bibliotheca | Erwischt

  • Eigentlich hätte Ursus Cimon schicken können, um die Schriftrollen zurück in die Bibliothek zu bringen. Doch er hatte sich dazu entschlossen, selbst zu gehen. Den ganzen Morgen hatte er gesessen. Erst bei der Salutatio. Dann bei der Erledigung der verschiedensten Dinge. Nein, er mußte sich ein wenig bewegen. Vielleicht sollte er in die Stadt gehen, zum Forum. Sonst ging er täglich dort hin, aber heute hatte er es irgendwie noch nicht geschafft.


    Seufzend betrat er den Raum und rechnete gar nicht damit, jemanden anzutreffen. Doch dann sah er eine Gestalt in einem der Korbsessel sitzen und schmökern. "Nanu? Salve, Narcissa", grüßte er Flora, die er unweigerlich für ihre Schwester halten mußte, da Narcissa ja sonst diejenige war, die so furchtbar gerne las. "Was liest Du denn da? Laß mal sehen." Er legte seine Schriftrollen ab und trat zu ihr um schmunzelnd einen Blick auf den Titel zu erhaschen. Doch er hob seine Augenbraue. "Also ich weiß nicht, das ist doch wirklich nicht das Richtige. Wo hast Du das denn überhaupt her?"

  • Es war einer dieser Tage, an denen es schien, dass die Zwillinge ihre Charaktere getauscht hätten. Narcissa war im Stall und sie saß in der Bibliotec und hatte sich in ein Buch vertieft. Wobei [/i]Buch[/i] nicht die richtige Beschreibung für das war, was sie da las. Es waren kleine brisante Geschichten über einen jungen Mann der es sich zur Aufgabe gemacht hatte die jungen Frauen Roms zu verführen. Mal mit Witz, mal mit Charme, aber immer anders. Zeile für Zeile verschlang sie, denn sie steckte mitten in einem Abenteuer wo der Held über eine Mauer klettern musste um einem wütendem Vater und dessen Söhne zu entkommen. Er war dabei erwischt worden, wie er sich gerade mit der Tochter eines Senators vergnügte.


    “Haltet ihn!“ brüllte der älteste Sohn und zog sich mit Mühe ebenfalls die Mauer hinauf. „Na warte uns entkommst du nicht!“ erklang eine weitere Stimme, ebenso wütend. „Wie kannst du es wagen die Ehre meiner Familie zu beflecken? Dafür werde ich dich im Circus den Löwen zum Fraß vorwerfen!“ Die Mauer hinauf. ER wartete erst gar nicht, dass er eingeholt wurde, sondern sprang uf die Straße, rollte sich ab, rappelte sich auf und rannte weiter. Caius lachte, für ihn war es nur ein Spaß und das er verfolgt wurde nur ein weiterer Nervenkitzeln. RUMMMS…. Er war mitten in einen Händler hinein gestol..


    Flora zuckte sichtlich zusammen, als sie eine tiefe Stimme hinter sich hörte. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie nicht mehr allein war. Verdutzt hob sie den Kopf und erkannte Titus. Eilig wollte sie ihre Schriftrolle bei Seite legen, eher sehen konnte was sie da las, aber er war schneller.
    „Salve Titus“, sagte sie erst einmal nur und wurde dann rot wie ein Radieschen. „Öhm“, machte sie. Sie konnte ja schlecht sagen, dass sie diesen Schund gekauft hatte…

  • "Öhm", fragte Ursus nach und klang dabei ernster, als er sich fühlte. Eigentlich war er amüsiert, auch wenn er nicht verstand, wie man solch einen Schund lesen konnte. Es gab so ausgezeichnete Werke. Dramatische wie komische. Sorgfältig formulierte Dichtkunst. Nicht so was... Er zog die Schriftrolle aus den Händen seiner Cousine und las an einer beliebigen Stelle. "Der ältere Sohn packte den Tunichtgut beim Kragen und schüttelte ihn gründlich durch. 'Dir wird das Lachen noch vergehen, wenn wir Dir...'" Ursus hielt inne und nun wanderte die zweite Augenbraue nach oben. Er war wirklich nicht prüde. Aber die Ausdrucksweise, die hier gewählt wurde, fand er doch etwas derb. Er ließ die Schriftrolle auf den Tisch fallen. "Gefällt Dir so etwas? Es gibt so schöne Geschichten voller romantischer Liebeleien, die sicherlich genug ins Detail gehen um Deine Wißbegierde zu stillen, und trotzdem eine schöne Sprache benutzen. Wirklich Narcissa, von Dir hätte ich mehr Stil erwartet."

