• "Haste so was schon mal gemacht?""Nein, du etwa?"
    Der erste schüttelte den Kopf. "Aber so schwer wird's schon nich' sein." Wären die Zähne des Mannes weiß gewesen, hätte sein Grinsen vermutlich im Halbdunkel geschimmert.
    Ein dritter spähte um die nächste Hausecke. "Da kommt jemand."
    Fragende Blicke der anderen beiden.
    "Sieht aus wie irgendeine besoffene Niete", fügte der dritte Mann hinzu und lächelte.
    "Perfekt." Der erste nahm einen Knüppel in die Hände.


    Avianus noch etwas Zeit mit ein paar Kameraden in einer Taberna verbracht. Jetzt, da es schon zu dämmern begonnen hatte, hatte er es für besser gehalten, sich auf den Weg zu machen. Die anderen hatten sich noch etwas Zeit gönnen wollen und waren in der Schenke zurückgeblieben.
    Der Iunier fuhr sich müde durch die Haare. Zeit, dass er in die Castra zurückkam. Er blieb kurz stehen, sog die kühle Abendluft tief ein – eine willkommene Abwechslung zu der stickigen Luft der Taberne, in der er noch vor kurzem gesessen hatte. Dann setzte er seinen Weg fort.


    Den Schlag, der seinen Kopf traf, spürte er kaum, so schnell fielen bei dem Iunier jegliche Sinne aus. Ein dumpfer Schmerz, das Bild der Pflastersteine, die rasch näher kamen und aufgeregte Stimmen waren das letzte was er wahrnahm, bevor alles dunkel wurde.
    "Du hast gesagt, da kommt igendeine besoffene Niete! Sieht das da aus wie eine besoffene Niete???"
    "Nein… das ist ein Soldat…", sagte der dritte unsicher.
    "Ach echt? Verdammt nochmal, wir können doch keinen scheiß Gardisten ausnehmen! Am Ende wacht er wieder auf und dann?"
    "… und besoffen is' er auch nicht, glaub' ich. Jedenfalls nich' so richtig."
    "Halt einfach deine Klappe, klar?"

    Währenddessen durchsuchte der zweite, ein kleiner dürrer Mann, praktisch unbemerkt den bewusstlosen Soldaten, der vornüber auf den Boden gekippt war.
    "Der hat gar keine Rüstung an! Und den Gürtel sieht man bei dem scheiß Licht nicht!", verteidigte sich der, der um die Ecke gespäht hatte.
    "Verschwinden wir einfach wieder. Tamos, du Idiot! Komm schon!", rief der erste dem kleinen zu, der gerade den Geldbeutel gefunden hatte. Er packte den mikrigen Kerl hinten am Kragen und zog ihn hoch. Der ließ vor Schreck fluchend den Beutel fallen und die Münzen verteilten sich auf der Straße, bevor alle drei fluchtartig in der nächsten Seitengasse verschwanden. Der Iunier dagegen würde wohl vorerst noch ein wenig liegen bleiben.


    Sim-Off:

    Reservierter Thread

  • Mit den „fast neuen“ Kleidern am Leib, die sie in der Casa Ogulnia gefunden hatte, lebte es sich doch gleich viel leichter. Niemand hatte Beroe mehr schräg angeschaut, weil sie in Fetzen daher kam oder etwa stank. So war es ihr in den nächsten Tagen auch tatsächlich gelungen, etwas Geld zu verdienen. Anfangs hatte sie noch einige Hemmungen, mit den Männern zu gehen, denen sie ihre Liebesdienste verkaufte. Doch als sie die ersten Münzen in ihren Händen hielt, die nur ihr gehörten, war sie stolz auf sich. Im Grunde war diese Arbeit nicht schlechter als jede andere, dachte sie sich. In der Vergangenheit hatte man sie schließlich ab und an auch zu Liebesdiensten gezwungen. Nur diesmal konnte sie mitentscheiden, mit wem sie ging. Und es gab niemanden, bei dem sie ihre Verdienste abgeben musste. Natürlich wäre es sicherer gewesen, wenn es jemanden gegeben hätte, der sie vor gewalttätigen Freiern beschützte. Doch diese Zuhälter kassierten in den meisten Fällen den Löwenanteil des Verdienstes. Nein, so wie es zurzeit lief, war es ganz gut.


    Den Tag über hatte sie wieder bei den Märkten herumgelungert. Und wenn Beroe einen Kunden an Land ziehen konnte, verschwand sie mit ihm für einige Zeit in einer ruhigen Seitengasse.
    Nun, da es bereits zu dämmern begann und die Händler längst schon ihre Stände abgebaut hatten, verlor dieser Ort langsam aber sicher seine Bedeutung für sie. Nur noch in den Tavernen herrschte Betrieb. Doch die Tavernen waren tabu. Die hatten ihr eigenes Personal, das die Gäste bediente. So begann sie sich langsam auf den Heimweg zu machen. Nach der Arbeit fühlte sie sich schmutzig. Ein Bad wäre gut, dachte Beroe. Aber sie wusste genau, dass sie sich solch einen Luxus noch lange nicht leisten konnte.


