[Peristylium] Der Säulengang

  • Cara nickte. Insgeheim hatte sie gegenüber ihrer Verwandten immer noch ein schlechtes Gewissen. Ihretwegen hatte Lucius Corona mit nach Mogontiacum geschickt, dessen war sie sich sicher. Damit sie sich nicht allzu allein fühlte. Als ob sie hier Gelegenheit dazu hätte! Immerhin war das ihre Geburtsstadt. In jeder Ecke duftete es nach Erinnerung und sie ahnte schon, dass Cretica sie von nun an verfolgen würde. Für Corona jedenfalls musste es wie ein Rückschritt anmuten, jetzt da sie gerade erst in Roma angekommen und den Tiefen Germanias entkommen war. Schon jetzt hatte sie der Iulia viel zu danken, hatte sie sie doch den ganzen Weg über mit ihrer leichten, erfrischenden Art bei Laune gehalten.


    In Gedanken versunken folgte sie Decimus´ Geste. Sie kamen auf eine Tür zu, die weit offen stand. Ein heller Lichtstreifen fiel auf den Boden und durchschnitt messerartig die Schatten. Noch zollte Cara dem keinerlei Aufmerksamkeit, war sie doch noch zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Und immerhin hatte sie das Haus ja schon einmal gesehen – das nahm die junge Iulia zumindest an.
    Erst als sie unter dem Türbogen standen und hinausblickten in den breiten, hellen Säulengang, der sich zu ihren Füßen aufbaute, kehrte Caras Bewusstsein mit einem Schlag zurück in die Gegenwart.
    „Das ist doch nicht möglich!“, kam es ihr atemlos über die Lippen >Wie habe ich diesen Teil des Hauses auslassen können?!<, Sie, die von Sonne und Pflanzen und Luft und Natur angezogen wurde wie die Motte vom Licht! Der Decimer war für einen Moment vergessen. Fast schon traumwandlerisch tat sie einige Schritte hinein zwischen die Säulen, die von wilden Rosen umrankt waren. Aber nicht nur Rosen gab es hier, die einfach unwiderstehlich dufteten, sondern auch Hibiskus und Lavendel, Schmetterlingsstrauch. Blut-Seidenpflanzen und Engelstrompeten....>Wie kann das sein?< Dieses Peristylium stand im harten Kontrast zum Rest des Hauses. Cara wandte sich zu ihm um. Schmetterlinge tanzten zwischen den Blüten.
    „Wirklich wunderschön! Und all diese exotischen Pflanzen...es muss ein Vermögen und Leidenschaft gekostet haben! Wer ist für die Pflege verantwortlich?“ Sie musste unbedingt mit dieser Person sprechen...Vielleicht konnte sie etwas lernen!

  • Mit großer Freude nahm Livianus das Strahlen in Caras Augen wahr. Es schien als hatte sie ihn für einen Moment vollkommen vergessen, als sie gemeinsam das Peristylium betraten und die Iulia sofort ohne zu zögern auf die Blumenpracht zusteuerte. Livianus blieb beim Torbogen stehen und beobachtete ihre eleganten Schritte zwischen den Säulen hindurch und auf das prachtvolle Blumenbeet zu, dass fast die gesamte Mitte des Säulengangs ausfüllte. Hier unter freiem Himmel und im strahlenden Schein der Sonne entfaltete der Rotschimmer ihrer Haare seine ganze Intensität. Die junge zierliche Frau stand nun gesäumt von bunten Blüten wie die Statue einer römischen Göttin vor ihm. Ein Anblick der selbst Livianus kurz in Gedanken versinken ließ. Wie angewurzelt blieb er stehen und beobachtete wie Caras Blick von einer Blume zur nächsten wanderte, als kannte sie alle beim Namen. Schließlich besann er sich wieder und schritt ihr die wenigen Meter nach. Im gleichen Moment sah sie wieder zu ihm.


    "Im Moment kümmern sich meine Sklaven um das Peristylium. Leider habe ich bisher noch niemanden gefunden, der sich wirklich gut damit auskennt. Wer diesen wunderschönen Garten hier angelegt hat kann ich dir auch nicht sagen. Ich habe ihn von meinen Vorgängern geerbt."

  • Es schien nicht nur so – Cara waren diese Blüten tatsächlich bekannt. Botanik war so ziemlich die einzige ihrer Leidenschaften, die sie ohne Hemmung auch nach außen hin ausleben konnte, ohne das es jemand als „unschicklich“ für eine junge Frau bezeichnen konnte. So vieles blieb dagegen unter der Oberfläche, wo es dann und wann, wenn es weit genug nach oben gespült wurde, durch die Fassade der Tugenden hindurch blitzte. Natur. So vielen Menschen war sie fremd. Und selbst diese herrlichen Beete waren nur ein blasses Abbild dessen, zu was Mutter Natur tatsächlich fähig war. Dennoch, wer auch immer diesen kleinen Garten angelegt hatte und wer sich nun auch darum kümmern mochte, sie hatten wirklich gute Arbeit geleistet. Kenner mussten hier am Werk gewesen sein und waren es noch immer.


