Weitere Gespräche III: Lucius Aelius Quarto

  • Wieder einmal kümmerte sich die kleine Schar aus Sklaven um die Sauberkeit und das Vorhandensein jeglicher Vorräte, die dieses höchste aller Officien vorweisen konnte, denn ein neuerlicher Besuch stand an. Der des Consular Lucius Aelius Quarto. Der selbstverständlich über den Postweg ebenfalls informiert wurde.

  • Sofern es sich einrichten ließ, versuchte Cornelius Palma vor seinen Gästen im Arbeitszimmer zu sein. Zum einen hielt er dies für höflich, zum anderen war es nun einmal sein Arbeitszimmer, in dem er auch Zeit mit Arbeit verbringen konnte und wollte, ohne Gäste dort zu haben. Dementsprechend betrat er den Raum schon, während die Diener noch mit letzten Arbeiten befasst waren, nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und befasst sich mit verschiedenen Regierungsangelegenheiten, bis der Consular eintrat.

  • Sehr lange musste der Kaiser nicht warten. Lucius Aelius Quarto betrat das Arbeitszimmer mit leise schlurfenden Schritten. Kurz blickte er sich um, prüfenden Blickes und mit tief gefurchter Stirn.
    Seit seiner Rückkehr nach Rom hatte er dieses Zusammentreffen erwartet. Doch jetzt, wo es dazu kam, fiel Quartos Begrüßung knapp aus: “Appius Cornelius, salve!“


    Er musterte sein Gegenüber ernst. Sie kannten einander natürlich aus dem Senat. Cornelius Palma war etwas jünger als Quarto, hatte seine Karriere im Cursus Honorum jedoch vor ihm begonnen. Früher als er, wurde er Praetor, dann allerdings erst nach ihm zum ersten mal Consul. Sie gehörten mehr oder minder einer Senatorengeneration an und hatten einige Zeit gemeinsam auf den Bänken der Consulare in der Curia Iulia gesessen. Anders als Quarto war Palma allerdings auch oft und lange aus Rom fort gewesen, als Legat einer Legion, oder mehrfach als Statthalter einer der östlichen Provinzen. Wirklich viel hatten sie nie miteinander zu tun gehabt.


    “Ich... ähm... nein, wie bedanken uns für die Einladung. Denn, hier, ich habe meinen Sohn mitgebracht; Gaius Aelius Paetus.“

  • Sein Vater hatte zwei Kaisern gedient, als Beamter der kaiserlichen Verwaltung, als Berater, ja, zweitweise auch als enger Vertrauter. Er kannte den Palast, er war bei diesen Männern ein und aus gegangen und hatte sie beinahe täglich gesehen. Die Situation war ihm nicht gänzlich fremd.
    Paetus schon. Denn als Kind hatte es ihn noch nicht geschert, dass sein Onkel Valerianus, nach dem er selbst Gaius genannt worden war, die Welt beherrschte.
    Der junge Mann war beeindruckt. Zwar bemühte er sich, dass man ihm seine Verunsicherung nicht anmerkte. Doch so ganz wollte es ihm nicht gelingen. Diese Begegnung, das wusste er, war ungemein wichtig. Die Zukunft seiner Familie konnte davon abhängen und seine eigene ohnehin. Ja, er war nervös. Hier und jetzt stand viel auf dem Spiel.


    Er schloss kurz die Augen, atmete einmal tief durch und als sein Vater ihm die Gelegenheit dazu gab, da sagte er: “Salve Imperator!“


    Die zwei Worte kamen klar und fest. Immerhin, ein Anfang war gemacht!

  • Auch Cornelius Palma musterte seine Gäste. Aelius Quarto kannte er selbstverständlich aus dem Senat, hatte ihn aber lange nicht mehr gesehen. Seinen Sohn kannte er gar nicht und hatte auch nicht damit gerechnet, dass er ihn mitbringen würde. Da musste er wohl noch ein wenig mit den Beamten der Kanzlei arbeiten, dass er solche Ergänzungen rechtzeitig vorher erfuhr, um sich darauf einstellen zu können. So unvorbereitet konzentrierte er sich jetzt erst einmal auf den Consular, der ja ohnehin auch derjenige war, den er eingeladen hatte.


    "Salvete. Nehmt Platz. Es freut mich, dich ebenfalls wieder in Rom zu sehen, Aelius Quarto. Die alten Reihen sind also doch nicht gänzlich leer geworden. Ich hoffe, meine Einladung hat dich nicht überrascht, aber ich hörte, dass du das Gespräch mit mir suchtest und wollte diesem Ansinnen nachkommen."