    In ihre Gedanken vertieft bog sie in eine Gasse ein, blieb aber ganz abrupt stehen, als sie Zeugin eines brutalen Überfalls wurde. Eigentlich wollte sie gleich wieder kehrt machen, doch sie war wie angewurzelt.
    Drei Männer standen um einen am Boden liegenden Mann. Einer der drei stand über ihm gebeugt und durchsuchte das Opfer. Dann nach einigem hin und her verschwanden die Gewissen zur Stelle, welches ihr gebot, sich erst einmal um den Verletzten zu küDreir und ließen den Mann der bewusstlos oder sogar tot war, einfach zurück. Als sie wieder Gewalt über ihre Beine hatte, lief sie schnell zu dem am Boden Liegenden. Am Hinterkopf des Mannes klaffte eine Platzwunde, die von einem Schlag herrühren musste. Zum Glück atmete der Mann noch.
    Seltsam, dachte Beroe, sein Geldbeutel und einige herausgefallene Münzen lagen noch direkt neben ihm.
    Ihr erster Gedanke war, das Geld zu nehme und davonzulaufen. Doch das hätte bedeutet, den Verletzten ohne Hilfe zurückzulassen. Da meldete sich gleich Beroes Gewissen zur Stelle, welches ihr gebot, sich erst einmal um den Verletzten zu kümmern.
    Da sie nichts hatte, um die blutende Wunde am Kopf zu stillen, riss sie ein Stück ihrer neuen Tunika ab und drückte den Stoff fest auf die Wunde. „Mist! Meine schöne neue Tunika.“, jammerte sie. „Ach scheiß dauf! Du kaufst mir doch sicher was neues, wenn ich dir jetzt schon helfe.“, sagte sie mehr zu sich als zu dem Bewusstlosen. Mittlerweile hatte sie sich neben ihn auf den Boden gekniet, um ihn besser versorgen zu können. Dann versuchte sie, den Mann vorsichtig umzudrehen. Zum Glück war sie einiges gewöhnt und verfügte über ein gewisses Maß an Kraft.
    Kaum hatte sie den Verwundeten auf den Rücken gedreht, erschrak sie und ließ sofort von ihm ab.
    „Ach du Scheiße! Nee ´ne, nicht der schon wieder!“ Selbstredend hatte sie den Iunier sofort erkannt.

  • Ein leises Brummen entwich seiner Kehle, bevor sein Gehirn wieder gänzlich Betrieb aufzunehmen schien. Avianus schlug seine Augen auf. Er sah sich um. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als er eine Gestalt neben sich wahrnahm und setzte sich hastig auf. Er musterte die Frau mit zusammengekniffenen Augen.
    "Was? Du???", entfuhr es ihm lautstark. Seine Augen waren plötzlich wieder alles andere als zusammengekniffen, ganz im Gegenteil, sie starrten die junge Frau geweitet an. "Was willst du???"
    Seine Hand fuhr zum Griff seines Gladius', bereit es im Notfall zu ziehen, gleichzeitig sah er Geld und seinen Beutel am Boden liegen und ganz nebenbei nahm er noch eine schmerzhafte und seltsam heiße Stelle an seinem Hinterkopf wahr, die er erst einmal lieber nicht anfassen wollte, abgesehen davon, dass alles andere gerade sowieso irgendwie wichtiger war. Im Moment ging ihm verständlicherweise alles ein wenig zu schnell. Ihm war vollkommen klar, dass er etwas verpasst hatte, und seine Gedanken schienen die Chance zu nutzen, sich einfach ihre eigene Geschichte zusammenzureimen, vollkommen darüber hinwegsehend, dass die Frau neben ihm auf dem Boden saß und einen blutigen Stofffetzen an Stelle einer Waffe in der Hand hielt.
    "Du warst das… ?", sagte er deshalb, denn sowie er sprach schien er sich selbst nicht ganz sicher zu sein, ob am Ende eine Feststellung oder eine Frage daraus werden sollte. Eigentlich befahl ihm sein Verstand, die Münzen einsammeln und verschwinden, vielleicht auch Sibel vorher noch irgendeine Form von Denkzettel zu verpassen, damit er in Zukunft seinen Frieden hatte. Aber nach dem ersten Schockmoment breiteten sich teuflische Kopfschmerzen in seinem Schädel aus und ganz nebenbei befürchtete er, dass ihm schwindlig werden würde, wenn er versuchte aufzustehen.

  • Kaum hatte Beroe ihren Schock überwunden, da regte es sich bereits vor ihr am Boden. Der Iunier kam langsam wieder zu sich. Das wäre nun die beste Gelegenheit gewesen, das Weite zu suchen. Doch diese Chance ließ sie ungenutzt verstreichen.
    Mit dem blutbefleckten Stückchen Stoff, welches sie aus ihrer Tunika gerissen hatte, saß sie immer noch kniend vor ihm und als er schließlich auch noch zu sprechen begann, stockte ihr erst einmal der Atem. Natürlich hatte der Iunier sie wieder erkannt. Ihre letzte Begegnung lag schließlich erst zwei, drei Tage zurück.


    „Ich weiß auch nicht, irgendwie müssen die Götter ein zu viel gehoben haben.“, meinte sie schließlich trocken zu seiner Feststellung. Doch plötzlich ergriff Beroe das ungute Gefühl, dass diese „nette Unterhaltung“ in eine völlig falsche Richtung lief. Sie hatte noch sehr gut in Erinnerung, wie energisch der Prätorianer werden konnte. Auch wenn er jetzt noch am Boden lag, gegen ihn hätte sie absolut keine Chance. Vielleicht sollte sie sich für die Zukunft ein Messer zulegen, damit sie unliebsame Kerle von sich fernhalten konnte. Allerdings nützt ihr das im Augenblick herzlich wenig. So begann sie, sich mit Worten zu verteidigen - so gut sie es eben konnte.
    „Ich? Ich will nix von dir! Ehrlich.. äh… Ich hab nur gesehen, wie…“ Aber bevor sie weiterstammeln konnte, beschuldigte er sie bereits, für diesen Überfall verantwortlich zu sein. Beroe konnte es gar nicht fassen. Und für den Kerl hatte sie ihre schöne neue Tunika ruiniert!
    „Äh.. was? Äh…nein, echt nicht jetzt.. ich war das wirklich nicht! Ich hab gesehen, wie drei Kerle einen Mann zusammengeschlagen haben und als sie weg waren, bin ich schnell hin, um zu helfen. Mehr war da nicht.. wirklich.“, verteidigte sie sich. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du das bist!“ Sonst hätt ich dich einfach liegen gelassen, dachte sie gehässig für sich weiter.