    „Ich glaube nicht, dass du dir jemand anderes suchen musst“, entgegnete sie lächelnd und ordnete dabei eine Falte ihrer dunkelblauen Stola, ein Stück, das sie sich, ebenso wie den breiten ledernen Gürtel, den sie um die Hüfte trug und der ihre Figur dezent betonte, noch in Roma zugelegt hatte. Decimus war inzwischen näher gekommen; Dass er sie einige Atemzüge lang beobachtet hatte, war ihr ganz entgegen. Natürlich, schließlich hatte sie der Anblick des Peristyliums ganz in seinen Bann geschlagen. Wieder war ihr seine Annäherung ganz entgangen. „Unter deinen Sklaven muss sich jemand befinden, der sich mit Botanik auskennt…So schön diese Blumen auch sind“, sanft strich sie mit den Fingerspitzen über eine weiße Hibiskus Blüte, „So empfindlich sind sie auch. Ich würde mich wirklich gern einmal mit den zuständigen Sklaven unterhalten…“ Ihr Blick glitt noch ein weiteres Mal über das Beet. „Wenn du schon deinen Vorgänger ansprichst, wann hast du dieses Amt angetreten?“

  • "Das wird sich bestimmt einrichten lassen."


    antwortete Livianus lächelnd, während Cara ihren Blick noch einmal über die Blumen schweifen ließ. Sie war liebreizend wie diese Blumen dachte sich der Decimer im selben Moment und für einen kurzen Augenblick vergaß er sogar, dass Cara vom Alter her locker seine Tochter sein konnte. Eine für ihn sonst äußerst wichtige Angelegenheit, da er zwar von vielen einflussreichen oder vermögenden Männern seines Alters wusste, die ein so junges Mädchen zu Frau genommen hatten, doch hätte er sich bisher nie selbst zu ihnen gezählt. Ein wenig ärgerte es den Decimer, dass Centho diese kleine Nebensächlichkeit nicht in seinem Brief erwähnt hatte. Doch wie alt wie sie eigentlich? Vielleicht sah sie ja jünger aus, als ihr tatsächliches Alter war. Er würde sie bei nächster Gelegenheit fragen. Nun war jedoch galt es zunächst ihre Frage zu beantworten, die Livianus aus seinen Gedanken riss.


    "Ich bin erst seit wenigen Wochen hier und habe das Kommando von Vincius Hungaricus übernommen, den derzeitigen Statthalter von Germanien. Ich hatte also selbst bisher kaum Zeit mich einzuleben oder das Haus etwas wohnlicher zu gestallten, wie du zuvor selbst festgestellt hast."

  • Ihr Gastgeber schien ein großzügiger Mensch zu sein. Nicht, dass es im Hinblick auf ihre Bitte ein besonderes Maß an Großzügigkeit bedurft hätte. Aber die Erlaubnis ein paar Dinge zu verändern war ein aus ihrer Sicht großes Zugeständnis gewesen – ebenso, dass er die beiden Iulierinnen aufgenommen hatte, um ihnen so etwas Ruhe vor einer allzu aufdringlichen Mutter zu geben, und das obschon er in seiner Position sicherlich nicht die Zeit und die Nerven hatte, sich um zwei lebhafte neugierige junge Frauen zu kümmern. Oder hatte ihm Lucius etwas im Gegenzug versprochen? >Was könnte er einem solchen Mann – einem Senator und Gesandten Roms – bieten. Etwas, dass er nicht, aber dafür Lucius besitzt?.< Geld, Ehre, Anerkennung, Unterstützung und Macht hatte er wohl ja genug. Allerdings mochte ihr seine Versetzung nach Mogontiacum nicht so recht ins Bild passen. >Vielleicht ist er meinem Verwandten etwas schuldig?< Wer konnte schon wissen, in welche Untiefen Menschen fielen. Zuweilen war es unmöglich innere Abgründe mit dem bloßen Auge zu erkennen. Nicht einmal große Männer waren davor gefeit zu stolpern und sich in den Fängen der Unehre wieder zu finden. Besonders große Männer nicht. Oft war es so, dass, der Glorienkranz um ihre Köpfe nur deshalb mehr und mehr an Leuchtkraft gewann, weil die Schatten hinter ihnen sich vertieften, schwärzer wurden und sich zu Schlünden auswuchsen. Die junge Iulia ließ ihre Gedanken fürs erste stehen, sich insgeheim wundernd, was ihr an einem solch herrlichen Ort nur in den Sinn kam. Der wohlbekannte Duft von Lavendel stieg ihr in die Nase. >Wer kann schon wissen...<, Entspannt sah sie einem zitronengelben vorwitzigen Schmetterling nach, der neugierig ihre schlicht im Nacken hochgesteckten Haare inspiziert hatte und sich jetzt daran machte, eine der Säulen zu erklimmen. >Ja, das hier ist ein Ort, an dem man sich tatsächlich vergessen kann....<


    „Verstehe...“, sagte sie nun, indem sie zu ihm aufblickte, „Das erklärt einiges....“ Der Name war ihr durchaus bekannt. Schließlich war es nicht allzu lang her, dass sie nach Roma aufgebrochen war. Dennoch überraschte es sie, dass sich die Gegebenheiten hier so schnell geändert hatten.
    „Dann hattest du wohl auch noch keine Zeit, dir die Stadt richtig anzuschauen? Du bist bestimmt immer sehr von deiner Arbeit eingenommen“, Langsam machte sie Anstalten, zurück zum Tor zu schreiten.

