Weiter auf dem Weg Richtung Osten

  • Die Winde standen nicht allzu gut, aber bei einer Schiffspassage zu dieser Jahreszeit wollte Cornelius Palma auch nicht zu viel erwarten. Es war ohnehin Glück gewesen, dass er einen Kapitän gefunden hatte, der die Fahrt machen wollte. Glück und vielleicht auch ein bisschen Geld. Die Länge der Tage ließ sich von letzterem aber nicht beeindrucken und die Dämmerung war schon gefährlich weit fortgeschritten, als das Schiff das Hafenbecken von Phoenice in Epirus erreichte. Palma zahlte großzügig und bezog Quartier in einer Herberge. Er ging früh zu Bett, um am nächsten Morgen früh aufstehen zu können.


    Im Morgengrauen brachen er und seine Begleiter auf, um auf dem Landweg Epirus und Macedonia zu durchqueren. Demetrias an der Küste des Mare Thracium war diesmal das Ziel, um die Reise im günstigsten Fall von dort aus wieder mit dem Schiff nach Kleinasien fortsetzen zu können. Aber bis es soweit war, standen noch zwei Übernachtungen im Landesinneren an. Palma nutzte die Stationen, um Briefe zu schreiben, vor allem auch in Richtung Italia. Schließlich hatte er dort Männer zurückgelassen, die ihm später noch einmal hilfreich sein sollten und die es zu informieren und zu intruieren galt.


    Von Demetrias aus schickte er auch Briefe an die Statthalter in Thessalonica und Corinthiensis. Vielleicht würde ihm auch das noch eines Tages hilfreich sein.

  • Die Seereise ab Demetrias verlief wesentlich schlechter, als von Cornelius Palma vorgesehen. Dabei war nicht einmal das Wetter schuld, denn der Winter war im Mare Thracium nicht so hart wie auf dem offenen Mittelmeer, sondern es waren einfach allerlei widrige Umstände, die ihn zu vielen spontanen Entscheidungen zwangen. Es war ein regelrechtes Insel-Hopping (um mal einen lateinisch-griechischen Begriff dafür zu verwenden), welches ihm zumindest zweiweilig wie ein Zickzackkurs mit Extrakringel vorkam, statt einer geradlinigen Reise. Mehr als einmal fragte er sich unterwegs, ob der Landweg durch Thracia mit einer Überquerung des Propontis nicht doch schneller und sicherer gewesen wäre, aber dann fiel ihm doch recht schnell immer wieder ein, warum er die andere Route gewählt hatte: Ephesus. Es musst schon eine Menge passieren, damit der Landweg auch bis dorthin noch schneller war als eine Überquerung des Mare Thraciums. Auch wenn Palma länger auf Inseln festsaß als geplant, weil der nächste Kapitän seine eigenen Pläne hatte. Oder sein Schiff ein Loch.


    Aber Ephesus war diese Mühen wert. War diese Stadt erreicht, würde sich Palma erstmals wieder wirklich sicher fühlen.

  • Es fühlte sich für Cornelius Palma tatsächlich an, als betrete er ein Stück vertraute Heimat, als er im Hafen von Ephesos wieder festen Boden betrat. Immerhin hatte er hier mehrere Jahre als Proconsul verbracht und auch wenn dies wiederum selbst schon einige Jahre her war, war die Erinnerung noch nicht verblasst. Er erkannte Dinge wieder, die zu seiner Zeit gebaut worden waren und er erfreute sich am Anblick der Statue, die zu seinen Ehren errichtet worden war, als er seine letzte Amtszeit als Statthalter beendete. Eine Statue, die für ihn nun so eine Art Ausweis war, eine greifbarer Beleg dafür, dass die Stadt ihn respektvoll behandeln würde. Zum ersten Mal auf dieser besonderen Reise nahm er daher auch nicht anonym Quartier in einem Gasthaus, sondern meldete sich namentlich bei einem Gastfreund aus alten Tagen, der ihn mit offenen Armen empfing, wenn auch verwundert angesichts der unangekündigten und auch nicht ganz standesgemäßen Ankunft. Doch die Dinge, die Palma ihm berichten konnte, erklärten die Umstände mehr als gründlich und füllten den ganzen Abend. Ebenfalls zum ersten Mal auf dieser Reise hatte Palma auch keine Eile, zeitig zu Bett zu gehen, um am nächsten Morgen früh abzureisen. Vielmehr hatte er noch am Abend arrangieren lassen, dass er am nächsten Tag beim Statthalter vorstellig werden konnte, einem Senator und Consular, den er natürlich auch aus Rom kannte. Auch dieses Gespräch dauerte länger und Palma gab erneut ausführlichen Bericht, der sich bald in alle Richtungen verteilen würde. Diesmal sogar schneller als seine eigene Reise, denn die ersten Boten in die benachbarten Provinzen und auch an das Ziel seiner eigenen Reise verließen Ephesus noch am selben Tag.


    Palma gönnte sich dagegen einen ausgiebigen Besuch der Thermen und reiste erst am nächsten Tag weiter ostwärts.