  • Ha, Bacchus hat wohl ein paar ausgegeben oder was?, dachte er sarkastisch auf ihren Kommentar hin.
    Die Erklärung, die sie ihm ablieferte konnte ihn doch noch überzeugen und das nicht nur, weil es ihm peinlich gewesen wäre, von einer schmächtigen Frau überwältigt worden zu sein. Die Frau reagierte auf die Situation nämlich mindestens so überrumpelt wie er. Trotzdem wusste er nicht Recht, wie er jetzt reagieren sollte.
    "Schon gut… äh, danke", sagte er ein wenig verkrampft. Er hatte zwar nicht den blassesten Schimmer, wie oder ob sie ihm überhaupt schon geholfen hatte und er war sich nicht einmal sicher, ob er ihre Hilfe überhaupt gewollt hätte, aber irgendwie hatte er das Gefühl, es war besser, als gar nichts zu sagen.
    "Ich habe keine Ahnung, was passiert ist", gab er offen zu. Als hätte ihm jemand plötzlich das Licht ausgeknipst. Er weder jemanden gesehen, noch gehört. Wie es aussah hatte er nicht einmal eine Chance gehabt, zu reagieren und sich zur Wehr zu setzen. "Wie lange war ich … weg?", fragte er zögerlich und deutete damit noch einmal an, dass er ihr glaubte. Seine Hand löste sich von seinem Gladius und wischte sich das sein Gesicht, mit dem er offenbar auf der Straße gelegen hatte, an seiner Tunika ab. Als Nächstes machte seine Hand nun doch Anstalten herauszufinden, was es mit seinen Kopfschmerzen auf sich hatte. Er ertastete die Wunde, bei deren Berührung ihn ein stechender Schmerz kurz zusammenzucken ließ. Es war wohl wirklich besser, wenn er das vorerst in Ruhe ließ. In der Castra würde er dem Medicus einen Besuch abstatten, soviel stand schon mal fest. Er wischte das Blut, das er auf seinen Fingern entdeckte, kurzerhand ebenfalls an seiner Kleidung ab. "Mist, verdammter." Mehr wollte dem Iunier dazu nicht mehr einfallen. Er setzte sich so hin, dass er sich an die nächsten Hauswand lehnen konnte und blieb sitzen. Er war sich selbst nicht sicher, auf was er wartete. Vielleicht würde ja das Dröhnen in seinem Kopf doch noch etwas nachlassen, wenn er sich nur lange genug Zeit ließ.

  • Offenbar hatte sie halbwegs überzeugend auf ihn gewirkt, denn der Iunier entspannte sich zusehends. Wenigstens ließ er seinen Gladius stecken und sagte sogar „danke“, auch wenn das Ganze auch noch etwas verkrampft geklungen hatte. Beroe nickte nur. Sie war sich sicher, dieser Dank kam nicht von Herzen. Am Ende würde er sie wieder in die Castra schleifen wollen, weil er ja seine Pflicht tun musste.


    Eine Zeit lang beobachtete sie ihn noch, wie er mit der Hand an seine Wunde am Hinterkopf langte und diese wieder mehr zu schmerzen begann. Der arme Kerl hätte ihr ja auch wirklich Leid tun können, aber irgendetwas in ihr blokierte dieses Mitleid, was ja auch nicht besonders verwunderlich war.


    „Ich nehme an, die drei Typen, die um dich herumgestanden haben, haben dir auch die hier verpasst. Warum sie aber dein Geld nicht mitgenommen haben, versteh ich nicht.“ Nachdenklich sah sie auf die Münzen, die immer noch auf der Staße lagen. Genauso hätte sie sich die paar Münzen unter den Nagel reißen können. Aber sie hatte es nicht getan.
    „Na ja, ich hab dich ja gleich gefunden. Du warst nicht sehr lange bewusstlos.“ Die Lykierin hielt ihm den Fetzen ihrer Tunika hin, der bereits mit seinem Blut befleckt war, damit er sich daran die Finger abputzen konnte, jedoch benutzte er seine Kleidung dafür.
    Statt nun aufzustehen und seiner Wege zu gehen, setzte er sich nur auf. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Beroe unsicher. Sie hatte zwar gehört, dass leichte Schläge auf den Hinterkopf gut fürs Denken waren. Aber dieser Schlag war eindeutig ein paar Kategorien höher.
    Auch die Lykierin war sich auch nicht ganz sicher, was sie nun tun sollte. Eigentlich konnte ihr der Iunius völlig egal sein. Vielleicht aus einer Verlegenheit heraus erhob sie sich, sammelte die Münzen ein und steckte sie wieder zurück in den dazugehörigen Beutel. „Hier, dein Geld.“ Mit diesen Worten hiel sie ihm den Beutel entgegen.

