Innenhof | Interkontinentales Beschnuppern

  • Er war vor einer halben Stunde aus dem Cubiculum von Celerina gekommen. Er wartete. Die Nacht war warm, und trotzdem zitterte er ein bisschen. Er musste sich nicht einmal selber fragen, was das war.
    Es war die Aufregung.
    Die ersten Minuten hatte er damit verbracht, es Acanthus gleichzutun und ueber die Implikationen des Daseins nachzudenken. Doch nach 15 Minuten war er viel zu aufgeruettelt, um dies zu machen. Somit verbrachte er die naechsten 10 Minuten damit, Daeumchen zu drehen. Doch auch dies brach er ab, da seine Haende zu sehr zitterten. Wuerde sie kommen? Hoffen und bangen. Und warten, immer nur warten.
    Er haette sich hingesetzt, doch der Boden war zu kalt und zu dreckig. So blieb ihm nur das Stehen. Das Warten, und das Hoffen.
    Es waren nochmals 5 Minuten vergangen, jetzt muesste es doch soweit sein! Was war das, das Rascheln da drueben? War sie es, oder doch nur eine Halluzination? Hatte er sich alles nur eingebildet? Oder... kam sie?

  • Nachdem sie endlich entlassen war, zog sich Charis vorerst in ihr Kämmerchen zurück, welches sich gleich neben dem cubiculum ihrer Herrin befand. Dort sank sie zunächst erschöpft für einige Minuten auf ihr Bett und ruhte sich von ihrem langen Tag aus. Eigentlich war es Unfug, jetzt nicht sofort zu Bett zu gehen und zu schlafen. auch morgen kündigte sich wieder ein langer arbeitsreicher Tag an - der Hochzeitstag ihrer Herrin. Den langen Weg nach Ostia am frühen Morgen würde sie zu Fuß zurück legen müssen, genauso wie der Brautzug am Abend zurück nach Rom. Zwischendurch gab es auch wenig Luft, um sich ausruhen zu können. Aber andererseits hatte sie selbst Phraates auf den Plan gerufen und ihn für Mitternacht in den Hof bestellt. Sich zu drücken, ging nicht!
    Seufzend erhob sie sich wieder, wusch ihr Gesicht mit etwas kaltem Wasser ab, das noch in einer Schüssel vorhanden war und schlich sich auf Zehenspitzen hinaus, nur mit einem Lämpchen bewaffnet. Unterwegs blieb sie plötzlich stehen, nachdem sie geglaubt hatte, etwas zu hören. Nein, da war nichts! Bevor sie weiter ging, begann sie sich zu fragen, was sie eigentlich hier machte! Sie tat etwas unerlaubtes, etwas wofür sie bestraft werden konnte, käme es erst einmal ans Tageslicht. Wenn ihre Herrin davon Wind bekam, dann.. Was war dann? Charis war noch nicht so lange da, um das selbst herauszufinden. Sie hatte nur das wütende Geschrei und das Gezeter miterlebt, als Celerina erfahren hatte, daß ihr Sklave geflohen war. Wie allerdings die Herrin reagierte, wenn die Sklavin sich anders verhielt, als sie das erwartet hatte, darauf konnte sie sich keine Antwort geben. Entzückt würde sie bestimmt nicht sein!
    Charis war im Begriff das zu tun, was sie wollte. Alleine das war schon ein Novum. Die Makedonierin hatte sich niemals gefragt, was sie selbst wollte. Eine Sklavin hatte keinen Willen und doch zog es sie jetzt in den Hof hinaus zu dem Parther, den sie dort treffen wollte. Einfach nur deshalb, weil sie ihn treffen wollte und weil sie etwas gefühlt hatte, was ihr bisher fremd gewesen war.


    Sie war mutig und ging weiter. Bald erreichte sie den Hof. Mittels ihres Lämpchens leuchtete sie sich ihren Weg. Sie hatte keine Ahnung davon, daß sie längst nicht mehr alleine war. Charis blieb stehen, sah sich um und wartete. Sie hatte nichts erkennen können. Da, hörte sie etwas! Sie zitterte. Sollte sie nicht doch besser weglaufen? Nein, sie blieb stehen und wartete weiter.