  • Flora wurde etwas kleiner in ihrem Stuhl. Sie rechnete fest mit einer Standpauke wie es ihre Mutter immer tat, wenn sie ihre Tochter eben mit solchen Werken erwischte. Ihre Mutter hatte nie herausgefunden, welche Quelle sie hatte und wer sie regelmäßig mit eben jenen Geschichten versorgte. Dabei war ihre Verbündete diesmal nicht Narcissa sondern Lysandra, die sich hatte erbarmen lassen und den Zwilling mit den spannenden Geschichten von Caius versorgte.
    Ehe sie ihre Schriftrolle festhalten konnte, wanderte diese dann auch zu Titus und er las dann zu ihrer großen Verlegenheit daraus laut vor. Diese jedoch verschwand urplötzlich, als er vorschlug, sie solle andere Geschichten lesen. Große grüne Augen sahen ihn völlig verblüfft an. Ihre Mutter hätte jetzt ihrem Cousin den Kopf angerissen und ihm vorgeworfen wie er es wagen konnte, ihrer Tochter einen solchen Vorschlag zu machen? Schlüpfrige Geschichten waren ja nun wirklich nichts für eine junge Frau. „Es geht nicht um Wissbegierde“, meinte sie dann etwas entspannter. „Ich mag die Geschichten nun einmal“, war ihre schlichte Erklärung. „Ich bin Flora“, verbesserte sie ihn dann. Da
    er immer glaubte sie spielten ihm einen Streich hielt sie ihm ihr Namenskettchen unter die Nase. „Narcissa ist im Stall… glaub ich!“ Sie wusste nicht immer wo ihre Schwester steckte. Aber sie würde diese finden, wenn sie etwas von ihrem Ebenbild wollte. Kurzerhand stibitzte sie ihre Schriftrolle zurück. Aber ihre Neugierde war geweckt. „Welche Geschichten würdest du mir denn empfehlen?“ fragte sie schon fast unschuldig nach.

  • Das hier war Flora? Und Narcissa war im Stall? Ungläubig schaute Ursus auf das Armband, auf dem tatsächlich Flora stand. "Ihr Mädchen macht mich noch wahnsinnig. Ihr sagtet doch, Narcissa sei die Lesesratte und Du ständig im Stall. Und nun ist es umgekehrt? Ihr nehmt mich doch hoch!" Streng schaute er das Mädchen an, deren Blick aber keine Lüge erkennen ließ. Nein, sie schien die Wahrheit zu sagen. Oder war eine Schauspielerin, die ihresgleichen suchte.


    "Empfehlen? Empfehlen würde ich Dir natürlich ganz andere Werke." Er räusperte sich, als er bemerkte, daß sie die Schriftrolle wieder an sich genommen hatte. Wozu? Was sie sich einmal besorft hatte, würde sie sich auch wieder besorgen. Wenn sie sich unbedingt von diesem Unsinn die Gehirnwindungen verdrehen lassen wollte? Er konnte nur eins tun: ihr etwas Besseres anbieten. "Aber ich denke, der Sinn steht Dir nach Abenteuer und Romantik. Das finde ich auch nicht weiter verwerflich, Du bist jung. Und besser, Du liest so etwas, als daß Du es versuchst, selbst zu erleben. Was schwebt Dir in etwa vor?" Bevor er versuchte, hier etwas passendes zu finden, mußte er erst wissen, welche Bedingungen seine Empfehlung erfüllen sollte.