  • Avianus hatte jeden Moment, erwartet, dass sich die Frau davon machen würde, jetzt wo es so aussah, als hätte er wieder alle Gedanken halbwegs beisammen. Er fragte sich warum sie eigentlich noch hier war. Obwohl er ihr wahrscheinlich nicht hätte folgen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Aber nein, sie blieb da, saß noch immer neben ihm, wollte ihm ihren Fetzen Stoff reichen und redete. Am liebsten hätte er sie gefragt, doch er vermutete, er würde sie damit vergraulen. Und lieber hatte er ihre Gesellschaft als gar keine, wenn er schon mitten in Rom auf der Straße herumsitzen musste.
    "Und ich noch weniger, ich war ja nicht mal dabei", entgegnete er schulterzuckend und betrachtete die herumliegenden Münzen nachdenklich.
    "Alles in Ordnung? Ich sitze mitten auf der Straße, mein Geld liegt überall herum und mein Schädel fühlt sich an als wäre ich Kopf voraus in eine Wand gerannt", antwortete er bitter lachend. "Kommt darauf an, was du unter in Ordnung verstehst. Ich werde es überleben, denke ich."
    Er beobachtete, wie sie sein Geld einsammelte und in den Beutel zurücksteckte. Und sie rannte damit nicht davon, sondern reichte es ihm.
    "Danke", sagte er dieses Mal ehrlicher, klang dabei ein wenig überrascht und nahm den Beutel entgegen. Wer wusste schon, ob das Geld noch da gewesen wäre, hätte jemand anderes ihn gefunden. Der Teil der in Rom Lebenden Menschen, die das Geld selber einstecken würden, war mit Sicherheit in der Überzahl. Er stemmte sich hoch und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. War er auch schon so müde gewesen, als er aus der Taberne getreten war? Egal, er würde sich sowieso gleich wieder auf den Weg machen. Wenn er nicht lange herumgelegen hatte, hieß das zumindest, dass er noch genügend Zeit haben würde zu Schlafen.
    "Kann ich dir irgendwie helfen? Brauchst du irgendwas?", fragte er zurück. "Mal abgesehen davon, dass ich dich vorerst laufen lasse?" Er zwang sich ein schiefes Lächeln auf die Lippen.

  • Ein kleines Zucken im Mundwinkel, ein Anflug eines Lächelns, als er versuchte, einen Scherz zu machen. Beroes Vorbehalte gegen den Iunier begannen langsam zu bröckeln. Er konnte, wenn er wollte, dachte sie sich. Dadurch begann sich auch Beroe zu öffnen und diese komische Befangenheit, die sie eben noch voll im Griff hatte begann zu weeichen.
    „Also ich hab mal gehört, manchen wird es schlecht, wenn sie eins auf die Mütze kriegen. Und man sollte da sowieso ein bisschen vorsichtiger sein. Am besten du ruhst dich irgendwo aus. Und einer bleibt… äh bei dir.“ Sie spielte tatsächlich mit dem Gedanken, ihn mit zu sich in ihren Unterschlupf zu nehmen. Allerdings verwarf sie den Gedanken ganz schnell wieder, sonst hätte sie ja ihre Bleibe preisgegeben. Der Mann war schließlich Prätorianer und vor einigen Tagen noch hätte er sie, ohne mit der Wimper zu zucken wieder in die Sklaverei geschickt. Aber gerade eben schien der Prätorianer meilenweit weg zu sein. Diesmal wirkte sein Dank wesentlich aufrichtiger, was Beroe schließlich dazu bewog noch etwas gelöster zu werden.
    „Aber vielleicht sollten wir irgendwo anders hingehen, als hier auf der Straße zu hocken. Es gibt hier in der Nähe ein Plätzchen…“ wo sie zumindest etwas ungestörter waren und nicht von allen, die zufällig vorbei kamen, angegafft wurden. Die Örtlichkeit, die an dieser Stelle zur Sprache kam, kannte Beroe selbstverständlich von ihrem neuen Betätigungsfeld im horizontalen Gewerbe, welches in diesem Falle ehr vertikal war. Jedoch hatte sie dabei keinerlei Hintergedanken, schließlich hatte sie jetzt Feierabend, sie war müde und hungrig. Seine Frage jedoch, ob sie etwas bräuchte, rührte sie schon fast. Noch vor wenigen Minuten hätte sie sich mit Händen und Füßen gewehrt, von diesem Mann auch nur einen Sesterz anzunehmen. Doch jetzt schien alles anders. „Du lässt mich laufen? Ja wirklich?“ Wenn das keine leere Versprechungen waren, konnte ihrer Zukunft kaum noch etwas im Weg zu stehen. Zum ersten Mal seit sie in Rom war, lächelte sie vor Glück. Eigentlich hätte sie ja nicht mehr gebraucht, als ihre Freiheit, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass sie erst am Anfang stand, sich ein neues Leben aufzubauen. Manchmal kam es eben auch vor, dass die Geschäfte schlecht liefen.
    „Na ja, also ich würde furchtbar gerne mal in ein Badehaus gehen, um mich richtig zu waschen. So wie die feinen Damen.“ Warum sie gerade auf diesen Wunsch gekommen war, konnte sie auch nicht genau sagen. Aber wenn man immer nur den Luxus aus der Ferne gesehen hatte, kam man auf die seltsamsten Wünsche. „Und was zum Essen wäre auch gut.“

  • Er zog die Augenbrauen hoch und war ein wenig sprachlos. Meinte sie etwa sich selbst mit der Person die bei ihm bleiben sollte? Während er sich auf irgendeinem Plätzchen ausruhte? Avianus hatte einmal mehr den geringsten Plan, wie er sie einschätzen sollte. Vielleicht hatte sie ja getrunken, dass sie sich so vollkommen anders verhielt als bei ihrem ersten Aufeinandertreffen.
    "Also schlecht ist mir nicht. Jedenfalls noch nicht", brachte er etwas perplex hervor. "Und ich muss nachher wieder in die Castra zurück …" Am Ende war er noch der, der als erster losgelaufen war, und erst spät nach seinen Kameraden wieder in den Baracken auftauchte, ein Gedanke der ihn zumindest innerlich ein wenig schmunzeln ließ. Irgendeine nette Geschichte würde ihm schon einfallen, mit der sich die anderen zufrieden geben würden.


