Alpes Graiae et Poeninae: Unterschied zwischen den Versionen

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'''''D'''''as Wallis in römischer Zeit
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[[Kategorie:Provinz]]
Die Eroberung des Wallis (aus Cäsars De Bello Gallico):
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===Lage und Geografie===
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Die Provinz ''Alpes Graiae et Poeninae'' umfasste ein im Vergleich zu anderen Provinzen sehr kleines Gebiet in den westlichen [[Alpes|Alpen]], nämlich das ''vallis Poenina'' (heute Wallis) nördlich des Großen St. Bernhard am Oberlauf des ''[[Rhodanus]]'' (heute Rhone) sowie das Gebiet um den Oberlauf der Isere westlich des Kleinen St. Bernhard.
  
Das Wallis wurde in vorrömischer Zeit von vier [[Kelten]]stämmen bewohnt. Im Westen am Genfersee von den Nantuaten, am Rhoneknie von den Veragrern, im Mittelwallis von den Sedunern und im Oberwallis im Osten von den [[Uberer]]n.  
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===Vorrömische Geschichte===
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Das heutige Wallis wurde in vorrömischer Zeit von vier [[Kelten]]stämmen bewohnt: Im Westen am Genfersee von den Nantuaten, am Rhoneknie von den Veragrern, im Mittelwallis von den Sedunern und im Oberwallis im Osten von den [[Uberer]]n. Der Kleine St. Bernhard wurde dagegen im Westen von den Ceutronen und im Osten von den Salassern kontrolliert.  
  
[[Gaius Julius Cäsar]] beschreibt in seinem [[De Bello Gallico]] unter anderem die Eroberung des Wallis durch die Römer. Im Herbst des Jahres 57 v. Chr. schickte er die 12. [[Legion]] mit einer Reiterabteilung unter der Führung des Servius Galba in das Gebiet des Genfersees. Ziel Galbas war die Sicherung der Alpenübergänge, vor allem des Grossen St.-Bernhard-Passes. Galba näherte sich ohne grossen Widerstand von Norden her dem Wallis und unterwarf die Nantuaten und die Veragrer. Er beschloss, im Octodurus genannten Dorfe der Veragrer (das heutige Martigny/Martinach) das Winterquartier aufzuschlagen; zwei Kohorten liess er im Gebiet der Nantuaten zurück. Das Dorf Octodurus wurde von einem Fluss geteilt. In der einen Dorfhälfte errichteten die Römer ein befestigtes Lager, die andere Hälfte überliessen sie den Einwohnern. Unterdessen brachten die Veragrer Verstärkung von den Sedunern herbei und stürmten von allen Seiten auf das befestigte Lager. Nach einem sechs Stunden anhaltenden Abwehrkampf beschlossen die römischen Truppen den Ausfall. Beim darauf folgenden Gemetzel wurden die Gallier in die Flucht geschlagen; von den 30000 (?) Barbaren soll jeder dritte gefallen sein. Da sie knapp an Vorräten waren und der Winter vor der Tür stand, beschlossen die Römer trotz des Sieges über die [[Kelten]], das Lager zu räumen und das Dorf niederzubrennen. Galba zog seine [[Legion]] ohne Verluste in das Gebiet der Nantuaten zurück und ging von dort zu den [[Allobroger]]n (Region Genf), wo er Winterquartier bezog.  
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Im Herbst des Jahres 57 v. Chr. schickte [[Gaius_Iulius_Caesar_(2)|Gaius Iulius Caesar]] die 12. [[Legion]] mit einer Reiterabteilung unter der Führung des Servius Galba in das Gebiet des Genfersees, um die Alpenübergänge, vor allem am Grossen St. Bernhard, zu sichern. Trotz militärischer Erfolge und der Einnahme des keltischen Hauptortes ''Octodurus'' (heute Martigny/Martinach) von den Veragrern zog er sich jedoch wieder aus dem Gebiet zurück, um ein geeigneteres Winterquartier aufzusuchen.
  
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Im Jahr 25 v. Chr. besiegte Appius Terentius Varro Murena die Salasser und vermutlich auch die Ceutronen und öffnete damit den Kleinen St. Bernhard, der als Passroute ''per Alpes Graias'' bezeichnet wurde. Im Zusammenhang mit den Alpenfeldzügen des [[Drusus]] wurde etwa 15 v. Chr. auch die ''vallis Poenina'' erobert. Beide Gebiete wurden zunächst aber noch nicht in eine Provinz umgewandelt, sondern lediglich römischer Militärverwaltung unterstellt, wobei das Wallis der nördlichen Nachbarprovinz ''[[Raetia]]'' zugeordnet war.
  