  • Als Cara sich wieder in Richtung Tor wandte, ging Livianus ihr voraus in Richtung seines Officiums, das gemeinsam mit dem großen Besprechungsraum und den Schreibstuben durch einen breiten Gang direkt mit dem Peristylium verbunden war. Er hatte kurzfristig entschieden sich diesen Teil des Hauses als erstes vorzunehmen und dann wieder in Richtung des Wohnbereiches zu gehen. Alles in Allem konnte man das Praetorium in drei große Bereiche aufteilen - den Wohnbereich mit den Gemächern, dem Bad, dem Speisezimmer und dem Hausaltar, den Verwaltungsbereich mit den Besprechungsräumen, dem privaten Officium des Legaten sowie einigen Schreibstuben und schließlich den Wirtschaftsbereich des Praetoriums in dem die Unterkünfte der Sklaven, die Küche und die diversen Wirtschaftsräume ihren Platz fanden.


    "Bisher hatte ich tatsächlich kaum Zeit für einen Stadtrundgang, allerdings kenne ich Mogontiacum bereits von früher. Ich war vor vielen Jahren mit der Legio IX in Germanien stationiert und hatte bereits damals die Gelegenheit einiges von dieser Provinz zu sehen.


    Dort vorne ist mein Officium."


    Er sah kurz in Richtung des Gangs und ging weiter.


    "Und du bist wohl auch nicht zum ersten Mal hier in Germanien, wenn deine Mutter hier in Mogontiacum lebt? Ich wusste bisher nicht, dass es auch hier in Germanien einen Iulischen Familienzweig gibt."

  • „Du solltest dir ein paar Augenblicke nehmen, die Stadt zu sehen...die Zeit verändert die Dinge rasant. Vieles was gestern war, gilt heute schon nicht mehr...“, entgegnete Cara beiläufig. >Die Neunte...so so...Dann hat er gewiss den Germanienkrieg miterlebt...< Vor diesem Hintergrund war seine Äußerung, er hätte von der Provinz schon einiges gesehen, fast schon sarkastisch. Was hatte er gesehen? Mord und Todschlag? Sie behielt den Gedanken für sich. Zu provokativ mutete er ihr für einen Mann an, den sie gerade einmal ein paar Atemzüge kannte. Und selbst dieses Wort war eigentlich zu viel.


    Die junge Iulia folgte seiner Geste und blickte hinein in einen langen Gang, der von Türen gesäumt war. Im Grunde war es nichts besonderes, weißer Stein auf Stein. Sein officium, was wirklich interessant gewesen wäre, schien der Legat jedoch wie ein Geheimnis hüten zu wollen – er konnte ja nicht ahnen, dass er damit unbewusst ihre Neugierde weckte.


    „Nein...“, lächelte sie. „Ich habe hier mein ganzes Leben verbracht. Hier wurde ich geboren“, Jeden Stein kannte sie, jedes Sandkorn auf der Straße. Sie kannte die Heiden und Wälder rund um Mogontiacum, die verschlungenen Wege und Pfade. „Mein Vater war Tiberius Iulius Drusus, im Jahre 858* nach Gründung Roms Präfekt dieses Castells, bis er ein Jahr darauf an Fieber starb“, Ruhig und gefasst sprach Cara es aus. Aber der Schatten, der dabei über ihr Gesicht huschte gab einen leisen Einblick in den Abgrund, der sich mit dem Tod ihres heiß geliebten Vaters aufgetan hatte. Sie war keine typische Tochter gewesen; hatte sich eher wie ein Sohn an ihrem Vater orientiert anstatt an ihrer Mutter, die es ihr heute zuweilen noch vorhielt. Doch der Eindruck verschwand, so schnell wie er gekommen war und machte wieder einem feinen Schmunzeln Platz. „Doch, doch – wir sind überall“, erklärte sie dem Legaten. „Auch mein Bruder Saturninus wurde hier geboren. Die Familie folgt eben dem Vater – und meines Vaters Leben war die Zweite...“

    Sim-Off:

    *105 n. Chr.

  • "Das mit deinem Vater wusste ich nicht. Präfekt der Secunda meinst du, ja? Dann ist es wohl ein Wink des Schicksals, dass du nun wieder hier im Lager deines Vaters bist. Meinst du nicht?"


    Das Caras Vater früher als Lagerpräfekt der Legio II diente, war für Livianus vollkommen neu. Er würde es hier nicht breittreten, doch faste der Legat bereits jetzt den Entschluss sich später die Akten dieses Mannes ausheben zu lassen. Er war kein grundsätzlich neugieriger Mensch, doch er war gerne gut Informiert, ganz gleich ob es mit seinem Posten oder seinem Privatleben zu tun hatte. In diesem Fall betraf es sogar ein wenig von beiden. Der Decimer deutete auf zwei weitere Türen.


    "Hier drinnen ist das Scriptorium und ein größerer Besprechungsraum, in den ich meine Offiziere zur Befehlsausgabe laden kann, sofern es nicht gleich in der Principia passiert. Meistens nutze ich den Raum aber eher für private oder persönliche Gespräche. Ich denke diese ganzen Räume werden dich eher weniger interessieren."

  • Was das für ein Wink des Schicksals sein sollte, war Cara im Moment nicht ganz klar. Schon als kleines Kind hatte sie dieses Castellum von innen gesehen. Es war ihr daher nicht unbekannt. Zeitweise hatte die Familie hier sogar gewohnt, ehe Tiberius seiner Ehefrau ein Haus außerhalb des Lagers gekauft hatte. „Es wird schon seine Gründe haben“, entgegnete sie diplomatisch. „Wer weiß schon, welche Pläne Fortuna mit uns Menschen hat…“ Die junge Iulia sah zu ihm auf und lächelte.