  • Fruehling war es, und doch so kalt. Er zog sein Gewand etwas enger zusammen, um keine Gaensehaut zu kriegen. Doch waere die Gaensehaut Ausdruck eher von der Kaelte, die ihn umgab, oder der Aufregung? Wie lange hatte er schon mit keiner Frau mehr etwas zu tun gehabt... ewig schien es her.
    Das Rascheln wurde lauter, es zog ihn an. Er drehte sich zu jener Stelle hin, aus der es kam, und ging langsam darauf zu. Nur keine Hast. Nur keine Hast. Es wuerde alles gut werden. Oder halt... hatte er nicht immer dieses Unglueck? Oder war es einfach nur Einbildung? Er muesste sich ueberwinden. Seine rechte Hand zitterte leicht. Er packte sie und liess sie nicht los, bevor sie zu zittern aufgehoert hatte.
    Anders als Charis, die komplett ueberrumpelt war von jenem Gefuehl, einen eigenen Willen zu haben, fuehlte sich Phraates wieder, nach so langer Zeit, in seinem Element. Keiner, der in Freiheit geboren worden war, wuerde sie je abschuetteln koennen. Sie koennen dich aus der Freiheit herausreissen... aber sie koennen nicht die Freiheit aus dir herausreissen. Schon gar nicht aus einem Mann wie Phraates.
    Er blieb stehen, streckte die Hand aus und zog den Ast eines Gebuesches beiseite.
    Dahinter stand sie. Er hatte es gar nicht mehr fuer moeglich befunden. "Charis...", meinte er nur noch mehr, atemlos. Das Herz schlug ihm bis hinauf in den Hals. Selbst wenn sein Latein besser gewesen waere - was haette er sagen koennen. "Du da bist." Ein feines Laecheln zierte sein Gesicht. "Du bist da.", sagte er, dieses Mal richtig.
    Dann erfasste er ihre rechte Hand und gab ihr einen Handkuss, wie es Sitte war in seiner Heimat, wenn ein Mann eine Frau minnte. Er liess die Hand jedoch nicht los, sondern zog ganz leicht und vorsichtig dran. "Komm!", fluesterte er ihr zu. "Hier drueben ein Platz ist, wo man Sterne gut sehen kann!" Er deutete mit seiner freien hand auf die Stelle, wo er gerade gestanden war.

  • Charis seufte erschrocken auf, als sie Phraates Stimme vernahm. Auch wenn sie niemand anderen erwartet hatte, so war sie dennoch schreckhaft, weil sie eigentlich nicht hier sein sollte.
    "Ja, ich bin da.", flüsterte sie ihm ganz leise zu. Sie hielt das Lämpchen vor sich, damit sie sein Gesicht erkennen konnte und auch sein schönes Lächeln, das sie trotz all seiner gelegentlichen Unbeholfenheit doch so lieb gewonnen hatte. Auch sie lächelte ihm jetzt zu, wenn auch etwas genant.
    Charis´ Herz pochte vor Anspannung. Sich unerlaubt mit einem Mann, einem anderen Sklaven auch noch, zu treffen, war sehr ungewohnt für sie. Bisher hatte sie sich niemals zu eigenwilligen Handlungen hinreißen lassen. Aber ihr eigener Wille war dieses mal stärker gewesen. Jetzt war sie hier, mit Phraates alleine und nur die Götter wußten, was die Nacht noch bringen würde.


    Er griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich fort zu einem Platz, wo man eine freie Sicht auf die Sterne hatte. Sie richtete ihren Blick zum Himmel, so wie sie es früher als Kind in Griechenland getan hatte. Der Himmel war klar und abertausende Sterne funkelten zur Erde herunter. "Schau, dort, ist das nicht Kassiopeia?" rief sie plötzlich aus und deutete gen Himmel, wo sie das Sternbild entdeckt hatte.

  • Sie entgegnete ihr Lächeln, und zwar so, dass Phraates glaubte, er sei jetzt im Paradies gelandet. Sie leistete keinen Widerstand, als er ihre Hand ergriff – beinahe hatte er dies schon befürchtet – und sie gingen gemeinsam jene paar Schritte zu jener Stelle, nicht weit entfernt vom Tor zum Innenhof, wo man sehr gut an zahlreichen Fußspuren am Grund sehen konnte, dass hier noch vor kurzem jemand ungeduldig in einem sehr kleinen Kries herumgetrottet war. Phraates wusste natürlich, dass dies seine Spuren waren, und jetzt war er schon fast ein bisschen peinlich berührt, zeigten jene Abdrücke doch seine Ungeduld.
    Doch Charis schien sich nicht allzu lange damit aufzuhalten, sondern blickte sogleich in die Sterne. Es war eine sternenklare Nacht. Zwar hätte man die Sterne viel besser sehen können, wären die beiden auf einem verlassenen Hügel gewesen, ohne Lichter rund um sie. Doch auch von jenem Innenhof ind er größten Stadt der bekannten Welt konnte man sie alle sehen, und man konnte auch die Sternzeichen ausmachen.
    Er machte einen kleinen Seitschritt, sodass er nun hinter Charis stand. „Ja.“, sagte er zu ihr, ganz leise, als sie den Namen der Sterngruppe erwähnte. „Wir sie Zatalkasi nennen. Der Stern hier Schedar heißt...“ Er beugte sich zu Charis hin und deutete über ihre Schulter zu einem sehr hellen Stern, „das hier ist Ruchbah... und das ist Segin. So wir nennen sie.“, sagte er, stolz auf das astronomische Kulturerbe seines Volkes.
    Für eine kurze Weile stand er da, den Zeigefinger noch immer ausgestreckt, mit einem unbestimmten Lächeln auf seinen Lippen. „Ich die Sterne liebe...“, flüsterte er ihr zu. „Sie so weit weg, und trotzdem, man glaubt manchmal, man kann Arm ausfahren und sie berühren.“ Ihn hatten die Sterne schon immer sehr berührt, und er hoffte, Charis würde ihn deswegen nicht als Schwächling und Träumer ansehen.