    Er hatte bewusst voerst gesagt und trotzdem strahlte Sibel übers ganze Gesicht. Der Iunius konnte offenbar nur ahnen, was seine Worte für sie bedeutet hatten. Wäre es unfair, dieses voerst noch einmal anzusprechen? Er musterte sie nachdenklich, während er nach einer passenden Antwort suchte.
    "Solltest du mir oder irgendjemand anderem irgendwann nochmal Ärger machen, dann nicht. Ansonsten… ja", entgegnete er und sein Tonfall verriet, dass er es wirklich ernst meinte. "Was mich betrifft zumindest. Solltest du irgendwem anders auffallen, kann ich nichts tun." Er wartete einen Augenblick ihre Reaktion ab. Er war sich ziemlich sicher, dass sie verstand, was er damit sagen wollte: Egal was er ihr hier versprach, es würde ihren Lebensstil im Grunde nicht legaler machen. Er wurde daraufhin wieder etwas lockerer. "Und in dem Zustand jage ich sowieso niemandem hinterher", meinte er nur trocken. Auch das meinte er eigentlich vollkommen ernst. Trotzdem, sich erst von jemandem helfen zu lassen, um derselben Person einen Augenblick später alles zu nehmen, das wäre ihm ein wenig zu viel gewesen.
    "Weißt du was? Hier", sagte er schließlich, während er den Beutel noch einmal öffnete und ein paar Münzen herausholte, die er ihr reichte. Würde die junge Frau noch einmal genauer hinsehen, würde sie 3 Denare und 5 Sesterze finden. Da würde wohl noch was übrigbleiben. Selbst wenn sie vorhatte heute zweimal zu essen.

  • Vielleicht ging ihre Fürsorge an dieser Stelle schon etwas zu weit. Eigentlich wäre es für sie besser gewesen, sich zurückzuziehen. Denn sie wusste doch, dass man Römern nicht trauen konnte. Heute versprechen sie dir alles und morgen lassen sie dich fallen. Doch ihre Gefühle meinten etwas anderes. Und genau das war es, was sie verwirrte.
    „Ach ja?“, meinte sie etwas enttäuscht. „Na, dann ist ja gut. Äh, ich meine, dass dir nicht schlecht ist.“ Sie schaute betreten zu Boden, weil sie nicht weiter wusste. Doch dann sah sie ihn wieder etwas erwartungsvoller an. „Soll ich dich dahin begleiten? Also nur bis zum Tor…äh.. nicht… nicht hinein. Weil äh.. nicht dass dir doch noch schlecht wird…“ Eigentlich war der Iunier doch ganz liebenswert, auch wenn er sich zuerst als Ekelpaket präsentiert hatte.


    Und dass er tatsächlich ein netter Kerl war, bewies sein Versprechen, sie nicht weiter verfolgen zu wollen. Das bedeutete ihr sehr viel. Jetzt war nur zu hoffen, dass ihr in nächster Zeit nicht noch mehr Leute aus Misenum über den Weg liefen.
    „Das ist wirklich sehr nett von dir!“, sagte sie aufrichtig. „Ich verspreche dir, keinen Ärger mehr zu machen.“ Ihr Ausdruck veränderte sich unerwartet. Tränen standen plötzlich in ihrem Augen. „Weißt du, wir sind bis zum Schluß geblieben…und haben alles getan, was uns aufgetragen wurde. Jeder von uns war der Domina und auch dem Dominus ergeben. Niemand von uns wäre einfach so geflohen. Doch nachdem der Dominus tot war, wollte auch die Domina nicht mehr leben. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Erst als sie gestorben war, gingen wir und ich mit ihnen. Das musst du mir glauben!“ Tränen kullerten über ihre Wagen. Bisher hatte sie mit noch niemanden darüber gesprochen und schon gar nicht mit einem Prätorianer.


    Als er dann unverhofft seinen Geldbeutel öffnete und ihr einige Münzen geben wollte, sah sie ihn überrascht an. Das war doch viel zu viel! „Aber… das kann ich doch nicht…“ Kopfschüttelnd nahm sie die Münzen, die sie tatsächlich sehr gut gebrauchen konnte. Auch wenn sie sich davon kein ausgiebiges Bad, wie die feinen Damen es zu tun pflegten, leisten würde. „Vielen Dank!“, sagte sie schließlich und steckte das Geld in einen Beutel, den sie unter der Tunika trug.

  • "Es ist nur… ich habe morgen früh wieder Dienst", bemerkte er, als er glaubte, einen Anflug an Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören. Es war ihm nach wie vor ein kleines Rätsel, weshalb sie sich mit einem Mal darum kümmerte, was mit ihm passierte.
    "Ich glaube auch nicht, dass du einfach mit hinein dürftest…", entgegnete er, "Aber bis zum Tor… wenn du willst." Vielleicht war es wirklich keine schlechte Idee, denn so wie er sich in diesem Augenblick fühlte, würde er wahrscheinlich auch morgen noch Kopfschmerzen haben. Er glaubte zwar nicht, dass er auf dem Weg deswegen noch einmal umkippen würde, aber man konnte ja nie wissen.