Zeittabelle der [[Provinz]] Vallis Poenina (Wallis) 57 v. Chr.- 454 n. Chr.
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===Römische Geschichte===
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Erst unter [[Claudius]] wurden die vier Stämme des Wallis zur ''civitas Vallensium'' zusammengefasst und ihr Hauptort ''Octodurus'' in ''Forum Claudii Vallensium'' umbenannt. Das Gebiet wurde zusammen mit den ''Alpes Graiae'' zur Provinz ''Alpes Graiae et Poeninae'' zusammengefasst und einem ''procurator Augusti'' unterstellt, der zur Rangklasse der ''centenarii'' gehörte. Die Provinz stand jedoch zusätzlich unter der Oberaufsicht des Statthalters von ''[[Germania superior]]'', der für die militärische Sicherung der Passrouten zuständig war.
  
57 v. Chr.: Schlacht bei Octodurus (Martigny). Der Versuch der Römer, durch Galba die direkte Verbindung zwischen [[Italia]] und Nord[[gallia]] (Grosser St.-Bernhard-Pass) zu sichern, scheitert.
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Weitere Nachrichten aus der Provinz sind spärlich. Kaiser [[Valerianus]] liess 253 n. Chr. in ''Forum Claudii Vallensium'' ein ''[[nymphaeum]]'' und einen [[Aquädukt]] errichten, ansonsten lassen sich vor allem Erneuerungen und Reparaturen der Passstraßen durch Inschriften nachweisen. Die Provinzreform des [[Diokletian]] belässt die Provinz in ihren Ausmaßen unverändert. In der Mitte des 4. Jh. n. Chr. zieht das [[Christentum]] in der Provinz ein und 394 n. Chr. wird der Tempel des ''[[Iuppiter]] Poeninus'' auf dem Großen St. Bernhard auf Befehl von [[Theodosius I.]] zerstört. Unter Flavius [[Aetius]] wurden 443 n. Chr. die [[Burgunder]] in der Westschweiz angesiedelt und zehn Jahre später endet mit dem Tod des Aetius die römischen Herrschaft und das Provinzgebiet wird dem burgundischen Königreich eingegliedert.  
15 v. Chr.: Eroberung der Zentralalpen durch [[Tiberius]] und [[Drusus]].
 
8-6 v. Chr.: Erste Loyalitätsbezeugungen der Walliser Keltenstämme der Seduner und Nantuaten.
 
7/6 v. Chr.: Siegerdenkmal von La Turbie bei Monaco zu Ehren des [[Kaiser]]s [[Augustus]]. Aufgeführt sind unter anderem die Walliser Volksstämme "Uberi", "Nantuates", "Seduni", "Veragri". Das Gebiet der Vallis Poenina wird in die [[Provinz]] "[[Raetia]] et Vindelicum" eingegliedert.
 
23 n. Chr.: Die vier Stammesgemeinschaften (civitates) der Vallis Poenina errichten Steindenkmäler zu Ehren des [[Drusus]], Sohn des [[Tiberius]] und zu Ehren von [[Caligula]].
 
41-47: [[Kaiser]] [[Claudius]] erhebt das Wallis zur eigenen [[Provinz]] Vallis Poenina. Die Walliser erhalten das lateinische Bürgerrecht.
 
Es ist hierbei nicht sicher, ob die [[Provinzen]] Vallis Poenina und [[Alpes Graiae]] (Grajische Alpen) bis zur Verwaltungsreform des [[Diokletian]] um 300 n. Chr. zusammen verwaltet oder möglicherweise eigenständige [[Provinzen]] waren. Die Hauptstadt von [[Alpes Graiae]] war Axima (Römischer Name: Forum Claudii Ceutronum), das heutige Aime-en-Tarentaise. Unter [[Diokletian]] wurden die [[Provinz]] Alpes Poenina et Graiae der Präfektur [[Gallia]] unterstellt.
 
ca. 47: Gründung der Hauptstadt Forum Claudii Augusti am Orte von Octodurus. Nach dem Tode des [[Claudius]] wurde die Stadt in Forum Claudii Vallensium umbenannt.  
 
ab 47: Ausbau der Passroute des Großen St. Bernhard, mit Meilensteinen (Ausgangspunkt: Forum Claudii Vallensium).  
 