  • Von den Spuren am Boden hatte Charis nichts bemerkt. Sie wusste nichts von dem, was in Phraates vorgegangen war, als er auf sie ganz ungeduldig gewartet hatte. Hätte sie es gewußt, so hätte sie ihn verstehen können, denn sie kannte auch das Gefühl, auf etwas warten zu müssen, wonach man sich sehnte. Hätte sie anfangs nicht so viele Bedenken gehabt, wäre es ihr ähnlich ergangen.
    Ganz angetan hörte sie seinen Erklärungen zu. Die parthischen Namen der Sterne und deren kehlige Aussprache, klangen für sie so ungewohnt und fremd, als kämen sie aus einer anderen Welt. Sie waren genauso geheimnisvoll, wie Phraates selbst. Der Parther deutete auf die Sterne, die er ihr benennen konnte und war ihr damit noch ein ganzes Stück näher gekommen. Dabei flüsterte er in ihr Ohr. Charis wehrte sich nicht gegen diese Nähe, warum hätte sie auch? Sie mochte es sogar. Längst hatte sie die Befürchtungen etwas unrechtes zu tun, in ihrem Kopf ausgeknipst. Sie waren hier alleine. Niemand störte sie und niemand würde sie im Augenblick vermissen. Sie konnte getrost loslassen und sich mitreißen lassen, sofern sie das wollte und sich dabei wohl fühlte. Im Augenblick tat sie das.
    Langsam drehte sie sich zu ihm um, damit sie in seine dunklen Augen blicken konnte, in denen sich der Schein des Mondes spiegelte. "Ich liebe es auch, mir die Sterne zu betrachten. Als Kind habe ich das oft getan. Ein alter Sklave hat mir manchmal die Geschichten von den Sternbildern erzählt. Wenn ich dann wieder zum Himmel geblickt habe, dann wurden diese Geschichten wieder lebendig. Ja, manchmal scheinen die Sterne zum greifen nahe. Als müsse man einfach nur zugreifen." So wie er jetzt. Aber dazu hatte sie nicht den Mut, noch nicht.

  • Sim-Off:

    Ich habe jetzt einmal einen Post geschrieben. Tut mir Leid fuer die miese Anwesenheit zur Zeit!


    Phraates atmete innerlich auf. Sie hatte seine Spuren am Boden nicht gesehen. Vielleicht hätte sie ihn als schwachen, ungeduldigen Mann gesehen, als eine Art von Mann, welcher ein azadan nicht sein sollte, nicht um alles in der Welt. Zudem beglückwünschte er sich stumm zu seiner Wahl, dass mit Knoblauch großzügig gewürzte Abendessen (vulgo Pampe) auszulassen. Zwar wurde sein Hunger dadurch nicht gerade gestillt, doch der daraus entstehen würdende Mundgeruch hätte jene zarte Funken, welche im Begriff waren, zwischen dem Parther und der Makedonierin zu entstehen, im Handumdrehen abgetötet.
    Er ging kurz in sich, als Charis sich langsam zu ihm hinwandte. Er hatte sich noch nie so wohl gefühlt, seit er vom Anwesen seiner Familie losgeritten war. Die Sklavenschaft war graunenhaft und ungerecht... doch dies war die große Chance. Die Chance, die ganze Sache erträglich zu machen. Es wurde ihm klar, dass er immer weiter machen würde wie bisher, bis schließlich der letzte Funken von Lebenswillen in ihm erlosch, wenn er sich jetzt nicht versinken ließ, in die Wunder einer sternenklaren römischen Nacht, welche sein Leben wieder lebenswert machen könnte.
    Mit der Hilfe jener Frau, die ihm nun in die Augen blickte. Der Ausdruck in ihren Augen, wie sollte man es beschreiben? Phraates vermeinte darin einen leichten Schimmer von etwas zu vernehmen, was man als die Verheißung der Freiheit kannte. Wenn es sich auch nicht um die physische Freiheit handelte, bestand die Aussicht auf eine Art der geistigen Freiheit, welche genau so aufregend war wie diese Nacht, wie dieses Mädchen.
    Er beschloss, dass etwas getan werden musste, selbst wenn die Chance bestand, dass Charis finden würde, es wäre nicht angemessen. Vielleicht verstrich dieser Augenblick genau so schnell, wie er gekommen war, und dann würde er sich sein Leben lang dafür verdammen, nichts getan zu haben. Er machte einen kleinen, langsamen Schritt auf sie zu und blickte sie mit einem Ausdruck an, in welchem sich Wärme und Frieden widerspiegelten, und das Gefühl der Geborgenheit. „Nicht man nach Sternen mit Händen greifen kann...“, meinte er ebenso leise wie vorhin. „Doch man versuchen kann, dies mit die... der Seele zu tun.“ Seine Hände bewegten sich langsam nach vorne, mit der Absicht, ihre Handriste zu berühren. Er war aufgeregt, doch es war ein gutes Gefühl. Wenn das bloß gut gehen würde!