    Er nickte. "Dann ist die Sache in Ordnung." Er hoffte für sie, dass sie ihr Versprechen halten würde. Allerdings hatte er erwartet, dass sie sich nach seiner Bestätigung mehr freuen würde. Stattdessen sah er mit an, wie sich plötzlich ihre Augen mit Tränen füllten. Avianus konnte sich nicht vorstellen, etwas Falsches gesagt zu haben. Er wünschte sich, einfach so tun zu können, als würde er ihre Tränen im dämmrigen Licht nicht sehen. Er hätte es beinahe getan, weil er nicht wusste, wie er sonst darauf reagieren sollte. Wäre sie irgendjemand anders gewesen, vielleicht jemand den er kannte, hätte er wahrscheinlich versucht sie zu trösten. Aber sie war, wer sie war, er kannte sie praktisch nicht und sie hatte ihn mindestens so oft angelogen, wie sie ihm die Wahrheit erzählt hatte. Und dennoch war er versucht, ihr zu glauben, was sie ihm gerade zu erklären versucht hatte - wieso auch immer. Immerhin hatte er nicht erwartet, dass sie ihm mehr erklärte, als er bereits wusste. Er fragte sich nur wieso sie das tat, gerade vor ihm.
    Es war eigentlich egal, wie treu sie gewesen war, ob ihr Dominus oder dessen Frau noch lebte, das war alles egal, es änderte nichts daran, dass sie allen ihre Freiheit lediglich vorspielte. Bis vor kurzem hätte er ihr das alles noch geradewegs ins Gesicht gesagt und damit alles vermutlich nur noch schlimmer gemacht. Jetzt nickte er nur erneut, um wenigstens zu zeigen, dass er verstand, und schluckte kurz. Es war ihm sichtlich unangenehm. Er legte ihr nur die Hand auf die Schulter und gab ein wenig Druck, als Zeichen, dass sie sich vielleicht auf den Weg machen sollten. "Komm." Immer mehr beschlich ihn das Gefühl, dass vor allem sie die war, die Hilfe benötigte, nicht er. Nur stand er vor dem Problem, dass er nicht sicher war, wie weit er gehen sollte.
    Wenigstens hatte sie sich über die Paar Kröten gefreut, die er ihr geschenkt hatte. "Schon gut, aber wirf' nur nicht gleich alles raus", sagte er nur.

  • „Gut, dann begleite ich dich bis zum Tor.“ beschloss sie und fühlte sich ein wenig erleichtert, dass er sie nicht einfach fortschickt hatte. Denn so hatte sie einen Grund, nicht sofort in ihren Unterschlupf in der Casa gehen zu müssen. Irgendwie begann sie sich in seiner Gegenwart wohlzufühlen. „Ich glaube, freiwillig würde ich auch nicht mit hineingehen,“ begann sie zu scherzen.


    Er hatte ihr zugehört, was sie zu sagen hatte, was ihre Gründe gewesen waren. Wahrscheinlich würde er ihre Beweggründe nicht verstehen. Wie sollte er auch! Schließlich war er Römer und dazu noch frei. Wahrscheinlich war er selbst mit Sklaven im Haushalt aufgewachsen und empfand dies als gänzlich normal. Und ob er ihr letztlich glaubte, konnte sie nur hoffen. Auf jeden Fall war sie losgeworden, was ihr auf dem Herzen gelegen hatte. Nun fühlte sie sich besser.


    Dann legte der Iunier seine Hand sanft auf ihre Schulter um ihr zu zeigen, dass sie sich nun auf den Weg machen sollte. Diese Geste fühlte sich so gut in diesem Moment an. Die Tränen waren nun endgültig vergessen und sie lächelte ihn an. Gemeinsam schritten sie durch die Gasse. An seiner Seite fühlte sie sich wohl.
    „Nein, auf gar keinen Fall werde ich das Geld zum Fenster hinaus werfen.“ versprach sie. „Es gibt einiges, was ich noch dringend benötige. Das Geld wird mir helfen, diese Sachen schneller besorgen zu können.“ Sie musste dabei unwillkürlich an Silanus denken und seine Forderungne, die er an sie gestellt hatte. Doch von diesem Geld würde sie ihm nichts abgeben. Dieses Geld war kein Verdienst. Wenn sie an Silanus dachte erschauerte es sie immer wieder, Aber das wollte sie sich nicht anmerken lassen. Sie versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen. Nicht jetzt, nicht heute Abend. Hätte sie nur so einen Beschützer wie den Iunier, wenn sie sich tagsüber in der Stadt herumtrieb, um ihrer Arbeit nachzugehen. Aber wahrscheinlich würde er ihn nach diesem Abend nie mehr wiedersehen. Denn wer wollte sich schon mit einer Lupa auf der Straße sehen lassen? Eine wie sie traf man höchstens in den dunklen verwinkelten Gassen oder in irgendwelchen verlassenen Hinterhöfen.