  • Flora musste lachen, die verdutzte Miene von Titus war einfach zu lustig, als er ihr Armband anstarrte. Sie taten es ja nicht mit Absicht ihn durcheinander zu bringen, aber irgendwie wusste er anscheinend nie, wer wer war. Widder spielte sie mit dem Gedanken sich in Zukunft ein Schild um den hals zu hängen, aber dann würde ihr jede Menge Spaß entgehen. Amüsiert schüttelte sie den Kopf. „Ich lese hin und wieder auch gern und Narcissa reitet ebenfalls gern“, klärte sie ihn auf, In vielen Dingen waren sie sich recht ähnlich, nur dass Flora eben meist etwas oberflächiger war und Narcissa gern tiefgründig. Aber wie sollte sie ihm das erklären, diese kleinen aber feinen unterschiede im Wesen der beiden Mädchen. Er musste sie eben noch etwas genauer kennen lernen, dann würde er sie schon auseinanderhalten können… oder aber auch nicht.


    Da sie daran gewöhnt war, ihr Schätze über die Abenteuer von Caius immer in Sicherheit zu bringen, hatte sie die Schriftrolle mehr automatisch an sich genommen. Nicht dass auch diese Exemplar ein Opfer der Flammen wurde, weil jemand versuchte ihr die Flausen auszutreiben. Verborgen unter ihren Kleidern hatte sie einen ganzen Stapel dieser Geschichten. Nur Narcissa wusste noch davon, fand aber ihre Vorlieben eher etwas albern.
    Zu Titus Aussage musste sie grinsen. Hätte ihre Mutter das gehört, sie würde ihn durch die mangel drehen. Ihre Töchter hatten gefälligst Unschuldig zu sein… aber im Grunde machten sich weder Flora noch Narcissa etwas in dieser Hinsicht vor.
    Abenteuer und Romantik klang schon recht verlockend, aber sie mochte nicht diese albernen Liebesgeschichten, in denen sich immer alles zum Besten wendete. „Es sollte nicht vorhersehbar sein“, antwortete sie. „Sonst ist es langweilig“, fügte sie erklärend hinzu.

  • Ursus schüttelte den Kopf und lachte. "Ihr seit zwei unverbesserliche Hexen, das habe ich schon gemerkt. Am besten nenne ich euch Blümchen. Das trifft es immer. Egal ob Einzahl oder Mehrzahl. Den Spitznamen habt ihr innerhalb der Familie sowieso schon weg." Er zwinkerte ihr zu, denn so ganz ernst meinte er es natürlich nicht. Auch wenn es die Angelegenheit tatsächlich mächtig vereinfachen würde. Zumindest, bis er die beiden gut genug kannte, um sie wirklich auseinanderhalten zu können.

    "Nicht vorhersehbar? Aber sind nicht alle Geschichten in gewisser Weise vorhersehbar? Dein Held hier... Der stirbt doch sicher nie und wird auch nie verstümmelt. Höchstens eine dekorative Narbe fängt er sich ein, habe ich Recht? Und alle edlen wunderschönen Frauen sind von ihm hingerissen. Das finde ich auch ziemlich vorhersehbar. Also, wie ist das gemeint mit dem nicht vorhersehbar?"

  • „Hexen?“ fragte sie erstaunt und schüttelte den Kopf. „Hast du nichts Charmanteres? Oder willst du dich mit Lysandra zusammen tun? Für sie sind wir Kobolde!“ sagte sie, zog die Nase kraus und lachte dann. „Blümchen klingt schon besser“, meinte sie dann. Obwohl sie es lieber hatte, wenn sie nicht mit Narcissa in einen Topf geworfen wurden. Sie waren schließlich zwei eigenständige Charaktere. Aber als Übergangslösung erst einmal annehmbar. Irgendwann, so hoffte sie, würde Titus sie auch auseinander halten können. „Frag doch Cimon wie er uns auseinander hält“, schlug sie dann vor. „Er konnte das auf Anhieb!“ meinte sie dann. Sie hatte sich den Nubier schon öfter ausgeliehen, er war ein netter Kerl. Zumindest fand sie das.


