Hortus | Die Erziehung des Menschengeschlechts

  • Sim-Off:

    Anderer Autor, anderes Werk. :D


    Der Hortus der Villa Flavia gehoerte zu einem der reichsten Gaerten ganz Roms. Eine Pracht voller Blueten. Baeume und Straeucher. Fruehlingshaft erstrahlte der Hortus in den schoensten und saftigsten Farben. Vom Hortus aus hatte man eine schoene Sicht ueber die ganze flavische Villa.
    Die Ruhe wurde gestoert, als Piso ins Bild schritt, eine sichtlich von Unmut erfuellte Sklavin hinter sich herschleppend.
    An einem bestimmten Flecken liess er sie los, drehte sich zu ihr hin und deckte sie in einem Wortschwall ein.
    "Also, hoer jetzt einmal gut zu Syrerin, ich werde mich nicht wiederholen, ist das klar? Das hier ist der Hortus der Villa. Es ist einer der schoensten und groessten in Rom. Und von hier aus sieht man etwas besonders gut."
    Er zeigte an eine Mauer, die sich erhob, ausserhalb des Gartens. Er verfolgte den Lauf der Mauer, welche die Villa gegenueber den umliegenden Grundstuecken abgrenzte, und drehte sich dabei langsam im Kreis.
    Am Ende war er wieder an seiner Ausgangsposition angekommen. Die Mauer, zumindest den oberen Rand, hatte man immer sehen koennen. "Siehst du, was ich meine? Die Flucht ist aussichtslos. Die Villa ist wie ein Gefaengnis. Ein Luxusgefaengnis. Selbst wenn du es schaffst, ihnen zu entkommen, bist du noch immer in Rom. Eine Stadt, ihrerseits umgeben von Mauern. Und wenn du die ueberwindest... ja dann, dann bist du in Italia. Ohne Geld. Ohne Freunde. Ein Land voller Sklavenjaeger, die mit Freuden entlaufene Sklaven wieder einfangen. Und die Strafe, die du dir einhandelst, wenn du fliehst, wird dir nicht gefallen. Also, Maedchen, tu dir selber einen gefallen. Glaube nicht, dass du entkommen kannst. Es ist unmoeglich. Alles klar?" Im letzten Satz konnte man tatsaechlich, zum ersten mal in ihrer Unterhaltung, einen drohenden Unterton vernehmen.
    Hier endete er. Er musste wieder an diese Sklaven denken, die entflohen waren bei den Saturnalien. Die Sklavenjaeger verfolgten sie schon, und es war keine Frage, dass sie die Entflohenen schon noch einfangen wuerden. Er blickte sie erwartungsvoll an. Sie hatte doch verstanden?

  • Pisos fester Griff um Semiramis Arm schmerzte. Das gab wieder blaue Flecke! Semiramis aber beschäftigten weitaus wichtigere Dinge, wie das Hämatom an ihrem Oberarm, vielmehr verschlechterte sich ihr Zustand zusehends. Der Brechreiz steigerte sich und sie begann schon zu Würgen. Dieser Reflex verstärkte sich noch, als er sie plötzlich losließ und sie mit einem Wortschwall übergoß. Für die Schönheiten des Gartens hatte sie keine Augen gehabt. Auch jetzt nicht, als er sie darauf hinwies. Eigentlich hatte die Syrerin für das Grünzeug, wie sie es nannte, eh keinen Sinn. Für sie gab es nur Blumen und Blumen und nur Bäume und Bäume und sonst nichts.
    Nur mit größter Anstrengung gelang es ihr, dem Lauf der Mauer zu folgen, womit er ihr die Ausweglosigkeit einer möglichen Flucht vor Augen halten wollte. Im Normalfall hätte sie sich davon sicherlich unbeeindruckt gezeigt, denn Semiramis hatte bis jetzt so ziemlich jede Mauer geschafft, die sich ihr in den Weg gestellt hatte. Außerdem, Rom war auch nicht anders, als Damaskus!
    Als er endlich fertig war und sie voller Erwartung anstarrte, weil er nun schwer damit rechnete, sie damit jetzt gebrochen zu haben, gab es nichts mehr, was Semiramis davor hätte bewahren können, sich vor dem natürlichen Lauf der Dinge zu drücken. Der Drang ihres Mageninhaltes, der wider die Schwerkraft nach oben wollte, war so groß, daß es sie direkt vor Piso in die Knie zwang. Mit einem sehr unappetitlichen Geräusch übergab sie sich. Dem folgte ein erschöpftes Stöhnen, als nichts mehr ging. Selbstverständlich hätte diese Handlung durchaus auch als Antwort auf das Gerede des Römers gelten können, denn das genau beschrieb es, was die Syrerin über ihren selbsternannten Herrn dachte.
    Mit einiger Kraftanstrengung rappelte sie sich wieder auf und kam neben Piso wieder zum stehen. "Ääähhh", stöhnte sie noch einmal und wischte sich mit ihrem Handrücken den Mund ab. Sie war recht jämmerlich anzuschauen. "Netter Garten, habt ihr hier. Was hast du gemeint, was ist unmöglich? Ich glaube ich habe dir nicht ganz folgen können!" Allmählich normalisierte sich wieder die Farbe in Semiramis Gesicht.

