Treffpunkt "Rettungsanker"

  • Aus gegebenem Anlass eröffnet in den nächsten Tagen ein neuer Treffpunkt in Ostia seine Pforten.




    Hier entsteht eine Einrichtung, die Anlaufstelle für einsame Herzen sein soll.


    Solche, deren Liebste oder Liebster weit weg weilen


    oder solche, deren Liebste oder Liebster den anderen vernachlässigt


    und auch solche, die verlassen wurden,


    solche, die Gleichgesinnte zum Reden brauchen


    und auch solche, die einfach nur neue Menschen kennen lernen wollen.




    Dies ist eine Initiative der Magistrata der Stadt.

  • Auf dem Weg zur Curia kam ich an der Baustelle zum neuen Treffpunkt in Ostia vorbei. Und wollte nach dem Rechten sehen. Obwohl ich einen anderen Weg nahm, begegnete mir der Fremden vom Hafen wieder.


    „So trifft man sich wieder“, begrüßte ich ihn und an die Bauarbeiter gewandt: „Wann wird der Rohbau fertig gestellt sein?“

  • „Es wird die Magistrata freuen, wenn schon vor der Eröffnung Interesse an dieser Einrichtung besteht, allerdings ... es wird noch etwas dauern, bis der Betrieb eröffnen kann.“


    Ich beugte mich zu dem Arbeiter, der mir etwas ins Ohr flüsterte. Zufrieden nickend richtete ich mich wieder auf.


    „Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Es ist sogar mit einer verstärkenden Handwerkerkolonne zu rechnen.“


    Ich musste grinsen.


    „Deandra, die Magistrata, hat eine hilfsbereite Ader. Vermutlich würde sie selbst in der Curia bei privatem Sorgen aushelfen, wenn diese gar zu sehr brennen.“

  • In rasender Schnelle war der Rohbau fertig gestellt worden und die Innenarbeiten gingen ebenfall in fliegender Eile voran. Es sah ganz danach aus, als würde der Treffpunkt pünktlich seine Pforten öffnen. Es wurde Zeit, sich um die Inneneinrichtung zu kümmern.


    Ich nahm Maß, schrieb mir die Werte auf und machte mich auf den Weg zu einem Tischler.

  • Ich drückte die Tür zum „Rettungsanker“ auf und staunte nicht schlecht. Die Innenarbeiten waren so gut wie abgeschlossen und sogar viele der georderten Möbel standen bereits an Ort und Stelle. Ich trat ein und drehte mich zu Mia um.


    „Falls dir irgendwann dein Herz schwer ist, kannst auch du diesen Ort aufsuchen und in Gesprächen mit anderen Betroffenen Erleichterung finden. Als Sklavin der Gens Aurelia und ich bin mir sicher, Deandra wird dich noch gut einkleiden, hast auch du hier freien Zugang.“


    Forschend glitten meine Augen über das Gesicht von Mia.

  • Mein Herz schwer. Das war immer schwer, besonders, wenn ich an es dachte. Und ja sicher, einer Sklavin würde man ja auch zuhören. Aber sicher doch. Er musste doch wissen, dass man als Sklavin nichts wert war.
    Ja, freien Zugang würde ich haben, um zu dienen, wozu denn sonst.
    Mein gesicht wurde während der Worte verschlossen und ein leicht bitterer Zug, den ich nicht ganz verbergen konnte, umspielte meine Lippen.

  • Ich verstand nicht was in ihr vorging, aber etwas wenig Erfreuliches musste es sein. Der Ausdruck in ihrem Gesicht wurde hart und stand in einem sonderbaren Kontrast zu ihren sanften Zügen. Die Veränderung berührte mich auf gewisse Art.


    Zögerlich hob ich meine Hand und berührte sie an der Stirn. Sanft glitt ich über ihre Schläfen bis zum Kinn hinab. Angestrengt versuchte ich in ihren Augen zu lesen.

  • Erschrocken wollte ich erst zurückweichen. Fast schon Angst war plötzlich in meinem Gesicht zu sehen, aber ich schalt mich eilends und versuchte wieder neutral zu wirken, oder so wie immer.
    Ich hatte mit einer Menge gerechnet, aber nicht... nicht damit. Ich schluckte und erwiderte den Blick. Angst,Trauer, Resignation, Hoffnung und zugleich zerstörte Hoffnung und so vieles mehr durchströmten mich innerhalb dieser Sekunden, doch dann versuchte ich meinen Kopf wegzudrehen, denn ich spürte, wie Tränen aufsteigen wollten. Aber ich ließ Tränen schon lange nicht mehr zu.
    Ich durfte es nicht.

  • "Mehr als zuvor glaube ich, dass du mit deinen Problemen genau in diese Stätte gehörst. Ich werde mit Deandra sprechen. Mir kommt gerade so eine Idee und noch ist es nicht zu spät für Umbaumaßnahmen.“


    Entschlossen lief ich durch den großen Raum und erkundete die angrenzenden Zimmer. Ganz klar, dass sich Adlige auch hier von den einfachen Bürgern abgrenzen und separate Winkel beanspruchen würden. Was Mia betraf: An ihrer Stirn stand nicht dran, dass sie Sklavin war und an ihrer Kleidung würde man sie als solche nicht erkennen, wenn Deandra sie erst einmal eingekleidet hatte. Eine Sklavin aus dem Hause Aurelia konnte gut und gerne mit so mancher Bürgerlichen rein äußerlich mithalten.