    Ein junger Sklave huschte mit gesenktem Blick und einem abgedeckten Korb auf dem Arm eilfertig an ihnen vorbei. Ein Hauch nach frischem, duftendem Brot verharrte schwebend in der Luft – und erinnerte Cara daran, dass ihr Frühstück und Mittagessen reichlich karg aus einem Paar Äpfel bestanden hatte.

    Dass der Legat bei all der Arbeit noch Zeit für persönliche Gespräche hatte? Ein Mann in seiner Position war sicherlich mit seiner Pflicht verheiratet. Der Tod seiner Frau hatte dazu sicherlich noch seinen Teil beigetragen. Obschon Cara von Natur aus ein neugieriger Mensch war, konnte sie den Besprechungsräumen in der Tat nichts abgewinnen. Was sollte sie da schon anderes vorfinden, als ein paar Tische und Stühle. Dann lieber die culina. Der Duft des Brotes hing ihr immer noch in der Nase. „Du sagtest, du seist schon einmal in Germania gewesen…und nun schon wieder…fühlst du dich denn hier wohl? Wie stehst du zu dieser Provinz?“

  • "Grundsätzlich muss ich gestehen, dass ich mich hier sehr wohl fühle, auch wenn viele diese Provinz derzeit als ein Abstellgleis für unliebsame Senatoren bezeichnen. Mogontiacum ist zwar nicht Rom, aber ich genieße dennoch die Ruhe und die Entfernung zur Politik und zum Machtgeplänkel der Senatoren in Rom.


    Ansonsten habe ich Germanien bisher als schöne und abwechslungsreiche Provinz erlebt. Der Winter hier kann für einen Römer zwar unerträglich kalt werden, doch dafür ist der Sommer einigermaßen angenehm und erträglich. Wenn ich zurückdenke an die zahlreichen heißen Sommertage die ich vor allem in meiner Jugend in Hispania erlebt habe, so ist es hier selbst an warmen Tagen noch kühl. Mein letzter Einsatz in Germanien war nicht sonderlich lange. Ich wurde damals vom Kaiser nach Rom berufen und hoffe nun mehr Zeit zu haben, um Land und Leute noch besser kennen zu lernen. Germanien ist mir jedenfalls allemal lieber als Parthia, das kannst du mir glauben."


    Livianus lächelte Cara fröhlich an. Sein letzter Satz war zwar von viel Sarkasmus geprägt, denn jeder Ort war besser als sein Gefängnis in Parthia, doch er war froh mittlerweile wieder darüber lachen zu können und nutzte dementsprechend auch jede Gelegenheit dazu. Dann deutete der Legatus in Richtung Atrium, das sich hinter den nächsten Durchgang befand.


    "Das Atrium kennst du ja bereits, aber dennoch können wir kurz durchgehen um zum Triclinum zu kommen."