  • Piso war vieles, aber kein Schwaechling, andernfalls haette sich Semiramis ohne grosse Schwierigkeiten losgerissen. Die geraesuche, die sie von sich gab, ueberhoerte er absichtlich. Er war der festen Ueberzeugung, dies waere ein Trick der Sklavin, um frei zu kommen. Waehrend er redete, blickte er sie deshalb auch nicht an, sondern vielmehr die Mauer.
    Deshalb kam die ganze Sache auch etwas unerwartet. Mit einem weibischen Kreischen sprang Piso zurueck, was nicht verhinderte, dass einiges von Semiramis' Erbrochenen in seine Schuhe schlitzte. Er schuettelte hektisch seinen linken Fuss herum, was einige Batzen Kotze wegschiessen liess, jedoch nur wenig dazu beitrug, dass das ekelige Geschluder aus seinen Fuessen sich entfernte.
    Das hatte er nicht verdient! Unter seinen Fuss war es geraten! Er versuchte, die Sohle anch unten zu ziehen, dies scheiterte aber an seinen fest zugezogenen Lederriemen. Er packte eine Giesskanne, die voll mit Wasser war und zufaellig gleich neben ihm stand, und schwemmte die Sandale damit aus. So, besser.
    Er tat nichts, um seiner Sklavin zu helfen. Das waere ja noch das Schoenste. Ehrlich, beeindruckt gewesen war er nicht von dieser Darbietung.
    Also verschraenkte er nur seine Arme und blickte sie streng an. "Das war ja aeusserst schoen.", feixte er, jedoch ohne irgendein aeusseres Anzeichen von Belustigung.
    "Ich werde dir natuerlich nicht befehlen, das... Zeug hier zu entfernen. Weil es selbstverstaendlich ist, dass du das tust, ohne eine Extraeinladung dafuer zu bekommen.", sagte er missmutig und quittierte den Haufen abermals mit einem verachtenden Blick.
    "Ja, der Garten ist nett, gut, dass du das mitbekommen hast, und unmoeglich ist die Flucht, habe ich gesagt. Du tust dir selber einen Gefallen, wenn du brav hier bleibst.", meinte er, blickte gen Himmel und legte seine Haende zusammen. Ach, goettlicher Iupiter, du spielst dem armen Piso ja arg mit.
    "Alles klar soweit, Sklavin? Ich verabscheue Wiederholungen. Sie sind unaesthetisch."

