweifen. Den Tribun hatte er nicht ausfindig machen können. War schon seltsam, da triezt er ihn zu diesem Begräbnis, schien aber selber nicht daran teilzunehmen. Da Marcus jedoch von der Sonne auf der Erhöhung etwas geblendet war, konnte er nicht ausschließen, daß der Claudier irgendwo doch stand oder saß. Marcus nickte den anderen Soldaten zu. Genervt von der ganzen Zeremonie und dem Tragen wischte sich Marcus den Schweiß von der Stirn als er die Erhöhung nach unten herabstieg und wieder seinen Platz als Sargträger einnahm.


    Unio, duo, tres, elatus!“


    Wieder derselbe Befehl wie schon in der alten Lagerhalle. Die Soldaten, schon mit weit aus weniger Kraft als noch zwei Stunden zuvor, hoben leise ächzend den Sarg hoch. Einer der Soldaten wankte leicht und der Sarg schaukelte einmal bedrohlich nach hinten. Im Sarg polterte es leise, die Leiche war wohl verrutscht. Marcus sah über die Schulter den Soldaten an, der blass aussah und verlegen sich auf die Lippen biss. Marcus konnte ihm das nicht verübeln, es war mit der Paraderüstung nicht einfach so lange einen Sarg mit darin liegender Leiche zu schleppen. Es war schon seltsam, Marcus hatte das schon zwei Mal erlebt. Aber eine Leiche war plötzlich viel schwerer als ein lebender Mensch.


    Aequatis passibus! Ante!“


    Die Männer trugen den Sarg durch die Gasse zwischen den Soldaten und die Via Praetoria entlang. Die Tore wurden geöffnet, die Mimen folgten in ihren griechischen Heroendarstellungen und die Musiker spielte tragende und pathetisch traurige Musik. Vielleicht ein wenig zu pathetisch und zu professionell? Manchmal schlich sich zwar eine falsche Note hinein, aber insgesamt waren sie ganz passabel. So verließen sie das Lager um den Weg weiter draußen zu beschreiten. Einige hundert Schritt entfernt und von der Windrichtung wegführender Strecke war ein großer Holzscheiterhaufen aus Pinienhölzern aufgebaut worden. Ein Baum, der durchaus gut roch, aber nicht der teuerste war. Die Soldaten trugen den Sarg dorthin und hoben ihn dann gleichzeitig hoch, um ihn auf den Scheiterhaufen zu hieven. Das Holz knarrte leise als es mit dem Gewicht belastet wurde. Dann thronte der Sarg oben, als ob es wieder ein Paradebett wäre.


    Marcus hob die Hand, die Soldaten traten zurück und nahmen ein Stückchen entfernt Haltung ein. Und wieder kam das Bestattungsunternehmen seiner Verpflichtung nach. Denn hinter dem Scheiterhaufen waren einige ältere Frauen mit über den Kopf gezogenen Pallae und einem Schleier vor dem Gesicht. Sie tuschelten leise und machten sich schon bereit für ihren Auftritt.


    „Möge Pluto gerecht mit seinen Taten sein und ihm ein freudvolles Leben im Elysium gewähren. Zündet das Feuer an!“


    Einer der Soldtaten, der eine Fackel trug, trat an die aufgeschichteten Holzscheitel und die Reisigbündel, die um die dickeren Stücke lagen, heran. Die Fackel flackerte leicht im Wind als er sie nach vorne beugte. Der Himmel färbte sich schon leicht orange im Schein der langsam heruntersinkenden Sonne. Als die Flamme einen der Bündel berührte flammte dieser, durch das Öl, schlagartig auf. Die Flammen fraßen sich schnell durch die anderen Bündel und loderten hoch. Es dauerte noch nicht mal Minuten, daß der Sarg im Feuer eingehüllt war.


    Milites, salutate!“


    Marcus salutierte dem Optiomedicus noch mal zu und sah auf den Sarg, der nun auch Feuer fing. Weihrauchgeruch wurde vom Wind aufgewirbelt und stieg intensiv in die Nasen der Soldaten, die sich um die Feuerbestattung versammelt hatten. Die Klageweiber jammerten gekonnt und ausgelassen und eine Flöte begleitete sie tragend und voll des gespielten Wehleides. Die Sonne ging hinter den entfernt liegenden Bergen langsam und blutrot unter. Marcus sah sich das Ganze an und auch die Kulisse und es wurde ihm fast zu viel...an Pathos. Jetzt würde er gerne einen tiefen Schluck Wein trinken und diese lästige Pflicht los sein.

  • Plautius beobachtete zufrieden den Auflauf des ganzen Begräbnisses. Der Optio hatte gute Arbeit geleistet. Vielleicht etwas viel Aufwand, aber für die Moral der Truppe war es sicher förderlich, wenn sie sahen, wie ein Optio und damit einer von Ihnen mit allen Ehren beerdigt wurde.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Schweigend und ohne mit seinen Augen einen bestimmten Punkt zu fixieren, salutierte Optio ein letztes Mal vor dem Medicus. Der Brandgeruch erfüllte die Luft und wenn ein Windstoss kam, hüllte er die vorne stehenden Soldaten in leichten Rauch. Feuerbestattungen waren kein seltenes Ereignis rund um ein Legionslager, in dem tausende Männer lebten und natürlich auch hin und wieder starben, aber trotzdem niemals etwas alltägliches.

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