    Gründe miteinander zu sprechen gab es aus seiner Sicht tatsächlich einige, und wenn Aelius Quarto schon seinen Sohn dabei hatte, gab es auch seiner Sicht wohl auch einige.

  • “Das ist richtig.“, antwortete Quarto und ließ sich auf einem der Stühle nieder. “Ich hatte Senator... ähm... Senator Duccius Vala gebeten, dass er den Anstoß zu diesem Treffen gibt. Gut, er hat Wort gehalten.“


    Der Consular wandte sich kurz seinem Sohn zu.
    “Nun setz dich schon, Gaius. Nimm dir einen Stuhl und setz dich zu uns. Wir Älteren sollen nicht zu dir aufschauen müssen.“


    Dann wieder an den Kaiser gerichtet: “Deine Einladung galt nur mir. Aber ich bin alt. Alt und nicht mehr gut zu Fuß. Der Weg hier herauf, er fällt mir schwer und da ist eine starker Arm als Stütze nützlich. Außerdem betrifft das, was wir zu bereden haben, ihn ebenso und vielleicht sogar mehr als mich.“
    Der Aelier war sich also wohl bewusst, dass er sich über die üblichen Gepflogenheiten hinwegsetzte, indem er sich von seinem Sohn begleiten ließ. Als ehemaliger Magister Domus Augusti sollte er das allerdings auch.


    Noch einmal schweifte sein Blick durch den Raum.
    “Du hast dich also schon eingerichtet. Spürst du auch schon die Last, die du dir aufgebürdet hast, als du diesen Platz eingenommen hast?“

  • Cornelius Palma hatte kein gesteigertes Bedürfnis nach zwanglosen Plaudereien, ging aber zunächst trotzdem auf die an ihn gerichtete Frage ein, wenn auch nur sehr allgemein.


    "Es ist schon ein anderes Leben, das man hier im Palast lebt und im Angesicht der Verwanwortung für das gesamte Reich. Nicht zu vergleichen mit dem Leben in einer Stadtvilla oder der Verantwortung über eine Provinz. Und hier im Palast entdecke ich auch jetzt noch ab und zu Neues."


    Viel mehr Einblicke in sein Seelenleben wollte er aber auch gar nicht geben. Dafür stand ihm Aelius Quarto sicher nicht nahe genug, um mit ihm gleich zu Beginn eines Gespräches in Gegenwart weiterer Personen seine derzeitige Belastung zu diskutieren. Zumal dieser ja offensichtlich auch aus anderen Gründen gekommen war.


    "Doch genug von mir und stattdessen zu euch. Was möchtest du thematisieren, das deinen Sohn mindestens genauso betrifft wie dich?"

  • “Das glaube ich gerne, denn der Palatin ist sehr groß. Ich aber kenne ihn gut. Denn dort drüben steht mein Haus. Da habe ich mit meiner Familie jahrelang gelebt. Dort drüben, gleich neben der Domus Tiberiana.“


    Quarto fuchtelte mit der Rechten dorthin, wo, wie er glaubte, die Domus Aeliana stehen müsste. Allerdings täuschte er sich und zeigte nicht in nordöstliche Richtung, sondern wohl eher nach Südosten und damit ziemlich genau auf den Circus Maximus.


    "Worüber ich reden will?" Er hörte auf zu fuchteln. “Ich will meinen Oleander wiederhaben!“
    Das sagte er mit trotzigem Nachdruck und voll gerechtem Zorn über eine vermeintliche Ungerechtigkeit.

  • Paetus rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Er ahnte zwar, was sein Vater meinte. Doch woher sollte das der Kaiser wissen?
    Der junge Aelier fürchtete, dass die Sturheit und unverblümte Redeweise des Älteren, dieses Gespräch gleich zu Beginn in eine unerfreuliche Richtung lenken könnte. Aber mehr als einmal war er von ihm ermahnt worden, nicht von sich aus in die Gespräche der Ranghöheren einzugreifen, nicht ohne gefragt zu werden. Niemand wolle von so einem jungen Kerl wie ihm ständig verbessert, korrigiert, in den Schatten gestellt oder mit schlauen Kommentaren und Vorschlägen behelligt werden, so hatte er ihm eingeschärft.
    Also biss er sich auf die Zunge, sandte ein stummes Stoßgebet zu Mercurius und rutschte stattdessen weiter hin und her.

  • Der ungläubige Blick von CVornelius Palma auf diese Äußerung hin sprach Bände. Tatsächlich wusste er nicht, ob er in Lachen ausbrechen oder sich ernsthafte Sorgen um das geistige Wohl des Aeliers machen sollte. Nach einem Augenblick des Zögerns wandte er sich kurzhand an dessen Sohn.