  • Leicht angeekelt verzog sie ihr Gesicht, als sie zum Boden hinunter blickte und zwangsläufig das Resultat ihrer Tat sah. Ein "Ähhh", das nur ihre Abscheu widerspiegelte, war auch noch zu hören. Es war ihr ja schon peinlich, daß so etwas geschehen war. Aber der Flavier hatte selbst Schuld!
    Das einzig witzige an der Sache war seine pfeilschnelle Reaktion und das mädchenhafte Kreischen zuvor, als ein wenig des Erbrochenen auf seiner Sandale landete. Keine schöne Vorstellung, wenn davon etwas ins Innere gelangte. Mal ganz abgesehen von dem Geruch, dem selbst nicht mit einfachem Wasser beizukommen war. Ein schlampiger Sklave mußte bei seiner Arbeit im Garten jene Gießkanne vergessen haben, derer er sich nun bediente um seine Sandale damit zu fluten. Wirklich lustig! Semiramis schaute amüsiert zu, der Ausdruck ihres Gesichtes wurde aber wieder ernst, als er sie ansprach, und er sprach und sprach. Dieser Mann hörte sich wohl selbst gerne reden. Beste Voraussetzungen für die Politik!
    Es war ganz logisch, dass er nicht vor Begeisterung in die Luft ging. Die Syrerin wäre das auch nicht, aber sie fand die Situation so komisch und hatte sehr, sehr große Mühe nicht zu lachen. So etwas wie Respekt würde sie vor diesem Exemplar der Gattung homo romanus so schnell nicht haben. Da konnte er noch hundertmal behaupten, sie sei seine Sklavin und er ihr Herr.
    "Ich brauche aber Wasser dafür. So kriegt man das nicht weg! Du hast alles Wasser verbraucht, sinnlos wie ich meine! Kleiner Tipp, deine Füße werden trotzdem stinken, auch wenn du das Zeug jetzt weggeschwemmt hast. Das ist einfach so! Frag mich nicht, wieso! Wenn ich also brav hier bleiben soll, wie du, oh großer Meister mir, deiner nicht ganz so hingebungsvollen Sklavin befiehlst, dann muß ein anderer das Wasser holen." Sie hatte ja versucht, ernst zu bleiben. Mit jedem Wort aber, fiel ihr das schwieriger und schließlich konnte sie nicht mehr. Sie lachte, sie lachte ihn aus!

  • Darin, dass die Sache äußerst unappetitlich war, um nicht zu sagen ekelig, hätte der Patrizier mit dem vollgekotzten Schuh sicher seiner Sklavin Recht gegeben. Doch in allen anderen Sachen, welche sie sich dachte, hätte er ihr kaum zugestimmt. Erstens, er fand nicht, dass sein versauter Schuh witzig war. Er trat vorsichtig auf. Eine Mischung aus Wasser und Erbrochenem spritzte aus seinem Schuh heraus, als er kräftig auftrat. In seinem Kopf bildete sich eine bemerkenswert lange Ketten von Schimpfwörtern aus verschiedenen Sprachen, und alle klangen sie vulgär. Zweitens, Piso empfand das Erbrochene sicher nicht als Strafe für seine weisen Wörter. Vielmehr war es eine Sache, die aus seiner Sicht gänzlich unberechtigt gekommen war. Wie er sich das verdient hatte, wollte ihm nicht in den Kopf gehen. Er hatte die Sklavin so behandelt, wie es ihm zugestanden war. Im Gegenteil, viel besser sogar, es gab kein Gesetz, welches ihm verbat, sich ohne ein Wort zu äußern auf sie zu stürzen und sie sich zu nehmen. Doch das hatte er nicht getan. Das zeigte doch, was für ein großer Kavalier er war!
    So war sein Wortschwall eine großartige Gelegenheit, sie zu bestrafen. Mittlerweile hatte Piso schon kapiert, dass sie, wiewohl sie selber eine sehr große Klappe hatte, es überhaupt nicht mochte, wenn sie selbst mit einem überproportionalen Gerede überschwemmt wurde. Typisch verzogenes Sklavenpack. Nur um sie drehte sich wohl die Welt, ihre Herren als arrogant bezeichnen, das konnten sie sehr wohl, aber sich selber an der Nase nehmen, nein, das war unmöglich.
    Piso hörte sich nun an, wie Semiramis Konter gab, und tat das wohl flavischste, was er in jener Situation machen konnte.
    Er zog die rechte Augenbraue hinauf. Dies war kein abrupter Prozess, sondern geschah ganz langsam, in einer kaum merkbaren Geschwindigkeit. Als Semiramis anfing mit ihrer Rede, war Pisos Augenbraue noch normal. Als Semiramis endete, war sie schon um einiges höher, und fast schon wahnwitzige Höhen erreichte sie, als seine Sklavin zu lachen anfing. So starrte er sie an, 5, 10 Sekunden, komplett entgeistert. Sie war wohl verrückt geworden. Sie verdrehte ihm die Worte im Mund herum? Nur er, er alleine hatte das Recht, dies zu tun, und zwar mit den Worten seiner Sklavin.
    Dann rutschte seine Augenbraue auf die übliche Position zurück, und er lächelte. Es war nicht das unsympathische Grinsen, mit welchem er die Sklaven oft malträtierte, sondern ein mildes Lächeln, welches eine Art Mitleid ausstrahlte. „Du arme, arme Irre.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich werde zuletzt lachen... und wer zuletzt lacht, lacht am besten.“ Er kratzte sich einen Erdkrümel unter den Daumennagel hervor, schnippte ihn in die Luft und meinte dann: „Ich mache mal eine Ausnahme. Nur für dich, weil du mir so sympathisch bist. Es ist dir erlaubt, dich zum Brunnen zu begeben. Er ist da.“ Er zeigte auf den Gartenbrunnen, welcher sich weiter drüben abzeichnete. „Es ist dir außerdem erlaubt, dass du den Eimer mitnimmst, ihn dort vollfüllst, zurückkommst und die Sauerei hier weg machst.“ Sein Lächeln entschwand. „Empfehlung des Hauses: Du nutzt diese Freiheiten, welche ich dir gegeben habe. Und zwar jetzt, auf der Stelle.“