  • Sim-Off:

    Ganz ruhig, Brauner! Paßt schon! :D


    Nur ganz selten hatte sich Charis so wohl gefühlt, wie sie es in diesem Augenblick tat. Dieses ungewohnte Gefühl der Nähe und der Zuneigung zu einem anderen Menschen war nie so intensiv gewesen, wie es jetzt war. Sie war sich nicht sicher, ob das Liebe war, was sie empfand. Doch es war stärker, als alles was sie bisher gefühlt hatte. Längst hatte sie ihre Umgebung vergessen. Sie waren an einem anderen Ort, weit weg von der Realität. Sie waren ganz alleine, unter sich. Niemand störte sie.
    Charis, die niemals die Freiheit kennengelernt hatte, glaubte in diesem Moment, so müsse es sich anfühlen, wenn man frei war und niemandem verpflichtet war außer sich selbst. Sie wollte diesen Augenblick festhalten, damit er niemals mehr verging.
    Phraates kam noch etwas näher. Sie konnte seine Aufregung spüren, als er langsam ihre Hände berührte. Hätte er ihren Herzschlag hören können, so hätte er feststellen können, daß es ihr genauso ging. Sie überwand ihrerseits die letzte Distanz zwischen ihnen und schmiegte sich vorsichtig an seine Brust. Charis schloß ihre Augen und sagte nichts. Jedes Wort wäre überflüssig gewesen. Nur der Augenblick zählte. Wenn es für Sklaven so etwas wie Glück gab, dann war sie jetzt glücklich. Es hatte nicht viel dazu bedurft und es war mehr, als sie erwartet hatte.
    Sie hätte ewig so verharren können. Ganz nah bei ihm zu sein, seinen Herzschlag, seine Atemzüge zu hören und seine Wärme zu spüren. Das war das Leben! Sie war nicht nur ein Werkzeug, ein Gegenstand, der ihrer Herrin gehörte. Sie war ein menschliches Wesen und sie lebte.

  • Sim-Off:

    Danke für den Spruch, den habe ich noch nicht gekannt. Der hat mir den Tag gerettet. :D


    Vor seinem inneren Augen zogen Szenen vorbei. Szenen des Scheiterns. Eine wegrennende Charis, die niemals mehr wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte. Er selber, am Boden sitzend, alleine unterm Sternendach, komplett zerschlagen und sich fragend, ob das Leben denn noch einen Sinn hatte. Als Pechvogel gewöhnte man sich mit der Zeit immer ein bisschen Pessimismus an. Damit fuhr man niemals schlecht.
    Doch dieses Szenario trat nicht ein. Zu seinem Erstaunen, musste man sagen, denn innerlich war er schon komplett auf das Scheitern seines Vorhabens eingestellt. Doch dies trat nicht ein. Er schnitt besser ab, wie er es sich gedacht hatte. Um ehrlich zu sein, es war... perfekt, alles miteinander. Sie näherte sich ihm gleichsam... sie wies seine Hände nicht ab... sie berührte seine Brust mit ihren Kopf... sie machte einen armen Burschen, der so unendlich weit von seiner Heimat entfernt war, wie er es niemals für möglich gehalten hatte, eine unendliche Freude. Seine Hände wanderten an ihren Armen hinaus, schlussendlich umschlang er Charis komplett. Ganz, ganz leicht, sachte, drückte er ihren Körper an den seinigen. Er platzierte seinen Kopf auf ihrer linken Schulter. Und so konnte es niemand sehen, nur die Mauer vor ihm: das Lächeln eines Mannes, welcher alles bekommen hat, was er je begehrt hatte, und nichts braucht. Kurz dachte er an Ava. Er stellte fest – ganz objektiv und neutral, ohne eine Spur des Entsetzens – er hatte ihr Gesicht vergessen. Was brauchte er sie. In der Gegenwart von Charis, da fühlte er sich wie ein freier Mann, endlich wieder.
    Seine linke Hand fuhr ganz langsam auf ihren Rücken hianuf und berührte ihren Nacken, welcher sich genau so wohlig und wundervoll anfühlte, wie er es sich schon immer gedacht hatte. „Ich kann nicht ohne dich leben. Ein Leben ohne dich wäre wie ein weißer Elefant: unmöglich.“, flüsterte Phraates ganz leise in seiner Muttersprache. Ein Bestandteil eines uralten Gedichtes seiner Heimat. Er vergaß komplett, dass Charis kein Parthisch konnte. Doch die zeitlose Schönheit des Gedichtes konnte nur auf parthisch zur vollen Blüte kommen.

