Fortuna

Aus Theoria Romana
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Fortuna war die römische Göttin des Glücks, des Zufalls und des Erfolgs, aber auch des Schicksals. Als Personifikation dieser Attribute wurde sie mit der griechischen Göttin Tyche gleichgesetzt, obwohl diese eher negative Charakterzüge symbolisierte. Bereits die Griechen wandelten Tyche in hellenistischer Zeit ab, indem der Beiname agathe (=Ausruf: Wohlan!) für die guten Eigenschaften verwendet wurde.

Ihr Kult soll von König Servius Tullius eingeführt worden sein, der sich auch als deren mythischer Gemahl ausgab. Damals wurde sie einfach Fortuna oder Fors Fortuna genannt. Der König soll von ihr heimlich durch ein Fenster besucht worden sein. In späterer Zeit hatte jeder Kaiser mit der Fortuna Augusta seine Eigene Fortuna. Die grössten Kultzentren fanden sich mit Rom, Antium (heute Anzio) und Paeneste in Latium. Doch waren überall im Imperium Kultstätten der Fortuna zu finden. Ihre Statuetten fanden sich in Villen genauso, wie in Legionslagern.

Ausgrabungen belegen einen Fortunatempel in Rom am Forum Boarium für das zweite Viertel des 6. Jh. v.Chr.; genau jener Zeit, in der Servius Tullius regiert haben soll. In der Anlage wurde zugleich die Göttin Mater Matuta verehrt. Um 530 v.Chr. wurde das Gebäude erneuert. Im 4. Jh. v.Chr. erhielten beide Göttinnen eine eigene Kultcella. Dazwischen wurde eine 27 m lange Zisterne errichtet, die den belebten Marktplatz versorgte. Auch andere Tempel zu Ehren der Göttin werden Servius Tullius zugeschrieben, so z.B. jene an der Via Campana jenseits des Tibers. Bald nach 300 v.Chr. erhielt Fors Fortuna am ersten Meilenstein durch Spurius Carvilius Maximus, dem Konsul von 293 v.Chr., einen weiteren Tempel. 19 v.Chr. - im Jahr der Rückkehr des Augustus aus dem Osten - wurde an der Einmündung der Via Appia in die Stadt ein monumentaler Tempel zu Ehren der Fortuna Redux (= die Zurückkehrende) errichtet, die in Zweigestalt auftritt. Dort wurden Feiern namens Augustalia anlässlich seiner Rückkehr am 12. Oktober abgehalten.

In Summe gab es in Rom 30 uns bekannte Fortunaheiligtümer. Der offiziellste von ihnen waren die drei Tempel der tres Fortunae am Quirinal. Der älteste davon war vor einer Schlacht gegen Hannibal von Konsul Publius Sempronius Sophus 204 v.Chr. gelobt zu bauen und nach dem Zweiten Punischen Krieg eingeweiht worden. Der Titel der Göttin lautete hier Fortuna publicae populi Romani Quiritium primigenia. Ein ähnliches Gelübde wurde von Quintus Lutatius Catulus (3) 101 v.Chr. vor der Schlacht von Vercellae gegen die Kimbern abgelegt. Er nannte die Göttin Fortuna huiusce diei (=Göttin dieses Tages) und weihte den Tempel am Marsfeld an einem Jahrestag der Schlacht ein. Im Heiligtum wurde vom Volk die Fortuna verehrt, deren Macht sich auf jeden Tag erstreckt. So wurde sie von den Römern täglich erneut angefleht. Einen gleichartigen Tempel dürfte es auf dem Palatin gegeben haben. Wie Augustus liess auch Domitian einen Tempel der Fortuna Redux - diesmal auf dem Marsfeld nahe der Porta Triumphalis - errichten.

In Praeneste wurde in der späten Republik das Heiligtum in monumentalem Stil als Terassenanlage ausbaut. Sulla fügte kostbare Ausstattungen hinzu und Mark Anton schmückte es mit seinen Anhängern durch prächtige Weihegeschenke.

Das Stiftungsfest Matralia des Tempels am Forum Boarium lag mit dem 11. Juni in der Zeit der Wasserknappheit. Die römischen Matronen - denn nur den Patrizierinnen war hier der Kult zugänglich - suchten an diesem Tag das nunmehrige Doppelheiligtum auf und beteten zuerst für das Wohl der Kinder ihrer Schwestern. Dabei dürfte es sich um eine sehr alte Kulthandlung aus vorpatriarchaler Zeit handeln. Die Besiedlungsgeschichte des Kultortes lässt sich bis ins zweite Jahrtausend v.Chr. zurückverfolgen. In der Bronzezeit trafen sich hier die Handelswege zu Land und zu Wasser. Auch ist gesichert, dass die damaligen Kulte vorwiegend matriarchalischen Charakter hatten. Auch die Zweiheit von Göttern entstammt ursprünglich dieser Epoche.

Die Matronen verehrten als deae nutrices (=göttliche Ammen) eine mütterliche und eine bräutliche Göttin, die nicht nur für die Säuglinge, sondern auch den Schutz über den weiteren Lebensweg zuständig waren. Eine offensichtliche dea nutrix war die Fortuna Primigenia von Praeneste. Cicero überlieferte, dass sich im dortigen Tempel eine Statue der Göttin mit Iuppiter und Iuno als Kleinkinder an deren Brust befand. Möglicherweise ist der Dichter hier einem Ammenmärchen aufgesessen, doch zeigt sich wiederum der mütterliche Charakter. Die Darstellung steht in deutlichen Gegensatz zur Tyche mit Füllhorn und Ruder.