    Als die Castra sich bereits vor ihnen abzuzeichnen begann, blieb sie unvermittelt stehen. „Aulus..“ begann sie plötzlich. Sie hatte bisher noch keinen Römer mit seinem Praenomen angesprochen. „Danke für alles.“ Ihr fehlten plötzlich die Worte. Wie gerne hätte sie ihm jetzt gesagt, dass sie ihn gerne wiedersehen würde und dass sie begonnen hatte, ihn zu mögen. Aber sie wusste, wie aussichtslos dies alles war.


    edit. fehlendes "u"

  • "Das kann ich verstehen", sagte er auf ihren Scherz hin und lächelte leicht. Eine Frau zwischen all den Männern, von denen manche schon ewig kein weibliches Wesen mehr zwischen die Finger bekommen haben… man konnte sich gut vorstellen, dass es für sie ein wenig unangenehm werden könnte. Selbst wenn alle sie nur anstarrten.
    Sie verstand seinen kleinen Wink, und machte sich mit ihm auf den Weg. Eigentlich hatte sie das Geld ja für etwas zu essen bekommen und wenn man sie so ansah, kam man durchaus auf den Gedanken, dass sie ein paar gute Mahlzeiten vertragen könnte. Andererseits war es jetzt ihr Geld, sie konnte damit anstellen was sie wollte und er konnte nicht mehr tun, als ihr einen Rat zu geben. Das wiederum hatte er bereits getan. "Das will ich hoffen." Sie würde schon wissen, was sie tat.


    Ein ganzes Stück vor der Porta hielt sie an. Er runzelte die Stirn. Er wusste nicht, wie oft man ihn mit seinem Praenomen nannte. Selten genug, dass es ihm sofort auffiel. Diademata nannte ihn Aulus, seine Mutter oder seine engsten Freunde. Aber sie hatte ihm keine Zeit gelassen, sie irgendwo zwischen diesen Menschen einzuordnen. Die Falten auf seiner Stirn glätteten sich wieder, als ihm klar wurde, dass er sie wahrscheinlich sowieso nie treffen würde. Das war's dann also. Es war gut so. Eigentlich. Er hatte genug zu tun mit seinem Leben, da brauchte er nicht noch einmal eine Sorge mehr. Denn das würde sie sein, wenn er sie noch einmal sehen würde. Er konnte nicht verhindern ein wenig nachdenklich zu werden.
    Sollte sie aber irgendwann so dringend Hilfe benötigen, dass sie dafür sogar ihn fragen würde, wusste sie nun zumindest wo er zu finden war. Er konnte bloß hoffen, dass sie bis dann nicht mehr nach dem aussah, was sie war, wenn sie an der Porta nach ihm fragen würde. Dann würde es nämlich netten Gesprächsstoff über ihn geben.
    Er musterte sie, wie sie sprachlos vor ihm stand. "Keine Ursache", sagte er nur, "Und ich danke dir, Sibel." Es dauerte noch einen Moment, bis er sich von ihr abwandte und in Richtung Castra weiterging.

  • Er blieb noch einen Augenblick bei ihr stehen und sah sie an. Hätte er doch nur ihre Gedanken lesen können, dann hätte er sich wahrscheinlich nicht von ihr abgewandt und wäre gegangen, was er dann schließlich auch tat. Er hatte sie wieder bei ihrem richtigen Namen genannt, den nur sehr wenige Leute kannten.


    Sie blickte ihm nach, als er zielstrebig zur Castra schritt. Beroe fühlte eine tiefe Leere in sich. Und unendliche Traurigkeit ergriff sie. Jetzt war sie wieder allein. Sie musste zurück zur Casa und wenn es ganz dumm lief, würde dort schon Silanus auf sie warten. Warum also ließ sie ihn einfach so gehen? Dieser Mann, der sich immer weiter von ihr entfernte, war bisher der einzige gewesen, der wirklich nett zu ihr gewesen war, der sie nicht auszunutzen versuchte und sich nicht mit ihr abgegeben hatte, weil er ihre Liebesdienste in Anspruch nehmen wollte. Und diesen Mann ließ sie nun einfach gehen! Ihren einzigen Freund.


    „Aulus…“ rief sie, aber ihre Stimme war viel zu leise und kraftlos, als dass er es hätte hören können. Gleich darauf versuchte sie es noch einmal, diesmal lauter. „Aulus… Warte“ Außerdem lief sie ihm nach… nein, sie rannte. Sie wollte ihn noch erwischen, bevor er hinter den Toren der Castra verschwunden war und dann für immer unerreichbar war.

  • Auf halbem Weg zur Castra glaubte er etwas zu hören. Erst dachte er, es wäre Einbildung. Bis er erneut seinen Namen hörte und sich sicher war, dass er sich nicht irrte. Er blieb stehen, sah über die Schulter und entdeckte Sibel im Halbdunkel, die ihm nachlief. Zögerlich warf noch einmal einen kurzen Blick nach vorne zur Porta der Castra und schob die Augenbrauen zusammen. Irgendetwas in seinem Verstand, mahnte ihn weiterzugehen. Über dieses etwas setzte er sich hinweg, machte er kehrt und ging wieder zwei, drei Schritte der jungen Frau entgegen, um ihr dann fragende Blicke zu schenken.
    "Ja?" Seine Stimme war ernst, vielleicht ein wenig zu ernst, aber dennoch ruhig.