  • Es konnte nichts Schöneres gebe, als dieser Augenblick. Phraates hielt sie nun ganz umschlungen. Seine Hand wanderte zu ihrem Nacken hinauf. Früher hätte sie wahrscheinlich laut los gekichert, weil sie in bestimmten Situationen sehr kitzlig war. Nun aber widerstand sie dem Reflex.
    Phraates flüsterte ihr einige Worte ins Ohr. Sie verstand rein gar nichts davon. Allerdings fand sie, hörte sich das Parthische sehr reizvoll an. Der Klang seiner Worte hatte etwas Magisches an sich. Es verzauberte sie. Jetzt nachzufragen, was die Worte bedeuteten, hätte den herrlichen Moment für immer zerstört.
    "Das ist wunderschön!", flüsterte sie leise.
    Sie sah ihn mit ihren leuchtenden Augen an, in denen sich das Mondlicht spiegelte und wartete darauf, dass er sie küßte. Längst waren ihr Ärger und ihre Abneigung, die sie in den ersten Tagen gegen ihn gehegt hatte, vergessen. Dafür empfand sie nun Verständnis für ihn. Und noch etwas anderes war da. Etwas, was sie nicht so richtig in Worte fassen konnte. Etwas undefinierbares, was sie bisher bei noch keinem anderen Menschen in dieser Art gespürt hatte.

  • „Und ein Tag ohne dich wie die Wüste, karg und elend.“, hängte er hintendran, ganz leise, sachte, mit warmer Stimme, beendete er das Gedicht, während er ihr mit der Hand auf dem Nacken ganz leicht auf und ab fuhr. Dass sie dort kitzelig war, kam ihm gar nicht, doch den Abend hätte er bis jetzt schon zu einem gröberen Ausmaß verhauen können als wie jetzt. Um ehrlich zu sein, alles lief perfekt. Phraates wunderte sich. Es musste doch irgendwo ein Hacken an der Sache sein. Sicher war jetzt gerade über ihnen ein Meteor im begriff, auf die beiden zu stürzen. Oder aber ein Flavier würde die beiden jetzt entdecken. Egal, dachte er sich. Er verbracht hier, mit Charis, so schöne Minuten, die er noch vor ein paar Tagen nie vorhersehen hätte können.
    Langsam, ganz langsam, beugte er sich zu ihr hinüber. Sie war nicht kleiner als er, sodass er sich nicht hinunterbeugen musste, wie es bei Ava der Fall gewesen war... hmmm, Ava, wer bei Ahriman war Ava?
    „Nicht so wunderschön wie du.“, sagte Phraates – unglaublicherweise fehlerfrei. Dann brachte er seine Lippen ganz nah an die ihre. Ganz nahe heran. Ganz langsam. Würde sie zurückweichen? Würde sie ihn doch noch abweisen? Es konnte doch nicht so enden. Er würde das jetzt durchziehen. Ein leichter Schauer der Erregung durchfuhr seine Wirbelsäule, als er mit den seinen ihre Lippen berührte. So, das war ja schon mal gut, und jetzt?, dachte er sich innerlich. Jetzt müsste sie nur noch ihren Mund aufmachen... oder würde sie ihn doch noch abweisen, kurz, bevor er am Ziel war?