  • Es war wohl das letzte mal in Damaskus, als sie sich so amüsiert hatte, wie sie das gerade tat. Tränen traten ihr bereits aus den Augen und es wurde immer schwerer, an sich zu halten. Das unübertroffene Gehabe des Römers verstärkte das noch alles.
    Ihr Hinweis mit seinen Schuhen war ganz offensichtlich angekommen, denn kurze Zeit später übte er sich darin, mit seinem nassen Schuhwerk aufzutreten. Nicht nur das unangenehme Geräusch, das dabei entstand auch die unappetitlichen Spritzer von dem restlichen Inhalt des Schuhes, ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Auch wenn sie scheinbar hier festsaß, wenigstens hatte sie immer etwas zu lachen. Dieser Gernegroß sollte noch herausfindes, was es hieß, sie als Sklavin zu haben!
    Semiramis´ Lachen ließ allmählich nach, besonders dann, als die eine Augenbraue des Römers im Schneckentempo in die Höhe ging. Das war wirklich kurios. Sie beobachtete ihn aufmerksam und wartete, was er nun vom Stapel ließ.
    Dieser Kerl, der doch selbst ein Irrer war, nannte sie eine Irre. Da musste sie doch gleich wieder kichern. Nein, nein, ganz ohne Zweifel, er war ein lustiges Kerlchen, mit dem sie noch allerhand Freude haben würde. Von Respekt war da keine Spur.
    Kopfschüttelnd und grinsend quittierte sie, wie er ihr ausnahmsweise erlaubte, zum Brunnen zu gehen, um Wasser zu holen.
    "Oh, großer erhabener Meister, du bist unermesslich in deiner Güte.", antwortete sie aus reinem Spott.
    Die Syrerin lief zum Brunnen, füllte einen Eimer und kam zurück. Mit einem großen Schwung leerte sie das Wasser auf den Boden, wo ihre Überreste noch lagen. Sie hatte das so gekonnt gemacht, daß es nicht ausblieb, daß ein nicht unerheblicher Teil des Wassers seine Schuhe erreichte und sie nun vollkommen nass waren.
    "Oh, wie unachtsam von mir!", meine sie nur keck und grinste unverschämt dabei.

  • Ganz allmählich ebbte das Spottgelächter seiner Sklavin ab. Viel zu langsam für Pisos Geschmack, welcher befand, dass es gar nicht erst so weit hätte kommen sollen. Nun, wie dem auch sei, das Mädchen war eindeutig ein wenig verrückt. Andernfalls hätte sie wohl nicht so losgelacht, sondern vielmehr sehr eifrig gehorcht.
    Tja, es schien wirklich so, dass Piso und Semiramis keine Liebe auf den ersten Blick füreinander empfanden. Doch tief in seinem Herzen musste sich Piso etwas eingestehen. Irgendwie, auf eine ganz seltsame Art und Weise, mochte er sie. Sie war komplett anders als der ganze Rest des Sklavengewürms, welches hier herumkroch und brav buckelte, ohne einen eigenen Willen zu zeigen. Oder jene Exemplare wie diese unmögliche Asny, die so hinterhältig und gemein war, dass es keine Freude mehr war. Semiramis hatte zwar ein freches Mundwerk und Manieren wie frisch aus dem Schweinestall, aber trotzdem war etwas an dieser jungen Frau.
    Immerhin schien es aber so, als ob Semiramis sich noch mit ihrem Schicksal abgefunden hatte. Sie redete nicht mehr vom Abhauen, sondern leistete seinen Empfehlungen, die man gut und gerne Befehle nennen konnte, umstandslos Folge. „Ich weiß.“, grinste Piso auf die Ansage seiner Sklavin zurück und bückte sich, kaum war sie entschwunden, nieder, um seine Sandalen von seinen Füßen zu lösen. Er bemerkte nebenbei, wie Semiramis zurückkam, schlüpfte aus der linken Sandale und machte sich an der rechten zu schaffen, da bemerkte er plötzlich wieder Nässe an seinen Füßen. Da hatte doch dieses Luder das Wasser direkt vor seine Füße geschüttet. Ohne dies zu kommentieren, schlüpfte er auch aus seiner rechten Sandale, hob die Schuhe auf und hielt sie Semiramis entgegen. „Wenn du fertig damit bist, deine eigene Kotze aufzuwischen, wirst du meine Schuhe säubern. Und wehe, ich rieche morgen daran und merke irgendeinen Geruch, der nicht ganz koscher ist, kannst du etwas erleben.“, meinte er ruhig und wedelte ihr mit den Schuhen vor ihem Gesicht herum. Zu seinem Amüsement lösten sich einige Brocken des Erbrochenen von seinen Schuhen und spritzten auf die Tunika der Syrerin. Dann liess er die Sandalen vor ihr niederfallen. Es polterte leise, als das Schuhwerk am Boden auftraf.
    „Dann schauen wir mal, wie du das machst. Dann fang mal an. Los, los!“ Barfuß, wie er nun war, trat er einige Schritte zurück, um das Spektakel zu beaugäpfeln.