    Leicht rollte sie mit den Augen, als Titus anfing ihre Lieblingsgeschichten auseinander zu nehmen. Er klang genauso wie Narcissa, die auch nicht fiel mit Caius anfangen konnte. „Woher willst du das wissen? Du hast bisher nur einen Satz gelesen“, erwiderte sie und verteidigte ihren Schund. „Ich meinte, dass jede Liebesgeschichte im Grunde gleich ausgeht: hübsches Mädchen trifft netten jungen Mann. Verliebt sich. Erst wird es nicht geduldet und am Ende kommen sie doch zusammen. Das ist langweilig. Hier“, sie deutete auf ihre Schriftrolle: „Gerät der Held jedenfalls öfter mal in gewaltige Schwierigkeiten und muss dann zusehen, wie er da wieder raus kommt“, meinte sie und grinste frech. „Das er nicht stirbt ist was anderes!“ Zumindest in ihren Augen.

  • "Hexen, Kobolde, Blümchen. Das ist doch schon eine ganz ordentliche Auswahl. Für jede Tagesform etwas." Ursus lachte schelmisch und machte sich darauf gefaßt, von ihr geknufft zu werden. Er konnte schon verstehen, daß sie nicht gerne als Doppelpack betrachtet werden wollten, aber sie machten es einem auch nicht gerade einfach, dies nicht zu tun.


    "Och, ich kann Dir sagen, woher ich das weiß. Bei solchen Seriengeschichten ist das normal. Als Junge verschlang ich die Abenteuer von Kapitän Kirkos mit seinem Schiff Enterprisa. Er erforschte die Meere, betrat fremde Küsten, verirrte sich mehrfach und brachte sich immer irgendwie in Schwierigkeiten. Vor allem, wenn Frauen im Spiel waren. Aber er hat sich zugegebenermaßen immer sehr genial wieder herausgewunden. - Also, legst Du mehr Wert auf eine spannende Handlung, also Abenteuer und Gefahr, oder mehr darauf, daß die Liebesgeschichte problematischer ist als normall?"

  • Flora sah ihn aus großen Augen an und machte dann: „Pff!“ auf seinen frechen Kommentar hin. Sie machte einen Schmollmund. „Und das von der eigenen Familie“, beschwerte sie sich scheinbar beleidigt. Innerlich kicherte sie, aber Titus musste schließlich eine Lektion im Umgang mit den Zwillingen lernen. Sie konnten regelrechte Zicken sein, wenn es sein musste.


    Schnell aber war dieser kleine Zwischenfall vergessen, als Titus erzählte, was er für Schund in seiner Jugend gelesen hatte. Jeder hatte nun einmal seine kleinen Jugendsünden, da war es ihr auch gegönnt, dass sie die Abenteuer von Caius las. Auch wenn die Wortwahl meist recht derb war und sie auf diese Weise mehr lästerliche Flüche gelernt hatte, als es sich für eine junge Frau gehörte. „Spannende Handlung“, antwortete sie. Sie war neugierig, was Titus ihr nun in die Hände drücken würde.

  • "Aber natürlich", schmunzelte Ursus. "Nur von der eigenen Familie, kein anderer soll es wagen, sich solche Frechheiten herauszunehmen. Der bekommt es mit mir zu tun, das kannst Du mir glauben!" Daß sie ernsthaft beleidigt war, nahm er ihr nicht ab. Immerhin hatte sie ihm selbst verraten, daß sie manchmal Kobolde genannt wurden. Von allein wäre er darauf nie gekommen.


    "Spannende Handlung? Das hätte ich jetzt nicht gedacht." Er zwinkerte ihr zu und grinste frech. Bei ihren Vorlagen war es aber auch kaum anders möglich, als sie ein wenig zu sticheln. "Nagut, wollen mal sehen." Er trat an ein Regal und schaute einige Schriftrollen durch. Dann zog er ein Bündel von drei Schriftrollen heraus, schüttelte dann aber den Kopf und schob sie zurück. "Kannst Du griechisch? Sonst könnte ich Dir die Abenteuer des Herkules, den die Griechen Herakles nennen, empfehlen. Spannend, sehr phantastisch und dazu in einer wunderbaren Sprache geschrieben. Eine sehr klassische Lektüre. - Hm, das hier ist Dir mit Sicherheit noch nicht bekannt, es ist auch... naja, nicht unbedingt gehobene Literatur. Aber ich finde, der Autor hat eine schöne Ausdrucksweise und viel Witz. Außerdem liegt Dir das Thema nahe." Er zog ein Kästchen mit mehreren Schriftrollen hervor. Schon die Aufmachung zeigte, daß es nicht gerade das wertvollste Werk der aurelischen Bibliothek war. Der Titel lautete auf "Zwillinge". Gut, die Helden waren Zwillingsbrüder, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten.