Am 24. Juni ehrte man Fors Fortuna an der Via Campana und auf dem Tiber. Das Fest war allen Römern, selbst den Sklaven, zugänglich. Die Kähne auf dem Tiber wurden bekränzt und man führte reichlich Wein mit. Die Prozession bewegte sich an einer Route entlang der beiden Heiligtümer. In dieser Gegend waren auch die Salzseen zu finden, aus denen Meersalz gewonnen wurde. So ist davon auszugehen, dass Fortuna hier den Transport des Salzes beschützte. In archaischer Zeit lag das Gebiet gefährlich nahe am Einflussgebiet der Etrusker. Die Etrusker waren für die Verehrung von Schicksalsgöttinnen bekannt und so dürfte die Errichtung derartiger Heiligtümer auch einen religiös-politischen Charakter besitzen.

Neben den zahlreichen Kulten, konnte sie viele Beinamen für sich beanspruchen. Diese Beinamen leiteten sich nicht von der Göttin ab, sondern charakterisierten ihr Wesen von aussen. Beispiele sind equestris, privata, redux und virilis. Deshalb ist sie in erster Linie als Personifizierung denn als reine Göttin anzusehen. Die alte Bezeichnung Fors Fortuna ist für die römische Religion typisch. Aius Locutius oder Ops Opifera sind andere Beispiele für die sogenannte tautologische Namensgebung (=Verstärkung eines Hauptbegriffes durch Beifügung eines zweiten Begriffes gleichen oder ähnlichen Charakters) der Römer. In Fors Fortuna steckt zweimal das Wort ferre (=tragen, bringen).

Fortuna wird im allgemeinen mit den Launen des Glücks in Verbindung gebracht. Dabei handelt es sich um ein Relikt der Gleichsetzung mit der griechischen Tyche. Fortuna selbst ist die Personifizierung des gelenkten Zufalls. Sie schenkt nicht zufällig, sondern bringt bewusst. Dies wird besonders deutlich beim Vergleich der alten Kulte, denn der Fortunakult in Rom war älter als der Tychekult in Griechenland. Dies führte an manchen Kultorten dazu, dass zwei verschiedene Göttinnen als Fortuna verehrt wurden. In Antium etwa gab es zwei Fortunae, eine für die klassisch-römische, die andere für die hellenistische Interpretation. Auch die Doppelverehrung mit Mater Matuta zeigt eine Mutterrolle, die sie selbständig ausserhalb der Tyche-Gleichsetzung entwickelt hat. In hellenistischer Zeit ging ihr Kult in den der Isis ein.

Die Attribute der geflügelten Göttin sind äusserst vielfältig. Zu ihr gehören das Füllhorn, Rad oder Kugel, Steuerruder zu ihrer Rechten, die von der Isis übernommene Mondscheibe und der Caduceus (Heroldsstab). Füllhorn und Steuerruder symbolisieren nicht nur ihre schenkende und lenkende Macht, sondern auch die Zuständigkeit für die Geschicke auf Land und Meer. In diesem Sinne wandten sich Bauern und Seeleute an die Göttin. Zudem gab es eine Verbindung mit Herkules. Dieser half den Reisenden und Transporteuren bei Transportproblemen und in diesem Zusammenhang wird auch Fortuna angerufen, die die Hilfeleistung des Herkules verstärken und sicheres Geleit bringen soll. So darf es nicht verwundern, dass die Personifikation der Getreideversorgung in der Kaiserzeit mit den Attributen der Ceres und der Fortuna zugleich dargestellt wurde. Die Form der nicht-mütterlichen Fortuna trägt oftmals (z.B. im Tempel der Fortuna Redox) amazonenhafte Züge und wird mit Helm und entblösster Brust dargestellt. Ihre Gesichtszüge strahlten heitere Ruhe und majestätische Gelassenheit (ob ihrer Herschaft über das Schicksal) aus.

Im Osten des Reiches war die Tychedarstellung infolge des griechischen Einflusses stärker verbreitet. Ihre Amazonenhaftigkeit verlieh ihr des öfteren ein kriegerisch anmutendes Wesen. Im Westen hatten sich diese kriegerischen Attribute auf die Personifizierung der Stadt Rom übertragen. So wurde Roma an Augustus' Seite als die Schicksalsgöttin des Imperiums verehrt.

Ein besonderer Verehrer der Fortuna war Kaiser Trajan. Es war ihm aufgefallen, dass es allzuviele Beinamen für die Göttin in der Hauptstadt gab. So liess er einen Tempel der Fortuna omnium (=Allfortuna) errichten. Dieser Fortuna wurde ein sehr exponierter Feiertag zugeteilt: der 1. Januar. Man betete zu ihr um das Heil aller Tage des neuen Jahres. Aus dieser Zeit gibt es auch Abbildungen im Zusammenhang mit Soldaten. Das Schicksal der aus der Armee Entlassenen sollte weiterhin in Treue mit dem Kaiser verbunden sein. Hierbei sind Fortuna als Schicksal und Fides als Treue miteinander verschmolzen.

Darstellungen der Fortuna finden sich auf zahlreichen Münzen, Gemmen und Reliefs. Trajan liess sie in vielen Mauerkronen darstellen. Auch Fortuna-Statuetten sind häufig überliefert.