  • Schon wieder grinste er so dämlich! Semiramis Faust hatte erneut das Bedürfnis, einmal kräftig auszufahren und ihm das Gebiß zu zertrümmern. Dann würde er garantiert nicht mehr grinsen, dieser Sproß einer dicken fetten Kröte!
    Allmählich hatte es den Anschein, als artete ihr Miteinander in einen Wettkampf aus, in dem es darum ging, wer die größere Ausdauer hatte und wer eine Gemeinheit mit einer noch größeren übertrumpfen konnte. Noch lag Semiramis gut vorne, nicht zuletzt durch ihre Wasseraktion. Doch der Flavier konterte sofort. Er hielt ihr seine stinkenden und beschmutzten Sandalen entgegen und forderte sie auf, sie zu putzen. Dabei schlenkerte er sie vor ihrem Gesicht herum, so daß ein wenig ihres Erbrochenen auf ihrer frischen Tunika landete. Semiramis kochte vor Wut. Sie war nahe daran, ihm entweder die Augen auszukratzen oder vor Wut zu heulen. Das letzere durfte natürlich unter gar keinen Umständen passieren. Dann konnte dieser Großkotz auch noch über sie triumphieren, was er ja auch so schon tat und sie konnte endgültig einpacken!
    "Für den Geruch deiner Käsefüße kann ich nichts!" gab sie flapsig zurück und wollte ihm die Schuhe aus der Hand reißen. Diesmal kam er ihr zuvor, denn er ließ sie vor ihr auf den Boden poltern. Es machte ihm offenbar besonderen Spaß, ihr deutlich zu machen, was sie in seinen Augen war.
    In Semiramis Gesicht begann sich etwas zu regen. Ihre Wangenknochen waren vor Wut angespannt, aber ihren Augen konnte man deutlich ansehen, wie schwer sie sich tat, keine einzige Träne zu vergießen. Sie war voller Zorn und Abscheu, gegenüber diesem Kerl, dem sie ab jetzt gehören sollte und der über ihr Leben bestimmen durfte. Demonstrativ hatte sich Piso vor ihr aufgebaut und wollte das Schauspiel nun auskosten.
    Erst schüttelte sie den Kopf und dann schrie sie, so laut sie konnte. "Putz dir doch deine Sandalen selber, du Idiot!" Wahrscheinlich hatte er damit am wenigsten gerechnet und noch weniger damit, daß sie ihn nun stehen ließ und davon rannte, hinaus in den weitläufigen Garten, dorthin wo einige recht imposante Bäume ganz dicht beieinanderstanden, die ihr ein wenig Schutz für den Anfang bieten konnten.