69: Ein Teil der [[Legion]]en des Vitellius überschritt im Winter (!) den Grossen St. Bernhard-Pass. - Im März überquerte Caecina mit seiner Armee den Pass.
 
ca. 100: Errichtung des Amphitheaters und Vergrösserung des Forums in Forum Claudii Vallensium
 
ca. 200: Errichtung eines Mithräums.
 
253: [[Kaiser]] [[Valerianus]] liess in Forum Claudii Vallensium ein [[Nymphäum]] und einen [[Aquädukt]] errichten.  
 
275-277 (?): Bei Acaunus wurden wahrscheinlich die [[Alemannen]] zurückgeschlagen. Die [[Provinz]] blieb aber von Zerstörungen verschont, Wirtschaft und Handel erlitten jedoch einen herben Rückschlag.
 
ca. 300: Publius Acilius Theodorus weihte dem Sonnengott [[Mithras]] in Forum Claudii Vallensium einen Altar. - Legende vom Martyrium der Thebäischen [[Legion]] (Hl. Mauritius) in Acaunus (St. Maurice).
 
308-312: Entlang der Passstrasse über den Grossen St. Bernhard (Summus Poeninus) wurden neue Meilensteine aufgestellt.
 
ab 350 allmählicher Niedergang der Stadt und des Civitas Forum Claudii Vallensium. Die Stadt wurde wieder vermehrt Octodurus genannt. Die Stadt entwickelte sich aussserhalb des römischen Zentrums weiter.
 
377: In Sitten (Drusumagnos?) bekannte sich der Provinzstatthalter Pontius Asclepiodotus offen zum Christentum und stiftete ein erstes(?) Gotteshaus. Das Christentum setzte sich allmählich gegen die gallo-römischen [[Religion]]en und den [[Mithras]]kult durch.
 
381: Der Hl. Theodor oder St. Joder von Octodurus, erster namentlich bekannter Bischof im Wallis, war Teilnehmer an der Synode von Aquileja.
 
ca. 350-400: Erste bischöfliche Kathedrale von Octodurus am Stadtrand von Forum Claudii Vallensium. Hierbei wurde ein bestehendes römisches Gebäude umgebaut.  
 
443: Unter Flavius [[Aetius]] wurden die [[Burgunder]] in der Westschweiz angesiedelt.
 
um 450: Bischof Eucherius von Lyon schickte die Passion der Märtyrer von Acaunus dem Walliser Bischof Slavius. Die Passion der Märtyrer von Acaunus ist die erste schriftliche Quelle der Legende des Hl. Mauritius und der Thebäischen [[Legion]].
 
454: Tod des [[Aetius]] und Ende der römischen Herrschaft in [[Gallia]]. Das Wallis wird dem burgundischen Königreich eingegliedert.  
 
  
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===Strategische Bedeutung===
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Die Provinz ''Alpes Graiae et Poeninae'' war zur Sicherung der beiden Pässe des Großen und Kleinen St. Bernhard fast ausschließlich von verkehrsstrategischer Bedeutung. Die verschiedenen Baumaßnahmen verursachten jedoch zum Teil erhebliche Kosten und lassen sich durch zahlreiche Inschriften und [[Meilenstein]]e belegen. Die von Osten aus der nördlichen [[Padus|Poebene]] über ''Eporedia'' (heute Ivrea) kommende [[Straße]] teilte sich in ''Augusta Praetoria'' (heute Aoste) und führte von dort westliche über den Kleinen St. Bernhard und nördlich über den Großen St. Bernhard.
  
Quelle: [http://lexikon.freenet.de/Geschichte_des_Wallis Lexikon]
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Einzige sonstige namhafte Erwähnung fand die [[Käse]]sorte ''vatusicum'' (auch ''caesus vatusicus'') aus den ''Alpes Graiae'', die auch am Kaiserhof gegessen wurde und vom Arzt [[Galenos]] empfohlen wurde (''De alimentorum facultatibus'', III 16.3).
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'''Literatur:'''<br>
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Tilmann Bechert, ''Die Provinzen des römischen Reiches'', Mainz, 1999<br>
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[http://lexikon.freenet.de/Geschichte_des_Wallis Lexikon: Geschichte des Wallis]<br>
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[http://lexikon.freenet.de/Alpes_Graiae Lexikon: Alpes Graiae]

Aktuelle Version vom 2. Dezember 2012, 14:25 Uhr

Lage und Geografie

Die Provinz Alpes Graiae et Poeninae umfasste ein im Vergleich zu anderen Provinzen sehr kleines Gebiet in den westlichen Alpen, nämlich das vallis Poenina (heute Wallis) nördlich des Großen St. Bernhard am Oberlauf des Rhodanus (heute Rhone) sowie das Gebiet um den Oberlauf der Isere westlich des Kleinen St. Bernhard.