  • Von Ephesus aus wählte Cornelius Palma nicht den direkten Weg ins Landesinnere, um entlang des Meander möglichst schnell nach Osten voran zu kommen, sondern blieb an der Küste auf zunächst südlicher Richtung. Das mochte zum einen daran liegen, dass dort die Witterung angenehmer war, als im Landesinneren, aber vor allem lag es an einer strategischen Reiseroute. In ganz Kleinasien standen keine nennenswerten Truppen, die ihm gefährlich werden konnten, wenn sie Befehle aus Rom erhielten. Hier konnte Palma sich also etwas mehr Zeit lassen und dafür alte Kontakte wiederbeleben. Deshalb der Weg an der Küste entlang, denn so kam er nach Patara, Hauptstadt der Provinz Lycia et Pamphylia. Zweifellos eine der unwichtigeren Provinzen, denen kaum jemand im Reich eine besondere Bedeutung zumessen würde, aber wenn man an der Ermordung des Kaisers beteiligt war und dabei war, die Zukunft des Reiches zu gestalten, gab es keine unwichtigen Provinzen. Andererseits war die Provinz klein genug und unwichtig genug, um keine Gefahr darzustellen - immerhin war sie eine Provinz unter Verwaltung des Kaisers und nicht des Senates.


    Als er den Amtssitz des Statthalters betrat, hatte Palma keine Ahnung, ob es ihm dieser Umstand besonders schwer machen würde, für sein Anliegen zu werben. Als er den Amtssitz wieder verließ, hatte er immerhin die Gewissheit, dass der Statthalter nicht völlig gegen ihn eingestellt war. Ein Empfang mit offenen Armen hätte allerdings auch anders ausgesehen. Wenn es so weiter ging, hatte Palma noch einige Arbeit im Osten vor sich, wenn seine Pläne und die seiner Kollegen in Rom erfolgreich sein sollten.


    Von dort hatte er noch nichts wieder gehört. Offenbar war er noch immer schneller als die nachlaufenden Nachrichten.

  • Immer an der Küste entlang schlängelte sich nun der Weg von Cornelius Palma weiter gen Osten. Zu einer anderen Jahreszeit und unter anderen Umständen hätte er in Patara auch wieder ein Schiff besteigen können, um mit einem Zwischenstopp in Paphus auf Cyprus nach Osten vorzustoßen. Nun aber verbot die Jahreszeit solche Wagnisse und der politischen Notwendigkeiten erforderten den Landweg, um nach Cilicia zu kommen. Die kleine Provinz, ehemals berüchtigt für ihre Piraten, die die zahlreichen Buchten der Küste nutzen konnten, hatte zwar keinerlei politisches oder militärisches Gewicht, aber immerhin eine wichtige verkehrstechnische Lage und zahlreiche nicht allzu kleine Städte. Palma reiste daher auch von Stadt zu Stadt, machte Station wo es sich anbot und genoss die Vorzüge, die ein Consular und ehemaliger Proconsul eben genießen kann, wenn er sich auf die Gastrechte eines römischen Bürgers und ehemaligen Promagistraten in den Provinzen beruft. Unter welchen Umständen und Vorzeichen er reiste, drückte er stets auf verschiedene Weise aus und natürlich in keinem Fall so, dass er offen als erstes Aussprach, an einem Mordkomplett gegen den Kaiser beteiligt gewesen zu sein. Immerhin galt es, eben hier Unterstützung für seine Person zu sammeln.


    In Tarsus suchte Palma den Statthalter auf und gönnte sich einen ganzen Tag in der Provinzhauptstadt. Das Gespräch verlief etwas günstiger als jenes zuvor in Patara. Die Boten des Statthalters in Ephesus, die er vorausgeschickt hatte, hatten hier offenbar gute Arbeit geleistet beziehungsweise die Worte aus Kleinasien waren hier auf günstigeren Boden gefallen. Es war ein freundschaftliches Gespräch, das Palma bei einem guten Essen führen konnte und was ihn dazu brachte, diese Provinz auf der Haben-Seite zu verbuchen. Sollten seine Pläne aufgehen, würde er sicher eine Gelegenheit finden, sich beim Statthalter zu revanchieren.


    Am nächsten Tag ging es weiter. Antiochia war nicht mehr weit.

  • Als sich am Horizont die Stadt Antiochia in der Provinz Syria abzeichnete, entfuhr Cornelius Palma ein leichter Seufzer der Erleichterung und Dankbarkeit. Die hastige Reise war anstrengender gewesen, als er sich selber eingestehen wollte und selbst wenn er die zweite Hälfte wesentlich ruhiger angegangen war, hatte ihn die ständige Anspannung viele Kräfte gekostet. Er freute sich darauf, nun endlich mehrere Tage an einem Ort bleiben zu können, wirklich ruhig schlafen zu können und wieder Vertraute um sich zu haben. Zumindest war letzteres zu erwarten, wenn Tiberius Durus die gute Vorarbeit geleistet hatte, von der er in Rom zu berichten wusste.


    Tatsächlich war dies auch der Fall und der Statthalter empfing den besonderen Gast aus Rom breitwillig und freundschaftlich. Es waren sogar schon Zimmer vorbereitet und beim ersten gemeinsamen Essen konnte Veturius Cicurinus zudem zahlreiche Nachrichten weitergeben, die er auf eigene Initiative hatte ermitteln lassen. Nicht nur an diesem Tag, sondern auch an den folgenden verbrachten die beiden Männer viele Stunden miteinander, besprachen ihre Pläne und empfingen neue Nachrichten aus Rom und anderen Teilen des Reiches. Über den Notstand, der in Rom verhängt worden war, wussten sie inzwischen genauso Bescheid wie über die Haltung einiger Statthalter zu den Verschwörungstheorien. Nach und nach trafen auch noch weitere Vertraute und Helfer von Palma ein, die er auf der schnellen Reise abgehängt hatte oder die in Asia eine andere Route genommen hatten. Und nicht zuletzt sammelten sich auch Palmas Kräfte wieder, um nach einigen Tagen der Erholung bald wieder aktiver zu werden.

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