  • „Doch, kannst du.“, gab Piso unbeirrt zurück. „Du hast auf meine Schuhe gespeibt. Und dass sie riechen wie Käsefüße, dass geht wohl auf den Gestank von deiner... he! He! Was soll das!“, rief er Semiramis nach, als die einfach davonrannte. „Kommst du sofort wieder hierher zurück!“, brüllte er ihr nach, doch dies half nichts. Sie rannte einfach davon, und Piso konnte nichts tun, als ihr nachzuschauen. Sie verschwand zwischen Baeumen weiter hinten im Garten. Entkommen aus dem Garten konnte sie nicht. Und trotzdem gefiel die Geschichte Piso gar nicht.
    Nun, wieso rannte er ihr denn nicht barfuß nach? Der Grund war der Kiesboden rund um den gepflasterten Platz, auf dem Piso stand. Tatsächlich war es nur eine kleine gepflasterte Stelle, die umgeben war entweder von hohen Büschen oder von Kieswegen, die sternenförmig vom Platz wegführten. Einen davon hatte Semiramis genommen.
    Und Piso war nun auf dem kleinen Platz gefangen, wenn er sich nicht die Füße an den scharfen Kiesböden kaputt machen wollte. Doch er versuchte es trotzdem. Vorsichtig schritt er zu einem der Kieswege hin und machte ein paar vorsichtige Schritte. Doch dann setzte die Wehleidigkeit ein, und Piso hüpfte zurück auf den Kiesplatz. Er war sauer. Mächtig sauer. Was bildete die sich ein?
    Da stand er nun also, mit einem paar von unbrauchbaren Sandalen und einem großen Batze von Erbrochenem, welches sich irgendwie auszubreiten schien und immer mehr von dem ehrnur beschränkten Platz, der Piso zur Verfügung stand, einnahm. Es war nicht sehr lustig, man stelle sich nur seine Position vor. Ganz und gar deplorabel, wie man es in der Villa Flavia ohne Zweifel ausdrücken würde.
    Das Erbrochene breitete sich noch immer aus. Pisos Position wurde unhaltbar. Kläglich erklang seine Stimme durch den Park. „H... h... Hilfe! Hilfe! Hilft mir denn keiner?“, rief er und trat unabsichtlich auf den Kies. Es tat weh, und er zog schnell seinen Fuß zurück. „Aua!“, machte er laut und starrte gebannt auf die Kotze, die sich immer mehr ausweitete. Würde denn niemand helfen?

  • Hastig atmend blieb sie dicht gedrängt hinter dem Baum stehen und wagte es nicht zurück zu blicken. Der Flavier rief ihr noch wütend hinterher. Sie aber ignorierte seine Rufe. Keinesfalls wollte sie sich zu seinem Hanswurst machen lassen. Ein wenig Ehrgefühl hatte sie noch.
    Sie rechnete fest damit, dass dieser Wicht ihr nachrannte. Aber als sie nach einer Weile immer noch alleine war, riskierte sie doch einen Blick zurück in die Richtung, wo sie den Flavier zurückgelassen hatte. Semiramis traute kaum ihren Augen. Da stand er, oder vielmehr humpelte er wehleidig jammernd auf dem Kiesweg, weil er barfuß war. Dieser jämmerliche Weichling! Es war schon Strafe genug, sich in der Nähe dieses Waschlappens aufhalten zu müssen. Was konnte da noch schlimmer sein. Am besten dachte sie darüber nicht nach. Andererseits fand sie es auch furchtbar komisch, ihm zuzusehen. Sie hielt sich den Bauch vor lachen und trat sogar aus ihrem Versteck hervor. Ihr Lachen wollte gar nicht mehr aufhören. Es schmerzt schon fast, aber sie lachte weiter und krümmte sich vor Lachen. Dabei ließ sie aber völlig außer Acht, was sonst noch um sie herum geschah.

