An der Küste ein paar Meilen östlich von Alexandria

  • Nachdem ich an einem abgelegenen und einsamen Küstenabschnitt östlich von Alexandria angekommen war, stellte ich die Kanne mit dem Wasser rechts von mir in den Sand, legte mein Schwert links von mir in den Sand und ließ mich im Lotussitz nieder. Dann legte ich das Sutra vor mich in den Sand und begann es zu lesen. Ich schaffte es gerade noch, im letzten Restlicht der Dämmerung das Sutra zu Ende zu lesen. Danach setzte ich mich gerade hin und begann zu meditieren.
    "Gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi - svaha! Gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi - svaha. Gate, gate, paragate, parasamgate, bodhi - svaha."
    Ich sah in die Dunkelheit vor mir und konzentrierte mich auf meinen Atemrythmus. Die Gedanken flossen durch meinen Kopf. Meine Unhöflichkeit dem Strategen Cleonymus gegenüber. Meine Unhöflichkeit der Torwache gegenüber. Meine Unhöflichkeit Iunia Axilla gegenüber. Meine Arroganz. Meine Gnadenlosigkeit in Han. Die Todesurteile, die ich ausgesprochen hatte. Alles das ließ mich an mir zweifeln. Mir wurde klar, dass ich loslassen musste. Ich musste mich meines Selbst entäußern. Waran hielt ich fest? Ich trauerte der Macht nach, die ich in Han besessen hatte. Ich spürte mein Verlangen nach Macht. Ich musste dieses Verlangen loswerden. Ich durfte an nichts festhalten, durfte keine Bindungen besitzen. Ich durfte nicht mehr Marcus Achilleos sein. Ich durfte auch nicht mehr Zixi De sein. Ich musste meine Vergangenheit hinter mir lassen!

  • Nach einiger Zeit spürte ich meine Beine nicht mehr. Ich musste schon ein paar Stunden hier sitzen. Durch die tiefe Meditation hatte ich von meiner Umgebung kaum noch etwas bewusst wahrgenommen. Selbst das ständige Rauschen der Brandung hatte ich, wenn überhaupt, nur noch unbewusst wahrgenommen. Ich legte mich auf den Rücken, um die Beine zu strecken und zu bewegen, damit ich wieder Gefühl in sie bekam. Dabei musste ich zwangsläufig auf den Sternenhimmel blicken. Ich war immer wieder erstaunt, wie schön doch die funkelnden Sterne waren und wie viele von ihnen am Firmament hingen. Ein kurzes Lächeln huschte mir übers Gesicht, das aber sofort aufhörte, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss. "Unbedeutend! Das alles ist völlig unbedeutend!" Dafür kam mit dem Gefühl vor allem eins in meine Beine: Schmerz. Doch auch der war unbedeutend.
    Nachdem ich eine ganze Weile mit meinen Beinen gewackelt hatte, gehorchten sie meinen Befehlen und ich stand auf, um einige Schritte zu gehen. Mein Schwert hob ich zur Sicherheit auf, man konnte ja nie wissen, wer einem so alles bei Nacht begegnete - von wilden Tieren mal ganz zu schweigen. Aber hier war nichts. Der Strand war ruhig.
    Ich ging hundert Schritte in die eine Richtung und dann hundert Schritte wieder zurück. Dann setzte ich mich wieder im Lotussitz hin und meditierte weiter.
    Nach ein paar weiteren Stunden wiederholte ich die Prozedur. Danach hielt meine Meditation an, bis ich von der aufgehenden Sonne abgelenkt wurde. Ich stand mühsam auf. Meinem Kreislauf hatten die langen Meditationsphasen und der Schlafmangel ganz schön zugesetzt, was ich daran merkte, dass mir ganz leicht schwindelig war. Ich betrachtete den Glutofen, der sich schnell im Osten erhob. Als ich mich wieder setzte, öffnete ich die Kanne und trank einen Schluck Wasser. Immerhin hatte ich die ganze Nacht nichts getrunken. Meine Beine hatte ich ausgestreckt und sah auf das Meer. Im Sand vor mir bemerkte ich einen Skorpion, der am Strand scheinbar nach Nahrung suchte.
    "Guten Morgen, kleiner Freund," sagte ich leise und sanft und schenkte dem Krabbeltier ein freundliches Lächeln. War ich verrückt geworden? Den Skorpion kümmerte das wenig. Er krabbelte weiter den Strand entlang. Ich beschloss, ein wenig über diese Begegnung zu meditieren und setzte mich wieder in den Lotussitz.