  • Charis´ Augen wichen nicht mehr von Phraates Lippen. Auch wenn sie von seiner Poesie kein Wort verstand, erfasste aber zumindest ihr Herz den Kern dessen, was er ihr sagen wollte. Dies war der perfekte Moment, genau wie für sie gemacht.
    Dann beugte er sich noch näher zu ihr hinüber, bis ihre Lippen sich schließlich trafen. Charis sträubte sich nicht dagegen. Insgeheim hatte sie diesen Augenblick so sehr herbeigesehnt.
    Ihre Lippen begannen, miteinander zu verschmelzen. Charis schloß ihre Augen und jegliche Anspannung fiel einfach von ihr ab. Es war, als wandele sie auf weichen flauschigen Wolken. Vorsichtig umfasste sie ihn mit ihren Armen und schmiegte sich an ihn. Sie fühlte sich gut aufgehoben bei ihm. In ihrem ganzen Leben hatte sie nie ein so intensives Gefühl erlebt, wie in diesem Augenblick. Was hätte sie dafür gegeben, damit dieser Kuß niemals enden müsste?

  • Hätte man Phraates noch am frühen Abend dieses Tages, als er von diesem unmöglichen römischen Weibsstück humiliiert wurde, als er sich selber unfreiwillig zum Kasperle gemacht hatte, jemand gesagt, dass diese Nacht die beste sein würde für ihn, seitdem er seiner Heimat den Rücken kehren musste, hätte er gelacht. Niemals hätte er es geglaubt. Doch nun war es so. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit fühlte er wieder die zärtlichen Hände einer Frau an seiner Haut. Zum ersten Mal wieder die.. ja, die Liebe, nach der er sich so gesehnt hatte. Und jenen Kuss.
    Die Zähne des Parthers und der Makedonierin machten ein leises Klack, als sie aufeinandertrafen. Phraates schloss, ebenso wie Charis, die Augen voller Genuss, Wonne, er war einfach nur noch selig vor lauter Freude und Lust. Seine Zunge suchte die ihre, umschlang sie. Welch Gefühl. Welch Genuss. Er fühlte sich näher zu Charis hingedrückt, und er tat das selbe. Eng umschlungen blieben sie nun, wie eine Ewigkeit fühlte es sich an.
    Irgendwann lösten sie sich voneinander, Phraates konnte nicht sagen, wann, und wie lange der Kuss gedauert hatte. Er wusste nur, dass die Sterne noch heller zu funkeln schienen als vorher. Er blickte kurz hinauf mit seinen Augen. Danke, oh Herr über alle Götter, oh allmächtiger Ahura Mazda, dass du mich nicht alleine lässt in dieser Misere. Danke, dass du mir diese Minuten der absoluten Freiheit schenkst.
    Er blickte Charis in ihre Augen hinein und schenkte ihr sein schönstes Lächeln, welches er nur hervorbringen konnte, wenn er voll und gänzlich glücklich war. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er wollte nichts sagen. Ein Wort in seinem erbärmlichen Latein hätte einiges zunichte gemacht. Doch in seinen Augen strahlte nun etwas, was man in Rom bei ihm vorher noch nicht gesehen hatte. Was er zum letzten mal in den Augen gehabt hatte, als er Parthien verlassen hatte.
    Der Ausdruck eines – im Herzen – freien Mannes.

  • Langsam öffneten sich wieder ihre Augen. Sie sah in das von Freude erstrahlte Gesicht jenes Mannes, den sie noch am Morgen für den größten vertrottelten Pechvogel gehalten hatte. Unglaublich, wie ein Mensch sich doch wandeln konnte. Oder hatte sie sich gewandelt? Wie auch immer, sie genoß jeden Atemzug, den sie in Phraates Nähe machten durfte und wünschte sich nicht sehnlicheres, als daß es niemals enden würde. In diesem Augenblick war sie eine junge Frau, die bei einem jungen Mann war, den sie liebte. Ja, siespürte es ganz deutlich, so mußte sich Liebe anfühlen. Sie war nicht länger nur ein Besitzgegenstand, dem man Befehle erteilen konnte. Sie lebte und sie hatte Gefühle, wie jeder andere Mensch auch. Das wurde ihr nun richtig bewußt. Heute Nacht war sie keine Sklavin, sie war Charis und er Phraates.


    "Vielleicht wird es in der Villa Aurelia besser für uns", sagte sie nach einer Weile, sich daran erinnernd, was am morgigen Tag anstand. Morgen würde ihre Herrin heiraten und sie beide eine neue Heimstatt bekommen. Sie hatte für kurze Zeit dort gelebt und wußte, was sie dort erwartete. Vielleicht war das eine Chance für sie beide.