    "Die Rückerlangung jenes Gewächses tangiert ebenso deine Interessen wie die deines Vaters?"


    Jetzt musste er nur hoffen, dass der Sohn nicht ebenso kryptisch redete wie der Vater.

  • Beinahe wäre Paetus aufgesprungen, als ihn der Kaiser unvermittelt persönlich ansprach. Fast wäre ihm die Antwort übereifrig herausgeplatzt und ihm wäre die ruhige Gelassenheit abhanden gekommen, die man in dieser Situation und von einem Römer seines Standes doch erwartete.
    Aber zum Glück wurde er sich dessen noch rechtzeitig gewahr und so zügelte er seinen nervösen Überschwang, besann sich kurz und antwortete nach einer kurzen Atempause.


    “Mein Vater spricht...“, ein kurzer, sich versichernder Seitenblick zum Alten unterbrach ihn noch einmal, aber dann: “Mein Vater meint die Oleanderbüsche, die unser Peristyl in der Domus Aeliana zieren. Wir mussten sie zurücklassen, als wir Rom verließen, wie so vieles Andere auch. Die Abreise geschah unter besonderen Umständen, im Geheimen, denn es stand zu befürchten, dass der Usurpator meinem Vater nachstellen würde. Nach unserer Rückkehr sind wir zunächst bei Freunden untergekommen, im Haus der Germanii.“

  • “Wir sind nicht nur wegen irgendwelcher Gewächse hier! Es sind die schönsten Oleanderbüsche! Die schönsten, die ich je gesehen habe! Mein Herz hängt an ihnen, an meinem Haus und, überhaupt, wo sollen wir in Zukunft leben? Können wir zurückkehren? Wann?“


    Der alte Mann hatte sichtlich Mühe, dem Beispiel seines Sohnes zu folgen und die Fassung zu wahren.
    Ihm wurde aber wohl bewusst, dass es kein allzu günstiges Bild abgab sich so furchtbar aufzuregen. Er schloss kurz die Augen, atmete tief durch, war noch immer im höchsten Maße aufgebracht, jedoch sichtlich bemüht ruhiger zu klingen, als er nun weitersprach:
    “Worum es eigentlich geht...“ Das war mehr ein Schnaufen. Er öffnete wieder die Augen und sah den Kaiser ernst und direkt an.
    “Was ich wissen muss, Appius Cornelius, direkt und unumwunden gefragt: Wie stehst du zu uns?“


    Er verzog den Mund abschätzig.
    “Es geht dabei nicht um mich. Ich bin alt und weiß genau, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Meine Tage sind bemessen. Kein lebender Mensch wird daran viel ändern. Aber was ist mit meiner Familie? Was ist vor allem mit meinem Sohn? Darum ist er heute hier. Er soll erfahren, was er zu erwarten hat, worauf er hoffen darf, oder... worauf nicht.“

  • Das Unverständnis wich langsam aus der Miene von Cornelius Palma, als die Frage präzisiert wurde. Tatsächlich stellte sich die Frage nach dem Haus als eine recht naheliegende heraus, während die Frage nach der Zukunft der Familie zweifellos eine sehr schwierige war. Cornelius Palma begann daher mit der einfacheren.


    "Ich verstehe. Die Domus Aeliana. Ich muss zugeben, mir über sie noch keine näheren Gedanken gemacht zu haben, denn über die nötigste Einrichtung hinaus bin ich noch nicht einmal mit meinen Wohnräumen auf dem Palatin vorangekommen. Die Domus Aeliana ist meines Wissens derzeit unbewohnt und es steht meines Erachtens auch nichts im Wege, dass ihr sie wieder bezieht, zumindest bis auf Weiteres."


    Wobei jenes Weitere nun nahtlos zur nächsten Frage überleitete, denn das Verhältnis zwischen der Gens Aelia und dem amtierenden Kaiser würde zweifellos darüber entscheiden, ob erstere den privilegierten Wohnsitz weiterhin behalten dürfte oder nicht.


    "Ich sehe in euch eine wichtige Familie der jüngeren römischen Geschichte und in dir ganz persönlich den Bruder des Mannes, der mir sein Amt vererbt hat. Es würde mich daher nicht nur freuen, sondern ich würde es sogar erwarten, dass ihr euren dementsprechenden Platz in Rom einnehmt."


    Sein Blick wanderte dabei langsam von Aelius Quarto zu dessen Sohn, denn wenn es um die Zukunft ging, war er wohl der wichtigere Ansprechpartner, ganz so, wie Aelius Quarto es zu Beginn des Gesprächs angedeutet hatte.

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