Vorrömische Geschichte

Das heutige Wallis wurde in vorrömischer Zeit von vier Keltenstämmen bewohnt: Im Westen am Genfersee von den Nantuaten, am Rhoneknie von den Veragrern, im Mittelwallis von den Sedunern und im Oberwallis im Osten von den Uberern. Der Kleine St. Bernhard wurde dagegen im Westen von den Ceutronen und im Osten von den Salassern kontrolliert.

Im Herbst des Jahres 57 v. Chr. schickte Gaius Iulius Caesar die 12. Legion mit einer Reiterabteilung unter der Führung des Servius Galba in das Gebiet des Genfersees, um die Alpenübergänge, vor allem am Grossen St. Bernhard, zu sichern. Trotz militärischer Erfolge und der Einnahme des keltischen Hauptortes Octodurus (heute Martigny/Martinach) von den Veragrern zog er sich jedoch wieder aus dem Gebiet zurück, um ein geeigneteres Winterquartier aufzusuchen.

Im Jahr 25 v. Chr. besiegte Appius Terentius Varro Murena die Salasser und vermutlich auch die Ceutronen und öffnete damit den Kleinen St. Bernhard, der als Passroute per Alpes Graias bezeichnet wurde. Im Zusammenhang mit den Alpenfeldzügen des Drusus wurde etwa 15 v. Chr. auch die vallis Poenina erobert. Beide Gebiete wurden zunächst aber noch nicht in eine Provinz umgewandelt, sondern lediglich römischer Militärverwaltung unterstellt, wobei das Wallis der nördlichen Nachbarprovinz Raetia zugeordnet war.

Römische Geschichte

Erst unter Claudius wurden die vier Stämme des Wallis zur civitas Vallensium zusammengefasst und ihr Hauptort Octodurus in Forum Claudii Vallensium umbenannt. Das Gebiet wurde zusammen mit den Alpes Graiae zur Provinz Alpes Graiae et Poeninae zusammengefasst und einem procurator Augusti unterstellt, der zur Rangklasse der centenarii gehörte. Die Provinz stand jedoch zusätzlich unter der Oberaufsicht des Statthalters von Germania superior, der für die militärische Sicherung der Passrouten zuständig war.

Weitere Nachrichten aus der Provinz sind spärlich. Kaiser Valerianus liess 253 n. Chr. in Forum Claudii Vallensium ein nymphaeum und einen Aquädukt errichten, ansonsten lassen sich vor allem Erneuerungen und Reparaturen der Passstraßen durch Inschriften nachweisen. Die Provinzreform des Diokletian belässt die Provinz in ihren Ausmaßen unverändert. In der Mitte des 4. Jh. n. Chr. zieht das Christentum in der Provinz ein und 394 n. Chr. wird der Tempel des Iuppiter Poeninus auf dem Großen St. Bernhard auf Befehl von Theodosius I. zerstört. Unter Flavius Aetius wurden 443 n. Chr. die Burgunder in der Westschweiz angesiedelt und zehn Jahre später endet mit dem Tod des Aetius die römischen Herrschaft und das Provinzgebiet wird dem burgundischen Königreich eingegliedert.

Strategische Bedeutung

Die Provinz Alpes Graiae et Poeninae war zur Sicherung der beiden Pässe des Großen und Kleinen St. Bernhard fast ausschließlich von verkehrsstrategischer Bedeutung. Die verschiedenen Baumaßnahmen verursachten jedoch zum Teil erhebliche Kosten und lassen sich durch zahlreiche Inschriften und Meilensteine belegen. Die von Osten aus der nördlichen Poebene über Eporedia (heute Ivrea) kommende Straße teilte sich in Augusta Praetoria (heute Aoste) und führte von dort westliche über den Kleinen St. Bernhard und nördlich über den Großen St. Bernhard.

Einzige sonstige namhafte Erwähnung fand die Käsesorte vatusicum (auch caesus vatusicus) aus den Alpes Graiae, die auch am Kaiserhof gegessen wurde und vom Arzt Galenos empfohlen wurde (De alimentorum facultatibus, III 16.3).

Literatur:
Tilmann Bechert, Die Provinzen des römischen Reiches, Mainz, 1999
Lexikon: Geschichte des Wallis
Lexikon: Alpes Graiae