  • „Vielleicht.“, antwortete Phraates, dies war nicht die Zeit, um große Reden zu schwingen. Er blickte sie genau an, fast so, als wolle er sich sie ins Gedächtnis brennen. Wie schön sie doch war. Sie war so, wie die Traumfrau, von der er in jungen Jahren geträumt hatte. In Phraates Herz brannte glühendes Verlangen. Er fühlte sich nicht mehr wie ein armseliger, glückloser Sklave, nein, sondern wie eine Mischung aus Hengst, Bulle, Löwe, das alles zusammen, eine solch gewaltige Energie hatte sich in ihm versammelt. Diese konnte unmöglich von der ganzen Pampe kommen, die man hier in der Villa aß, nein, sie kam aus ihm heraus.
    „Vielleicht.“, wiederholte er sich. Dieses Mal klang es wie ein Ja, eher denn als ein Nein. Er blickte kurz hinauf, in die weit entfernten Sterne, bevor er wieder auf Charis blickte. „Charis. Ich will fliehen. Einmal. Mit eine Pferd. Und mit dich.“, vertraute er ihr an. „Nach Parthien. Es ist eine schönes Land.“, versicherte er ihr. „Willst du kommen mit mich?“ Er blickte sie unverwandt an. „Ich weiß noch nicht, wann. Aber irgendwann. Ich werde sehen wieder die Land von meine Vater.“ Er war sich darin sicher. „Nicht jetzt, aber irgendwann.“

  • Ja, vielleicht, wollte Charis verträumt antworten, doch dann verschlug es ihr die Sprache. Stattdessen kam nur ein panisch daher geschrienes, "WAAAS?" Die Makedonierin riß ihre Augen weit auf. Sie konnte kaum glauben, was sie eben gerade gehört hatte.
    Auf einen Schlag war die ganze schöne Stimmung dahin, die Sterne funkelten auf ein Mal weitaus weniger, der Wind schien stärker und kühler zu blasen und Charis machte verschreckt einen Schritt zurück.
    "Was willst du machen? Fliehen? Bist du noch zu retten? Sie werden uns jagen und dann werden sie uns finden. Und was sie dann mit uns anstellen, daran will ich erst gar nicht denken!" Das blanke Entsetzen steckte ihr in den Knochen. Sie begann zu zittern. Allein nur der Gedanke daran, versetzte sie in Angst und Schrecken. Wie konnte er nur an eine Flucht denken, gerade jetzt, da der Thraker geflohen war und die Herrin deswegen außer sich vor Wut war. Chraris war dabei gewesen, als sie den Sklavenjäger auf die entflohenen Sklaven angesetzt hatte.


    "Ich war niemals frei, Phraates. Ich weiß nicht, wie das ist und ich glaube,.... ich will es auch nicht wissen.", sagte sie dann nach einiger Zeit traurig, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte.

  • Die friedliche Ruhe wurde unterbrochen durch einen lauten Ausruf in unverkennbar makedonischem Akzent. Phraates blickte besorgt auf seine Liebste. Was war mit ihr los? Hatte sie eine Wespe in den Hintern gestochen?
    Doch dem war nicht so, vielmehr schien sich fast so etwas wie Widerstand bei der Makedonierin zu regen. Er war nicht allzu glücklich damit, und seine Mundwinkeln rutschten ein ganz kleines bisschen herunter. Sie wollte gar nicht in die Freiheit? Es war ihr gar nicht so wichtig? Nein, es war ihr gar abhold? Phraates taxierte das Mädchen mit einem staunenden Blick. „Du nicht fliehen willst? Aber...“, stotterte er heraus. „Ich weiß, wie! Ich habe Kontakt. Nach außen. Noch nicht ich weiß, wie ich es werde“ verwenden, was hieß das noch einmal? Verdammt. „machen. Aber es gehen wird. Charis, ganz sicher. Fliehe. Fliehe mit mir. Bitte.“ Mit großen Augen, die die Ruhe eines Hirsches ausstrahlten, und trotzdem auch das Feuer eines Elefantenbullen vermuten ließen, blickte er Charis in die Augen. „Ich liebe dich. Ich nicht ohne dich kann.“, gestand er ihr anch einer langen Pause. Wie schäbig klingt doch ein Liebesgeständnis in gebrochenem Latein! Der Wille in Phraates, sich die lateinische Sprache besser anzueignen, wuchs in jener Sekunde um das hundertfache. Latein würde er lernen, und Griechisch ebenfalls! Denn er wusste, mit Charis würde er seine Zukunft verbringen werden.
    Zumindest, wenn die Götter es so wollten. „Freiheit... ist wunderbar.“, brachte er nur noch heraus. „Wunderbar... so wunderbar... du nicht es glauben wirst...“ Mühsam nur hielt er die Tränen zurück.