    Ich ging wieder zu Mia zurück und blieb dicht vor ihr stehen. Aufmerksam betrachtete ich ihre Augen.

  • Ich wollte antworten, als er auch schon ging. Und was hätte ich antworten sollen? Ja, was...
    Während er durch die Gegend lief, verfiel ich ins Grübeln und als er wieder da war und wieder meinen Blick suchte, sah ich ihn an und sagte leise:
    "Ich habe keine Probleme!"
    Es war eine Lüge, klar, aber ich war Sklavin. Man hatte mir die letzten Jahre das so oft eingebläut und so oft eingebläut, dass ich nichts weiter als die Anweisungen meiner Herren war, dass ich es manchmal schon selber geglaubt hatte. Und manchmal sagte ich es mir selber um meine Gefühle zu unterdrücken und mich selber zu vergessen.
    Aber dieses Vergessen hielt nie lange an. Ich wand meinen Blick wieder ab und starrte an die gegenüberliegende Wand. Meine Schultern verspannten sich und ich merkte nicht, wie ich sie hochzog und leicht zitterte.
    Was wollte er nur von mir. Warum behandelte er mich so? Warum war er nicht wie die anderen, von denen ich immer wusste, was kam: Erniedrigung, Schläge und all das andere.
    Warum verwirrte er mich so?

  • Für wie blind hielt sie mich eigentlich? Zwar würde ich mich nie als Frauenkenner bezeichnen, aber durch meine Arbeit mit Pferden war mein Blick selbst für kleinste Anzeichen von Gemütsveränderungen geschult. Pferde waren mit Abstand noch schwieriger zu durchschauen als sie.


    Musternd glitten meine Augen wieder über ihre Gestalt. Ich war unschlüssig in dem, was ich tun sollte. Ihr Zittern und ihre Unsicherheit irritierten mich. Ich schüttelte kurz den Kopf, sah zur Seite und sie danach wieder an.


    „Das sehe ich anders, aber gut, wenn du nicht willst“, sagte ich schließlich und wandte mich wieder den hantierenden Handwerkern zu.

  • "Ich...."
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ob ich überhaupt was sagen sollte. Ein Teil von mir war sich sicher mit ihm reden zu können, aber der Größere hatte Angst.
    "Ich hab Angst," kam es dann, fast völlig gegen meinen Willen über meine Lippen.

  • Ich unterbrach den bereits angefangen Satz, der an den Tischler gerichtet gewesen war und drehte mich um. Wieder ging ich die wenigen Schritte auf sie zu. Ich musterte sie erneut und kniff meine Augen zusammen.


    „Was hast du gerade gesagt?“

  • Ich stand vor ihm uns starrte zu Boden. Hatte ich wirklich eben das gesagt? Und jetzt wollte er das auch noch einmal hören. Mir war bei dem Gedanken übel und doch, vielleicht?
    Die Sekunden verrannen und ich konnte mich nicht entscheiden und doch, wieder schien der andere Teil von mir zu gewinnen.
    "Ich habe Angst," kam es fast genauso tonlos wie eben über meine Lippen, ohne ihn anzusehen.

  • Ich hatte vorhin genau verstanden, was sie gesagt hatte und rechnete ihr jetzt hoch an, dass sie ihre Worte wahrheitsgemäß wiederholte.


    Mein prüfender Blick verschwand und machte einem wohlwollenden Ausdruck in meinen Augen Platz. Ich nahm ihr Kinn und drehte ihren Kopf so, dass sie nicht mehr an mir vorbeisehen konnte.


    „Warum, bei den Göttern, hast du Angst? Doch nicht etwa vor mir?“ Verwundert blickte ich sie an.

  • Was sollte ich jetzt dazu sagen? Ja, auch vor ihm, irgendwie und doch wieder nicht. Ich sah ihn an, sah seine Augen und meine schimmerten leicht feucht. Was tat ich hier nur und was war mit mir los?
    Eigentlich wusste ich es. Er hatte mich in den letzten Tagen besser behandelt als ich die letzten acht Jahre auch nur einmal behandelt worden war. Und das kratzte nun an dem Schutzwall, den ich in all der Zeit aufgebaut hatte. Ich kam mit allem klar, aber sein Verhalten mir gegenüber, auch das von Aurelia Deandra, waren etwas, was ich einfach nicht mehr gewohnt war und was mich nicht nur irritierte, sondern mir auch Angst bereitete.
    "Auch," sagte ich leise und eine einzelne Träne rann meine Wange langsam hinunter.

  • Verwundert nahm ich meinen Kopf ein Stück zurück. Ich war verwirrt. Es bestand überhaupt kein Grund, vor mir Angst zu haben und dann auch noch die Tränen…
    Das alles überstieg derzeit meine Möglichkeit zu helfen. Ich ließ ihr Gesicht los und ging wieder auf den Handwerker zu. Geschäftig redete ich mit ihm. Mir war klar, ich floh vor ihren Tränen…

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