  • >> Wiedersehen zwischen alten Freunden


    Einige Augenblicke später saßen die beiden jungen Frauen auf einer weißen Bank zwischen zwei Säulen gegenüber eines Brunnens. „...tja und dann hat Lucius mich eben zurückgeschickt und um Streitereien zu vermeiden in die Obhut des Legaten gegeben“, führte Cara gerade aus, als der Sklave mit einem Tablett auf den Händen zurückkehrte und es auf einem schlankbeinigen Beistelltischchen abstellte.
    „Sehr merkwürdig“, machte Aemilia, einen Becher mit verdünntem Saft entgegen nehmend. „Warum schickt er dich erst nach Germanien, damit du bei deiner kranken Mutter bist, wenn er dann gleichzeitig wieder dafür sorgt, dass ihr beide von einander entfernt lebt?“, Sie schüttelte den Kopf und nippte an ihrem Getränk. Ihre Gedanken gingen dieselben Pfade.
    „“Andererseits gab es zwischen dir und deiner Mutter immer gewisse...Reibereien, die ihrer Gesundheit gewiss nicht zuträglich wären.“ Cara zuckte die Schultern und verkniff sich den Hinweis, dass Creticas regelmäßige Besuche hier im Preatorium auch nicht sonderlich gesundheitsfördernd waren. Zwar war das hier nicht das Ende der Welt, dennoch war es für eine ältere, angeblich kranke Frau doch eine gewisse Strecke von der Casa bis hierher.
    „Ich mag Lucius – aber manchmal kann ich die Gedanken des jungen Herrn nicht nachvollziehen....Als ich etwa in Roma eintraf....“, begann sie und erzählte ihrer Freundin dann in knappen Worten davon, wie Sophie auf dem römischen Markt verschwunden war und sie den Senator Aurelius Ursus getroffen hatte, der sie in die Casa geleitet hatte. Auch erzählte sie davon, wie ihr Verwandter ganz und gar nicht erfreut schien.
    „Es hat ihm nicht sehr gefallen, dass ich allein in Rom unterwegs war.“
    „Und Sophie? Hat man sie gefunden?“, erkundigte sich Aemilia. Cara schüttelte traurig den Kopf.
    „Leider nein.“
    Auch der Sentia war klar, dass das nur einen einzigen Schluss zu ließ: Nämlich, dass die Sklavin geflohen war. Die beiden Frauen kannten sich schon einige Jahre lang. Wäre Caras nicht ohnehin schon ein für jedermann weithin lesbares Buch gewesen, Aemilia hätte wohl zu jenen gehört, die auch ohne dieses Hilfsmittel wussten, was in der Iulia vor sich ging. Der war die Enttäuschung über diesen offenkundigen Verrat der Sklavin, die zugleich auch eine Vertraute gewesen war, deutlich anzusehen. Da es wenig Sinn machte, darauf etwas zu erwidern – keine andere Sklavin vermochte jene Enttäuschung zu tilgen -, berührte Aemilia die Freundin am Arm, die ob dieser Geste lächelte.
    „Aber genug von mir – erzähl mir lieber, wie es dir und den anderen während meiner Abwesenheit erging“, verlangte Cara aufmunternd zu erfahren und vertrieb damit den bedrückenden Geist Sophies, der über ihnen schwebte und ihnen ein bleischweres Schweigen aufgezwungen hatte
    „Och...es ist nicht allzu viel passiert“, erwiderte die andere achselzuckend. Aber irgendetwas in ihrem Gesicht machte Cara stutzig. Sie machte einen zu unschuldigen Eindruck und die Iulia spürte instinktiv, dass Aemilia etwas zurück hielt, dass noch etwas hinter der Fassade ihrer Worte versteckt lag.
    „Viele Freunde deines Bruders haben sich in alle Windrichtungen verstreut, um zu studieren oder dem Militärdienst beizutreten. Iullus Furnius Aculeo ist zum Beispiel bei den Legionen in Hispania, während Cossus Tullius Balbus in Athen weilt...“
    Schon allein die Nennung dieser fernen Orte ließ ein Schauer durch Caras Inneres vibrieren. Exotische Bilder von Städten, Märkten, Straßen und ihren Bewohnern wanderten durch ihren Geist, alles Produkte ihrer Fantasie, denn diese orte hatte sie selbst freilich noch nie gesehen. Manchmal neidete sie es ihrem Bruder und seinen Freunden, dass es ihnen möglich war dorthin zu gehen, wohin es ihnen beliebte. Dann musste sich Cara stets in Erinnerung rufen, dass es auch ihr offen stand, musste sie es nur wagen. Nichts hielt sie in letzter Konsequenz hier, wenn sie es nicht wollte.
    „Tja und ich....“, Ein verräterisches Lächeln ließ Aemilias sanfte haselnussbraune Augen aufleuchten, das sich auch auf ihren Lippen fortsetzte: „ Ich werde heiraten.“
    „Du wirst WAS?“, Entgeistert und völlig überrumpelt starrte Cara ihre Freundin an, über deren Züge nun eine gewisse Verunsicherung flackerte. Sie wusste nicht, wie sie den leidenschaftlichen Ausbruch der Iulia bewerten sollte.
    „Wann? Wen?“
    „Nero Appius Denter“, antwortete due Sentia, zog zum Schutz den Kopf ein Stück weit zwischen die Schultern, als fürchtete sie Cara beschwöre gleich den Zorn der Götter auf sie herab und lächelte schüchtern. „Ende des Sommers...“
    „Aber das ist ja wunderbar!“, entfuhr es Cara und sie umarmte Aemilia strahlend, die ob dieser neuerlichen Kehrtwende in Caras Mimik noch irritierter wirkte,
    „Ich dachte schon ihr beide würdet es nie schaffen! Der gute Nero läuft dir ja nun schon auch eine ganze Weile nach. Hat er es also doch geschafft.“ Der Appier war einer der besten Freunde ihres Bruders. Als neugierige kleine Schwester war sie den älteren Jungen oft zum Widerwillen ihres Bruders nachgelaufen und war irgendwann in die Bande hineingewachsen. Dass Nero mit zunehmendem Alter an ihrer Freundin Aemilia interessiert war, hatte Cara rasch bemerkt und war nicht müde geworden, dem jungen Mann zuzureden. Vor allem weil sich auch die Sentia auch stets positiv geäußert hatte, Die beiden waren einfach für einander geschaffen. Der Umstand, dass beide eher zu dem zurückhaltenderen Schlag Mensch gehörten, hatte die Sache nicht unbedingt einfacher gestaltet. Umso mehr freute sich die Iulia nun, dass ihre Bemühungen Früchte getragen hatten.
    „Wann hat er um deine Hand angehalten?“ Auch wenn die Iulia es vor anderen nicht zugab, unterschied sie sich in ihrem Hang für Romantik nicht von anderen Frauen. Umso begieriger war sie jetzt auf jede Einzelheit. Angesichts dieses Zuspruchs öffnete sich nun auch Aemilia. So erregt, dass sich bereits jetzt schon eine zarte Röte auf ihre Wangen stahl, begann sie davon zu erzählen, wie der junge Mann vor einem guten halben Jahr am Vorabend seiner Abreise nach Hispania in einem schweren Sturm zum Hause des Sentius Evenaders gekommen war, um um die Hand seiner Tochter Aemilia anzuhalten. "Keinen einzigen trockenen Faden hatte er mehr am Leib.“ Der alte Sentius hatte natürlich die Stirn gerunzelt und den jungen Mann, dem es trotz seiner kläglichen Erscheinung gelungen war, Haltung zu bewahren, von oben bis unten gemustert und hatte ihn dann in sein officium zitiert. Eine halbe Stunde saßen Mutter und Tochter zusammen mit den anderen Geschwistern bangend im Atrium, ehe die beiden Männer Freude strahlend wieder aufgetaucht waren.
    Cara schmunzelte: „Und warum hat er nicht bis nach seiner Reise gewartet? Was macht er überhaupt in Hispania?“
    „Einer seiner Cousins besitzt dort ein kleines Stück Land mit einem Gut darauf. Leider hat es der gute Mann nicht so sehr mit seinen Finanzen und hat Nero gefragt, ob er ihm nicht ein wenig unter die Arme greifen könnte. Das kann er einem Verwandten nur schlecht ausschlagen – Du kennst Nero. Zudem möchte er ein Import-Export-Geschäft aufbauen. Daher kam es ihm auch Recht“, erklärte Aemilia und jedes Wort war pure Begeisterung, dich sich augenblicklich auf Cara übertrug. Sie genoss es regelrecht ihre Freundin, die sonst eher ruhig und zurückhaltend war, so aufblühen zu sehen. Schon eigenartig, wie die Liebe Menschen verändern kann. „Er sagte dass er eigentlich noch hatte warten wollen. Aber weil er fürchtete, jemand käme ihm in den acht Monaten seiner Abwesenheit – er kommt erst in zwei wieder – jemand könnte ihm zuvor kommen, entschied er sich kurzfristig um.“
    Cara konnte die Beweggründe, die aus einem Kater urplötzlich einen Löwen hatten werden lassen, nachvollziehen. Aemilia war nicht unhübsch und die junge Frau hatte durchaus einige Verehrer, auch wenn sie selbst dafür blind war. Die Sentia ging mit ihrer Schönheit nicht hausieren. Für sie konnte es gar nicht schlicht und unauffällig genug sein, sodass sich Cara an ihrer Seite zuweilen wie ein Paradiesvogel vorgekommen war, weil sie lebendige Farbe gedeckten vorzog. Schon von Natur aus konnte sie gar nicht. Mit ihrer roten Haarpracht, die manch einen irrtümlich auf eine barbarische Herkunft tippen ließ, den tiefblauen Augen und den Sommersprossen, die bei viel Sonne ihre Nase bevölkerten, war sie alles andere als unauffällig zu bezeichnen.
    „Wenn du möchtest, würde ich mich sehr freuen, könnte ich dir bei den Hochzeitsvorbereitungen helfen“, sagte Cara schließlich.
    „Du kannst nicht nur – du musst!“, strahlend ergriff die Sentia Caras Hände und drückte sie. „Du musst es mir versprechen!“