  • Er war nun endgültig auf den Kiesweg abgedrängt worden, und die spitzen Steine schmerzten seiner zarten Haut an den Fußsohlen mehr, als es Worte auszudrücken vermochten. Er quakte regelrecht vor lauter Schmerzen, und die Wut stieg in ihm auf. Ein leises Knurren entfuhr seinem Mund. Sein Mund öffnete und schloss sich abechselnd. Er japste, vor Entsetzen, Erstaunen und Zorn. Niemand half ihn, und das damaszenische Luder war wieder aus ihrem Versteck hervorgetreten.
    Der Zorn vernebelte seine Sinne. Der Zorn tötete sein Schmerzempfinden ab.
    Ein Berserker verliert in Rage jegliches Schmerzgefühl und stößt jegliches moralische Gefühl, dass in ihm ist, komplett ab. So erging es Piso.
    Er begann zu laufen. Zu rennen. Auf Semiramis hin, wutentbrannt, in seiner Ehre gekränkt, mit dem Ziel, ihr Gehorsam beizubringen. Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt, dachte er, als er vor ihr zu stehen kam. Sie lachte noch immer, hatte wohl nich bemerkt, dass er nun vor ihr stand. „DU!“, herrschte er sie an. Seine Augen blinzelten, fast so, als ob er vor Rage betrunken wäre. „Dir werde ich es zeigen! Du nichtsnütziges Luder!“, fauchte er. Seine rechte Hand zitterte, er konnte sie nicht mehr unter Kontrolle halten. Sie fuhr nach oben und dann mit voller Wucht nach links. Ob er ihr die deftige Ohrfeige, die er ihr verpassen wollte, gegeben hatte oder ob er sie verfehlt hatte, wusste er gar nicht, das Gefühl an seiner Hand – die Adern waren selbst dort vor Zorn geschwollen – wäre das selbe gewesen. Er atmete tief ein und aus, dann zischte er: „Du willst wohl die Nacht im Loch verbringen, hmm? Willst du das? Von deinem Verhalten kann ich schließen, dass du dich regelrecht danach sehnst. Den Wunsch kann ich dir leicht gewähren.“ Er blickte sie zornentbrannt an. „Entschuldige dich. Sofort. Wenn so etwas nie wieder vorkommt, dann will ich darüber hinwegsehen. Und ich will dir noch sagen – ich bin dein Herr, selbst wenn dir das noch nicht in deinen Sturschädel vorgedrungen ist. Ich besitze dich. Ich kann tun und lassen mit dir, was ich will. Du kannst froh sein, dass du an mich gekommen bist. Was andere getan hätten mit dir, will ich gar nicht wissen.“ Er schnaubte scharf aus. „Schau mal, Mädchen. Ich will dich zur Besinnung bringen. Es ist nicht nötig, dass du dich so aufführst. Du schadest dir selber.“ Indigniert blickte er ihr in die Augen. „Also?“

  • Vor lauter lachen hörte sie nicht, wie sich ihr Schritte näherten und wie sich ein übellauniger Römer vor ihr postierte. Der Syrerin blieb buchstäblich das Lachen im Halse stecken, als sie endlich mitbekam, daß sie längst nicht mehr ungestört war.
    Die Augen des Flaviers blitzen vor Zorn auf und gleich darauf übergoss er sie mit üblen Schimpfwörtern und Drohungen. Semiramis zuckte zusammen, um sich zu schützen. Er würdesie doch nicht schlagen?! Seine Ankündigung allerdings, ihr es nun zeigen zu wollen, hatte etwas sehr bedrohliches. Dabei hatte sie doch gar nichts Schlimmes angestellt! Gut, sie hatte seine Schuhe beschmutzt. Aber was konnte sie schon für ihre körperlichen Bedürfnisse? Und dann war sie auch weggelaufen! Aber richtig geflohen im eigentlichen Sinne. Außerdem hatte sie jetzt langsam genug von allem. Sie wollte wieder nach Hause. Der Flavier musste ja nicht einmal für ihre Heimfahrt aufkommen. Dafür wollte sie schon selbst sorgen. Und überhaupt wusste sie nicht, was es mit diesem Loch auf sich hatte, von dem er sprach. Allerdings hörte es sich auch nicht unbedingt nach einem erquicklichen Ort an, nach dem man sich sehnte.
    Den Flavier schien das alles einen feuchten Kehricht zu interessieren. Er forderte sie auf, sich zu entschuldigen, nannte sie sogar einen Sturkopf. Dabei war er doch der Sturkopf! Denn er wollte einfach nicht begreifen, daß dies alles nur ein großes dummes Mißverständnis war.