  • Zum Glück katte der Iunier ihr Rufen gehört und war stehen geblieben. Dann sah er sich um und entdeckte sie. Er kam ihr sogar entgegen. Beore schöpfte wieder Hoffnung. Im Nu hatte sie ihn eingeholt und blieb vor ihm stehen. Sofort würde sie ihn fragen. Sie hatte sich schon die passenden Worte zurechtgelegt. Sie wusste genau, dass es das Richtige war, ihn zu fragen.
    Doch als sie seine Stimme vernahm, die plötzlich so ernst und unnahbar klang, schreckte sie plötzlich zurück. Waren ihre Gedanken nur naive Gefühlsduselei? Sah sie in dem Iunier etwas, was er in Wahrheit gar nicht war?
    „Ich.. äh..ich..“ Beroe begann zu schluchzen. „Ach nichts,.. ist schon gut.... Entschuldige, dass ich dich aufgehalten habe.“ In ihrer Stimme schwang die Enttäuschung über sich selbst mit.

  • Innerlich griff sich der Iunier an den Kopf. Er ahnte, dass sein Ton zu hart gewesen war. Aber er war müde und hatte im Grunde schon wieder anderes im Kopf gehabt und schon gar nicht daran gedacht, dass sie derart empfindlich reagieren würde. Aber es verriet ihm wiederum, dass es um etwas ging, das ihr wichtig war.
    "Ich... hör zu..." ... manchmal weiß ich genau, was ich eigentlich tun oder sagen sollte, aber dann - mögen die Götter wissen warum - mache ich irgendetwas anderes. Er fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare. Nein, er sprach es nicht aus. Stattdessen legte er sich andere, einfachere Worte zurecht. "... es tut mir leid. Was ist los?", fragte er ruhig, seine Augen noch immer fragend auf sie gerichtet.

  • Beroe war bereits im Begriff gewesen, sch umzudrehen und zu gehen. Hier gab es nichts mehr für sie. Die Lyierin war einfach nur enttäuscht und traurig. Immer tiefer geriet sie in den Sumpf dieser Stadt. Und der, von dem sie gehofft hatte, er könnte ihr vielleicht helfen…
    Aber da. Seine Stimme. Sie klang plötzlich nicht wieder ganz anders. Er wollte ihr zuhören! Beroe hielt inne und drehte sich wieder zu ihm hin und hob ihren Kopf, so dass sich ihre Blicke trafen.
    „Ich wollte dich fragen..“ begann sie, nachdem sie ihn erst schweigend betrachtet hatte. „Wenn ich dich vielleicht wieder sehen könnte...äh… Es wäre schön, wenn es jemanden gäbe… der… der ab und zu …“ Die Lykierin geriet ins stocken. Sie schluchzt nur noch verzweifelt. „Ich habe niemand in dieser Stadt. Und du bist der einzige, der es bis jetzt gut mit mir gemeint hat.“ Sie wischte ihre Tränen mit dem Handrücken beiseite. „Aber ich kann verstehen, wenn du mit einer wie mir nichts zu tun haben willst.“

  • Die Tatsache, dass sie sich nicht einfach unter Tränen davonmachte, sondern blieb, ließ Avianus aufatmen, nur um einen Augenblick später zu begreifen, dass sie jetzt direkt vor ihm weinte.
    Das Schlimmste war aber, dass er nicht einmal sofort eine Antwort hatte. Er hatte selbst viel zu tun und selbst wenn er hier versprach, sich irgendwann wieder mit ihr zu treffen, konnte er nicht garantieren, dass sie sich davon nicht vielleicht doch zuviel erhoffte.
    "Ich habe fast jeden Tag Dienst bis Abends, besonders viele freie Tage habe ich auch nicht ...", begann er und redete gleich darauf weiter, damit sie keine Zeit hatte, es als Absage zu verstehen. "... aber wenn dich das nicht stört ..." Er sah sich noch einmal nach der Castra um, die lag glücklicherweise noch in sicherer Entfernung. Und da gab es noch etwas. Er war sich nicht sicher, ob er es aussprechen sollte. Sie schien ihm eigentlich bereits niedergeschlagen genug. "... und es wäre gut, wenn uns nicht zu viele Leute gemeinsam sehen." Er hoffte, sie verstand, was er damit meinte. Er war nicht in der Position sich nicht darum zu scheren, was andere von ihm dachten. Sie war eben nicht die Art Frau, die man bei ihm erwartete, wahrscheinlich nicht einmal als Lupa.

  • Er antwortete auf ihr Gestammel nicht sofort. Womöglich war er sich selbst nicht sicher, was er ihr sagen sollte. Sie konnte das sehr gut nachvollziehen. Trotzdem hoffte sie, er würde sie nicht einfach mit einem schnöden „nein“ abspeisen. Und das tat er dann auch nicht. Auch wenn es sich erst so danach angehört hatte, als wollte er sie abwimmeln.


    „Nein, das stört mich nicht… wirklich. Ich bin nur froh, dass…“ Beroe war es natürlich nicht entgangen, wie sich der Iunier mehrmals zur Castra umgeschaut hatte, so als wäre es ihm unangenehm, mit ihr gesehen zu werden. Schließlich sprach er es dann auch aus. Aber Beroe nickte. Sie hatte Verständnis dafür. Sie war eben, was sie war und daran würde sich nie etwas ändern.
    „Ja, natürlich“, bekräftigte sie ihr Nicken. „Hier ganz in der Nähe gibt es einen Platz, wo wir ungestört sind. Wenn es dir das recht ist.... Dort drüben, in dem Park.“ Sie zeigte in die Richtung, in der sich einige Straßen weiter die Horti Lolliani befanden. Den kannte sie selbstverständlich von ihrer Arbeit. Auch dort gab es das eine oder andere abgelegene Plätzchen, an dem nur selten Passanten vorbei kamen. Der richtige Platz für ein mögliches Treffen. Doch eine Frage stellte sich Beroe noch. Wie würde sie wissen, wann sie Avianus treffen konnte.

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