    Noch eine ganze Weile unterhielten sich die beiden über die bevorstehende Hochzeit, aber auch darüber, was sonst noch in Mogontiacum geschehen war. Auch unter ihren anderen Freundinnen hatte es die eine oder andere Vermählung gegeben. Auch wenn sie sich darüber freute, so wunderte sie sich insgeheim doch darüber, wie all die Mädchen, zum Teil sogar noch jünger als sie selbst, so jung heirateten und dann der Meinung sein konnte, die Erfüllung ihres Lebens gefunden zu haben. Selbst Aemilia ordnete sich in ihre Reihen ein. Gab es da nicht noch mehr?
    Es war schon später Nachmittag, als Cara Aemilia zur Tür geleitete.
    „Du kommst dann und bleibst einfach über Nacht. Dann können wir in Ruhe über alles reden“, sagte die Sentia, woraufhin Cara nickte und die Freundin zum Abschied nochmals in die Arme schloss. Mit einem leisen Klicken glitt die Tür ins Schloss. Noch einen Moment lang verharrte die junge Frau im Zwielicht, ein banges Gefühl über dem Herzen, dessen Ursprung sie erst nach einigen Atemzügen zu erfassen mochte: Die Zeit des Wandels war angebrochen.


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    Sentia Aemilia

  • In Rom wäre Macro über die Hügel oder den Markt, vielleicht auch durch die Gassen gegangen, um ungestört sein zu können. In Mogontiacum gab es nur die Miniaturstadt oder das Kastell und beide sprachen ihn nicht an. Hier kannte ihn inzwischen fast jeder und manch einer sprach ihn an. Außerdem musste er für seinen Herrn erreichbar bleiben, auch wenn sich seine Einsätze bestenfalls auf Nebensächlichkeiten beschränkten, seit es jede Menge greifbare Soldaten für Menecrates gab.


    Heute zog es Macro in den Säulengang. Er lehnte sich an den kühlen Marmor und verharrte regungslos, denn er wollte nicht bemerkt werden und Zeit zum Sammeln haben. Sein Blick richtete sich in die Ferne. Bislang vermied er jedes Nachdenken. Er verdrängte die Ereignisse am Vortag so gut es ging und wollte den Blick nach vorne richten.

  • Morigan saß in eine dicke Decke eingehüllt im Garten. Sie hatte zwei stabile Stöcke … ok es waren eher Äste… gefunden, nun bearbeite sie diese mit dem Messer, um daraus Krücken für Linos zu machen.
    Sie hörte ein Geräusch aus Richtung des Säulengangs, sie blickte auf, konnte jedoch niemanden entdecken, so setzte sie ihre Arbeite fort und murmelte vor sich hin.
    „Warum ist das Leben so kompliziert? Warum kann es nicht schwarz und weiß sein? Warum gibt es so viele verschlungene Wege? Der eine meint es nur gut und bringt sich immer in Schwierigkeiten, der andere redet einfach nicht über das was er fühlt. Dabei mag ich sie doch beide. Linos wie ein kleiner Bruder und Marco? Ja Marco was fühle ich eigentlich für ihn? Der Brief hat schon einiges verändert. Sah ich doch in ihm immer den großen Bruder, der mich beschützt… doch seit dem Brief weiß ich selbst nicht … Aber was ist? Da komme ich her und er geht mir aus dem Weg. Es hat schon verdammt wehgetan, dass er mich einfach nicht beachtet hat. Und warum breche ich eigentlich so oft in Tränen aus? Die Jungs denken noch ich bin ne Heulsuse oder schlimmer noch, dass ich Liebeskummer habe. Dabei habe ich Antoninus doch n die Wüste geschickt. Man muss halt einsehen, wenn etwas vorbei ist. ES war ein Traum, aber irgendwann muss man halt der Realität n die Augen schauen. Ach Mansuri, wen du doch hier wärst, dann hätte ich jemanden zum Reden, so muss sich der Stock hier meine Geschichten anhören.“