  • Na das konnte ja noch etwas werden. Narcissa würde ihr später den Kopf abreißen, wenn diese heraus fand, dass sie verraten hatte, wie sie hin und wieder von Lysandra genannt wurde. Kurz machte sie sich ernsthaft Sorgen über ihren Ruf innerhalb der Familie, aber eigentlich meinte es ja keiner Böse mit ihnen. Im Gegenteil sie hatte die einzelnen Familienmitglieder genauso schnell um den Finger gewickelt, wie sie es in Terentum getan hatten. Lag wohl an ihrer ungekünstelten Art. „Dann solltest du bei Lysandra anfangen“, witzelte sie, bezweifelte aber dass Titus sich die Sklavin deswegen vornehmen würde. Schließlich war sie eine der wenigen die die Zwillinge durch und durch kannte und auch ohne Probleme auseinander halten konnte. Meistens jedenfalls.


    Titus machte sich einen Spaß daraus, sie auf den Arm zu nehmen. Da konnte sie ja ruhig etwas zurück sticheln. „Kann ja nicht alles so langweilig sein wie du“, sie streckte ihm dann einfach frech die Zunge heraus. Auf den Mund gefallen war sie jedenfalls nicht. Kurz kicherte sie vor sich hin. Nun endlich erhob sie sich aus ihrem gemütlichen Sessel und schaute ihm neugierig über die Schulter, als er nach den passenden Geschichten für sie suchte um ihr Bedürfnis nach Abenteuern zu stillen. „Die Geschichten über Herakles hab ich schon gelesen. Narcissa hat mir das Buch unter die Nase gehalten“, erklärte sie. Wirklich Freude hatte sie daran nicht gehabt, aber ihrer Schwester dann gefallen getan. „Mutter hat dafür gesorgt, dass wir griechisch können. Wir hatten einen griechischen Lehrer“, erzählte sie dann noch. Bei dem nächsten Vorschlag horchte sie auf. Das klang verlockend und viel versprechend. Neugierig betrachtete sie den Titel, stutzte und lachte dann. Na wenn das nicht die richtige Lektüre für sie war. Zwillinge stand auf dem leicht ramponiertem Kästchen.

  • "Lysandra gehört doch wohl zur Familie, wie alle unsere Sklaven", lachte Ursus und schüttelte den Kopf. Die treue Seele wäre wohl sehr empört, wenn sie wüßte, was hier so gesprochen wurde. Eigentlich mußten ihre Ohren mächtig klingeln. "Außerdem glaube ich, daß sie den Nagel so ziemlich auf den Kopf getroffen hat. Du beweist das gerade auf sehr eindrucksvolle Art und Weise." Das war keineswegs böse gemeint, sein Zwinkern zeigte dies deutlich.


    "So, das hätte ich mir denken können, daß ihr den Herakles schon hattet. Er hat Dir nicht gefallen? Dabei sind seine Abenteuer doch wirklich spannend!" Aber es war ja nicht so, als hätte die aurelische Bibliothek nicht noch mehr zu bieten. Die Zwillingsgeschichte schien sie mehr zu reizen. "Ja, einer der Zwillinge hat alle guten Eigenschaften der Eltern geerbt und der andere alle schlechten. Den mit den schlechten Eigenschaften hatten sie ausgesetzt und ein Dieb fand das Kind und zog es auf. Erst im Erwachsenenalter treffen die beiden wieder aufeinander. Ach, ich denke, es wird Dir gefallen." Es hatte ein gutes Ende, das durchaus nicht vorhersehbar gewesen war. Das mochten Frauen doch.