    "Jetzt sei doch nicht so empfindlich! Na schön, das war nicht nett, als ich dir die Schuhe dreckig gemacht habe. Aber es war auch keine Absicht. Und einfach so wegrennen, na gut, das war auch dumm! Aber weißt du, ich konnte dein Gezeter und Getue wirklich nicht mehr weiter mit anhören! Du stellst dich wirklich wie ein Kleinkind an! Du bist unfreundlich, schmeißt mir Schimpfwörter an den Kopf und dann bist du auch ganz schön besitzergreifend und geltungsbedürftig. Du tust gerade so, als gehöre dir einfach alles, einschließlich mir. Als Kind hattest du wohl nicht viele Freunde, die mit dir spielen wollten, was? Aber irgendwie willst du es nicht kapieren: ICH BIN NICHT DEINE SKLAVIN! Ich bin niemandes Sklavin! Kapiert? Das war doch nur ein ganz blöder Zufall! Und außerdem, was meinst du mit Loch? Sag bloß, ihr habt hier noch etwas mieseres, als euer Bad?" Semiramis kümmerte es nicht groß, wie aufgebracht dieser Wicht war. Wenn er so ärgerlich dreinschaute, wirkte er irgendwie noch witziger. Aber irgendwie mußte sie ihn doch zur Vernunft bringen können! Nur wie?

  • Er hatte sie verfehlt, nicht nur dies, das, was er als Ohrfeige intendiert hatte, war zu einer kümmerlichen, wenn auch noch immer ärgerlichen geste verkommen. Im Nachhinein war Piso froh, dass es nicht so weit gekommen war, dass er sie geschlagen hatte. Er mochte viele Charkaterschwächen haben, aber keine davon war ein Hang zur Brutalität. Er mochte diese nicht. Und er würde sie auch bleiben lassen. Auch wenn er fast für einen Moment die Beherrschung verloren hätte.
    Sie war ein bisschen eingeschüchtert von seiner Schimpftirade, zumindest wollte er das glauben. Vermutlich war sie aber eher nur des Umstandes sich bewusst geworden, dass der junge Flavier am längeren Hebel saß.
    Nun dachte Semiramis, sie hätte nichts schlimmes getan, was von ihrem Standpunkt aus gesehen vielleicht richtig war, aber nicht von der Warte des Sklavenhalters aus. Es war klar, dass ein solcher nicht einmal die kleinste Überschreitung einer Sklavin dulden durfte. Erst, wenn eine Vertrauensbasis gegeben war, durfte ein Mitglied der Sklavenschaft beginnen, eigenständig zu agieren. Doch als Sklavenhalter musste man bis dahin die Leine kurz halten. Piso war nun diese imaginäre Leine aus der Hand gerissen worden. Er musste sie wieder packen und umso fester ziehen. Dies hatte er auch vor. Nachgiebig sein durfte man nicht, wenn man mit Sklaven zu tun hatte.
    Ein Wortschwall überschüttete ihn nun. In Ruhe hörte Piso sich an, was seine Sklavin zu sagen hatte. Er zwang sich zur Ruhe. Bei manchen ihrer Worte wäre er fast ausgezuckt, er ballte seine Hände insgeheim zu Fäusten, doch er unterdrückte den Zwang, ihr einfach nur einen vor den Latz zu hauen. Es wäre kontraproduktiv. Tief atmete er ein und aus.
    „Zumindest siehst du ein, was du falsch getan hast. Ich deute das mal einfach als Entschuldigung. Wenn so etwas nie wieder vorkommt, dann nehme ich sie an.“, machte er, leicht knurrend, dass auch ja kein Zweifel aufkam, dass er bitteren Ernst machen würde, wenn dies tatsächlich eintraf. „Und ich gebe dir Recht. Es gibt wirklich ein Missverständnis hier. Du denkst, du wärst eine freie Frau. Das bist du aber nicht. Nicht mehr.“ Er zuckte die Achseln. „Jeder kann dir bezeugen, dass du, wenn du verkauft wirst, dem gehörst, der dich kauft.“ Er kratzte sich am Kopf. „Und, so Leid es mir tut, ich bin nicht eine karitative Gesellschaft. Ich kaufe niemanden frei. Ich kaufe Menschen, um sie als Sklaven zu halten. So wie jeder andere hier. Das ist Rom.“ Ganz fein, ein bisschen vage, lächelte er. „Kurz gesagt, du hast nicht recht. Du bist Sklavin. Punkt.“ Er blickte demonstartiv von oben auf sie herab.
    „Und noch was. Was das Loch ist, das willst du nicht herausfinden. Glaube mir, das willst du nicht.“ Selbst ihm, als freien Römer, schauderte etwas, als er daran dachte. „Wirst du aber, wenn du weiter so kratzbürstig bist. Ich sehe nicht ein, wieso ich dich freilassen solte, wirklich nicht. Vielleicht bin ich einfach nur zu dumm, um den springenen Punkt zu sehen.“, meinte er provokativ und beugte sich inquisitorisch zu Semiramis herüber.

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