  • Allein fühlte er sich wohler als zwischen anderen. Die Einsamkeit ermöglichte, dass er zu sich fand. Niemand bedrängte ihn, keiner lenkte ab. Es bedurfte keines Entschlusses, er würde Linos zur Rede stellen und Rechenschaft fordern. Heute noch nicht, vielleicht morgen.
    Der Marmor kühlte seine Haut, fungierte als Stütze und zugleich als Sichtschutz. Die Kühle beruhigte und je länger er stand umso weniger fühlte er die Peinlichkeit der Situation. Von außen betrachtet gab es keinen Grund, sich schlecht zu fühlen. Er hatte nichts Verwerfliches getan, niemand hintergangen oder betrogen. Trotzdem fühlte er sich wie ein Junge, der bei Doktorspielen ertappt wurde. Der Vergleich hinkte zwar, weil verbotene Handlungen längst nicht so peinlich wie ungewollt offengelegte Empfindungen waren. Macro atmete tief durch, dann hörte er plötzlich Schnitzgeräusche.
    Er neigte den Kopf, um die Quelle zu orten, da erblickte er sie. Zu weit weg, um zu verstehen, was sie murmelte, aber nah genug, um zu erkennen, was sie tat. Er schüttelte den Kopf, denn es wäre seine Aufgabe gewesen, sich um Linos‘ Krücken zu kümmern. Allerdings konnte er sich gestern nicht mehr dazu überwinden. Ob sie wohl brauchbare Krücken herstellen konnte? Ein Mundwinkel hob sich zu einem Lächeln, denn er glaubte, es zu wissen. Widerstreitende Gefühlte rührten sich in ihm. Ein Teil fürchtete sich vor einer Konfrontation, der andere forderte nach Wissen. Hören, was er eigentlich nicht hören wollte, aber gleichzeitig wissen musste. Der innere Streit produzierte ein Hämmern im Brustkorb. Adrenalin gelangte in Blut und Adern.


    Aufgeputscht durch das Hormon trat er aus dem Säulenschatten, ohne es bewusst zu steuern. Die Ungewissheit errang den Sieg über den Fluchtgedanken und führte ihn zum Garten. Er blieb in einer Entfernung von mehreren Schritten hinter ihr stehen - bereit, sich jederzeit umzudrehen und zu gehen. Seine Stimme klang ungewohnt leise, als er Morrigan ansprach.


    "Was stand in diesem Brief?"

  • Morrigan fuhr zusammen, als sie hinter sich die Stimmer vernahm. Sie fuhr herum.
    „Macro! Du kannst dich doch nicht so anschleichen.“ Schon war der Schreck überwunden und sie lachte ihn an. Eigentlich konnte sie den Brief jetzt unter ihrer Tunika hervorzaubern und ihn vorlesen, oder ihn aufsagen, denn sie kannte jedes Wort auswendig, so oft wie sie den Brief inzwischen gelesen hat.
    „Hm es stand drin das du mich vermisst und mich beschützen würdest vor allem Bösen und so. Weißt du… vielleicht habe ich ja was hineingelesen, was gar nicht darin stand. Vielleicht habe ich mir nur gewünscht etwas herauszulesen, was da gar nicht stand.“ Das Linos ihr noch drunter geschrieben hatte, das Macros Herz sich für sie entflammt hatte, ließ sie einfach weg. Vielleicht war es ja gar nicht so, oder es war nicht mehr so, oder Linos hatte sich einfach getäuscht.
    „Es tut mir leid, dass ich dich damit so überfallen habe. Ich habe mir bestimmt nur was eingebildet. Es tut mir leid.“ Morrigan schaut wieder auf die beiden Stöcke und schnitzte weiter. „Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel. Und geh nicht zu hart mit Linos ins Gericht, er wird es eh nicht leicht haben in nächster Zeit, da kann er Freunde gut gebrauchen.“
    Ihr brannte zwar immer noch die Frage auf der Zunge, warum Marco ihr aus dem Weg gegangen war, aber sie ließ die Worte unausgesprochen.

  • Morrigans erste Reaktion auf Macros Frage war ein Vorwurf, der aber nicht ernst bei ihm ankam. Selbst wenn er ernst gemeint gewesen wäre, sein Augenmerk lag auf der Antwort, die er angespannt erwartete. Als sie kam, sog er jedes Wort auf, prüfte es und stand vor einem Rätsel. Seine Vermutung, Linos könne ihn reingelegt haben, bewahrheitete sich nicht. Jedes Wort, von dem Morrigan berichtete, hatte er ihm diktiert. Erleichterung machte sich in ihm breit und wirkte noch, als Morrigan zugab, mehr aus den Zeilen herausgelesen zu haben. Dann jedoch schlug sein Gewissen zu. Er blies angestrengt die Luft aus, bevor er antwortete.