  • Lysandra war so etwas wie eine große Schwester, hin und wieder aber auch eine Glucke, die ständig befürchtete, dass die Zwillinge ohne sie im völligen Chaos versinken würden. Dabei waren sie eigentlich gar nicht mal so schlimm, nur hin und wieder eben Träumer und ein wenig übermütig. Frech streckte sie ihm die Zunge raus, als er meinte sie haben die Bezeichnung Kobolde voll und ganz verdient. „Pass auf dass ich dir nicht einen Streich spiele“, drohte sie ihm scherzend und dachte tatsächlich kurz darüber nach, ob sie ihm wirklich einen Streich spielen sollte. Aber sie ließ es dann, sie war ja nicht in Terentum.


    Leicht zuckte sie mit den Schultern, sie konnte nicht sagen, warum sie Herakles nicht mochte, aber sie mochte seine Geschichten irgendwie nicht. Während Narcissa total begeistert war und eine ziemlich abgeliebte eigene Abschrift besaß. „Mein Griechisch ist nicht so gut. Narcissa ist darin besser“, meinte sie dann. Narcissa war schon immer fleißiger und aufmerksamer gewesen, in der Schule und bei ihren privaten Lehrern. Sie war eben ein Wildfang und meist lieber draußen, als irgendeinem alten Mann zuzuhören. Ihrer Mutter waren ja keine jungen Männer ins haus gekommen, aus Furcht, dass dieser dann ihre Töchter verführen könnte. Titus erzählte von dem Buch und ihre Augen blitzen neugierig auf. Das klang tatsächlich vielversprechend und spannend. Sie musste sich zurück halten, denn ansonsten hätte sie ihm das Kästchen mit den Schriftrollen glatt aus den Händen gerissen. „Ich werde es lesen und dir dann meine Meinung dazu mitteilen“, meinte sie stattdessen.

  • "Ooooh, ich Armer", jammerte Ursus theatralisch und versuchte sich an einem panischen Blick. "Die Streiche von Kobolden zu überleben, ist eine schier unerreichbare Kunst! Wie soll ich dieser Aufgabe gewachsen sein?" Er übertrieb maßlos in seiner gespielten Verzweiflung, machte seine Sache aber gar nicht mal so schlecht. Bis er sich das Lachen dann schließlich doch nicht mehr verkneifen konnte. "Wir müssen dringend mal wieder ins Theater. Die Schauspieler dort sind um Längen besser als ich." Das zuzugeben fiel ihm nicht weiter schwer, er war Senator und sehr weit davon entfernt, Schauspieler sein zu wollen.


    "Das ist sehr schade. Die griechischen Werke leben sehr stark von der Sprache. In ihrer Übersetzung sind sie nur noch halb so gut. Vielleicht wäre es gut, euch einen Lehrer zu besorgen? Bildung schadet nie und ihr seid sicher oft unterbeschäftigt, oder? Cimon kann übrigens sehr gut griechisch, er übt sicher gern hin und wieder mit Dir." Ursus konnte ja nicht ahnen, daß dies eine überaus schlechte Idee war.


    Er gab ihr das Kästchen mit den Schriftrollen. "Ich bin mir ziemlich sicher, daß es Dir gefallen wird. Aber natürlich möchte ich Deine ehrliche Meinung hören, wenn Du es gelesen hast."

  • Floras Lächeln konnte man schon fast als hinterhältig und frech auslegen. Allein weil Titus sie so neckte, war es noch verlockender ihm tatsächlich einen harmlosen Streich zu spielen. Schelmisch erwiderte sie seinen Blick. „Och, überleben wirst du es sicherlich… aber für den Rest gebe ich keine Garantie!“ witzelte sie. Das Thema Theater brachte sie dann aber auf andere Gedanken. „Gute Idee, da wollten wir sowieso hin!“ stimmte sie ihm begeistert zu.