  • Ich stapfte durch den Sand und hinterließ dabei deutliche Fußspuren, die allerdings nach kurzer Zeit von den kleinen Wellen des Meeres wieder verwischt wurden.
    Obwohl es ziemlich heiß und schwül um diese Tageszeit war, zog ich meinen Mantel samt Kapuze enger um meinen Körper, damit ich in meiner Uniform nicht erkannt werden konnte.
    Während ich also den Strand entlang ging, überprüfte ich nochmals meine Ausrüstung um sicherzugehen, dass alles an seinem Platz war.
    Schließlich konnte ich nicht riskieren, dass der Auftrag aufgrund eines fehlenden Ausrüstungsstückes fehlschlug!
    Zufrieden lächelnd ging ich weiter, als ich feststellte das alles da war und schaute kurz übers Meer.
    Germanien.....wie lange war es wohl schon her?
    Ich zog mich wieder in die Gegenwart, bevor ich noch zu sehr in die Vergangenheit abtrieftete und meinte, kurz eine Gestalt auf einer der Dünen links von mir gesehen zu haben.
    Ich schüttelte kurz den Kopf, dass ging nun schon seit ich das Castellum verlassen hatte so!
    Aber wenn der Optio meinte, dass ich jemanden bräuchte, der mich bei meinen Auftrag überwachen müsste, dann war es halt so.
    Solange dieser Gracchus mir nicht in die Quere kam, war alles in Ordnung.
    Ich bestieg gerade die Spitze einer der hier unzähligen Dünen und wischte mir den Schweiß von der Stirn, als ich eine Person weiter vor mir warnahm!
    Könnte er das sein?
    Um es endgültig sagen zu können, musste ich näher ran gehen.
    Ich zog also meinen grauen Mantel enger um mich und verschmolz so mit dem Sand der Umgebung.
    Langsam näherte ich mich von hinten der besagten Person, sie war noch ungefähr 100 Schritte entfernt und schien gerade in etwas vertieft zu seien.
    In der unmittelbaren Umgebung der Person wuchsen einige Johannisbrotbäume, es schien eine kleine Oase zu sein.
    Auch einige Sträuche waren dort zu finden, ideal um sich zu verstecken!
    Ich schlich mich also näher ran und suchte mir Deckung bei einigen zusammenstehenden Sträuchen, anschließend nahm ich die besagte Person in Augenschein.
    In der Tat, es war die Zielperson von der der Optio gesprochen hat.
    Der Typ, mit dem ich am Tor zum Königsviertel von Alexandria gesprochen hatte!
    Wie hieß er eigentlich? Das war wohl das naheliegenste, was ich über ihn zuerst herausfinden sollte.
    Ich kroch etwas näher heran, um ihn belauschen zu können.........

  • So langsam wurde mir die Sonne zu warm. Also stand ich auf, nahm Kanne, Schwert und Sutra und ging in den Schatten eines Johannisbrotbaumes. Dass jemand ganz in meiner Nähe war, bemerkte ich nicht.
    Im Schatten des Baumes war es schon viel angenehmer. Ich nahm einen kleinen Schluck Wasser, bevor ich mein "Gepäck" neben den Baumstamm stellte. Das Schwert lehnte ich dabei aufrecht an den Stamm, so dass ich es im Zweifelsfall schnell greifen konnte. Einen Moment lang überlegte ich, mich hinzusetzen, doch dann hielt ich es für besser, meinem Körper etwas Bewegung zu geben.
    Ich stellte mich stabil hin und atmete, wobei ich das Chi durch einen Körper strömen ließ. Dann begann ich, mit langsamen, fließenden Bewegungen Schläge und Tritte zu üben, wobei ich stets auch auf die Beinarbeit achtete. In zehnfacher Geschwindigkeit ausgeführt, wären es gefährliche Fauststöße, Handkantenschläge, Abwehrschläge und Tritte. Aber das war nicht Sinn der Übung. Sinn der Übung war es, das Chi durch meinen Körper fließen zu lassen. Und so sah es aus, als würde ich in Zeitlupe gegen unsichtbare Gegner kämpfen. Gleichzeitig sahen diese ineinander fließenden Bewegungen auch sehr elegant aus, fast wie ein Tanz.
    Ich übte fast zwei Stunden lang, nur unterbrochen durch einen Schluck Wasser, den ich hin und wieder aus der Kanne nahm.

  • Ich beobachtete ihn nun schon seit einigen Stunden, doch er schien keine Anstallten zu machen, zurück nach Alexandria zu gehen.


    Stattdessen übte er einige Bewegungen und machte zwischendurch einige kurze Pausen. Dies schien nun noch eine ganze Weile so weiter zu gehen, doch ich hatte ja Zeit.


    Denn ohne nennenswerte Ergebnisse würde ich nicht wieder abziehen!


    Allerdings hatte ich noch einen Plan B, falls die einfache Observation nichts erbringen würde. Doch in der Ruhe und Geduld, liegt ja bekanntlich die Kraft.

  • Dem Gewicht nach zu urteilen war die Kanne halb leer und den Temperaturen nach war die Sonne schon fast auf ihrem höchsten Stand. Da ich nun seit fast 24 Stunden nichts mehr gegessen und eigentlich zu wenig getrunken hatte, beschloss ich, dass es an der Zeit wäre, zurück nach Alexandria zu gehen. Doch etwas musste ich noch ausprobieren. Ich warf die Kanne hoch in die Luft und als sie wieder herunter fiel trat ich nach ihr, als sie auf der Höhe meines Kopfes war. Mit einem lauten Scheppern zersprang sie in Scherben und setzte das restliche Wasser in Form lauter kleiner Tropfen frei, als mein Fuss sie traf.
    Wirklich erfrischend waren die Tropfen nicht, das hatte ich mir anders vorgestellt. Aber meine Kampftechnik war immer noch gut. Ich sammelte das Sutra und das Schwert auf und ging nach Alexandria.

  • Ich war schon fast in einen Wachschlaf verfallen :D, als es plötzlich ein lautes Scheppern gab und hunderte von Scherben durch die Luft flogen.


    Was sollte das denn nun werden?
    Hatt ich es etwa mit jemanden zu tun, der nicht so ganz richtig im Kopf war?
    Am Tor hatter er allerdings einen vernünftigen Eindruck gemacht!


    Nunja was solls, zumindest schien es so, dass er nun genug hatte und sich auf den Heimweg in Richtung Alexandria machte.


    Ich wartete, bis er einige 100 Meter von mir entfernt war und folgte ihm dann mit gebührenden Abstand.


    In der Entfernung konnte ich ihn noch verschwommen warnehmen.

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