    "Nicht so schlimm, Morrigan. Das hätte mir auch passieren können." Autsch, dachte Macro innerlich, aber zu spät, der Satz war raus. Wie dumm war er eigentlich? Wie konnte er das nur zugeben! Die Erleichterung machte ihn offensichtlich fahrlässig, daher riss er sich innerlich zusammen, bevor er weitersprach.


    "Ich bin ein Idiot. Linos' Gesundheit ist angegriffen und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihn zu verdächtigen. Ich muss mich entschuldigen gehen." Er klang zerknirscht. Das schlechte Gewissen ließ ihn umdrehen, denn er wollte so schnell es ging den Kameraden aufsuchen. Was war das alles nur für ein Schlamassel. Macro führte die augenblicklichen Katastrophen auf seinen veränderten Zustand zurück, denn zu keiner Zeit sonst gab es so viele Komplikationen und Missverständnisse um ihn herum. Und er hinterfragte nicht, ob Linos' Verhalten bei der Befragung zu der Annahme passte, Morrigan habe die harmlosen Zeilen fehlinterpretiert.

  • Bereits nach wenigen Schritten erreichte die Gruppe mit Taria in der Mitte eine Befestigung. Die Wachen am Tor salutierten als sie das Tor passierten. Wenn Menecrates der Stratege war, war das zu erwarten. Hinter dem Tor waren links und rechts einer Straße Baracken aufgestellt. Es wimmelte hier von Soldaten. Eisen glitzerte in der Sonne, Stimmen überall. War das Menecrates` Heer? Sicher. Vorbei an Werkstätten und Lagerhäusern führte die Straße auf ein riesiges Gebäude zu. Der säulengetragene Eingang des Gebäudes wurde wieder von Wachen flankiert, die, als Menecrates sich näherte, Haltung annahmen. Durch einen nur zwei Schritte messenden Vorraum, der links und rechts des Ganges von je einer Statue geschmückt wurde, trat die Gruppe hinaus auf einen Säulengang. Dieser führte um einen Garten herum, der Taria in Staunen versetzte. Nunja, auch daheim gab es Perystile, aber das hier war schon etwas Besonderes. Zum einen war es riesig. Um ein Wasserbecken im Zentrum des Lichthofes gruppierten sich ihr unbekannte, sicher einheimische und nach Höhe gestaffelte Pflanzen. In den Ecken des Lichthofes stand je eine Statue, die mit Tritonshörnern versehen, wohl Najaden darstellten. In zwei gegenüberliegenden Ecken gruppierten sich steinerne Bänke um Tische mit mosaikgeschmückten Platten. Durchzogen wurde der Innenhof von einigen gewundenen, mit Steinen gepflasterten Wegen.
    Der Säulengang zog sich um diesen Hof herum. Taria erkannte Durchgänge und Fenster links und rechts in den Wänden. Die gegenüberliegende Wand schien fensterlos, nur eine Tür war zu erkennen. Die Säulen entlang des Ganges trugen verschiedene Kapitelle. Einige davon, die auch einen schon ziemlich verschlissenen Eindruck machten, hätten dabei sogar aus Griechenland stammen können.


    Taria verhielt ihre Schritte, als sie fühlte, wie Morrigan ihren Arm griff.

  • Die Strecke vom Sklavenmarkt zum Castellum schmolt schneller als gedacht.


    "Hast du ihr alles erklärt, was ich vorhin aufgezählt habe?" Menecrates sah Morrigan fragend an, bevor er sich Taria zuwandte.


    "Bis auf weiteres verlässt du nicht alleine das Lager, nur in Begleitung und nur mit meiner Kenntnis. Ein An- und Abmelden am Tor betrachte ich als selbstverständlich." Es blieb abzuwarten, von welchem Charakter die neue Sklavin war und wie locker er die Zügel einmal lassen konnte.
    "Wo liegen eigentlich deine besonderen Fähigkeiten?"

  • Morrigan nickte Menecrates zustimmend zu. "Ja Menecrates, das habe ich. Und nur das." An Taira gerichtet fragte sie: "Durch das Tor gehst Du nur, wenn Menecrates es erlaubt und nie allein. Klar? Was kannst Du alles?"


    Taira fragte sich, was Menecrates jetzt wohl wissen wollte. Sie sollte im Haushalt hilfreich sein. Also antwortete sie: "Ich kann alles, was in Haus und Küche nötig ist, Herr."


    Morrigan schien mit dieser Antwort unzufrieden. Zu Menecrates sagte sie: "Sie sagt, dass sie Hausarbeiten verrichten kann." Und zu Taira: "Das kann jeder, was noch?"


    "Ich kann Griechisch lesen und schreiben, etwas Demotisch ebenso. Lateinisch nur Lesen. Ausserdem hatte ich Unterricht in Rechnen, Musik und Astronomie. Dann noch in den Mythen und ich musste meinem Vater, der Arzt war, bei seinen Patienten zur Hand gehen und die Riten des Tempels befolgen"


    "Hmm, besser." Diesmal schien Morrigan erfahren zu haben, was sie wissen wollte. Zu Menecrates sagte sie: "Griechisch und Demotisch kann sie lesen und schreiben. Lateinisch zumindest lesen ohne es zu verstehen. Ausserdem Rechnen und Sternenkunde. Und Musizieren wohl auch. Und irgendwelche mystische Tempelriten. Ihr Vater war anscheinend Arzt und sie musste ihm helfen."

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