    Beim Thema Lehrer hingegen zog sie eine kleine Grimasse, eigentlich hatte sie genug von denen und sie hatte einfach nicht die Begabung für Griechisch. Narcissa war ja auch an ihr verzweifelt. „Lieber nicht“, meinte sie recht schnell. „Die Grundlagen beherrsche ich ja, nur die Feinheiten kann ich mir nicht einprägen. Narcissa hat es ja auch bei mir versucht“, gab sie zu. „Außerdem hat Mutter unser halbes leben lang dafür gesorgt, dass wir die besten Lehrer bekommen haben!“ fügte sie dann noch hinzu. Sie wollte nicht den lieben langen Tag damit verbringen, still zu sitzen, das war einfach nicht ihre Art. Wobei sie aber hellhörig wurde, als er vorschlug, dass Cimon es ja einmal mit ihr versuchen könnte. Kurz wägte sie Für und Wieder ab. Zu ihrer Verwunderung stellte sie fest, dass ihr eigentlich jede Ausrede recht war um Cimon irgendwie nahe zu sein… noch konnte sie ja nicht wissen, welche Ereignisse da noch kommen würden. Von daher zuckte sie eher scheinbar nachgebend mit den Schultern. „Er kann es ja mal mit mir versuchen. Aber versprechen kann ich nichts!“


    „Du bekommst mein Urteil, sobald ich durch bin!“ versprach sie ihm und nahm das Kästchen in die Hände. Hinter der unscheinbaren Verkleidung schien wohl ein großes Abenteuer sich zu verstecken.

  • Der Vorschlag mit dem Theater kam erwartungsgemäß besser an als der mit dem Lehrer. Dabei hätte Unterricht den beiden ganz bestimmt nicht geschadet. Ursus seufzte und hakte das Thema ab. Er hatte über die beiden nicht zu befinden, das war die Aufgabe von Orestes. Na, den beiden war es bestimmt lieber so, denn er hätte ganz sicher für einen guten Lehrer gesorgt.


    "Dann ist das also abgemacht, Cimon wird Dir hin und wieder ein wenig Griechisch beibringen." Der Ärmste. Hoffentlich war Cimon diesem Unterricht nicht abgeneigt. Aber eigentlich konnte Ursus sich das nicht vorstellen. Cimon lernte so gerne. Und würde bestimmt ebenso gerne lehren.


    "Also dann verlasse ich mich darauf, daß Du mir berichtest, wie es Dir gefallen hat. Bis dahin habe ich bestimmt noch mehr gefunden, das Dir gefallen könnte." Ursus tat nun, weshalb er hergekommen war: Die Schriftrollen wegsortieren, die er hergebracht hatte. Das dauerte nicht allzu lange. "Dann lasse ich Dich mal wieder bei Deiner Lektüre allein. Und ich wette um ein Stück Honigkuchen, daß Caius auch sein nächstes Abenteuer überlebt." Er lachte, während er sich zum Gehen wandte.

  • Auch wenn es zumindest bei Flora nicht den Anschein hatte, die Zwillinge waren klug, versteckten dies aber geschickt hinter ihren leicht naiven Art. Ein Lehrer war nicht wirklich mehr nötig, viel würde er ihnen nicht mehr beibringen können. Philosophie, Griechisch, Grundlagen der Mathematik, Politik, neben Handarbeit, gutem Benehmen und vielen anderen Dingen. Es war ein schierer Wissensdurst gewesen, den ihre Mutter gefördert hatte. Weiterer Unterricht würde ihnen sicherlich nicht schaden, aber sie wohl eher langweilen.


    Zustimmend nickte sie und fragte sich kurz, ob das so klug gewesen war, auf das Angebot einzugehen. Aber was sollte es schon schaden. Es würde ihr Griechisch verbessern wenn sie Glück hatten, wenn nicht, dann konnte sie etwas Zeit mit Cimon verbringen. Es war letzteres was sie mehr lockte.


    Sie machte es sich in dem Sessel wieder gemütlich und stellte erst einmal das Kästchen mit der Geschichte neben sich auf den Tisch, weil sie die Abenteuer von Caius weiter lesen wollte. Titus räumte indes die mitgebrachten Bücher weg. „Bis zum Abendessen!“ verabschiedete sie sich dann von ihm und vertiefte sich wieder in ihre Lektüre.

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