  • Charis´ Traurigkeit verstärkte sich noch, mit jedem weiteren Wort, das aus Phraates Mund kam. Er verstand sie einfach nicht! Lag es nur daran, daß die Sprache immer noch eine Barriere zwischen ihnen darstellte oder war es wirklich so, daß er ganz und gar in seinen Plan, zu fliehen, vernarrt war.
    "Phraates, bitte versteh doch, ich kann nicht! Ich kann nicht mit dir fliehen. Ich bin so geboren und so werde ich auch eines Tages sterben und nichts kann daran etwas ändern. Man hat mich gelehrt, ich könne mein Schicksal erleichtern, indem ich immer gehorsam bin und nichts Falsches tue. Wenn ich nun fliehe, dann werde ich keinen Frieden mehr finden, Phraates. Sie werden uns finden, eines Tages."
    Das Geständnis seiner Liebe, die der Parther ihr gemacht hatte, rührte die Sklavin zu Tränen, doch sie erwiderte nichts darauf. Niemals vorher hatte ihr jemand ein solches Geständnis gemacht. Zum ersten Mal in ihrem Leben kam es, daß die Grenzen, die das Schicksal ihr auferlegten, sie zu stören begannen. Aber sie fühlte plötzlich auch, daß sie dem Sklaven im Weg stehen würde, bei dem, was er geplant hatte. Drum entschloß sie sich, dem Stelldichein ein unvorhergesehenes Ende zu bereiten und rannte davon, zurück ins Haus. Unterwegs stolperte sie allerdings in der Dunkelheit und schlug mit einem unterdrückten Schrei auf dem Kiesweg auf.

  • Phraates verstand Charis‘ Bedenken wirklich nicht. Gut, die Flucht würde eine schreckliche Sache sein. Aber sobald sie in Parthien waren, würden sie sicher sein! Phraates war parthischer Staatsbürger. Er würde Charis heiraten und sie somit zu einer Partherin machen! Und der parthische Staat würde seine Bürger beschützen vor den Römern, besonders, wenn es um Adelige aus dem ritterlichen Stand ging!
    All dies wollte Phraates Charis sagen. Doch es ging nicht. Er fand die passenden Worte auf latein nicht. Und so starrte er nur dem Wortschwall der Makedonierin entgegen, unfähig, etwas zu erwidern. Was sie sagte, ließ ihn innerlich zusammenfallen. Sie wollte nicht fliehen. Sie konnte es nicht.
    Sie konnte es nicht.
    Und dann rannte sie weg. Ungläubig schaute er ihr nach, wollte ihr nachrennen, doch sein Körper war wie erstarrt. Wieso tat sie das? Wieso? Verdammte Weiber!
    Gerade, als Zorn durch seine Seele schwappen wollte, hörte er einen dumpfen Aufprall aus der Dunkelheit. Dies riss ihn aus seinen trüben Gedanken, und seiner Starrheit. „Charis!“, rief er, entsetzt.
    Und er begann zu rennen, in die Dunkelheit hinein. Mit sicheren Fußtritten erreichte er schnell Charis, welche am Boden lag, am Kies. Er machte einen Satz zu ihr hin und kniete hastig neben ihr nieder.
    „Ich... es mir Leid tut, ich...“ Er berührte Charis Kopf mit aller Zärtlichkeit. „Alles gut?“, fragte er bestürzt nach, behutsam ihre linke Schulter aufhebend.

  • Wenn etwas schief zu laufen begann, dann lief plötzlich alles schief! Es war wie verhext. Charis hatte sich wieder auf gerafft und saß nun auf dem Boden, ihr verletztes Knie haltend. In der Dunkelheit konnte sie nicht viel sehen, aber mit ihren Fingern konnte sie ertaste, was geschehen war. Offenbar hatte wohl auch ihre Tunika unter dem Sturz gelitten, denn es schien so, als sei sie zerrissen. Ganz zu schweigen von dem Knie! Kaum hatte sie sich aufgesetzt, da vernahm sie auch schon sich nähernde Schritte. Es war ganz klar, das waren Phraates´ Schritte, der ihren Schrei gehört hatte und sich nun um sie sorgte.
    Er kniete sich neben sie hin. Sie konnte ganz deutlich seinen Atem spüren. Er war ganz bestürzt darüber. Vielleicht schwang aber auch ein wenig schlechtes Gewissen mit. Schließlich berührte er ihr Haar und erkundigte sich besorgt nach ihr.
    "Es geht schon wieder! Mein Knie. Ich bin auf mein Knie gefallen. Meine Tunika ist kaputt. Aber das ist nicht schlimm. Viel schlimmer ist, das ich … ich glaube, daß ich dich auch liebe, oder zu mindestens mag. Aber bitte, bitte, laß mich nicht allein!"
    Es hatte sie einiges an Überwindung gekostet, dies zu gestehen. Doch jetzt war es gesagt und Charis fühlte sich auf einmal wieder viel besser.

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